TE OGH 1998/9/10 6Ob105/98d

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Veröffentlicht am 10.09.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei Dietmar Z*****, vertreten durch Dr. Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte und widerklagende Partei Michael W*****, vertreten durch Dr. Dieter Sima, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 821.002,53 S und Feststellung (24 Cg 192/94f) und 175.000 S und Feststellung (24 Cg 210/95d), infolge der Revision der klagenden und widerbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1998, GZ 5 R 192/97p-61, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5. August 1997, GZ 24 Cg 192/94f-56, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende und widerbeklagte Partei hat der beklagten und widerklagenden Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Nach den unstrittigen Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Beklagte (und Widerkläger) bei einer Fahrt mit dem Kläger (und Widerbeklagten) ein von seiner im Prostitutionsgewerbe tätigen Lebensgefährtin gekauftes Schrotgewehr (eine sogenannte "Pump-Gun") mitgeführt. Der Beklagte saß am Beifahrersitz, der Kläger lenkte das Fahrzeug. Bei einem Halt vor einer Ampel wollte der Beklagte aus dem Auto einen Schuß abgeben. Der Kläger forderte ihn auf, dies zu unterlassen. Bei der folgenden Anfahrbewegung löste sich ein Schuß, der den Kläger im Gesicht traf. Er erlitt ua Frakturen im Unter- und Oberkiefer, Schroteinsprengungen im Schädel- und Halsbereich sowie im rechten Auge. Der Beklagte wurde im Strafverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.

Der Kläger begehrt Schmerzengeld, eine Verunstaltungsentschädigung, den Ersatz von Kleiderschäden und Verdienstentgang sowie die Feststellunng der Haftung des Beklagten für künftige Schäden. Der Unfall sei allein auf das unsachgemäße Hantieren des Beklagten mit der Waffe zurückzuführen. Der Beklagte erhob den Einwand eines Mitverschuldens des Klägers von 50 % und begehrt mit seiner Widerklage ein Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung des Klägers für künftige Schäden. Der Kläger hätte den Beklagten nicht mit der geladenen Waffe in das Fahrzeug einsteigen lassen dürfen.

Das Erstgericht gab der Klage und der Widerklage teilweise statt und nahm ein Mitverschulden des Klägers von 40 % deswegen an, weil ihm sowohl die Gefährlichkeit der Waffe als auch der Umstand bekannt hätte sein müssen, daß der Beklagte zum Führen der Waffe nicht berechtigt gewesen sei. Dieser sei am Unfallstag erheblich alkoholisiert gewesen, was dem Kläger ebenfalls hätte auffallen müssen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und führte zum Verschulden des Klägers im wesentlichen folgendes aus:

Nach der zum Zeitpunkt des Unfalls geltenden Rechtslage hätte es zum Führen der Waffe eines Waffenscheins bedurft. Der Umstand, daß der Beklagte über einen solchen nicht verfügt habe, habe dem Kläger aber nicht bekannt sein müssen. Dem Kläger hätte jedenfalls die Gefährlichkeit der Waffe bekannt sein müssen. Es komme nicht darauf an, ob es sich bei der Waffe um eine verbotene nach dem § 11 WaffenG handle. Auch nicht verbotene Waffen seien gefährlich. Es sei daher zu klären, welches Mitverschulden ein nach dem Genuß von vier großen Bier alkoholisierter Kraftfahrzeuglenker habe, wenn er seinem Zechkumpanen, mit dem er zuvor sieben Stunden in verschiedenen Lokalen gezecht habe, gestatte, mit einem geladenen Schrotgewehr auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Bei Berücksichtigung der Umstände der Sperrigkeit der Waffe, der Alkoholisierung und der damit einhergehenden Ungeschicklichkeit und Enthemmung des Waffenträgers, erweise sich die Duldung der Mitnahme der Waffe als auffallende Sorglosigkeit. Die Verschuldensaufteilung von 3 : 2 zu Lasten des Beklagten sei im Ergebnis zu billigen.Nach der zum Zeitpunkt des Unfalls geltenden Rechtslage hätte es zum Führen der Waffe eines Waffenscheins bedurft. Der Umstand, daß der Beklagte über einen solchen nicht verfügt habe, habe dem Kläger aber nicht bekannt sein müssen. Dem Kläger hätte jedenfalls die Gefährlichkeit der Waffe bekannt sein müssen. Es komme nicht darauf an, ob es sich bei der Waffe um eine verbotene nach dem Paragraph 11, WaffenG handle. Auch nicht verbotene Waffen seien gefährlich. Es sei daher zu klären, welches Mitverschulden ein nach dem Genuß von vier großen Bier alkoholisierter Kraftfahrzeuglenker habe, wenn er seinem Zechkumpanen, mit dem er zuvor sieben Stunden in verschiedenen Lokalen gezecht habe, gestatte, mit einem geladenen Schrotgewehr auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen. Bei Berücksichtigung der Umstände der Sperrigkeit der Waffe, der Alkoholisierung und der damit einhergehenden Ungeschicklichkeit und Enthemmung des Waffenträgers, erweise sich die Duldung der Mitnahme der Waffe als auffallende Sorglosigkeit. Die Verschuldensaufteilung von 3 : 2 zu Lasten des Beklagten sei im Ergebnis zu billigen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes im Verfahren über die Widerklage 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und daß in beiden Verfahren die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Der Kläger erhob eine außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß der Klage mit Ausnahme des vom Berufungsgericht zurückgewiesenen Teilbegehrens von 400 S zur Gänze stattgegeben und die Widerklage zur Gänze abgewiesen werde.

