Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Amadeus Franziskus L*****, vertreten durch Dr. Karl und Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Land Salzburg, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 229.354,44 S und Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. September 1997, GZ 2 R 132/97p-77, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 25. März 1997, GZ 6 Cg 224/93g-72, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 11.430 S (darin 1.905 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der 1960 geborene Kläger zog sich am 15. 12. 1991 bei einem Schiunfall einen Riß des vorderen Kreuzbandes im linken Kniegelenk zu. Bei der Erstversorgung im Krankenhaus Schwarzach im Pongau wurde vom behandelnden Arzt eine arthroskopische Abklärung des Kniegelenkes als angezeigt erachtet. Der vom Kläger in der Absicht, sich operieren zu lassen, zunächst konsultierte Arzt vermutete einen Riß des Kreuzbandes und erklärte ihm, das Band sei, wenn es "schön gerissen sei" zu nähen, andernfalls muskulös aufzutrainieren. Der Arzt stellte für den Kläger die Verbindung zu dem in den Landeskrankenanstalten Salzburg tätigen Univ. Doz. Dr. B***** zur Durchführung einer Arthroskopie her. Der Kläger wurde am 17. 12. 1991 in die Landeskrankenanstalten Salzburg, deren Rechtsträger die beklagte Partei ist, stationär aufgenommen. Vor der Operation führte Dozent Dr. B***** mit dem Kläger ein Gespräch über die operative Vorgangsweise in Abhängigkeit von der sich bei der Operation zeigenden Art der Kreuzbandverletzung. Wegen Verhinderung dieses Arztes wurde der Kläger am 18. 12. 1991 von Prim. Univ. Prof. Dr. W***** am linken Knie operiert. Es wurde ein Bluterguß im Gelenk ausgespült, ein femoral gelegener frischer Riß des vorderen Kreuzbandes diagnostiziert, reinseriert, eine zusätzliche Knorpelläsion mit Aufstehen einer Knorpelschuppe entfernt und in typischer Augmentationstechnik ein LAD eingezogen, dieses mit Schrauben armiert und das Gelenk vor Schluß ausgespült. Am 22. 12. 1991 wurde der Kläger in häusliche Pflege entlassen. Nachdem septische Fieberschübe und eine Schwellung im Kniegelenksbereich aufgetreten waren, hielt sich der Kläger vom 27. 12. 1991 bis 10. 1. 1992 neuerlich stationär in den Landeskrankenanstalten Salzburg auf. Am 29. 12. 1991 wurde das linke Kniegelenk arthroskopiert, wobei sich ein massiver intraarticulärer Reizzustand zeigte.
Mit der Behauptung, aufgrund mangelhafter hygienischer Zustände, die Hygienevorschriften auch hinsichtlich der Hautdesinfektion seien nicht eingehalten worden, sei es nach der Operation zur Infektion des Kniegelenkes gekommen, der Kläger sei über das Infektionsrisiko und alternative Behandlungsmethoden nicht aufgeklärt worden, begehrte er ein Schmerzengeld von 200.000 S, den Ersatz eines infektionsbedingt eingetretenen Verdienstentganges im Zeitraum Juli/August 1992 von 29.354,44 S und die Feststellung der Haftung des Beklagten für alle künftigen Schäden aufgrund der anläßlich der Kniegelenksoperation vom 18. 12. 1991 erlittenen Infektion.
Die beklagte Partei wandte ein, alle nach den Regeln der Kunst gebotenen hygienischen Maßnahmen getroffen zu haben. Die Infektion sei schicksalhaft eingetreten und nicht zu verhindern gewesen. Das Infektionsrisiko sei unter 1 % gelegen, so daß auch keine Aufklärungspflicht bestanden habe. Der Kläger sei auf das Infektionsrisiko hingewiesen worden und habe dem Eingriff dennoch zugestimmt. Auch bei Unterbleiben der Operation hätte es zu einer Infektion kommen können. Der Kläger hätte auch bei Aufklärung über das Infektionsrisiko der Operation zugestimmt.
