TE OGH 1998/10/21 9ObA270/98s

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Veröffentlicht am 21.10.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Manhard und Helmut Stöckelmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Thomas P*****, Bäckerlehrling, *****, vertreten durch Ing. Christian Traxler, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, 4020 Linz, Volksgartenstraße 40, wider die beklagte Partei Herbert D*****, Bäckermeister, *****, vertreten durch Saxinger, Baumann & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juni 1998, GZ 11 Ra 118/98x-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Oktober 1997, GZ 27 Cga 41/97w-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 5. 9. 1994 beim Beklagten als Bäckerlehrling beschäftigt. Erste Unstimmigkeiten zwischen den beiden traten auf, als sich der Kläger, der zunächst beim Beklagten nächtigte, am Abend verspätete; weitere Streitigkeiten gab es im Zusammenhang mit der Einberufung des Klägers zum Stellungstermin.

Vom 17. bis 21. 3. 1997 besuchte der Kläger die lehrgangsmäßig geführte Berufsschule in Ried. Am Samstag, dem 22. 3. 1997, hätte er um 4.00 Uhr seine Arbeit beim Beklagten wieder aufnehmen sollen. Am Abend des 21. 3. 1997 verspürte er aber stechende Schmerzen in der Brust. Als ihm in der Nacht auch noch übel wurde, entschloß er sich, am 22. 3. 1997 seine Arbeit nicht anzutreten. Den Beklagten verständigte er davon nicht. Dessen Gattin versuchte zunächst vergeblich, den Kläger telefonisch zu erreichen, suchte ihn dann in Begleitung einer Mitarbeiterin im elterlichen Bauernhof auf und stellte ihn wegen seines Fernbleibens zur Rede. Ob der Kläger bei diesem Gespräch sagte, daß er krank sei und daß man ihm, wenn man ihm nicht glaube, einen Urlaubstag eintragen solle, oder ob er lediglich erklärte, man solle ihm einen Urlaubstag eintragen, ist nicht feststellbar. Der Kläger konsultierte eine am Wochenende diensthabende Ärztin, seinen Hausarzt und einen Lungenfacharzt, wobei festgestellt wurde, daß er an einer akuten Bronchitis leide, die im Zusammenhalt mit einer Fehlhaltung der Brustwirbelsäule die Schmerzen des Klägers verursacht habe. Die entsprechende Krankmeldung des Hausarztes erhielt der Beklagte noch am Montag, dem 24. 3. 1997. Daß der Kläger während seines Krankenstandes im elterlichen Betrieb gearbeitet hätte, ist nicht feststellbar.

Der Beklagte hegte jedoch den Verdacht, daß der Kläger seine Krankheit nur vortäusche, in Wahrheit aber zu Hause arbeite. Er ersuchte einen Bekannten, den Kläger zu Hause aufzusuchen und herauszufinden, ob dieser Verdacht zutreffe. Dieser Bekannte verschaffte sich am 29. 3. 1997 unter einem Vorwand im Haus der Eltern des Klägers Zutritt und sprach den gerade aus dem Badezimmer kommenden Kläger als "Bäckerlehrling vom D*****" an. Darauf antwortete der Kläger mit den Worten: "Hören Sie auf mit dem Arsch, ich bin froh, wenn ich ihn nicht sehe!" Dies teilte der Bekannte am selben Tag dem Beklagten mit.

Über Intervention des Beklagten wurde der Kläger bereits für 28. 3. 1997 zum Chefarzt der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vorgeladen. Dort erklärte er, daß er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, am 1. 4. 1997 - dem Dienstag nach Ostern - seine Arbeit anzutreten; er wolle aber am 2. 4. 1997 wieder gesund geschrieben werden, weil an diesem Tag die Berufsschule wieder beginne und er dort nichts versäumen wolle. Die Schalterbeamtin erklärte, diesem Ansinnen zu entsprechen, weshalb der Kläger am 1. 4. 1997 nicht an seinem Arbeitsplatz erschien. In der in der Folge dem Beklagten übermittelten Krankenstandsbestätigung hatte die Beamtin jedoch irrtümlich die Arbeitsunfähigkeit des Klägers (nur) bis 31. 3. 1997 bestätigt.

Vom 2. 4. 1997 bis zum Wochenende besuchte der Kläger die Berufsschule. Als er am 7. 4. 1997 seine Arbeit antrat, wurde er zur Rede gestellt, warum er am 1. 4. 1997 nicht zur Arbeit erschienen sei. Außerdem wurde er vom Beklagten auf die am 28. 3. 1997 geäußerte Beschimpfung angesprochen, die er bestritt. Der Beklagte sagte ihm, "das mit dem Krankenstand noch abklären" zu wollen und schickte ihn nach Hause. Der Kläger veranlaßte daraufhin die Richtigstellung der Krankenstandsbestätigung und sprach dann abermals beim Beklagten vor, der ihm aber erklärte, es sei schon zu spät. Noch am selben Tag verfaßte er ein Schreiben, mit dem er den Kläger unter Hinweis auf § 15 Abs 3 lit b, c und e BAG entließ. Dieses Schreiben ging dem Kläger am 8. 4. 1997 zu.Vom 2. 4. 1997 bis zum Wochenende besuchte der Kläger die Berufsschule. Als er am 7. 4. 1997 seine Arbeit antrat, wurde er zur Rede gestellt, warum er am 1. 4. 1997 nicht zur Arbeit erschienen sei. Außerdem wurde er vom Beklagten auf die am 28. 3. 1997 geäußerte Beschimpfung angesprochen, die er bestritt. Der Beklagte sagte ihm, "das mit dem Krankenstand noch abklären" zu wollen und schickte ihn nach Hause. Der Kläger veranlaßte daraufhin die Richtigstellung der Krankenstandsbestätigung und sprach dann abermals beim Beklagten vor, der ihm aber erklärte, es sei schon zu spät. Noch am selben Tag verfaßte er ein Schreiben, mit dem er den Kläger unter Hinweis auf Paragraph 15, Absatz 3, Litera b,, c und e BAG entließ. Dieses Schreiben ging dem Kläger am 8. 4. 1997 zu.

