TE OGH 1998/9/23 7Ra197/98m

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Veröffentlicht am 23.09.1998
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Richter des Oberlandesgerichtes DDr. Huberger als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr. Blaszczyk und Dr.Ciresa sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Bilzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Laurenz Bodinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G*****, *****, vertreten durch Dr.Erich Unterer, Dr.Rainer Handl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, wider die beklagte Partei F***** B*****, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen S 73.525,10 brutto s. A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 4.12.1997, 28 Cga 64/97d-11, gemäß den §§ 2 ASGG, 492 Abs.1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Richter des Oberlandesgerichtes DDr. Huberger als Vorsitzenden und die Richterinnen des Oberlandesgerichtes Dr. Blaszczyk und Dr.Ciresa sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Bilzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Laurenz Bodinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G*****, *****, vertreten durch Dr.Erich Unterer, Dr.Rainer Handl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, wider die beklagte Partei F***** B*****, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, wegen S 73.525,10 brutto s. A., infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes vom 4.12.1997, 28 Cga 64/97d-11, gemäß den Paragraphen 2, ASGG, 492 Absatz , ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 (darin enthalten S 676,48 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit seiner am 6.5.1997 beim Erstgericht eingelangten Klage erhob der Kläger sein Begehren nach insgesamt S 73.525,10 brutto, bestehend aus S 47.133,30 brutto Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 21.1.1997 bis 31.3.1997, Sonderzahlungen hiezu S 7.769,20 brutto sowie S 18.622,60 brutto Urlaubsentschädigung für 26 Werktage nicht konsumierten Urlaubs (abzüglich der erhaltenen Urlaubsabfindung), mit dem wesentlichen Vorbringen, bei der beklagten Partei ab 1.9.1996 als Buchhalter mit einem Bruttomonatsgehalt von S 20.200.-- brutto beschäftigt und mit Schreiben vom 20.1.1997 unberechtigt vorzeitig entlassen worden zu sein.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren zur Gänze, wobei zur Höhe kein Vorbringen erstattet worden ist, beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, daß der Kläger berechtigt vorzeitig entlassen worden sei, weil er nach Konsumation eines Urlaubes am 16. und 17.1.1997 am Montag den 20.1.1997 beim Dienstgeber angerufen und der Sekretärin mitteilt habe, daß er erst am Mittwoch, den 22.1.1997 zum Dienst erscheinen werde; trotz Rückfrage habe er keine konkrete Begründung noch eine Rechtfertigung für sein Fernbleiben vom Dienst angegeben, sodaß er berechtigt vorzeitig entlassen worden sei. Die Behauptung der erforderlichen Pflegefreistellung, die erst eineinhalb Monate danach mittels rückdatierte ärztlicher Bestätigung belegt worden sei, für seine erkrankte Gattin, stelle einen konstruierten Grund dar, eine Pflegebedürftigkeit habe nicht vorgelegen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht mit Ausnahme der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens, dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgeben; es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der vom 1.9.1996 bis 20.1.1997 als Buchhalter bei der beklagten Partei zuletzt mit einem Monatsbruttobezug von S 20.200.-- beschäftigt gewesene Kläger konsumierte am 16. und 17.1.1997 Urlaub. Am 20.1.1997 teilte der Kläger fernmündlich infolge Abwesenheit des Beklagten dessen Sekretärin Renate Pasquali mit, erst am Mittwoch wieder zum Dienst zu erscheinen, weil er zwei Pflegeurlaubstage anhänge.

Die Gattin des Klägers hatte bereits am Wochenende [18. und 19.1.1997] starkes Fieber bekommen und suchte, weil es ihr am 20.1.1997 besonders schlecht ging, am 21.1.1997 den Hausarzt Dr.H***** auf, der ihr Medikamente verschrieb und rückwirkend mit 20.1.1997 die Pflegefreistellungsbestätigung ausstellte.

Am 21.1.1997 erhielt der Kläger das mit 20.1.1997 datierte Entlassungsschreiben des Beklagten, wegen Antrittes eines nicht vereinbarten Urlaubs (Beilage ./B). Daraufhin erschien der Kläger nicht mehr zur Arbeit und legte allerdings erst im März 1997 zusammen mit einem Anspruchsschreiben der Arbeiterkammer Wien die Pflegefreistellungsbestätigung vor.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Kläger infolge Mitteilung der Inanspruchnahme der Pflegefreistellung an den Dienstgeber keinen Entlassungsgrund gesetzt habe.

Dieses Urteil bekämpft die beklagte Partei mit ihrer fristgerechten Berufung ON 12 wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Begehren, es im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung (ON 13), dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Von zentraler Bedeutung ist im vorliegenden Fall die vom Berufungswerber bekämpfte Feststellung, ob bzw. welche Mitteilung/Erklärung der Kläger hinsichtlich seines [aus der Sicht der beklagten Partei eigenmächtigen und begründungslosen] Fernbleibens vom Dienst für die beiden Tage am 20. und 21.1.1997 der Sekretärin gegenüber abgegeben hat.

