TE OGH 1998/11/10 4Ob233/98p

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Veröffentlicht am 10.11.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Ewald Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** AG, *****, vertreten durch Kammerlander, Piaty & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000,--), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Klägerin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 22. Juli 1998, GZ 6 R 143/98s-11, mit dem der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Mai 1998, GZ 10 Cg 61/98g-7, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 20.610,-- bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin S 3.435,-- USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Verlegerin der Tageszeitungen "Neue Kronen Zeitung" und "Kurier"; die Beklagte ist Medieninhaberin und Verlegerin der Tageszeitung "Kleine Zeitung".

In der Ausgabe der "Kleinen Zeitung" vom 27. 2. 1998 warb die Beklagte wie folgt:

Die Klägerin ist nicht Mitglied des Vereines "Österreichische Auflagenkontrolle" (in der Folge: ÖAK). Die Auflage ihrer Tageszeitungen "Neue Kronen Zeitung" und "Kurier" wird von der ÖAK nicht erfaßt.

Die Klägerin begehrt zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu gebieten, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, hinsichtlich der österreichweit verkauften Tageszeitungen unter Bezugnahme auf die "Österreichische Auflagenkontrolle" (ÖAK) in graphischer Form, insbesondere durch Gegenüberstellung von die verkaufte Auflage versinnbildlichenden Balken oder von Zahlen der verkauften Auflage oder durch bedeutungsgleiche Behauptungen oder Darstellungen eine Spitzenstellung gegenüber den Mitbewerbern zu behaupten, wenn nicht gleichzeitig darauf hingewiesen wird, daß die Verkaufsauflage der "Neuen Kronen Zeitung" und/oder des "Kurier" oder der verbreitungsstärksten Tageszeitungen durch die "Österreichische Auflagenkontrolle" nicht erhoben wurde oder wird. Durch die Werbeeinschaltung werde der unrichtige und irreführende Eindruck erweckt, daß die "Kleine Zeitung" jene Tageszeitung sei, von der österreichweit am meisten Exemplare verkauft werden. Die verkaufte Auflage der "Neuen Kronen Zeitung" sei wesentlich größer. Der OGH habe zu 4 Ob 1151/94 klargestellt, daß die Beklagte bei dieser Art von Werbung eine Aufklärungspflicht treffe. Die Beklagte hätte klarstellen müssen, daß die Klägerin an der ÖAK nicht teilnimmt.

Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 1151/94 sei eine Werbeeinschaltung gewesen, in der die "Kleine Zeitung" eine Spitzenstellung unter den österreichischen Tageszeitungen in Anspruch genommen habe. Die beanstandete Werbeeinschaltung beschränke sich darauf, die Ergebnisse der ÖAK richtig und vollständig wiederzugeben. Nunmehr sei auch nicht mehr das Leitbild des flüchtigen Durchschnittslesers, sondern das des mündigen und verständigen Verbrauchers maßgebend. Für den mündigen und verständigen Leser sei der Inhalt der Werbeeinschaltung eindeutig und in keiner Weise irreführend. Die Beklagte behaupte keine Spitzenstellung. Wenn gerichtsbekannt sei, daß die Auflage der "Neuen Kronen Zeitung" die der "Kleinen Zeitung" übertrifft, so könne auch nicht der irreführende Eindruck entstehen, daß die "Kleine Zeitung" die auflagenstärkste österreichische Tageszeitung ist.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Nach der Irreführungsrichtlinie sei vom Bild eines mündigen und verständigen Verbrauchers auszugehen. Ein mündiger und verständiger Verbraucher entnehme dem Inserat nur, daß die "Kleine Zeitung" wächst. Ihm sei auch bekannt, daß die "Neue Kronen Zeitung" die auflagenstärkste österreichische Zeitung ist und nicht die "Kleine Zeitung".

