TE OGH 1998/10/30 1Ob252/98k

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Veröffentlicht am 30.10.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Alfred Thewanger, Dr. Helmut Lenz und Dr. Günther Grassner, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 120.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Mai 1998, GZ 4 R 248/97m-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 4. September 1997, GZ 6 Cg 298/95s-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende Partei beauftragte die beklagte Partei im Jahre 1995 mit der Planung und Einrichtung einer Gaststätte. Am 8. 5. 1995 leistete sie dieser eine Anzahlung von S 120.000. Die beklagte Partei erklärte nach dem 20. 9. 1995 den Rücktritt vom Vertrag.

Die klagende Partei begehrte die Rückzahlung der von ihr geleisteten Anzahlung. Die beklagte Partei habe vertragswidrig ihre Weiterarbeit von der Zahlung eines weiteren Teilbetrags von S 280.000 abhängig gemacht und sei ohne zureichenden Grund vom Vertrag zurückgetreten. Der beklagten Partei sei vorzuwerfen, daß der Fortgang der Planungs- und Fertigstellungsarbeiten äußerst schleppend vor sich gegangen sei; ihr seien verschiedenste Versäumnisse, insbesondere in der Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden, anzulasten.

Die beklagte Partei wendete ua ein, sie sei zu Recht vom Werkvertrag zurückgetreten. Sie habe berechtigterweise eine Teilrechnung über ein Drittel des Gesamtwerklohns gelegt, der bei Fertigungsbeginn fällig gewesen sei. Diese Teilrechnung sei nicht beglichen worden. Aufgrund „unhaltbarer Vorwürfe“ seitens der klagenden Partei habe sie die Weiterarbeit tatsächlich von der Bezahlung dieser Teilrechnung abhängig gemacht. Die von der klagenden Partei geleistete Anzahlung sei zur Abdeckung der erbrachten Leistungen bzw als Stornogebühr vereinnahmt worden. Eine Verzögerung bei der Fertigstellung der in Auftrag gegebenen Arbeiten sei nur deshalb eingetreten, weil die klagende Partei die erforderliche Mitwirkung auf verschiedenste Weise vernachlässigt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, die Beendigung des Werks sei für Anfang August 1995 vorgesehen gewesen; die Fälligkeit eines Drittels des Werklohns sei mit dem Beginn der Fertigungsarbeiten festgesetzt worden. Spätestens am 6. 9. 1995 habe der Geschäftsführer der beklagten Partei bereits eine Tischlerei mit der Anfertigung der Lokaleinrichtung beauftragt. Mit der Produktion der Einrichtung sei in der Zeit zwischen 6. und 20. 9. 1995 begonnen worden. Am 6. 9. 1995 habe eine Besprechung zwischen den Geschäftsführern der Streitteile stattgefunden, wobei Detailpläne und letzte Ausführungsdetails wie etwa Ausführung und Farbe der Polsterung von Hockern und Sesseln etc besprochen und abgeklärt worden seien. Am 12. 9. 1995 habe die beklagte Partei Rechnung über das erste Drittel des Werkslohns abzüglich der bereits erhaltenen Anzahlung gelegt. Diese Rechnung sei von der klagenden Partei nicht bezahlt worden. Im Zuge einer Besprechung am 20. 9. 1995 seien dem Geschäftsführer der beklagten Partei Vorwürfe wegen schleppender Fortführung der Arbeiten gemacht worden. Der Geschäftsführer der beklagten Partei habe darauf hingewiesen, daß am 6. 9. 1995 eine Besprechung mit beiden Geschäftsführern der klagenden Partei stattgefunden habe und daß bei dieser alle Details abgeklärt worden seien. Diese Besprechung habe einer der Geschäftsführer der klagenden Partei geleugnet, worauf der Geschäftsführer der beklagten Partei die Besprechung verlassen und eine weitere Zusammenarbeit aufgrund des zerstörten Vertrauensverhältnisses abgelehnt habe. Er habe die Fortsetzung der Arbeiten der beklagten Partei von der Bezahlung der Teilrechnung vom 12. 9. 1995 abhängig gemacht. Mit Brief vom 22. 9. 1995 sei die Bezahlung dieser Teilrechnung urgiert und die klagende Partei darauf hingewiesen worden, daß eine allfällige Nichtzahlung einer Stornierung des Werkauftrags gleichkäme. Mit Schreiben vom 17. 10. 1995 habe die klagende Partei die Rückerstattung der Anzahlung von S 120.000 gefordert. Dieses Ansinnen sei von der beklagten Partei abgelehnt worden.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht erster Instanz aus, die beklagte Partei sei zur Legung der Teilrechnung vom 12. 9. 