Der Berufungswerber bekämpft die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Kläger fernmündlich infolge Abwesenheit des Beklagten dessen Sekretärin R***** P***** mitgeteilt habe, erst am Mittwoch wieder zum Dienst zu erscheinen, weil er zwei Pflegeurlaubstage anhänge und begehrt statt dessen die Feststellung, daß der Kläger beim Telefonat am Morgen des 20.1.1997 der Sekretärin gegenüber keinerlei Mitteilung über den Grund seines Fernbleibens gemacht habe, sondern nur mitteilte, daß er auch die nächsten zwei Tage nicht kommen werden und daß es sich hiebei um eine eigenmächtige Urlaubsverlängerung gehandelt habe.

Abgesehen davon, daß es sich beim letzten Halbsatz um keine Feststellung, sondern eine rechtliche Schlußfolgerung handelt, ist diese gewünschte Feststellung von den Beweisergebnissen nicht gedeckt. Wenn nämlich damit argumentiert wird, daß die Aussage des praktischen Arztes Dr. H***** Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Klägers aufkommen lasse, weil der Arztbesuch erst nach Ausspruch der Entlassung erfolgt und die Pflegeurlaubsbestätigung sohin erst am 21.1.1997 beigeschafft worden sei, wobei dieser Umstand wieder dafür spräche, daß der Kläger zunächst keine Mitteilung über den Grund seines Fernbleibens gemacht habe, so übersieht der Berufungswerber geflissentlich die präzise Aussage des Klägers in der mündlichen Streitverhandlung am 14.10.1997, ON 7, Seite 5 des Prot.= AS 35. Der Kläger hat nämlich eindeutig deponiert, daß seine Gattin am Dienstag Vormittag beim Arzt gewesen sei und er das Entlassungsschreiben erst danach zwischen 12 und 13 Uhr zugestellt erhalten habe. Dies stimmt auch mit der Aussage des Arztes (siehe das zitierte Protokoll, Seite 1 = AS 27) überein, der offenkundig vormittags in der Ordination die Gattin des Klägers (an der zitierten Protokollstelle wohl irrtümlich ,Klägerin"), die eingeschoben wurde (wegen des hohen Fiebers) untersuchte und am 21.1.1997 rückwirkend für den 20.1.1997 die Bestätigung Beilage ./A ausstellte, wie in der Berufungsbeantwortung auch dargelegt. Der Schluß des Arztes, daß die Klägerin auch am Vortag fieberte ist logisch und nachvollziehbar und wird auch nicht bezweifelt. Ebenso ist wohl als gerichtsbekannt anzunehmen, daß nunmehr auch Expreßpostsendungen mit der Normalpost zugestellt werden, zumal das Entlassungsschreiben offenbar erst am Abend diktiert worden ist (Aussage R***** P*****, Protokoll vom 14.10.1997, ON 7, Seite 2 = AS 29). Es besteht sohin zwischen sämtlichen Aussagepassagen ein logisch-schlüssiger Konnex. Die Ausführungen in der Berufung vermögen nicht darzulegen, zumal sie auch wesentliche Aussageinhalte unbeachtet lassen, weshalb die Feststellungen des Erstgerichtes unrichtig sein sollen.

Wenn weiters als lebensfremd bekämpft wird, daß die Sekretärin nicht eine ihr gegebene Erklärung für das Fernbleiben des Klägers weitergegeben hätte, so übersieht der Berufungswerber, daß die Zeugin selbst angab, nicht gefragt zu haben, warum er erst Mittwoch wieder komme, weil er Donnerstag und Freitag Urlaubstage konsumiert habe, wohl auch eine fragwürdige Reaktion, zumal dies eine völlig normale Reaktion darstellt, wenn sie Mitteilungen für den Chef notiert, auch den Grund schlagwortartig festzuhalten (wie z.B. ,Urlaub", ,Pflegefreistellung"). Stellt man gegenüber wiederum die Aussage der Gattin des Klägers (zitiertes Protokoll, Seite 4 = AS 33), daß der Kläger von ,Pflegeurlaub" , eine durchaus gängige in der Bevölkerung übliche Diktion, gesprochen hat, dies in Übereinstimmung mit der Angabe des Klägers (Seite 5 des vorzitierten Protokolls = AS 35), daß er ,zwei Tage Pflegeurlaub anhänge" , so erklärt sich, daß die Sekretärin nur den Wortteil ,...urlaub und anhängen" als wesentlich aufgefaßt und die Restaussagen ausgefiltert hat, weshalb - vielleicht durchaus verärgert reagierend wegen vermeintlicher Eigenmächtigkeit des Klägers - keine weiteren Fragen mehr gestellt worden sind.

