Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den
Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Walterskirchen als
Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr.Zemanek und
Dr.Riedl im Verfahren betreffend die Verfahrenshilfe der
antragstellenden Partei Ch***** K ***** , geboren am *****,
derzeit in der Justizanstalt Schwarzau, Schwarzau am Steinfeld,
vertreten durch Dr.M***** H*****, Rechtsanwalt in W***** N*****,
gegen die Antragsgegnerin R ***** Ö ***** , wegen Erhebung einer
Klage nach dem AHG, über die Rekurse der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 18.5.1998 und vom 30.6.1998, 21 Nc 1/98a-13 und 15, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1. Dem Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß vom 30.6.1998,
ON 15, wird F o l g e gegeben und dieser Beschluß behoben.
2. Auch den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß vom
18.5.1998, ON 13, wird F o l g e gegeben und dieser Beschluß a
u f g e h o b e n .
Gegen diesen Beschluß ist ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4.2.1998 wurde der Antragstellerin die Verfahrenshilfe zur Einbringung eines Aufforderungsschreibens nach dem AHG sowie zur Erhebung einer Klage nach dem AHG bewilligt. Rechtsanwalt Dr.M***** H***** wurde zum Verfahrenshelfer bestellt. Die Antragstellerin strebt die Einbringung einer Amtshaftungsklage an, weil ihr in der Justizanstalt Schwarzau eine notwendige ärztliche Behandlung durch einen Facharzt für Frauenheilkunde versagt werde und dadurch ihre Leiden andauerten. Am 31.3.1998 brachte der Verfahrenshelfer vor, trotz intensiver Bemühungen in persönlichen Gesprächen aber auch im Korrespondenzweg sei es nicht gelungen, die Ansprüche der Antragstellerin dem Grunde und der Höhe nach zu konkretisieren. Ein Schreiben des behandelnden Arztes wurde beigefügt, wonach die Antragstellerin an einer Soorkolpitis, eine durch Pilzinfektion hervorgerufene Scheidenentzündung, leide, was eine leichte Erkrankung darstelle. Es könne nicht beurteilt werden, ob diese Pilzerkrankung chronisch sei, da er die Antragstellerin erst einmal gesehen habe. Auch chronische Pilzerkrankungen seien heilbar, nicht jedoch auf unterlassene ärztliche Hilfeleistung zurückzuführen. Die Erkrankung werde folgenlos abheilen, sie sei nicht chronisch, wobei auch Dauerfolgen nicht zu befürchten seien. Ein chronischer Verlauf und/oder Dauerfolgen seien nicht auf unterlassene Heilbehandlung zurückzuführen. Gleichzeitig regte der Verfahrenshelfer an, die Voraussetzungen der Gewährung der Verfahrenshilfe zu überprüfen.
Mit Beschluß vom 18.5.1998, ON 13, wurde die mit Beschluß vom 4.2.1998 bewilligte Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 1 ZPO für erloschen erklärt, weil im Hinblick auf die oben angeführten gutächtlichen Äußerungen des Arztes die Rechtsverfolgung aussichtslos und daher mutwillig im Sinn des § 63 Abs 1 ZPO sei. Diese Entscheidung wurde Rechtsanwalt Dr.H***** und der Antragsgegnerin zugestellt, nicht aber die Zustellung an die Antragstellerin selbst verfügt.Mit Beschluß vom 18.5.1998, ON 13, wurde die mit Beschluß vom 4.2.1998 bewilligte Verfahrenshilfe gemäß Paragraph 68, Absatz eins, ZPO für erloschen erklärt, weil im Hinblick auf die oben angeführten gutächtlichen Äußerungen des Arztes die Rechtsverfolgung aussichtslos und daher mutwillig im Sinn des Paragraph 63, Absatz eins, ZPO sei. Diese Entscheidung wurde Rechtsanwalt Dr.H***** und der Antragsgegnerin zugestellt, nicht aber die Zustellung an die Antragstellerin selbst verfügt.