Das Erstgericht wies das Leistungs- und das Feststellungsbegehren ab. Es konnte nicht feststellen, daß der Kläger von Univ. Doz. Dr. B***** oder vom späteren Operateur Prim. Prof. Dr. W***** über das der konkreten Operation anhaftende Infektionsrisiko sowie über allfällige alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt wurde. Bei dem am Kläger vorgenommenen Eingriff beträgt die Infektionsrate 0,01 bis 2 %, je nachdem, ob es sich um einen Einfach- oder Mehrfacheingriff handelt, ob eine Arthroskopie mit einem nachfolgenden offenen Eingriff bzw mit einem Eingriff mit zusätzlichem Fremdmaterialimplantat verbunden ist. Unter Berücksichtigung der konkreten Situation des Klägers war von einem 2 %igen Infektionsrisiko auszugehen, da ein LAD eingepflanzt wurde. Beim Kläger verwirklichte sich ein Infektionsrisiko, das an sich jeder Operation und auch dem hier konkreten Eingriff als routinemäßiges Risiko anhaftet. Auch eine LAD-Implantation ist nicht mit einem übergroßen "besonderen", die 2 %-Grenze übersteigenden Infektionsrisiko verbunden.
Die beim Kläger durchgeführte Wiederherstellung des vorderen Kreuzbandes ist die bei jungen, gesunden und sportlichen Menschen in erster Linie in Frage kommende Behandlungsmethode. Sie bringt die bestmögliche Stabilität für das Gelenk und ist mit der kürzesten Morbidität verbunden. Im Rahmen der operativen Behandlungsmethode war die Entfernung des abgebrochenen, sehr ausgedehnten Knorpelfragmentes angezeigt, da dessen Belassen zu einer weiteren Schädigung des Knorpelbelages in Form eines frühzeitigen, vermehrten Aufbruchs der Knorpelteile hätte führen können. Die alternative Behandlungsmethode hätte in einer Ruhigstellung des Kniegelenkes mit einem Gips oder in einer Schiene zur funktionellen Behandlung und nachfolgendem Abwarten bestanden, ob sich eine spontane, ausreichende Festigkeit des Kniegelenkes einstellt, bzw ob der Patient durch Muskelschienen in Zukunft zurechtkommen werde. Diese Behandlungsalternative besteht in einem Zuwarten, je nachdem, ob der Riß des Kreuzbandes gegeben ist, ob sich nicht doch eine narbige Festigung ergibt, vielleicht in etwas lockerer Art als operativ versorgt, und ob dieser Zustand muskulär ausreichend von seiten des Verletzten kompensiert werden kann. Ist dies nicht der Fall, bietet sich sekundär eine Kreuzbandersatzplastik an. Hat der Kläger keinen so hohen Stabilitätsanspruch, so stellt diese Behandlungsmethode eine korrekte Alternative dar. Entscheidet sich ein Patient für diese alternative Behandlungsmethode, müßte eine MRI-Abklärung vorgenommen werden, um eine feinbildgebende Aufklärung über die gesamte intraartikuläre Situation zu erhalten. Da aufgrund einer in den Landeskrankenanstalten Salzburg möglichen MRI-Untersuchung jedenfalls das abgebrochene Knorpelfragment feststellbar gewesen wäre, wäre dem Kläger zu dessen Entfernung im Rahmen einer Arthroskopie zu raten gewesen. Die Arthroskopie ist gegenüber dem am Kläger durchgeführten Eingriff mit einem geringeren Infektionsrisiko verbunden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger die Infektion auch dann erlitten hätte, wäre lediglich die Entfernung des Knorpelfragmentes im Rahmen einer Arthroskopie durchgeführt worden. Im Hinblick auf das Lebensalter des Klägers, seinen Beinbedarf sowie allfällige körperliche berufliche und sportliche Tätigkeiten war für ihn in erster Linie die operative Methode empfehlenswert. Entscheidet sich ein Patient für die alternative Behandlungsmethode, muß er damit rechnen, kniebelastende und mit ruckartigen Bewegungen verbundene Sportarten nicht mehr ausüben zu können. Von Laufen, Springen und Tennisspielen wäre diesfalls abzuraten, beim alpinen Schilauf eine Kniestütze zu tragen. Der Kläger wäre im Falle einer Entscheidung für die Behandlungsalternative bei der Ausübung des von ihm angestrebten Tischlerberufes eingeschränkt gewesen, da er bei den beinbetonten Tätigkeiten eines Tischlers auf eine höhere Kniestabilität angewiesen wäre, als dies bei der alternativen Behandlungsmethode zu erzielen gewesen wäre. Die Behandlungsalternative wäre daher im Hinblick auf das Erreichen einer vollen Kniegelenkstabilität die schlechtere Methode gewesen. Wäre der Kläger über die alternative Behandlungsmöglichkeit aufgeklärt worden, so hätte er sich trotzdem für die operative Methode entschieden.
