TE OGH 1998/10/20 4Ob166/98k

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Veröffentlicht am 20.10.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Patrick S*****, und die mj. Nicole S*****, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters Bezirkshauptmannschaft H***** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 3. März 1998, GZ 20 R 52/98g-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hollabrunn vom 2. Februar 1998, GZ P 2136/95b-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Pflegschaftssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der mj. Patrick S*****, und die mj. Nicole S*****, sind die ehelichen Kinder des Christian S*****, der darüber hinaus mit keinen weiteren Sorgepflichten belastet ist. Er wurde zuletzt mit Beschluß des Bezirksgerichtes H***** vom 12. 6. 1997 (ON 13) zu einer Unterhaltsleistung von monatlich S 3.150.- für den mj. Patrick und monatlich S 2.700.- für die mj. Nicole verpflichtet, wobei von einem durchschnittlichen monatlichen Nettoverdienst als Kraftfahrer von S 18.565.- ausgegangen worden ist. Die Obsorge kommt der Mutter zu, in deren Haushalt die Minderjährigen betreut werden. Die Ehe der Kindeseltern ist geschieden.

Der Vater stellte am 20. 11. 1997 (Anhang zu ON 20), ergänzt und präzisiert am 9. 1. 1998 (ON 24), den Antrag, aufgrund seines gesunkenen Einkommens seine Unterhaltsleistung ab 1. 12. 1997 für Patrick auf monatlich S 2.180.- und für Nicole auf monatlich S 1.920.- herabzusetzen. Er brachte dazu vor, er verdiene seit Mitte Oktober 1997 als Hilfsdachdecker nur noch S 11.000.- monatlich.

Der Unterhaltssachwalter sprach sich gegen den Herabsetzungsantrag mit der Begründung aus, der Vater sei gelernter Fleischergeselle, habe den bisher ausgeübten Beruf eines Kraftfahrers aufgrund Führerscheinentzuges wegen Trunkenheit am Steuer verloren und müsse sich nunmehr mit einer Hilfsarbeitertätigkeit begnügen; dies könne aber nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten gehen (ON 20).

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag des Vaters ab. Es warf dem Antragsteller vor, durch sein schuldhaftes Verhalten (Trunkenheit am Steuer, mehrmaliges Nichterscheinen am Arbeitsplatz) selbst Anlaß zum Verlust seines Arbeitsplatzes als Kraftfahrer gegeben zu haben; bei Anspannung des Vaters auf sein zuletzt als Kraftfahrer erzieltes Einkommen lägen die den Kindern bisher zugesprochenen Unterhaltsbeträge im Rahmen seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Das Rekursgericht setzte die monatliche Unterhaltsleistung des Vaters für Patrick auf S 2.180.-, und für Nicole auf S 1.920.- herab. Nach der üblichen Prozentmethode finde der Herabsetzungsbetrag im behaupteten Einkommen von S 11.000.- Deckung; weder habe der Vater behauptet, nicht S 11.000.- verdienen zu können, noch lasse die Aktenlage ein höheres Einkommen erkennen. Der Vater könne derzeit zweifelsfrei nicht als Kraftfahrer arbeiten; es sei aber nicht entscheidend, ob (von Fällen der Unterhaltsflucht abgesehen) der Verlust der bisherigen Beschäftigung vom Unterhaltsverpflichteten selbst herbeigeführt oder verschuldet worden sei, solange dieser nur alle zumutbaren Anstrengungen zur Wiedererlangung des Arbeitsplatzes unternehme. Da keinesfalls gesagt werden könne, daß der Vater nach seiner Ausbildung und nach seinen Kräften ohne Führerschein mehr als S 11.000.- verdienen könne, komme eine Anspannung über diesen Betrag hinaus nicht in Betracht.

