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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrPolG 2005 §53 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde
1. der ED, geboren 1972, 2. der SD, geboren 1998, 3. des RD, geboren 2000, und 4. der FD, geboren 2001, alle vertreten durch Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Juni 2006, Zl. St 253/05, jeweils betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Juni 2006 wurden die Beschwerdeführer gemäß §§ 31, 53 und 66 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Die Erstbeschwerdeführerin sei am 27. Oktober 2002 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, den weiteren Beschwerdeführern, über den Flughafen Wien-Schwechat mit einem gültigen Reisepass und einem Visum für Spanien legal nach Österreich eingereist. Am 4. November 2002 habe die Erstbeschwerdeführerin für sich und ihre drei minderjährigen Kinder einen Asylerstreckungsantrag eingebracht. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Juli 2003 bzw. vom 29. Juli 2003, alle rechtskräftig mit 1. August 2003, seien die Asyl(erstreckungs)anträge abgewiesen und die Abschiebung der Beschwerdeführer für zulässig erklärt worden. Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführer sei widerrufen worden.
Am 16. Juli 2003 habe die Erstbeschwerdeführerin neuerlich einen Asylantrag eingebracht, der vom Bundesasylamt Linz am 10. November 2003 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden sei. Diese Entscheidung sei mit 27. November 2003 in Rechtskraft erwachsen. Das Asylbegehren der Erstbeschwerdeführerin sei daher abgewiesen worden und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung rechtskräftig für zulässig erklärt worden. Auch die drei minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin hätten am 16. Juli 2003 jeweils einen zweiten Asylantrag gestellt. Mit Bescheiden vom 24. März 2004 seien die Asylbegehren zurückgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für zulässig erklärt worden. Auf Grund der dagegen am 2. April 2004 eingebrachten Berufung habe der unabhängige Bundesasylsenat am 11. August 2004 abweisende Bescheide gemäß §§ 7 und 8 AsylG erlassen. Diese Bescheide seien am 13. August 2004 in Rechtskraft erwachsen.
Die Beschwerdeführer würden sich seit dem Abschluss ihrer Asylverfahren rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten. Ihnen sei eine der Zeit ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet entsprechende (geringfügige) Integration zuzubilligen. Diese sei jedoch noch nicht so weit fortgeschritten, dass dies eine Abstandnahme von der nunmehr verfügten Ausweisung nach sich ziehen würde.
Die Beschwerdeführer würden sich seit ca. eineinhalb Jahren illegal in Österreich aufhalten. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maß. Die Ausweisung sei demnach gemäß § 66 Abs. 1 FPG zur Wahrung der öffentlichen Ordnung dringend geboten. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Beachtung durch die Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die öffentliche Ordnung werde schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, unerlaubt nach Österreich kämen, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsberechtigung (Einreise- und/oder Aufenthaltstitel) bzw. nach dem Abschluss eines Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen würden. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensbestimmung des § 53 Abs. 1 FPG Gebrauch gemacht werden müssen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass sich die Beschwerdeführer seit Abschluss der Asylverfahren rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalten. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG sind erfüllt. Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, dass die Beschwerdeführer auf Grund ihrer Anträge auf Erteilung einer humanitären Niederlassungsbewilligung, über die noch nicht entschieden worden sei, nicht ausgewiesen werden könnten, trifft nicht zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0089). Auch gegen das Ergebnis der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 FPG hegt der Verwaltungsgerichtshof mit Blick auf die zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde bringt indes vor, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, weshalb die Beschwerdeführer ihren Herkunftsstaat Mazedonien verlassen hätten und welche Situation sie im Fall ihrer Rückkehr erwarten würde.
Es gäbe für die Beschwerdeführer keine Alternative, als in Österreich Sicherheit und eine Lebensgrundlage vorzufinden. Der Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführer gehe seit vier Jahren in Österreich einer geregelten Beschäftigung nach. Die Kinder der Erstbeschwerdeführerin würden hier zur Schule bzw. in den Kindergarten gehen. Die ganze Familie verfüge über gute Deutschkenntnisse. Das jüngste Kind sei in Österreich geboren worden. Sie seien niemals der öffentlichen Hand zur Last gefallen. Dies alles habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt, sondern sich auf allgemeine Ausführungen betreffend eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung beschränkt. Hätte die belangte Behörde die Gründe, die gegen die Ausweisung sprächen, richtig gewürdigt, so hätte sie "eine Ausweisung gegenüber der Bf. nicht verlangen können bzw. dürfen." Sie habe eine gesetzwidrige Ermessensentscheidung getroffen.
2.2. In seinem Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0034, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit einer von derselben belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidung befasst, die eine mit der Begründung des hier bekämpften Bescheides identische Begründung aufweist, und hat Letztere als unzureichend qualifiziert. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Die Beschwerdeführer haben - unvorgreiflich des Ergebnisses der behördlichen Ermessensübung - die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt, indem sie - wenngleich inhaltlich unter Heranziehung von auch für die Beurteilung nach § 66 Abs. 1 FPG bedeutsamen Umständen - ausführlich darlegten, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu ihren Gunsten Ermessen zu üben gehabt hätte (vgl. auch das den Ehemann der Erstbeschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag Zl. 2006/18/0267).
3. Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eine den Beschwerdeführern die Verfolgung ihrer subjektiven Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids andererseits ermöglichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung zu geben, leidet der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Er war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Der Zuspruch von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Pauschalgebühren gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer Verfahrenshilfe bewilligt worden ist. Wien, am 4. Oktober 2006
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006180268.X00Im RIS seit
02.11.2006Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009