Die Operation erfolgte in einem für unfallchirurgische und orthopädische Eingriffe reservierten Operationssaal, wobei die konkret vorliegende Operationssaalbelüftung zu keinem erhöhten Risiko für aerogene Infektionen führte. Die präoperative Hautdesinfektion des Patienten wurde mit Betaisodona durchgeführt. Der in diesem Desinfektionsmittel enthaltene Wirkstoff PVP-Jod hat ein weites Wirkungsspektrum, das jedoch, sowohl was die Intensität der Wirkung als auch die Schnelligkeit des Wirkungseintrittes anlangt, den alkoholischen Präparaten deutlich unterlegen ist, so daß für die präoperative Hautdesinfektion vornehmlich alkoholische Präparate eingesetzt werden sollen. PVP-Jod in wässriger Lösung dient demgegenüber zur Schleimhautdesinfektion und zur Desinfektion schleimhautnaher Hautpartien. In den vom Anstaltshygieniker erlassenen Hygienerichtlinien der Landeskrankenanstalten Salzburg war Betaisodonalösung als Mittel zur Schleimhaut- und Wunddesinfektion angeführt, während für die Hautdesinfektion vor invasiven Techniken insbesondere im OP-Bereich Dodesept-Tinktur angegeben war. Wenngleich Betaisodona alkoholischen Präparaten wie der Dodesept-Tinktur unterlegen ist, ist doch davon auszugehen, daß bei korrekter Handhabung eine ausreichende Keimreduktion auf der Haut stattfindet, so daß ein endogenes Infektionsrisiko gering ist. In den Landeskrankenanstalten Salzburg erfolgte zur Hautdesinfektion im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in der Regel eine Reinigung mit Seife, dann ein mindestens dreimaliger Anstrich mit Betaisodona, welcher Vorgang in der Regel etwa 10 bis 12 Minuten in Anspruch nahm. Die vom Operateur geschilderte Handdesinfektion entsprach den Anforderungen. Nicht feststellbar ist, daß im Zeitpunkt der Operation des Klägers auf der unfallchirurgischen Abteilung der Landeskrankenanstalten Salzburg mangelhafte hygienische Verhältnisse herrschten bzw daß die Infektionsrate, Arthroskopien eingeschlossen, im Jahr 1991 1,8 % überschritten hätte.
Bei dem operativen Eingriff am 29. 12. 1991 wurde das Gelenk gespült, eine Teilsynovektomie durchgeführt, ein vereitertes Hämatom entleert und letztlich mit Drains drainiert. Der weitere Verlauf zeigte ein Abklingen des Infektes bzw gute Drainagefähigkeit. Der Kläger wurde antibiotisch abgeschirmt. Er wurde am 10. 1. 1992 mit einer Bewegungsschiene entlassen und in ambulante Nachsorge übernommen. Im Verlauf der Kontrollen kam es durch intensive Heilgymnastik und Kryotherapie zu einer langsamen Besserung der zunächst schlechten Beweglichkeit. Bei der Letztkontrolle am 19. 8. 1992 bestand noch eine leichte Streck- und Beugehemmung gegenüber der gesunden Seite. Das Schraubenimplantat und das LAD wurden schließlich am 6. 6. 1994 entfernt.