1995 berechtigt gewesen. Die Verweigerung der Bezahlung dieser Teilrechnung rechtfertige den Vertragsrücktritt gemäß § 918 Abs 1 ABGB unter Nachfristsetzung. Auch unter Heranziehung des § 1168 Abs 1 ABGB gebühre der beklagten Partei die erhaltene Anzahlung. Die Nichtbezahlung der Teilrechnung und die darauf folgende Weigerung der beklagten Partei, die Arbeiten fortzusetzen, sei von der klagenden Partei zu vertreten. Somit bestehe kein Rechtsgrund, die beklagte Partei zum Rückersatz der Anzahlung zu verpflichten.In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht erster Instanz aus, die beklagte Partei sei zur Legung der Teilrechnung vom 12. 9. 1995 berechtigt gewesen. Die Verweigerung der Bezahlung dieser Teilrechnung rechtfertige den Vertragsrücktritt gemäß Paragraph 918, Absatz eins, ABGB unter Nachfristsetzung. Auch unter Heranziehung des Paragraph 1168, Absatz eins, ABGB gebühre der beklagten Partei die erhaltene Anzahlung. Die Nichtbezahlung der Teilrechnung und die darauf folgende Weigerung der beklagten Partei, die Arbeiten fortzusetzen, sei von der klagenden Partei zu vertreten. Somit bestehe kein Rechtsgrund, die beklagte Partei zum Rückersatz der Anzahlung zu verpflichten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Eine Stellungnahme zur Beweiswürdigung - und zu den Tatsachenfeststellungen - des Erstgerichts erübrige sich aus rechtlichen Erwägungen. Das Gericht erster Instanz habe nämlich festgestellt, daß einer der Geschäftsführer der klagenden Partei die Besprechung vom 6. 9. 1995 beim darauffolgenden Besprechungstermin vom 20. 9. 1995 geleugnet habe. Dies sei als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und stelle einen wesentlichen Rücktrittsgrund dar, den die beklagte Partei schon in den Mittelpunkt ihres Schreibens vom 2. 10. 1995 gestellt habe. Der Verlust des Vertrauens in den Werkbesteller (= klagende Partei) rechtfertige den Vertragsrücktritt durch den Werkunternehmer (= beklagte Partei). Wenngleich dem Werkunternehmer nur ein eingeschränkter Entgeltanspruch, nicht aber schlechthin ein Anspruch auf Bezahlung der von ihm bis zur Stornierung des Auftrags getätigten Aufwendungen zustehe, sei die Rechtsache entscheidungsreif, weil es Sache des Werkbestellers sei, im Prozeß konkret zu behaupten, was sich der Unternehmer durch das Unterbleiben der Arbeit erspart habe; Prozeßbehauptungen in diesem Sinn habe die klagende Partei aber nicht aufgestellt. Die Frage, ob die beklagte Partei zum Legen der zweiten Teilrechnung vom 12. 9. 1995 berechtigt gewesen sei und ob die klagende Partei diese Zahlung zu Recht oder zu Unrecht verweigert habe, sei nicht zu prüfen, weil eben die beklagte Partei infolge Verlusts des Vertrauens zur klagenden Partei berechtigterweise habe vom Vertrag zurücktreten dürfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Vorweg ist festzuhalten, daß selbstverständlich auch dem Werkunternehmer - und nicht nur dem Besteller - das Recht zum Rücktritt vom Werkvertrag zusteht, wenn er das Vertrauen in seinen Vertragspartner wegen dessen treuwidrigen Verhaltens verloren hat; das ist schon ganz allgemein aus § 918 ABGB abzuleiten (5 Ob 504/89; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 7 vor §§ 918-933). Das Gericht zweiter Instanz begnügt sich, um den Vertragsrücktritt der beklagten Partei als gerechtfertigt anzusehen, mit dem Hinweis, einer der Geschäftsführer der klagenden Partei habe eine wesentliche Besprechung zwischen den Streitteilen geleugnet. Allein daraus leitet es den Schluß ab, die Rückforderung der von der klagenden Partei geleisteten Anzahlung sei nicht berechtigt. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:Vorweg ist festzuhalten, daß selbstverständlich auch dem Werkunternehmer - und nicht nur dem Besteller - das Recht zum Rücktritt vom Werkvertrag zusteht, wenn er das Vertrauen in seinen Vertragspartner wegen dessen treuwidrigen Verhaltens verloren hat; das ist schon ganz allgemein aus Paragraph 918, ABGB abzuleiten (5 Ob 504/89; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 7 vor Paragraphen 918 &, #, 45 ;, 933,). Das Gericht zweiter Instanz begnügt sich, um den Vertragsrücktritt der beklagten Partei als gerechtfertigt anzusehen, mit dem Hinweis, einer der Geschäftsführer der klagenden Partei habe eine wesentliche Besprechung zwischen den Streitteilen geleugnet. Allein daraus leitet es den Schluß ab, die Rückforderung der von der klagenden Partei geleisteten Anzahlung sei nicht berechtigt. Dem ist folgendes entgegenzuhalten:

Es mag zwar sein, daß die beklagte Partei im Schreiben vom 2. 10. 1995 den Vertrauensbruch durch einen der Geschäftsführer der klagenden Partei „in den Mittelpunkt gestellt“ habe (S 5 f des Berufungsurteils), doch übergeht das Berufungsgericht dabei die Feststellung des Erstgerichts, die beklagte Partei habe ihre Weiterarbeit schon zuvor - nämlich mit Schreiben vom 22. 9. 1995 (Beilage F) - in Kenntnis der Besprechung vom 20. 9. 1995 davon abhängig gemacht, daß die Teilrechnung im Betrag von S 280.000 bezahlt werde (S 13 f des Erstgerichts). Diese Bedingung für die Fortsetzung der Arbeiten entsprechend den erstinstanzlichen Feststellungen hat das Gericht zweiter Instanz auch in seiner Entscheidung ausdrücklich wiedergegeben (S 2 des Berufungsurteils). Nun kann zwar die schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einen Auflösungsgrund im Sinne der §§ 918 Abs 1 bzw 1168 Abs 2 ABGB darstellen (5 Ob 504/89; JBl 1988, 445; 5 Ob 591/87; SZ 60/125; SZ 54/188; Reischauer aaO; Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 34 zu § 1168), im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, daß die Vorgangsweise eines der Geschäftsführer der klagenden Partei, nämlich eine bestimmte Besprechung oder auch nur deren Inhalt zu leugnen, einen solchen Vertrauensverlust bewirkt hätte, daß die beklagte Partei zum Vertragsrücktritt berechtigt gewesen wäre. Nach den Feststellungen wurde nämlich in Kenntnis der Vorfälle vom 20. 9. 1995 die Weiterführung der Arbeiten allein von der Zahlung eines bestimmten Betrags abhängig gemacht, woraus zu schließen ist, daß die Erschütterung des Vertrauens in die klagende Partei bzw in die Person eines ihrer Geschäftsführer nicht so groß gewesen sein kann, daß der beklagten Partei eine weitere Zusammenarbeit bzw die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Aus dem vom Berufungsgericht für relevant bezeichneten Grund war die beklagte Partei mangels genügend schwerer (subjektiver) Erschütterung des Vertrauens in die Person der klagenden Partei sohin nicht berechtigt, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären. Damit erweist es sich aber als unumgänglich, daß sich das Gericht zweiter Instanz mit der Tatsachen- und Beweisrüge der klagenden Partei beschäftigt, deren Behandlung es sich aus rechtlichen Erwägungen für „enthoben“ erachtete.Es mag zwar sein, daß die beklagte Partei im Schreiben vom 2. 10. 1995 den Vertrauensbruch durch einen der Geschäftsführer der klagenden Partei „in den Mittelpunkt gestellt“ habe (S 5 f des Berufungsurteils), doch übergeht das Berufungsgericht dabei die Feststellung des Erstgerichts, die beklagte Partei habe ihre Weiterarbeit schon zuvor - nämlich mit Schreiben vom 22. 9. 1995 (Beilage F) - in Kenntnis der Besprechung vom 20. 9. 1995 davon abhängig gemacht, daß die Teilrechnung im Betrag von S 280.000 bezahlt werde (S 13 f des Erstgerichts). Diese Bedingung für die Fortsetzung der Arbeiten entsprechend den erstinstanzlichen Feststellungen hat das Gericht zweiter Instanz auch in seiner Entscheidung ausdrücklich wiedergegeben (S 2 des Berufungsurteils). Nun kann zwar die schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners einen Auflösungsgrund im Sinne der Paragraphen 918, Absatz eins, bzw 1168 Absatz 2, ABGB darstellen (5 Ob 504/89; JBl 1988, 445; 5 Ob 591/87; SZ 60/125; SZ 54/188; Reischauer aaO; Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 34 zu Paragraph 1168,), im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, daß die Vorgangsweise eines der Geschäftsführer der klagenden Partei, nämlich eine bestimmte Besprechung oder auch nur deren Inhalt zu leugnen, einen solchen Vertrauensverlust bewirkt hätte, daß die beklagte Partei zum Vertragsrücktritt berechtigt gewesen wäre. Nach den Feststellungen wurde nämlich in Kenntnis der Vorfälle vom 20. 9. 1995 die Weiterführung der Arbeiten allein von der Zahlung eines bestimmten Betrags abhängig gemacht, woraus zu schließen ist, daß die Erschütterung des Vertrauens in die klagende Partei bzw in die Person eines ihrer Geschäftsführer nicht so groß gewesen sein kann, daß der beklagten Partei eine weitere Zusammenarbeit bzw die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Aus dem vom Berufungsgericht für relevant bezeichneten Grund war die beklagte Partei mangels genügend schwerer (subjektiver) Erschütterung des Vertrauens in die Person der klagenden Partei sohin nicht berechtigt, den Rücktritt vom Vertrag zu erklären. Damit erweist es sich aber als unumgänglich, daß sich das Gericht zweiter Instanz mit der Tatsachen- und Beweisrüge der klagenden Partei beschäftigt, deren Behandlung es sich aus rechtlichen Erwägungen für „enthoben“ erachtete.

Das Urteil des Berufungsgerichts ist in Stattgebung der Revision aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt beruht auf Paragraph 52, ZPO.

Textnummer

E51971

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0010OB00252.98K.1030.000

Im RIS seit

29.11.1998

Zuletzt aktualisiert am

06.07.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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