Rechtsanwalt Dr.H***** erhob gegen die zitierte Entscheidung kein Rechtsmittel. Am 22.6.1998 (Postaufgabe) erhob die Antragstellerin selbst einen Rekurs, der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30.6.1998 ON 15 als verspätet mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Rechtsmittelfrist sei durch Zustellung des Beschlusses an den Verfahrenshelfer am 28.5.1998 in Gang gesetzt worden. Dieser sei gemäß § 68 Abs 4 ZPO verpflichtet und berechtigt, bis zur Rechtskraft des Beschlusses für die Antragstellerin zu handeln, soweit dies nötig sei, um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen. Der mit 22.6.1998 zur Post gegebene Rekurs sei daher verspätet.Rechtsanwalt Dr.H***** erhob gegen die zitierte Entscheidung kein Rechtsmittel. Am 22.6.1998 (Postaufgabe) erhob die Antragstellerin selbst einen Rekurs, der mit Beschluß des Erstgerichtes vom 30.6.1998 ON 15 als verspätet mit der Begründung zurückgewiesen wurde, die Rechtsmittelfrist sei durch Zustellung des Beschlusses an den Verfahrenshelfer am 28.5.1998 in Gang gesetzt worden. Dieser sei gemäß Paragraph 68, Absatz 4, ZPO verpflichtet und berechtigt, bis zur Rechtskraft des Beschlusses für die Antragstellerin zu handeln, soweit dies nötig sei, um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen. Der mit 22.6.1998 zur Post gegebene Rekurs sei daher verspätet.
Auch gegen diesen Beschluß erhob die Antragstellerin einen Rekurs, der berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Im Fall der Entscheidung ZBl 1936/492 wurde von Amts wegen die Verfahrenshilfe für erloschen erklärt und der Beschluß dem Armenanwalt zugestellt, der gegen diesen Beschluß kein Rechtsmittel erhob. Das von der Partei selbst erhobene Rechtsmittel wurde als verspätet zurückgewiesen, weil es erst nach Ablauf der durch die Zustellung an den Armenanwalt in Lauf gesetzten Rekursfrist erhoben worden war. Der OGH bestätigte mit der Begründung, der Armenanwalt sei noch zu Prozeßhandlung für die arme Partei berechtigt und verpflichtet, weshalb erst nach Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Armenrecht für erloschen erklärt wurde, Zustellungen an ihn nicht mehr vorzunehmen seien. Vor diesem Zeitpunkt hätten die Zustellungen an ihn mit Wirkung für die arme Partei zu erfolgen. Im Fall dieser Entscheidung wurde auch erwogen, daß kein Interessenswiderstreit vorliege, weil der Armenanwalt sich nicht veranlaßt gesehen habe die Enthebung zu verlangen.
Im gegenständlichen Fall ist aber der Sachverhalt wesentlich anders gelagert, weil der Verfahrenshelfer selbst die Überprüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe "anregte", also beantragte, seine Interessen auf Beendigung seines Einschreitens also den Interessen der Antragstellerin zuwiderliefen. Es kann daher nicht erwartet werden, daß der Verfahrenshelfer in diesem Fall entgegen seiner "Anregung" gegen den Beschluß des Erstgerichtes ein Rechtsmittel erhebt, weshalb der Beschluß ON 13 auch der Antragstellerin selbst hätte zugestellt werden müssen, weil im Falle einer Interessenskollision zwischen der Partei und ihrem Vertreter die gerichtliche Entscheidung der Partei selbst zuzustellen ist (vgl. EvBl 1968/3). Es müssen daher Beschlüsse, mit denen auf Anregung oder Antrag des Verfahrenshelfer die Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs 1 bzw. 2 ZPO für erloschen erklärt oder entzogen wird, auch der Partei selbst zugestellt werden. Es wurde daher durch die Zustellung des Beschlusses ON 13 an den Verfahrenshelfer die Rechtsmittelfrist für die Antragstellerin nicht in Gang gesetzt, weshalb ihr Rekurs, der am 22.6.1998 zur Post gegeben wurde, nicht als verspätet angesehen werden kann. Im übrigen hat die Antragstellerin in ihrem Rekurs gegen den Beschluß vom 30.6.1998 vorgebracht, der Beschluß ON 13 sei ihr erst durch Verständigung durch den ihr beigegebenen Verfahrenshelfer