Der Kläger litt infektionsbedingt 8 bis 10 Tage starke Schmerzen, 2 bis 3 Wochen mittelstarke Schmerzen und 6 Wochen leichte Schmerzen. Infektionsbedingte Spätfolgen sind nicht auszuschließen, da jede Infektion in einem Gelenk zu Spätfolgen führen kann. Der Kläger war bedingt durch die Folgen der erlittenen Infektion im Juli 1992 arbeitsunfähig. Er erlitt einen Verdienstentgang von 29.354,44 S.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht den Standpunkt, daß dem Kläger der Nachweis eines Behandlungsfehlers in Form der Durchführung einer Operation unter mangelhaften hygienischen Verhältnissen mit der Folge einer Infektion nicht gelungen sei. Eine Verpflichtung des behandelnden Arztes, den Kläger über das mit der Operation verbundene Infektionsrisiko aufzuklären, habe nicht bestanden, da es sich um ein mit jeder Operation routinemäßig verbundenes Risiko gehandelt habe, das als allgemein bekannt vorauszusetzen sei und keine gesonderte Aufklärung erfordere. Die Nichtaufklärung über die Behandlungsalternative führe zu keiner Haftung der Beklagten, weil der Kläger auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Operation erteilt hätte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von 129.354,44 S (samt Anhang), wies das Mehrbegehren von weiteren 100.000 S (samt Anhang) ab und stellte fest, daß die beklagte Partei dem Kläger für alle künftigen Schäden aufgrund der erlittenen Infektion anläßlich der Knieoperation am 18. 12. 1991 zu haften habe. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und billigte die Feststellungen des Erstgerichtes, wobei es klarstellte, daß das Erstgericht davon ausgegangen ist, zur Hautdesinfektion vor der Opeation sei Betaisodona in wässriger Lösung verwendet worden.
Ein den Spitalsärzten anzulastendes Fehlverhalten, für das der Krankenhausträger den Patienten als Partner des abgeschlossenen Behandlungsvertrages zu haften habe, liege vor, wenn die Ärzte nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgegangen seien oder die übliche Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigt hätten. Der Patient habe Anspruch auf die nach dem Stand der Wissenschaft sicherste Maßnahme zur Abwendung bekannter Operationsgefahren. Dabei sei der Beweis des Vorliegens eines Behandlungsfehlers und seiner Kausalität in bezug auf den eingetretenen Schaden grundsätzlich vom Patienten zu führen. Für den Kausalitätsbeweis bei möglicherweise mit Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden von Patienten sehe der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung wegen besonderer Schwierigkeit des exakten Beweises den Anscheinsbeweis als ausreichend an. Im Falle eines ärztlichen Kunstfehlers, durch den die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes nicht bloß unwesentlich erhöht werde, treffe dann den Rechtsträger des Krankenhauses die Beweislast dafür, daß der Kunstfehler mit großer Wahrscheinlichkeit für die eingetretenen Gesundheitsschädigungen unwirksam geblieben sei. Verletze der Arzt seine Dokumentationspflicht, führe dies dazu, daß dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokukmentationspflichtverletzung entsprechende Beweiserleichterung zugute komme. Diese begründe die Vermutung, daß eine nichtdokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen worden sei. Abgesehen davon, daß auch das Erstgericht nach allen Beweisergebnissen (Aussage der Operationsschwester, des Operateurs und des Sachverständigengutachtens) offensichtlich davon ausgegangen sei, daß wässrige Betaisodonalösung zur Definfektion verwendet worden sei, sei hievon auch wegen der mangelnden Dokumentation auszugehen. Damit sei aber nicht das nach dem Stand der Wissenstand sicherste Desinfektionsmittel, sondern ein in Intensität und Schnelligkeit des Wirkungseintrittes deutlich unterlegenes Präparat verwendet worden. Somit sei ein Behandlungsfehler nachgewiesen. Die