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Selbst ein flüchtiger Betrachter der beanstandeten Einschaltung erkenne, daß die Ergebnisse der ÖAK richtig und vollständig dargestellt werden. Weder werde eine Spitzenstellung der "Kleinen Zeitung" behauptet, noch werde in irgendeiner Weise auf die Gesamtheit der österreichischen Zeitungen Bezug genommen. Es sei gerichtsbekannt, daß die Auflage der "Neuen Kronen Zeitung" die der "Kleinen Zeitung" übersteigt. Der Verbraucher werde nicht schon dadurch irregeführt, daß nicht auf sämtliche österreichischen Printmedien Bezug genommen werde. Daß der Balken bei der "Kleinen Zeitung" länger als bei den übrigen Zeitungen ist, bedeute für den mündigen und verständigen Verbraucher nur, daß deren Auflage nach den Ergebnissen der ÖAK die der anderen kontrollierten Zeitungen übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehlt; der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin hält den Ausführungen zum Verbraucherleitbild entgegen, daß auch ein mündiger und verständiger Verbraucher Werbeaussagen nur dann richtig verstehen kann, wenn er ausreichend informiert ist. Aus der beanstandeten Werbeeinschaltung gehe nicht hervor, welche Zeitungen die ÖAK erfaßt. Die Graphik erwecke den Eindruck, daß nur die "Kleine Zeitung" wächst. Die Irreführung sei auch relevant; Werbeaussagen über Auflagen oder Reichweiten beeinflußten den Kaufentschluß. In der Entscheidung 4 Ob 1151/94 habe der OGH die Notwendigkeit einer Aufklärung des Publikums über die Nichtbeteiligung der "Neuen Kronen Zeitung" an der ÖAK bejaht.

Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 1151/94 war eine Werbeeinschaltung, in der die Beklagte damit geworben hatte, daß "die österreichischen Zeitungen" ihre Verkaufsauflagen von unabhängigen Wirtschaftsprüfern kontrollieren lassen und die "Kleine Zeitung" "an der Spitze steht". Der erkennende Senat hat die Notwendigkeit einer Aufklärung über die Nichtbeteiligung der "Neuen Kronen Zeitung" mit der Begründung bejaht, daß die Werbeeinschaltung - jedenfalls bei einem noch ins Gewicht fallenden Teil der angesprochenen Verkehrskreise - den irreführenden Eindruck erweckt, die Auflage der "Kleinen Zeitung" sei höher als die aller anderen österreichischen Zeitungen.

Im vorliegenden Fall wirbt die Beklagte damit, daß die "Kleine Zeitung" nach den Ergebnissen der ÖAK wächst. Die Auflagensteigerung wird auch graphisch dargestellt und durch einen Vergleich mit den Auflagenzahlen der anderen von der ÖAK erfaßten Zeitungen anschaulich gemacht. Auf die Gesamtheit der österreichischen Zeitungen wird im Text nicht Bezug genommen; auch die graphische Darstellung erweckt nicht den Eindruck, daß die "Kleine Zeitung" für sich in Anspruch nehme, auflagenstärkste Zeitung Österreichs zu sein.

Die beanstandete Werbeeinschaltung unterscheidet sich daher wesentlich von jener, die Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 1151/94 war. Daß beide Werbeeinschaltungen den gleichen Eindruck erweckten, hat die Klägerin noch in der Klage behauptet; im Revisionsrekurs macht sie hingegen geltend, daß das beanstandete Inserat den Eindruck erwecke, in erster Linie wachse die "Kleine Zeitung", während die übergangenen Zeitungen "Neue Kronen Zeitung" und "Kurier" zumindest stagnierten. In Wahrheit lägen sie weit vor der "Kleinen Zeitung".

Abgesehen davon, daß das Vorbringen in erster Instanz maßgebend ist, sind die Rechtsmittelausführungen der Klägerin auch nicht schlüssig:

Ein durch die Werbeeinschaltung erweckter Eindruck, daß die Auflage der "Kleinen Zeitung" stärker steige als die aller anderen Zeitungen, ist nur dann zur Irreführung geeignet, wenn die Auflagensteigerung der "Kleinen Zeitung" in Wahrheit geringer ist als die anderer Zeitungen. Dies hat die Klägerin aber weder in der Klage noch im Revisionsrekurs behauptet. Sie verweist auch in ihrem Rechtsmittel nur auf die - gerichtsbekannte - Tatsache, daß die Auflage der "Neuen Kronen Zeitung" höher ist als die der "Kleinen Zeitung" und behauptet, daß auch die Auflage des "Kurier" die der "Kleinen Zeitung" übersteige. Daraus folgt aber nicht, daß die Auflage der "Neuen Kronen Zeitung" oder auch des "Kurier" zumindest gleich stark oder sogar noch stärker wachse als die von der ÖAK erfaßte Auflage der "Kleinen Zeitung".

