Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann, Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann K*****, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in Peuerbach, gegen die beklagte Partei Josef S*****, vertreten durch Dr. Walter Hasibeder und Dr. Josef Strasser, Rechtsanwälte in Ried im Innskreis, wegen restlich S 63.200,- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 30. März 1998, GZ 22 R 59/98b-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Haag am Hausruck vom 17. Dezember 1997, GZ C 355/97x-15, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, daß immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden kann, wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist (RIS-Justiz RS0030567). Haftungsfragen wegen Verletzung der Verwahrungs- bzw Beaufsichtigungspflicht des Tierhalters können daher nur dann an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, wenn der Entscheidung des Berufungsgerichtes eine grobe Fehlbeurteilung anhaftet, die es im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren gilt (vgl EvBl 1993/59 uva). Gleiches gilt für die Überprüfung eines allfälligen Mitverschuldens des Geschädigten (vgl ZVN 1994, 152/52a). In beiden Punkten erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, den Beklagten treffe ein Verschuldensvorwurf, weil er die Kette, von der sich sein als gefährlich bekannter Hund losreißen konnte, nicht auf ihre Reißfestigkeit überprüft hatte, wogegen dem Kläger kein Mitverschulden (insbesondere keine Provokation des Hundes) anzulasten sei, als unbedenklich, weshalb die vorliegende Revision die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt.Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, daß immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden kann, wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist (RIS-Justiz RS0030567). Haftungsfragen wegen Verletzung der Verwahrungs- bzw Beaufsichtigungspflicht des Tierhalters können daher nur dann an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, wenn der Entscheidung des Berufungsgerichtes eine grobe Fehlbeurteilung anhaftet, die es im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigieren gilt vergleiche EvBl 1993/59 uva). Gleiches gilt für die Überprüfung eines allfälligen Mitverschuldens des Geschädigten vergleiche ZVN 1994, 152/52a). In beiden Punkten erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, den Beklagten treffe ein Verschuldensvorwurf, weil er die Kette, von der sich sein als gefährlich bekannter Hund losreißen konnte, nicht auf ihre Reißfestigkeit überprüft hatte, wogegen dem Kläger kein Mitverschulden (insbesondere keine Provokation des Hundes) anzulasten sei, als unbedenklich, weshalb die vorliegende Revision die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO nicht erfüllt.
Die vom Beklagten gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes vorgebrachten Argumente lassen sich so zusammenfassen, daß er meint, die Sorgfaltspflichten eines Tierhalters würden in unzulässiger Weise überspannt, wenn man verlangt, er habe die Kette seines Hundes ständig auf ihre Reißfestigkeit zu prüfen. Da sich sein Hund beim streitgegenständlichen Vorfall zum ersten Mal von der Kette losgerissen hat, die Befestigung mittels Kette bzw Kettenhalsband also zwei Jahre lang unproblematisch funktionierte, könne dem Beklagten das unvorhergesehene Reißen der Kette nicht zum Vorwurf gemacht werden. Die Judikatur verlange vom Tierhalter lediglich solche Sicherungsmaßnahmen, die nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise geboten erscheinen. Eine Hundekette auf eine mögliche Materialermüdung zu untersuchen, gehöre nicht zu solchen Maßnahmen.
Diese Argumentation läßt wesentliche Einzelheiten des festgestellten Sachverhalts unberücksichtigt. Das Maß der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung eines Tieres bestimmt sich insbesondere nach seiner Gefährlichkeit. Je gefährlicher ein Tier ist, desto sorgfältiger ist es zu verwahren (JBl 1982, 150; RIS-Justiz RS0030081). Der Hund des Beklagten, ein dreieinhalbjähriger Schäferrüde, war offenbar besonders gefährlich. Er "schnappte" nach Leuten, die sich in den von ihm bewachten Bereich vorwagten, hat schon mehrere Leute gebissen und konnte bei einem Vorfall wenige Monate vor der Verletzung des Klägers nicht einmal vom Sohn des Beklagten zurückgehalten werden. Dazu kommt, daß der Hund immer wieder an eine Laufkette gelegt wurde. Solche Kettenhunde sind naturgemäß schärfer als in Freiheit gehaltene Hunde, was an sich schon geeignete Vorkehrungen geboten erscheinen läßt, die ein unbeaufsichtigtes Freikommen des Hundes verläßlich verhindern (6 Ob 763/78 in RIS-Justiz RS0030147). Unter diesen Umständen hätte es der objektiv gebotenen Sorgfalt des Tierhalters entsprochen, sich in regelmäßigen Abständen davon zu vergewissern, daß die Befestigungsvorrichtung der Kraft und Aggressivität des Hundes widersteht. Eben dies hat der Beklagte nicht getan. Der Hund hatte bereits das beim gegenständlichen Vorfall gerissene Kettenhalsband, als ihn der Beklagte kaufte, und auch in den rund zwei Jahren der Tierhaltung fand es der Beklagte nicht der Mühe wert, das Kettenhalsband zu überprüfen. Wenn er jetzt behauptet, die Kette habe keinerlei Rostspuren aufgewiesen (womit er offensichtlich sagen will, es wären äußerlich keinerlei Anzeichen einer Schadhaftigkeit zu erkennen gewesen), wird er durch das der Strafanzeige angeschlossene Lichtbild widerlegt. Auf diesem Lichtbild sind nicht nur Rostspuren der Kette erkennbar, sondern auch der Umstand, daß offenbar die Schweißnaht eines Kettengliedes aufgerissen ist. Dieser Ursachenforschung bedarf es jedoch im gegenständlichen Fall gar nicht. Zu Recht hat das Berufungsgericht als haftungsbegründend schon den Umstand erkannt, daß die Kette gerissen ist und daß es der Beklagte trotz der enormen Gefährlichkeit seines Hundes zwei Jahre lang verabsäumt hatte, die Reißfestigkeit der Kette zu überprüfen.
Ähnliches gilt für den Mitverschuldenseinwand des Beklagten. Er wird in der vorliegenden Revision hauptsächlich darauf gestützt, daß der Kläger den Hund durch die bewußte Annäherung an die Auslaufgrenze "objektiv gesehen" gereizt habe. Die maßgeblichen Feststellungen zu diesem Thema besagen, daß sich der Hund von seiner etwa 2,5 m langen Laufkette losriß, als sich der Kläger in etwa 3 m Entfernung vom Hoftor befand, und daß der Kläger den Hund vorher nicht gereizt hatte und das Verhalten des Hundes für ihn nicht vorhersehbar war. Daß dies nicht ausreicht, dem Beklagten (der sein Kommen wegen einer Schlachtung angekündigt hatte) einen Mitverschuldensvorwurf zu machen, liegt auf der Hand. Im Gegensatz zum Beklagten, den als Tierhalter besondere Sorgfaltspflichten auch im Hinblick auf die Reißfestigkeit der Hundekette trafen, durfte der Kläger darauf vertrauen, daß für eine ausreichend starke Kette gesorgt war. Daß das Berufungsgericht diese an sich klare Verneinung eines Mitverschuldens des Beklagten nicht besonders ausführte, stellt keinen entscheidungswesentlichen Mangel des Berufungsverfahrens dar.
Aus diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung stützt sich auf Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E51478 05A02078European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0050OB00207.98X.0929.000Dokumentnummer
JJT_19980929_OGH0002_0050OB00207_98X0000_000