Verwendung dieses Desinfektionsmittels habe nicht nur dem Stand der Wissenschaft, sondern auch den vom Anstaltshygieniker der beklagten Partei erlassenen Desinfektionsrichtlinien widersprochen, die zur präoperativen Hautdesinfektion am Patienten die Verwendung des alkoholischen Präparates Dodesept-Tinktur vorgesehen hätten. Dem Krankenhaushygieniker obliege nach § 12a SKAG 1975 die Wahrung der Belange der Hygiene. Die von ihm erlassenen Desinfektionsrichtlinien stellten eine krankenanstalteninterne generelle Anweisung zur Sicherung des Hygienestandards dar und bezweckten den Schutz der Patienten vor Infektionen. Diese vom gesetzlich institutionalisierten Krankenhaushygieniker zur Wahrung des Mindesthygienestandards erlassenen Desinfektionsrichtlinien seien obrigkeitlich vorgesehene Verfügungen zum Schutz des Patienten vor Infektionen und daher gleich einem Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beweislastverteilung zu werten. Bei Verletzung eines Schutzgesetzes sei der strenge Beweis des Kausalzusammenhanges nicht erforderlich, vielmehr spreche der Beweis des ersten Anscheines dafür, daß der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht worden sei. Der klagende Geschädigte müsse nur die Übertretung einer Schutznorm durch den Beklagten beweisen, diesem obliege der Beweis, daß er sich vorschriftsgemäß verhalten habe oder der Schaden auch bei vorschriftsgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Den Nachweis, daß die Infektion auch bei Verwendung von Dodesept-Tinktur zur präoperativen Desinfektion eingetreten wäre oder sie an der Anwendung von Betaisodona kein Verschulden treffe, habe die beklagte Partei ebensowenig erbracht wie daß aufgrund der besonderen Handhabung der tatsächlich verwendeten jodhaltigen Tinktur die gleiche Keimreduktion und damit der gleiche Schutz vor einer endogenen Infektion wie bei der Verwendung einer alkoholischen Desinfektionslösung erreicht worden sei. Aus der Feststellung, daß bei korrekter Handhabung eine ausreichende Keimreduktion auf der Haut stattfinde, ergebe sich nicht, daß diese auch erfolgt sei, zumal nicht einmal feststehe, wie oft im konkreten Fall der Anstrich mit Betaisodona erfolgt sei. Es könne daher nicht von der Gleichwertigkeit der vorgenommenen Hautdesinfektion gegenüber der nach dem Stand der Wissenschaft gebotenen ausgegangen werden. Die beklagte Partei habe daher für die nachteiligen Folgen der vom Kläger erlittenen Infektion zu haften. Die Höhe des Verdienstentganges stehe außer Streit, für die erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzengeld von 100.000 S angemessen.Ein den Spitalsärzten anzulastendes Fehlverhalten, für das der Krankenhausträger den Patienten als Partner des abgeschlossenen Behandlungsvertrages zu haften habe, liege vor, wenn die Ärzte nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgegangen seien oder die übliche Sorgfalt eines ordentlichen pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigt hätten. Der Patient habe Anspruch auf die nach dem Stand der Wissenschaft sicherste Maßnahme zur Abwendung bekannter Operationsgefahren. Dabei sei der Beweis des Vorliegens eines Behandlungsfehlers und seiner Kausalität in bezug auf den eingetretenen Schaden grundsätzlich vom Patienten zu führen. Für den Kausalitätsbeweis bei möglicherweise mit Behandlungsfehlern zusammenhängenden Gesundheitsschäden von Patienten sehe der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung wegen besonderer Schwierigkeit des exakten Beweises den Anscheinsbeweis als ausreichend an. Im Falle eines ärztlichen Kunstfehlers, durch den die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes nicht bloß unwesentlich erhöht werde, treffe dann den Rechtsträger des Krankenhauses die Beweislast dafür, daß der Kunstfehler mit großer Wahrscheinlichkeit für die eingetretenen Gesundheitsschädigungen unwirksam geblieben sei. Verletze