Bringt die Klägerin aber nicht einmal vor, daß der von der Werbeeinschaltung erweckte Eindruck unrichtig sei, so fehlt für die von ihr behauptete Irreführungseignung jede Grundlage und der angefochtene Beschluß ist schon aus diesem Grund zu bestätigen. Auf die Frage, welches Verbraucherleitbild maßgebend ist, kommt es gar nicht mehr an; es sei aber doch klargestellt, daß das hohe Schutzniveau des österreichischen Wettbewerbsrechts - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - mit Art 7 der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. 9. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung vereinbar ist. Zweck der Richtlinie war nicht die Schaffung eines einheitlichen Irreführungsrechts, sondern lediglich die Aufstellung von Mindestanforderungen (Artmann, Europarechtliche Vorgaben für § 2 UWG: Abkehr vom flüchtigen Verbraucher?, ÖBl 1997, 10 [14] mwN; Rüffler, Irreführende Werbung und Europarecht, WBl 1996, 89 [94ff] mwN; 4 Ob 146/97t; s auch Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 § 24 Rz 12). Die Mitgliedstaaten sind daher nicht gehindert, bei Inlandssachverhalten an strengeren Irreführungsverboten festzuhalten. Bei einem - hier nicht gegebenen - grenzüberschreitenden Sachverhalt ist hingegen Art 30 EGV zu beachten (s Artmann aaO 14ff; Rüffler aaO 96ff; s auch Koppensteiner aaO § 24 Rz 34, der dafür eintritt, auch für Inlandssachverhalte das Verbraucherleitbild des EuGH zu übernehmen, um eine "gespaltene" Auslegung des § 2 UWG zu vermeiden).Bringt die Klägerin aber nicht einmal vor, daß der von der Werbeeinschaltung erweckte Eindruck unrichtig sei, so fehlt für die von ihr behauptete Irreführungseignung jede Grundlage und der angefochtene Beschluß ist schon aus diesem Grund zu bestätigen. Auf die Frage, welches Verbraucherleitbild maßgebend ist, kommt es gar nicht mehr an; es sei aber doch klargestellt, daß das hohe Schutzniveau des österreichischen Wettbewerbsrechts - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - mit Artikel 7, der Richtlinie 84/450/EWG des Rates vom 10. 9. 1984 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über irreführende Werbung vereinbar ist. Zweck der Richtlinie war nicht die Schaffung eines einheitlichen Irreführungsrechts, sondern lediglich die Aufstellung von Mindestanforderungen (Artmann, Europarechtliche Vorgaben für Paragraph 2, UWG: Abkehr vom flüchtigen Verbraucher?, ÖBl 1997, 10 [14] mwN; Rüffler, Irreführende Werbung und Europarecht, WBl 1996, 89 [94ff] mwN; 4 Ob 146/97t; s auch Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 Paragraph 24, Rz 12). Die Mitgliedstaaten sind daher nicht gehindert, bei Inlandssachverhalten an strengeren Irreführungsverboten festzuhalten. Bei einem - hier nicht gegebenen - grenzüberschreitenden Sachverhalt ist hingegen Artikel 30, EGV zu beachten (s Artmann aaO 14ff; Rüffler aaO 96ff; s auch Koppensteiner aaO Paragraph 24, Rz 34, der dafür eintritt, auch für Inlandssachverhalte das Verbraucherleitbild des EuGH zu übernehmen, um eine "gespaltene" Auslegung des Paragraph 2, UWG zu vermeiden).

Der Revisionsrekurs mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 78,, 402 Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Anmerkung

E52065 04A02338

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0040OB00233.98P.1110.000

Dokumentnummer

JJT_19981110_OGH0002_0040OB00233_98P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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