Index
E6J;Norm
62003CJ0017 VEMW VORAB;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der V AG in Wien, vertreten durch K W Rechtsanwälte GmbH, der gegen den Bescheid der Energie-Control Kommission vom 28. Juni 2006, Zl. K NZV 01/05, betreffend Netzzugang erhobenen Beschwerde (mitbeteiligte Partei: C, vertreten durch W T Rechtsanwälte GmbH), die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Über Antrag der Mitbeteiligten stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass die Voraussetzungen der durch die Beschwerdeführerin erfolgten Verweigerung des Netzzuganges für die Jahre 2004, 2005 und 2006 gegenüber der Mitbeteiligten nicht vorgelegen haben.
Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde begehrte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Der angefochtene Bescheid sei zwar keinem direkten Vollzug zugänglich, jedoch lasse er eine Umsetzung in der Wirklichkeit zu und entfalte daher erhebliche unmittelbare Rechtswirkungen gegen die Beschwerdeführerin. Zwingende öffentliche Interessen stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen, weil der Beschwerdeführerin keine Handlungen vorzuwerfen seien, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdeten. Durch die sofortige Umsetzung des Bescheides entstünde der Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger, nicht wieder gutzumachender Schaden. Sie dürfte die Kapazitätszuweisung schon für das Jahr 2006 nicht aufrecht erhalten, obwohl zu dieser Frag noch keine Judikatur bestanden habe und sie daher mit Recht davon habe ausgehen können, dass ihre Kapazitätszuweisungen rechtmäßig wären. Würde die Beschwerdeführerin ihre Vereinbarungen mit dem tschechischen Übertragungsnetzbetreiber C für das Jahr 2006 brechen und die Kapazitäten nicht für die C reservieren, würde sie sich schadenersatzpflichtig machen. Während die C zur Freigabe der Kapazitäten mit Beschluss der tschechischen Regulierungsbehörde E vom 18. Juli 2006 erst mit 1. Jänner 2007 verpflichtet wurde, ist sie im Jahr 2006 noch berechtigt, ein solches Einvernehmen zu verweigern. Ohne Einvernehmen mit der C wäre die Beschwerdeführerin verpflichtet, 400 MW zusätzlich an Grenzkapazität zu schaffen, um den Bescheid umsetzen zu können. Dann könnte aber die Netzsicherheit nicht mehr gewährleistet werden. Bei einer Freigabe von 400 MW müsste die Beschwerdeführerin neue Vertragsbeziehungen eingehen, sie müsste aber damit rechnen, dass im Falle einer nachträglichen Aufhebung des angefochtenen Bescheides diese neuen Verträge wieder rechtswidrig würden. Sie wäre daher Schadenersatzansprüchen ausgesetzt und wäre zusätzlich mit Schadenersatzansprüchen aus den neu eingegangenen Verträgen konfrontiert. Jedenfalls würde durch den sofortigen Vollzug Schadenersatzansprüche entstehen, weil die Beschwerdeführerin zum Vertragsbruch gezwungen wäre. Auch die erforderliche Güterabwägung schlage zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus, weil die Mitbeteiligte während des gesamten Verfahrens nicht dartun konnte, welchen Vorteil sie aus einer Zuweisung von 400 MW ziehen würde. Sie habe nicht einmal bei der Versteigerung von Grenzkapazitäten in einem Ausmaß mitgesteigert, dass sie alle verfügbaren Kapazitäten erworben hätte. Sie würde die Kapazitäten gar nicht benötigen.
Die belangte Behörde bejahte in ihrer Stellungnahme unter Hinweis auf den (die Brennerleitung) betreffenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juli 2003, Zl. AW 2003/05/0036, die Vollzugstauglichkeit des angefochtenen Bescheides. Sie machte aber geltend, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Aus den gemeinschaftsrechtlichen und innerstaatlichen Regelungen ergebe sich ein öffentliches Interesse an einem diskriminierungsfreien und funktionierenden Netzzugang sowie an der Sicherung dieser Rechte durch eine Streitbeilegungsentscheidung der Regulierungsbehörde. Damit stünden zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen. Daran ändere es auch nichts, dass die in Rede stehenden Zeiträume zum Teil bereits in der Vergangenheit lägen.
Verfahrensgegenständlich seien die Jahresauktionen für 2004, 2005 und 2006 gewesen; ab der Jahresauktion 2007 seien die bisher von der Auktion ausgenommenen Kapazitäten einem marktorientierten, nicht diskriminierenden Vergabeverfahren zuzuführen, was auch die tschechische Regulierungsbehörde E ausgesprochen habe.
Es liege auch kein unverhältnismäßiger Nachteil aus dem Vollzug des angefochtenen Bescheides vor. Der Feststellungsbescheid enthalte keine Verpflichtung zur sofortigen Freigabe der Kapazitäten, da konkrete Leistungspflichten in einem solchen Bescheid nicht festgelegt werden können. Schon aus diesem Grund drohe kein Schaden aus einer allgemeinen Vertragsverletzung. Ausgehend davon, dass nur rechtlich Erlaubtes zwischen der Beschwerdeführerin und der C vertraglich vereinbart sein könne, könne die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes keinen Schadenersatzanspruch bewirken. Der angefochtene Bescheid enthalte auch keinerlei Verpflichtung zur Schaffung zusätzlicher Kapazitäten, sodass die Netzsicherheit keineswegs gefährdet sei.
Die Mitbeteiligte vermeinte in ihrer Stellungnahme, dass der angefochtene Bescheid nicht vollzugsfähig wäre, weil damit kein andere Verwaltungsbehörde oder Gerichte bindender Ausspruch getätigt worden sei; der im angefochtenen Bescheid bejahte Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot beruhe auf einer Vorfragenbeurteilung nach § 38 AVG. Jedenfalls sei nicht ersichtlich, weshalb ohne Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Effektivität des Rechtsschutzes und die Rechtsschutzfunktion der Beschwerde beseitigt wäre.
