TE OGH 1998/10/29 2Ob249/98a

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Veröffentlicht am 29.10.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Gottfried Korn und Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Wolfgang B*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 11 Cg 254/93s des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. Juni 1998, GZ 11 R 73/98f-7, womit der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 21. April 1998, GZ 11 Cg 56/98f-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 11. Juli 1996, GZ 11 Cg 245/93s-50, wurde das Begehren der klagenden - nunmehr wiederaufnahmsklagenden - Partei gegen den Beklagten - nunmehr Wiederaufnahmsbeklagten - auf Zahlung von S 832.000 sA abgewiesen.

Nunmehr begehrt die im Vorprozeß unterlegene klagende Partei die Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grunde des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO mit der Begründung, Ausgangspunkt im wiederaufzunehmenden Verfahren sei ein dem Beklagten erteilter Treuhandauftrag gewesen. Der ihm zur Verfügung gestellte Betrag von S 832.000 sei insgesamt zweimal ausbezahlt worden. Nach der ersten - vereinbarungskonformen - Auszahlung sei der Betrag wieder auf sein Konto rücküberwiesen worden. In weiterer Folge habe er diesen Betrag, von dem er gewußt habe, daß ein Teil davon von der klagenden Partei stamme, an Günther K***** ausbezahlt. Danach sei der Betrag verschwunden. Die zweite Auszahlung sei nicht vom ursprünglichen Treuhandauftrag umfaßt gewesen.Nunmehr begehrt die im Vorprozeß unterlegene klagende Partei die Wiederaufnahme des Verfahrens aus dem Grunde des Paragraph 530, Absatz eins, Ziffer 7, ZPO mit der Begründung, Ausgangspunkt im wiederaufzunehmenden Verfahren sei ein dem Beklagten erteilter Treuhandauftrag gewesen. Der ihm zur Verfügung gestellte Betrag von S 832.000 sei insgesamt zweimal ausbezahlt worden. Nach der ersten - vereinbarungskonformen - Auszahlung sei der Betrag wieder auf sein Konto rücküberwiesen worden. In weiterer Folge habe er diesen Betrag, von dem er gewußt habe, daß ein Teil davon von der klagenden Partei stamme, an Günther K***** ausbezahlt. Danach sei der Betrag verschwunden. Die zweite Auszahlung sei nicht vom ursprünglichen Treuhandauftrag umfaßt gewesen.

Aufgrund der Aussage des Beklagten vor dem Erstgericht, er habe vor dem zweiten Auszahlungsvorgang mit einem Mitarbeiter der klagenden Partei telefoniert und von diesem die Zustimmung zur Auszahlung des Betrages erhalten, sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Inhalt des Treuhandauftrages durch eine mündliche Abrede abgeändert worden sei.

Nunmehr habe die klagende Partei ein Beweismittel gefunden, das die Richtigkeit der Aussage des Beklagten in Zweifel ziehe. Im Verfahren zu 22 Cg 187/93n des Landesgerichtes für ZRS Graz sei Günther K***** von Elisabeth R***** im Zusammenhang mit dem selben Geschäftsfall auf Zahlung von S 400.000 geklagt worden. In diesem Verfahren habe der Beklagte ausgesagt, er habe es nicht erforderlich erachtet, nochmals bei der klagenden Partei oder deren Mitarbeitern nachzufragen, sondern habe es für richtig befunden, an Günther K***** den rückgelangten Restbetrag auszubezahlen.

Diese Aussage stehe im Widerspruch zur Verantwortung im wiederaufzunehmenden Verfahren: Dort habe sich der Beklagte darauf berufen, vor der zweiten Geldauszahlung mit dem Mitarbeiter der klagenden Partei gesprochen und dessen Einwilligung eingeholt zu haben. Im Verfahren zu 22 Cg 187/93n des Landesgerichtes für ZRS Graz habe er aber als Zeuge unter Wahrheitspflicht ausgesagt, daß er diese Rücksprache unterlassen habe. Hätte er diese Aussage im wiederaufzunehmenden Verfahren gemacht, so wäre dies dazu geeignet gewesen, eine für die klagende Partei günstigere Entscheidung herbeizuführen. Die Glaubwürdigkeit des Beklagten wäre durch das nunmehr vorgelegte Protokoll über seine Aussage im Verfahren zu 22 Cg 187/93n des Landesgerichtes für ZRS Graz insoweit erschüttert gewesen, daß eine darauf basierende Feststellung nicht hätte getroffen werden können.