Wenn weiters mit den verschiedenen Interessenslagen am Prozeßausgang argumentiert wird, so ist dem entgegenzuhalten, daß aus den obigen Erwägungen, wobei der einvernommenen Sekretärin subjektiv jedenfalls die Richtigkeit ihrer Angaben zuzubilligen ist, durchaus ein Gesamtbild der Situation mosaikartig entsteht, ohne daß es hier der Überlegungen von allfällig einseitig gefärbten Angaben bedarf.

Schlußendlich vermeint der Berufungswerber daraus auf die Unrichtigkeit der Pflegebedürftigkeit der Gattin, die jedenfalls unbestritten ärztlich belegt ist, schließen zu können, weil der Kläger nach dem Entlassungsausspruch keine Bereinigung der Angelegenheit zu seinen Gunsten beim Beklagten versucht habe. Auch dies vermag nicht außergewöhnlich erscheinen, weil allein aus den wiedergegebenen Gesprächsinhalten des Telefonates, in dem es um die Übersendung der Arbeitspapiere des Klägers und des Inhaltes des Dienstzeugnisses ging, bereits eine Gesprächsathmosphäre geschaffen war, die keine Diskussion mehr über den Grund bzw. die Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuließ [arg.: ,der Ton macht die Musik!"].

Das Berufungsgericht übernimmt demnach die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Beweisverfahrens und einer die Beweisergebnisse berücksichtigenden und entsprechenden Beweiswürdigung insbesondere auch auf Grund des persönlichen Eindruckes der Personen vor dem Erstgericht (§§ 2 ASGG, 498 ZPO) und legt diese seiner Entscheidung zugrunde.Das Berufungsgericht übernimmt demnach die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfreien Beweisverfahrens und einer die Beweisergebnisse berücksichtigenden und entsprechenden Beweiswürdigung insbesondere auch auf Grund des persönlichen Eindruckes der Personen vor dem Erstgericht (Paragraphen 2, ASGG, 498 ZPO) und legt diese seiner Entscheidung zugrunde.

Soweit in einer angedeuteten Rechtsrüge (Seite 6 des Berufung = AS

81) auf die Mitverschuldensregelung des § 32 AngG Bezug genommen wird, so liegt jedenfalls feststellungsmäßig kein [Mit]Verschulden des Klägers an der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor, die unrichtige Beurteilung der Frage durch den Arbeitgeber. ob ein Auflösungsgrund vorliege, ist nicht als Verschulden iS des § 32 AngG zu qualifizieren (vgl. ua ARD 2691/15).81) auf die Mitverschuldensregelung des Paragraph 32, AngG Bezug genommen wird, so liegt jedenfalls feststellungsmäßig kein [Mit]Verschulden des Klägers an der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor, die unrichtige Beurteilung der Frage durch den Arbeitgeber. ob ein Auflösungsgrund vorliege, ist nicht als Verschulden iS des Paragraph 32, AngG zu qualifizieren vergleiche ua ARD 2691/15).

Da sohin keine Verletzung der Arbeitspflicht seitens des Arbeitnehmers nach § 27 Z 4 AngG vorlag, sondern vielmehr ein rechtmäßiger Hinderungsgrund gegeben war, ist die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes richtig (§§ 2 ASGG, 500a ZPO).Da sohin keine Verletzung der Arbeitspflicht seitens des Arbeitnehmers nach Paragraph 27, Ziffer 4, AngG vorlag, sondern vielmehr ein rechtmäßiger Hinderungsgrund gegeben war, ist die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes richtig (Paragraphen 2, ASGG, 500a ZPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 41, 50 ZPO, wobei allerdings, weil das angefochtene Urteil noch aus dem Vorjahr datiert, nicht von der Neuregelung mit 180% Einheitssatz, sondern noch von der 60%igen Einheitssatzregelung auszugehen war.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 2, ASGG, 41, 50 ZPO, wobei allerdings, weil das angefochtene Urteil noch aus dem Vorjahr datiert, nicht von der Neuregelung mit 180% Einheitssatz, sondern noch von der 60%igen Einheitssatzregelung auszugehen war.

Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision hatte zu entfallen, weil ein privilegierter Fall [der Streitwert übersteigt S 50.000.--] gemäß § 46 Abs.3 Z 1 ASGG vorliegt.Der Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision hatte zu entfallen, weil ein privilegierter Fall [der Streitwert übersteigt S 50.000.--] gemäß Paragraph 46, Absatz , Ziffer eins, ASGG vorliegt.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW00294 07A01978

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:1998:0070RA00197.98M.0923.000

Dokumentnummer

JJT_19980923_OLG0009_0070RA00197_98M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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