der Arzt seine Dokumentationspflicht, führe dies dazu, daß dem Patienten zum Ausgleich der durch die Verletzung der Dokumentationspflicht eingetretenen größeren Schwierigkeiten, einen Behandlungsfehler nachzuweisen, eine der Schwere der Dokukmentationspflichtverletzung entsprechende Beweiserleichterung zugute komme. Diese begründe die Vermutung, daß eine nichtdokumentierte Maßnahme vom Arzt nicht getroffen worden sei. Abgesehen davon, daß auch das Erstgericht nach allen Beweisergebnissen (Aussage der Operationsschwester, des Operateurs und des Sachverständigengutachtens) offensichtlich davon ausgegangen sei, daß wässrige Betaisodonalösung zur Definfektion verwendet worden sei, sei hievon auch wegen der mangelnden Dokumentation auszugehen. Damit sei aber nicht das nach dem Stand der Wissenstand sicherste Desinfektionsmittel, sondern ein in Intensität und Schnelligkeit des Wirkungseintrittes deutlich unterlegenes Präparat verwendet worden. Somit sei ein Behandlungsfehler nachgewiesen. Die Verwendung dieses Desinfektionsmittels habe nicht nur dem Stand der Wissenschaft, sondern auch den vom Anstaltshygieniker der beklagten Partei erlassenen Desinfektionsrichtlinien widersprochen, die zur präoperativen Hautdesinfektion am Patienten die Verwendung des alkoholischen Präparates Dodesept-Tinktur vorgesehen hätten. Dem Krankenhaushygieniker obliege nach Paragraph 12 a, SKAG 1975 die Wahrung der Belange der Hygiene. Die von ihm erlassenen Desinfektionsrichtlinien stellten eine krankenanstalteninterne generelle Anweisung zur Sicherung des Hygienestandards dar und bezweckten den Schutz der Patienten vor Infektionen. Diese vom gesetzlich institutionalisierten Krankenhaushygieniker zur Wahrung des Mindesthygienestandards erlassenen Desinfektionsrichtlinien seien obrigkeitlich vorgesehene Verfügungen zum Schutz des Patienten vor Infektionen und daher gleich einem Schutzgesetz im Sinne des Paragraph 1311, ABGB mit entsprechenden Auswirkungen auf die Beweislastverteilung zu werten. Bei Verletzung eines Schutzgesetzes sei der strenge Beweis des Kausalzusammenhanges nicht erforderlich, vielmehr spreche der Beweis des ersten Anscheines dafür, daß der von der Norm zu verhindernde Schaden durch das verbotene Verhalten verursacht worden sei. Der klagende Geschädigte müsse nur die Übertretung einer Schutznorm durch den Beklagten beweisen, diesem obliege der Beweis, daß er sich vorschriftsgemäß verhalten habe oder der Schaden auch bei vorschriftsgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Den Nachweis, daß die Infektion auch bei Verwendung von Dodesept-Tinktur zur präoperativen Desinfektion eingetreten wäre oder sie an der Anwendung von Betaisodona kein Verschulden treffe, habe die beklagte Partei ebensowenig erbracht wie daß aufgrund der besonderen Handhabung der tatsächlich verwendeten jodhaltigen Tinktur die gleiche Keimreduktion und damit der gleiche Schutz vor einer endogenen Infektion wie bei der Verwendung einer alkoholischen Desinfektionslösung erreicht worden sei. Aus der Feststellung, daß bei korrekter Handhabung eine ausreichende Keimreduktion auf der Haut stattfinde, ergebe sich nicht, daß diese auch erfolgt sei, zumal nicht einmal feststehe, wie oft im konkreten Fall der Anstrich mit Betaisodona erfolgt sei. Es könne daher nicht von der Gleichwertigkeit der vorgenommenen Hautdesinfektion gegenüber der nach dem Stand der Wissenschaft gebotenen ausgegangen werden. Die beklagte Partei habe daher für die nachteiligen Folgen der vom Kläger erlittenen Infektion zu haften. Die Höhe des Verdienstentganges stehe außer Streit, für die erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzengeld von 100.000 S angemessen.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, inwieweit von Krankenhaushygienikern erlassene Desinfektionsrichtlinien wie Schutzgesetze zu behandeln seien, eine höchstgerichtliche Judikatur fehle.