Wenn auch diese Aussage bereits während des wiederaufzunehmenden Verfahrens erfolgt sei, habe die wiederaufnahmsklagende Partei davon bis zum 11. Februar 1998 keine Kenntnis gehabt, es treffe sie an dieser Unkenntnis auch kein Verschulden. Sie habe erst im Zuge der Vorbereitung des Prozesses gegen Günther K***** mit dem Vertreter von Elisabeth R***** Kontakt aufgenommen und ihn ersucht, Unterlagen aus deren Prozeß gegen Günther K***** zur Verfügung zu stellen. Diesem Ersuchen sei (verspätet) nachgekommen worden; der Handakt des Vertreters von Elisabeth R***** sei am 11. Februar 1998 in der Kanzlei der Rechtsvertreter der klagenden Partei eingelangt. Bei dessen Durchblättern sei der Klagevertreter auf die Aussage des Beklagten gestoßen. Die wiederaufnahmsklagende Partei habe den Inhalt der Aussage bisher nicht gekannt.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage a limine mit der Begründung zurück, der Wiederaufnahmsbeklagte habe in der mündlichen Streitverhandlung vom 11. 10. 1993 zu 22 Cg 187/93n des Landesgerichtes für ZRS Graz auf der Seite 11 des Protokolls (AS 55) seine Aussage dahin verbessert, daß er sowohl mit dem Beklagten (Günther K*****) als auch mit dem Vertreter der klagenden Partei telefoniert und von dort die Zustimmung erhalten habe. Diese letzte Aussage entspreche genau jener, die er im wiederaufzunehmenden Verfahren getätigt habe und die dem Sachverhalt zugrunde gelegt worden sei.

Das von der klagenden Partei angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig.

Das Rekursgericht gab die Aussage des Beklagten im wiederaufzunehmenden Verfahren wieder, wonach drei Telefonate stattgefunden hätten, das erste am 10. 8. 1980, das zweite am 4. 9. 1990 und das dritte nach dem Rückfluß des Geldes auf das Konto des Beklagten. Der Beklagte habe ausgeführt, schon im zweiten Telefonat sei zwischen ihm und dem Vertreter der klagenden Partei besprochen worden, daß eine allfällige Rückabwicklung über Günther K***** stattfinden solle; die Modalitäten des Rückflusses seien abstrakt besprochen worden. Im Gespräch nach erfolgtem Rückfluß sei auf die bereits abstrakt besprochene weitere Vorgangsweise, nämlich, daß Günther K***** samt dem Geld zwecks Beschaffung des PKW mit der Verkäuferseite Kontakt aufnehmen, dann das Geschäft Zug um Zug hätte abwickeln sollen, Bezug genommen worden.

Im Verfahren vor dem Landesgericht für ZRS Graz habe der Beklagte als Zeuge angegeben, er habe es nicht für erforderlich erachtet, nochmals bei der klagenden Partei oder deren Vertreter nachzufragen. Dies stelle - für sich allein betrachtet - einen Widerspruch dar. Aus dem Gesamtzusammenhang der Zeugenaussage des Beklagten im Verfahren vor dem Landesgericht für ZRS Graz ergebe sich aber, daß er mit dem Vertreter der klagenden Partei im telefonischen Kontakt gestanden sei und dieser ihn auch davon in Kenntnis gesetzt habe, daß Günther K***** für die klagende Partei bevollmächtigt und auch ermächtigt sei, Geld in Empfang zu nehmen. Auch die weitere Abwicklung habe Günther K***** vornehmen sollen. Der Wiederaufnahmsbeklagte habe als Zeuge die weitere Vorgangsweise bei der Rückauszahlung der S 1,049.000 dargelegt, ohne daß dies im Widerspruch zum Protokoll des Landesgerichtes für ZRS Wien stehe. Er habe als Zeuge ebenso ausgeführt, daß ihm die Auszahlung des rücküberwiesenen Betrages an Günther K***** von keiner Seite untersagt worden sei.