In dem vom Obersten Gerichtshof veranlaßten Zwischenverfahren änderte das Berufungsgericht seinen Zulässigkeitsausspruch mit Beschluß vom 28. 5. 1998 dahin ab, daß im Verfahren über die Widerklage die ordentliche Revision für zulässig erklärt wurde.

In prozessualer Hinsicht ist auszuführen, daß aufgrund der Rechtslage nach der WGN 1997 (der Entscheidungszeitpunkt zweiter Instanz liegt nach dem Inkrafttreten dieser Novelle) die in einem Schriftsatz erhobene Revision hinsichtlich der Entscheidung über die Klage aufgrund des 260.000 S übersteigenden Streitwerts eine außerordentliche Revision ist, hinsichtlich der Entscheidung über die Widerklage aber eine nun vom Berufungsgericht für zulässig erklärte ordentliche Revision. An diesen Zulässigkeitsausspruch ist der Oberste Gerichtshof allerdings nicht gebunden.

Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, daß die Widerklage abgewiesen werde.

Mit der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte die Zurückweisung der ordentlichen Revision als unzulässig; hilfsweise wird beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision des Klägers ist zur Gänze (also auch hinsichtlich der Entscheidung über die Widerklage) unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht bejahte ein Mitverschulden des Klägers mit dem Argument, daß die beiden Beteiligten beim Unfall alkoholisiert gewesen seien. Der Kläger hätte Zweifel über die sichere Handhabung einer an sich gefährlichen Waffe haben müssen. Eine Schußwaffe in den Händen eines Alkoholisierten sei gefährlich. Dem hält der Revisionswerber entgegen, daß der festgestellte Konsum von drei bis vier Krügeln Bier durch den Kläger noch nicht den Vorwurf der Alkoholisierung rechtfertige, vor allem aber, daß sich der Beklagte auf eine Alkoholisierung (des Klägers) gar nicht berufen habe. Dies trifft zu, entscheidungswesentlich ist aber vor allem die Feststellung einer erkennbaren Alkoholisierung des Beklagten. Diese Feststellung wird vom Kläger aber gerade nicht als "überschießend" und damit allenfalls unverwertbar gerügt.