Das Rekursgericht hatte zunächst ausgesprochen, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte in der Folge aber auf Antrag des Unterhaltssachwalters diesen Ausspruch dahin ab, daß es den ordentlichen Revisionsrekurs deshalb für zulässig erachtete, weil der Revisionsrekurswerber ein Abweichen des Rekursgerichtes von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Anspannung ebenso wie eine mangelhafte Sachverhaltsfeststellung behaupte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit, im Interesse seiner Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74; 4 Ob 2236/96v; Schwimann in Schwimann ABGB**2 Rz 60 zu § 140 mwN). Einschränkend setzt die Rechtsprechung diesen sogenannten Anspannungsgrundsatz nur als eine Art Mißbrauchsvorbehalt dort ein, wo schuldhaft die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte versäumt wird. Die Anspannung darf aber nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muß immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (EFSlg 77.069 = ZfRV 1996, 80; ÖA 1997, 159/U182; 4 Ob 2330/97v; 9 Ob 23/98t; 4 Ob 210/98f uva). Das potentielle Einkommen aus der Anspannung wird dabei nach einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden sowie zumutbaren Erwerbstätigkeit gemessen. Subjektive Fähigkeiten sowie Zumutbarkeit werden im wesentlichen durch Alter, berufliche Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung sowie familiäre Belastung bestimmt. In diesem Rahmen sind die konkreten Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend (8 Ob 503/96; 1 Ob 2330/96w; ÖA 1997, 159/U182; 8 Ob 191/97i ua).Gemäß Paragraph 140, Absatz eins, ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit, im Interesse seiner Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74; 4 Ob 2236/96v; Schwimann in Schwimann ABGB**2 Rz 60 zu Paragraph 140, mwN). Einschränkend setzt die Rechtsprechung diesen sogenannten Anspannungsgrundsatz nur als eine Art Mißbrauchsvorbehalt dort ein, wo schuldhaft die zumutbare Erzielung deutlich höherer Einkünfte versäumt wird. Die Anspannung darf aber nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muß immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (EFSlg 77.069 = ZfRV 1996, 80; ÖA 1997, 159/U182; 4 Ob 2330/97v; 9 Ob 23/98t; 4 Ob 210/98f uva). Das potentielle Einkommen aus der Anspannung wird dabei nach einer den subjektiven Fähigkeiten und der objektiven Arbeitsmarktlage entsprechenden sowie zumutbaren Erwerbstätigkeit gemessen. Subjektive Fähigkeiten sowie Zumutbarkeit werden im wesentlichen durch Alter, berufliche Ausbildung, körperliche und geistige Verfassung sowie familiäre Belastung bestimmt. In diesem Rahmen sind die konkreten Erwerbschancen auf dem Arbeitsmarkt ausschlaggebend (8 Ob 503/96; 1 Ob 2330/96w; ÖA 1997, 159/U182; 8 Ob 191/97i ua).

Der Rechtsmittelwerber zeigt nun zutreffend auf, daß das Rekursgericht bei seiner Entscheidung nur von einem erzielbaren Einkommen des Kindesvaters in der Höhe von S 11.000.- monatlich ausgegangen ist, ohne zu berücksichtigen, daß der Vater - nach den Behauptungen des Unterhaltssachwalters - ausgebildeter Fleischergeselle ist; überdies legt der Unterhaltssachwalter eine Urkunde vor, aus der hervorgeht, daß die Angaben des Vaters über sein Einkommen als Hilfsdachdecker offensichtlich unrichtig waren und er in dieser Tätigkeit zuletzt S 16.000.- verdient habe. Die Beantwortung der hier allein entscheidenden Frage, auf welche Einkommenshöhe der Vater angespannt werden darf, hängt demnach davon ab, welche Berufsausbildung er abgeschlossen hat, ob er in diesem Beruf auf dem Arbeitsmarkt noch konkret vermittelbar ist und welches Einkommen er damit erzielen könnte; dazu fehlen Feststellungen. Dieser Feststellungsmangel führt zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht daher nach Erweiterung der Entscheidungsgrundlage durch Einvernahme des Vaters zu seiner Ausbildung und Einholung eines berufskundlichen Gutachtens festzustellen haben, welche Berufsausbildung der Vater besitzt und welches Einkommen er damit im Zeitraum ab 1. 12. 1997 nachhaltig hätte erzielen können. Erst danach wird die Berechtigung seines Herabsetzungsantrages verläßlich beurteilt werden können.

Da im aufgezeigten Umfang Feststellungen fehlen, erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.

Anmerkung

E51885 04A01668

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0040OB00166.98K.1020.000

Dokumentnummer

JJT_19981020_OGH0002_0040OB00166_98K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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