am 10.6.1998 zur Kenntnis gelangt. Da somit der zulässige Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß ON 13 nicht verspätet ist, war der Zurückweisungsbeschluß ON 15 zu beheben.Im gegenständlichen Fall ist aber der Sachverhalt wesentlich anders gelagert, weil der Verfahrenshelfer selbst die Überprüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Verfahrenshilfe "anregte", also beantragte, seine Interessen auf Beendigung seines Einschreitens also den Interessen der Antragstellerin zuwiderliefen. Es kann daher nicht erwartet werden, daß der Verfahrenshelfer in diesem Fall entgegen seiner "Anregung" gegen den Beschluß des Erstgerichtes ein Rechtsmittel erhebt, weshalb der Beschluß ON 13 auch der Antragstellerin selbst hätte zugestellt werden müssen, weil im Falle einer Interessenskollision zwischen der Partei und ihrem Vertreter die gerichtliche Entscheidung der Partei selbst zuzustellen ist vergleiche EvBl 1968/3). Es müssen daher Beschlüsse, mit denen auf Anregung oder Antrag des Verfahrenshelfer die Verfahrenshilfe gemäß Paragraph 68, Absatz eins, bzw. 2 ZPO für erloschen erklärt oder entzogen wird, auch der Partei selbst zugestellt werden. Es wurde daher durch die Zustellung des Beschlusses ON 13 an den Verfahrenshelfer die Rechtsmittelfrist für die Antragstellerin nicht in Gang gesetzt, weshalb ihr Rekurs, der am 22.6.1998 zur Post gegeben wurde, nicht als verspätet angesehen werden kann. Im übrigen hat die Antragstellerin in ihrem Rekurs gegen den Beschluß vom 30.6.1998 vorgebracht, der Beschluß ON 13 sei ihr erst durch Verständigung durch den ihr beigegebenen Verfahrenshelfer am 10.6.1998 zur Kenntnis gelangt. Da somit der zulässige Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluß ON 13 nicht verspätet ist, war der Zurückweisungsbeschluß ON 15 zu beheben.
Es ist daher vom Rekursgericht über den Rekurs gegen den Beschluß vom 18.5.1998, ON 13, zu entscheiden. Auch dieser Rekurs ist berechtigt. Die Antragstellerin bringt vor, seit Sommer 1996 sei ihr eine zielführende gynäkologische Behandlung ihrer Erkrankung verweigert worden. Auch wenn man davon ausgeht, daß länger dauernde Erkrankungen dieser Art folgenlos ausheilen können, kann nicht in Abrede gestellt werden, daß gerade durch eine unterlassene zielführende Behandlung die mit der Erkrankung verbundenen Mißempfindungen oder allenfalls Schmerzen in ihrer Dauer verlängert und allenfalls auch verstärkt werden. Eine Fragestellung dieser Art wurde an den Arzt, auf dessen Äußerung sich das Erstgericht bezieht, unterlassen, war aber für eine Vorabklärung auch nicht notwendig, weil sich dies von selbst versteht. Darüber hinaus kann auch auf die nunmehr vorgelegte ergänzende Äußerung dieses Arztes vom 21.9.1998 hingewiesen werden. Auf Grund des von der Antragstellerin behaupteten Sachverhaltes im Zusammenhang mit den Schreiben des Arztes, der die Antragstellerin in Wien einmal behandelte, kann der beabsichtigte Amtshaftungsanspruch nicht als offenbar aussichtslos oder mutwillig beurteilt werden, weil durch eine unterbliebene Behandlung vermehrte Schmerzen und ein länger dauernder Verlauf der Erkrankung verursacht worden sein können. Da die vom Erstgericht herangezogene Begründung für die Aussichtslosigkeit oder Mutwilligkeit der beabsichtigten Prozeßführung daher nicht zutrifft, war der angefochtene Beschluß, mit dem die Verfahrenshilfe für erloschen erklärt wurde, dahin abzuändern, daß er aufgehoben wird.
Der Ausspruch, wonach ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist, beruht auf § 528 Abs 2 Z 4 ZPO.Der Ausspruch, wonach ein Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig ist, beruht auf Paragraph 528, Absatz 2, Ziffer 4, ZPO.
Anmerkung
EW00284 14R01538European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0009:1998:01400R00153.98T.1022.000Dokumentnummer
JJT_19981022_OLG0009_01400R00153_98T0000_000