Das Erstgericht hat einen Konsum des Beklagten (vor den Augen des Klägers) von ca "sieben großen Bier" festgestellt, was der Kläger nicht bekämpft. Wohl hat der Beklagte den Mitverschuldenseinwand auf die Erkennbarkeit und Gefährlichkeit seiner Alkoholisierung im Zusammenhang mit dem Führen des Gewehrs im Auto konkret nicht gestützt, er hat sich aber ganz allgemein darauf berufen, daß der Kläger das Führen der Waffe im Auto als gefährlich zu untersagen gehabt hätte, sodaß die festgestellten näheren Umstände, woraus sich die besondere Gefährlichkeit oder die Ungefährlichkeit ergibt, durchaus entscheidungswesentlich sind. Da sich der Beklagte zur Gefährlichkeit des Transports einer geladenen Waffe im Fahrzeug auch auf die Ergebnisse des Strafverfahrens berufen hatte (ON 5 und ON 9), dort aber eine Alkoholisierung beider Beteiligten festgestellt wurde (Strafurteil des Landesgerichtes Klagenfurt, GZ 14 E Vr 1956/92-23), liegen überschießende Feststellungen nicht vor. Nach der Lehre gibt es grundsätzlich kein Verbot der Verwertung von Beweisergebnissen, die über die Parteibehauptungen hinausgehen (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 32 vor § 266 ZPO mwN). Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies jedenfalls dann, wenn die Feststellungen noch in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen (JBl 1986, 121 uva; Fasching, ZPR2 Rz 899). Dies ist hier aber der Fall.Das Erstgericht hat einen Konsum des Beklagten (vor den Augen des Klägers) von ca "sieben großen Bier" festgestellt, was der Kläger nicht bekämpft. Wohl hat der Beklagte den Mitverschuldenseinwand auf die Erkennbarkeit und Gefährlichkeit seiner Alkoholisierung im Zusammenhang mit dem Führen des Gewehrs im Auto konkret nicht gestützt, er hat sich aber ganz allgemein darauf berufen, daß der Kläger das Führen der Waffe im Auto als gefährlich zu untersagen gehabt hätte, sodaß die festgestellten näheren Umstände, woraus sich die besondere Gefährlichkeit oder die Ungefährlichkeit ergibt, durchaus entscheidungswesentlich sind. Da sich der Beklagte zur Gefährlichkeit des Transports einer geladenen Waffe im Fahrzeug auch auf die Ergebnisse des Strafverfahrens berufen hatte (ON 5 und ON 9), dort aber eine Alkoholisierung beider Beteiligten festgestellt wurde (Strafurteil des Landesgerichtes Klagenfurt, GZ 14 E römisch fünf r 1956/92-23), liegen überschießende Feststellungen nicht vor. Nach der Lehre gibt es grundsätzlich kein Verbot der Verwertung von Beweisergebnissen, die über die Parteibehauptungen hinausgehen (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 32 vor Paragraph 266, ZPO mwN). Nach ständiger Rechtsprechung gilt dies jedenfalls dann, wenn die Feststellungen noch in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes oder der Einwendungen fallen (JBl 1986, 121 uva; Fasching, ZPR2 Rz 899). Dies ist hier aber der Fall.

Bei der rechtlichen Beurteilung des Mitverschuldens ist somit von einer Alkoholisierung des Beklagten auszugehen. Die Rechtsfrage reduziert sich also darauf, ob einem Fahrzeuglenker eine Einlassungsfahrlässigkeit vorzuwerfen ist, wenn er es duldet, daß sein erkennbar alkoholisierter Beifahrer ein geladenes Gewehr im Auto mitführt. Die Frage ist unabhängig davon, ob der Beklagte überhaupt zum Führen der Waffe nach den gesetzlichen Bestimmungen berechtigt war, zu bejahen, weil die Gefährlichkeit der Situation aus den vom Berufungsgericht zutreffend erkannten Gründen auf der Hand lag.

In der Frage der Gewichtung der beiderseitigen Verschuldenskomponenten liegt keine über den Einzelfall hinausreichende bedeutsame Rechtsfrage. Zutreffend wurde ein höheres Verschulden des Beklagten angenommen. Die bekämpfte Verschuldensaufteilung liegt jedenfalls noch im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums, so daß die Revision insgesamt auch nicht eine rechtliche Fehlbeurteilung aufzeigt, die aus den Gründen der Rechtssicherheit (der Einzelfallgerechtigkeit) aufgegriffen werden müßte.

Da der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies, hat ihm der Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Anmerkung

E51262 06AA1058

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00105.98D.0910.000

Dokumentnummer

JJT_19980910_OGH0002_0060OB00105_98D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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