Der gegen den klagestattgebenden Teil des Berufungsurteils gerichteten Revision der beklagten Partei kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Da das Berufungsgericht, von der beklagten Partei gar nicht bestritten, ohnedies ausgeführt hat, das Erstgericht sei davon ausgegangen, daß zur Hautdesinfektion Betaisodona in wässriger Lösung verwendet wurde und die widersprüchliche Negativfeststellungen des Erstgerichtes daher nicht übernommen hat, sind die Ausführungen zur Dokumentationspflicht hier nicht entscheidungswesentlich.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Patient zwar grundsätzlich für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und seine Kausalität in bezug auf den eingetretenen Schaden beweispflichtig ist, aber gerade für den Kausalitätsbeweis wegen der besonderen Schwierigkeit eines exakten Beweises der Anscheinsbeweis ausreicht. Der Patient hat Anspruch auf die nach dem Stand der Wissenschaft sichersten Maßnahmen zur Abwendung bekannter Operationsgefahren. Zur weitestmöglichen Einschränkung solcher bekannter Gefahren, hier die mit jeder Operation verbundene Infektionsgefahr, muß die in Fachkreisen wirkungsvollste Methode, der wirkungsvollste Schutz angewendet werden. Bleibt die gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard der besten Vorsorge vor unbeabsichtigter Schädigung durch Nebenwirkungen der Operation zurück, dann hat der Krankenhausträger den Beweis der Schuldlosigkeit zu erbringen. Eine Übung im Krankenhaus oder auch eine subjektive Überzeugung des Operateurs reicht hiezu nicht aus, denn der Patient hat aus dem Behandlungsvertrag Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden sichersten Maßnahmen zur möglichsten Ausschaltung oder Einschränkung bekannter Operationsgefahren (SZ 62/125). Wird durch die Nichtanwendung der sichersten Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes nicht bloß unwesentlich erhöht, trifft den Rechtsträger des Krankenhauses die Beweislast dafür, daß die gewählte Methode mit großer Wahrscheinlichkeit für die eingetretene Gesundheitsschädigung unwirksam geblieben ist (SZ 63/90). Im vorliegenden Fall steht fest, daß zur präoperativen Hautdesinfektion des Klägers nicht das nach dem Stand der Wissenschaft sicherste und wirksamste Desinfektionsmittel, sondern ein in Intensität der Wirkung und Schnelligkeit der Wirksamkeit deutlich unterlegenes Mittel verwendet wurde. Unabhängig davon, ob man die Hygienerichtlinien des Anstaltshygienikers als Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB qualifizieren will oder nur als interne Anweisung an das Krankenhauspersonal ohne obrigkeitlichen Einschlag, zeigt die von einem hiezu besonders fachlich qualifizierten Arzt (vgl § 12a SKAG) im Rahmen der Hygienerichtlinien abgegebene Empfehlung eines bestimmten alkoholhältigen Desinfektionspräparates, auch wenn kein Weisungsrecht gegenüber dem behandelnden Arzt besteht, jedenfalls die nach dem Stand der Wissenschaft wirksamste und sicherste Methode auf, zu der sich der Krankenhausträger durch die Bestellung des Anstaltshygienikers mit dem Auftrag, Hygienerichtlinien zu erlassen, selbst bekennt. Es wäre daher der Beklagten der Nachweis oblegen, daß der Behandlungsfehler (Nichtverwendung des wirksamsten Mittels) mit großer Wahrscheinlichkeit für die eingetretene Infektion unwirksam geblieben ist. Diesen Nachweis konnte die Beklagte aber nicht erbringen.Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Patient zwar grundsätzlich für das Vorliegen eines Behandlungsfehlers und seine Kausalität in bezug auf den eingetretenen Schaden beweispflichtig ist, aber gerade für den Kausalitätsbeweis wegen der besonderen Schwierigkeit eines exakten Beweises der Anscheinsbeweis ausreicht. Der Patient hat Anspruch auf die nach dem Stand der Wissenschaft sichersten Maßnahmen zur Abwendung bekannter Operationsgefahren. Zur weitestmöglichen Einschränkung solcher bekannter Gefahren, hier die mit jeder Operation verbundene Infektionsgefahr, muß die in Fachkreisen wirkungsvollste Methode, der wirkungsvollste Schutz angewendet werden. Bleibt die gewählte Maßnahme hinter dem in Fachkreisen anerkannten Standard der besten Vorsorge vor unbeabsichtigter Schädigung durch Nebenwirkungen der Operation zurück, dann hat der Krankenhausträger den Beweis der Schuldlosigkeit zu erbringen. Eine Übung im Krankenhaus oder auch eine subjektive Überzeugung des Operateurs reicht hiezu nicht aus, denn der Patient hat aus dem Behandlungsvertrag Anspruch auf Anwendung der