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß das Lehrverhältnis nach dem 8. 4. 1997 bis zum 4. 9. 1997 aufrecht bestanden habe. Die geltend gemachten Entlassungsgründe seien nicht gegeben. Überdies sei die Entlassung verfristet.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger sei am 1. 4. 1997 nicht zur Arbeit erschienen, obwohl er an diesem Tag bereits arbeitsfähig gewesen sei. Er habe seine Krankheit nur vorgeschützt und während des Krankenstandes manuelle Arbeiten verrichtet. Selbst wenn die nachträgliche Korrektur der Krankenstandsbestätigung berechtigt erfolgt sein sollte, sei die Entlassung durch die gröbliche Beleidigung des Beklagten gerechtfertigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger habe nachgewiesen, daß er der Arbeit berechtigt ferngeblieben sei. Die als milieubedingte Unmutsäußerung zu wertende Beschimpfung des Beklagten sei zwar nicht zu bagatellisieren, rechtfertige die Entlassung aber ebenfalls nicht, zumal sie nicht gegenüber dem Lehrberechtigten, sondern gegenüber einem Dritten gefallen sei. Im Zusammenhang mit den von der Gattin des Beklagten am 22. 3. 1997 erhobenen Vorwürfe seien Unstimmigkeiten zwischen den Streitteilen zumindest begreiflich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses, die der Beklagte im Berufungsverfahren nur mehr auf § 15 Abs 3 lit b BAG stützte, nicht rechtswirksam sei, weil sie vom Beklagten verspätet ausgesprochen worden sei.Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses, die der Beklagte im Berufungsverfahren nur mehr auf Paragraph 15, Absatz 3, Litera b, BAG stützte, nicht rechtswirksam sei, weil sie vom Beklagten verspätet ausgesprochen worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es iS der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Auf die in der Revision bekämpfte Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses sei verspätet und damit unwirksam, braucht nicht eingegangen zu werden, weil der vom Beklagten im Rechtsmittelverfahren allein geltend gemachte Auflösungsgrund des § 15 Abs 3 lit b BAG nicht verwirklicht wurde.Auf die in der Revision bekämpfte Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, die vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses sei verspätet und damit unwirksam, braucht nicht eingegangen zu werden, weil der vom Beklagten im Rechtsmittelverfahren allein geltend gemachte Auflösungsgrund des Paragraph 15, Absatz 3, Litera b, BAG nicht verwirklicht wurde.

Der eben zitierte Auflösungsgrund liegt - soweit hier von Interesse - vor, wenn der Lehrling den Lehrberechtigten erheblich wörtlich beleidigt hat. Zwischen der Beleidigung und dem Lehrverhältnis muß zumindest ein mittelbarer Zusammenhang bestehen; sie muß in Verletzungsabsicht (Vorsatz) erfolgen (Berger/Fida/Gruber, BAG 359f; Kuderna, Entlassungsrecht2 168, 123).

Im hier zu beurteilenden Fall erfolgte die beleidigende Äußerung des Klägers in dessen Elternhaus und einem Dritten gegenüber, der sich unter einem Vorwand Zutritt verschafft und seine Beziehung zum Lehrberechtigten nicht offengelegt hatte. Wenngleich das Verhalten des Klägers nicht beschönigt werden soll, muß ihm dennoch zugebilligt werden, daß für ihn nicht zu erkennen war, daß der Lehrberechtigte von dieser im privaten Umfeld geäußerten Beleidigung Kenntnis erlangen wird. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher davon auszugehen, daß der Kläger nicht damit rechnete, daß der Lehrberechtigte von der Beleidigung erfahren und dadurch verletzt werde. Selbst wenn man ihm aber dessen ungeachtet bedingten Vorsatz unterstellen wollte, müßte davon ausgegangen werden, daß seinem Verhalten angesichts der Umstände, unter denen die Beleidigung geäußert wurde, noch nicht jenes Gewicht zukommt, das ausreicht, um das für die Berechtigung der vorzeitigen Auflösung essentielle, nach einem objektiven Maßstab zu beurteilende Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung (Arb 10.445; RdW 1998, 3; Kuderna, aaO 60) zu verwirklichen. Daß der Beklagte den Kläger am 7. 4. 1997 in voller Kenntnis der beleidigenden Äußerung mit dem Hinweis heimschickte, er müsse "das mit dem Krankenstand noch abklären", legt im übrigen die Annahme nahe, daß auch subjektiv für den Beklagten in Wahrheit nicht die ihm überbrachte Äußerung des Klägers sondern die zu Unrecht vermutete Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit Anlaß dafür war, eine Weiterbeschäftigung des Klägers als unzumutbar zu betrachten.

Da somit der einzige noch aufrecht erhaltene Auflösungsgrund nicht vorliegt, muß die Revision erfolglos bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.

Anmerkung

E52052 09B02708

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:009OBA00270.98S.1021.000

Dokumentnummer

JJT_19981021_OGH0002_009OBA00270_98S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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