Dem Erstgericht sei daher im Ergebnis beizupflichten, daß eine unvereinbar gegenteilige Aussage des Beklagten als Zeugen im anderen Verfahren nicht vorliege. Es fehle daher an einem tauglichen Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO.Dem Erstgericht sei daher im Ergebnis beizupflichten, daß eine unvereinbar gegenteilige Aussage des Beklagten als Zeugen im anderen Verfahren nicht vorliege. Es fehle daher an einem tauglichen Wiederaufnahmsgrund nach Paragraph 530, Absatz eins, Ziffer 7, ZPO.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß ersatzlos aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens aufzutragen.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist, er ist auch berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, die Vorinstanzen hätten die im Vorprüfungsverfahren durchzuführende abstrakte Prüfungsbefugnis überschritten. Insbesondere habe das Rekursgericht im Rahmen einer umfassenden Würdigung der Aussage des Wiederaufnahmsbeklagten im Verfahren vor dem Landesgericht für ZRS Graz ausführlich dagelegt, warum seiner Ansicht nach kein unauflöslicher Widerspruch zwischen dieser Aussage und der Aussage im wiederaufzunehmenden Verfahren bestehe. Dabei habe es den Rahmen des Vorverfahrens gesprengt.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 538 Abs 1 ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage zu prüfen, ob diese auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen.Gemäß Paragraph 538, Absatz eins, ZPO hat das Gericht vor Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung über die Wiederaufnahmsklage zu prüfen, ob diese auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt und in der gesetzlichen Frist erhoben worden ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist sie als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet zurückzuweisen.

Die Zurückweisung der Klage ist dann gerechtfertigt, wenn sich der

geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund unter keinen der im Gesetz

angeführten Wiederaufnahmsgründe einordnen läßt oder in keinem

rechtlich beachtlichen Zusammenhang mit der angefochtenen

Entscheidung steht, der Wiederaufnahmswerber also auch bei Zutreffen

der behaupteten Wiederaufnahmsgründe eine Aufhebung oder Abänderung

der Entscheidung nicht erreichen könnte (EvBl 1992/77 = JBl 1993, 126

= RdW 1992, 248).

Die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die ein Wiederaufnahmsbegehren gestützt wird, müssen sich nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken; es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044411).

Im Vorprüfungsverfahren ist die Frage, ob die als Wiederaufnahmsgrund

nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten Umstände ersichtlich von

vornherein keinen Einfluß auf die Entscheidung in der Hauptsache

haben können, nur abstrakt zu prüfen. Erst im Wiederaufnahmsverfahren

sind die neuen Beweismittel über ihre abstrakte Eignung zur

Herbeiführung einer Änderung der im Hauptprozeß ergangenen

Entscheidung hinaus im Wege einer eingeschränkten Beweiswürdigung

dahin zu prüfen, ob die Nichtberücksichtigung diese Tatsachen und

Beweismittel im Vorprozeß gegen die materielle Wahrheitsfindung und

die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage verstößt (EvBl 1992/77 = JBl

1993, 126 = RdW 1992, 248; ecolex 1996, 599 jeweils mwN).

Wie das Rekursgericht grundsätzlich zutreffend dargelegt hat, besteht an sich ein Widerspruch zwischen der Aussage des Beklagten als Partei im wiederaufzunehmenden Verfahren und jener als Zeuge im Verfahren zu 22 Cg 187/93n des Landesgerichtes für ZRS Graz, der an sich auch abstrakt geeignet ist, eine andere Würdigung der Beweise zu bewirken. Dadurch, daß das Rekursgericht die Aussage des Beklagten als Zeuge in ihrem Gesamtzusammenhang gewürdigt hat, hat es die ihm im Vorprüfungsverfahren zustehende Prüfungsbefugnis überschritten, weshalb in Stattgebung des Revisionsrekurses die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben waren.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E51973 02A02498

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0020OB00249.98A.1029.000

Dokumentnummer

JJT_19981029_OGH0002_0020OB00249_98A0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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