Auch die Mitbeteiligte verwies auf Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes und des innerstaatlichen Rechts, aus denen sich das zwingende öffentliche Interesse an einem funktionsfähigen Markt ergebe.
Es liege auch kein unverhältnismäßiger Nachteil für die Beschwerdeführerin vor. Der Beschwerdeführerin war seit 1. Oktober 2001 die diskriminierungsfreie Behandlung aller Kunden als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung im Allgemeininteresse gesetzlich auferlegt. Bezüglich der Vergangenheit könne sich der Vollzug des angefochtenen Bescheides nur in der Öffnung der Klagemöglichkeit nach § 21 Abs. 3 ElWOG manifestieren, in deren Rahmen jedoch die Neubeurteilung der relevanten Vorfrage möglich sei. Antragsteller, denen die gewünschte Kapazität für den entscheidungsrelevanten Zeitraum gewährt wurde, hätten bei Vollstreckbarkeit des angefochtenen Bescheides lediglich die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Ein unmittelbarer Anspruch werde ihnen aber nicht zuerkannt. Diese bloße Möglichkeit, bei anderen Gerichten oder Behörden Verfahren einzuleiten, sei bei der Interessenabwägung nicht zu berücksichtigen. Die Unsicherheit, ob sich die Beschwerdeführerin in Zukunft Schadenersatzansprüchen von übergangenen Antragstellern aussetzt, bestehe unabhängig davon, ob dem Antrag stattgegeben werde oder nicht. Hingegen läge ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der Mitbeteiligten vor, denn es würde auch in Zukunft nur ein Bruchteil der insgesamt zur Verfügung stehenden Kapazität zur Versteigerung gelangen. Insbesondere wäre die Mitbeteiligte, wie auch andere Stromhändler, gehindert, bei der kommenden Jahresauktion im Dezember 2006, Kapazitäten zu ersteigern und zu nützen. Schließlich gab die Mitbeteiligte zu bedenken, dass die im Verfassungsrang stehende Bestimmung des § 20 Abs. 2 ElWOG, wonach die belangte Behörde innerhalb eines Monats nach Antragstellung zu entscheiden habe, zum Ausdruck bringe, dass rasch ein diskriminierungsfreier und funktionierender Netzzugang zu schaffen sei. Dieses öffentliche Interesse würde durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ad absurdum geführt werden und das Allgemeininteresse an einer diskriminierungsfreien Behandlung aller Netznutzer verletzt werden.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Die Vollzugstauglichkeit eines derartigen Feststellungsbescheides ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem oben zitierten Beschluss vom 25. Juli 2003 ausgesprochen hat, insbesondere deshalb zu bejahen, weil nach § 21 Abs. 3 ElWOG eine Klage während des Verfahrens vor der Behörde nicht eingebracht werden kann.
Zur Frage, ob der begehrten aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen, ist zu betonen, dass der von der belangten Behörde angenommene Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot Gegenstand der Entscheidung über die Beschwerde sein wird. Wenn man davon ausgeht, dass das Diskriminierungsverbot zu den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört (vgl. EuGH im allseits bekannten Urteil VEMW, RN 48), dürfte ein Verstoß dagegen genauso zwingenden öffentlichen Interessen widersprechen, wie dies der Verwaltungsgerichtshof mehrfach zu Regelungen zur Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbes ausgesprochen hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 20. Oktober 2004, Zl. AW 2004/03/0046 und vom 6. Oktober 2003, Zl. AW 2003/03/0016, mit welchen schon wegen des zwingenden öffentlichen Interesses die Anträge abgewiesen worden waren).
Abgesehen davon ist ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der Beschwerdeführerin nicht erkennbar. Wie sie selbst in ihrer Sachverhaltsdarstellung ausführt, erfolgt die Vergabe jährlich im Voraus; eine Einflussnahme des angefochtenen Bescheides auf Vergaben für das Jahr 2006 kommt daher nicht in Betracht. Für das Jahr 2007 räumt die Beschwerdeführerin selbst ein, dass ihr tschechischer Vertragspartner auf Grund einer Entscheidung der tschechischen Regulierungsbehörde an die beiderseitigen Vereinbarungen nicht mehr gebunden ist.
Die Gefahr von Schadenersatzansprüchen ist nicht durch den angefochtenen Bescheid gegeben, weil die Beschwerdeführerin als Übertragungsnetzbetreiber stets solchen Ansprüchen übergangener Bewerber ausgesetzt ist. Inwieweit durch den bekämpften Feststellungsbescheid die Netzsicherheit gefährdet wäre, ist nicht erkennbar, zumal es nur um die Verteilung der vorhandenen Kapazität geht.
Wie im Falle des zitierten Beschlusses vom 25. Juli 2003 ist auch hier demgegenüber ein Nachteil auf Seiten der mitbeteiligten Partei durch eine Sistierung der Wirkungen des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft erkennbar, sodass die nach § 30 Abs. 2 VwGG erforderliche Abwägung aller berührten Interessen zur Ablehnung der begehrten aufschiebenden Wirkung führen muss.
Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Wien, am 9. Oktober 2006
Gerichtsentscheidung
EuGH 62003J0017 VEMW VORABSchlagworte
VollzugInteressenabwägungZwingende öffentliche InteressenUnverhältnismäßiger NachteilAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:AW2006050068.A00Im RIS seit
15.11.2006Zuletzt aktualisiert am
24.10.2011