nach dem Stand der Wissenschaft zu fordernden sichersten Maßnahmen zur möglichsten Ausschaltung oder Einschränkung bekannter Operationsgefahren (SZ 62/125). Wird durch die Nichtanwendung der sichersten Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes nicht bloß unwesentlich erhöht, trifft den Rechtsträger des Krankenhauses die Beweislast dafür, daß die gewählte Methode mit großer Wahrscheinlichkeit für die eingetretene Gesundheitsschädigung unwirksam geblieben ist (SZ 63/90). Im vorliegenden Fall steht fest, daß zur präoperativen Hautdesinfektion des Klägers nicht das nach dem Stand der Wissenschaft sicherste und wirksamste Desinfektionsmittel, sondern ein in Intensität der Wirkung und Schnelligkeit der Wirksamkeit deutlich unterlegenes Mittel verwendet wurde. Unabhängig davon, ob man die Hygienerichtlinien des Anstaltshygienikers als Schutzgesetz im Sinne des Paragraph 1311, ABGB qualifizieren will oder nur als interne Anweisung an das Krankenhauspersonal ohne obrigkeitlichen Einschlag, zeigt die von einem hiezu besonders fachlich qualifizierten Arzt vergleiche Paragraph 12 a, SKAG) im Rahmen der Hygienerichtlinien abgegebene Empfehlung eines bestimmten alkoholhältigen Desinfektionspräparates, auch wenn kein Weisungsrecht gegenüber dem behandelnden Arzt besteht, jedenfalls die nach dem Stand der Wissenschaft wirksamste und sicherste Methode auf, zu der sich der Krankenhausträger durch die Bestellung des Anstaltshygienikers mit dem Auftrag, Hygienerichtlinien zu erlassen, selbst bekennt. Es wäre daher der Beklagten der Nachweis oblegen, daß der Behandlungsfehler (Nichtverwendung des wirksamsten Mittels) mit großer Wahrscheinlichkeit für die eingetretene Infektion unwirksam geblieben ist. Diesen Nachweis konnte die Beklagte aber nicht erbringen.
Die Anwendung dieser der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Beweislastregel durch das Berufungsgericht stellt keine überraschende Rechtsansicht dar, die ohne weitere Anleitung nach § 182 ZPO einen Verfahrensmangel begründen könnte. Davon könnte nur gesprochen werden, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Rechtsauffassung vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde, nicht aber, wenn das Berufungsgericht nur zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangt als das Erstgericht. Der Kläger hat in erster Instanz ausdrücklich vorgebracht, die Hygienevorschriften auch hinsichtlich der Hautdesinfektion seien nicht eingehalten worden. Die Hygienerichtlinien und die Verwendung und Wirkungsweise der einzelnen Desinfektionsmittel waren Gegenstand des Beweisverfahrens und des Gutachtens sowie seiner Erörterung, alle von der beklagten Partei zu ihrem Vorbringen, sie habe alle nach den Regeln der Kunst gebotenen Maßnahmen getroffen, angebotenen Beweise wurden durchgeführt. Es liegt daher kein Anhaltspunkt dafür vor, die beklagte Partei habe nur aus einer vertretbaren Rechtsauffassung über die Beweislastverteilung weitere Prozeßbehauptungen und Beweisanbote unterlassen.Die Anwendung dieser der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Beweislastregel durch das Berufungsgericht stellt keine überraschende Rechtsansicht dar, die ohne weitere Anleitung nach Paragraph 182, ZPO einen Verfahrensmangel begründen könnte. Davon könnte nur gesprochen werden, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegte Rechtsauffassung vor Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten wurde, nicht aber, wenn das Berufungsgericht nur zu einer anderen rechtlichen Beurteilung gelangt als das Erstgericht. Der Kläger hat in erster Instanz ausdrücklich vorgebracht, die Hygienevorschriften auch hinsichtlich der Hautdesinfektion seien nicht eingehalten worden. Die Hygienerichtlinien und die Verwendung und Wirkungsweise der einzelnen Desinfektionsmittel waren Gegenstand des Beweisverfahrens und des Gutachtens sowie seiner Erörterung, alle von der beklagten Partei zu ihrem Vorbringen, sie habe alle nach den Regeln der Kunst gebotenen Maßnahmen getroffen, angebotenen Beweise wurden durchgeführt. Es liegt daher kein Anhaltspunkt dafür vor, die beklagte Partei habe nur aus einer vertretbaren Rechtsauffassung über die Beweislastverteilung weitere Prozeßbehauptungen und Beweisanbote unterlassen.
Der Revision kommt daher keine Berechtigung zu.
Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E51901 06A00038European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00003.98D.1029.000Dokumentnummer
JJT_19981029_OGH0002_0060OB00003_98D0000_000