TE OGH 1998/11/11 3Ob224/97f

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Veröffentlicht am 11.11.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, ***** vertreten durch Dr. Karl Wampl und Dr. Elisabeth Mühlberger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Ursula Michaela S*****, vertreten durch Dr. Wolfgang R. Gassner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 257.581,80 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. April 1997, GZ 4 R 228/96v-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19. Juni 1996, GZ 7 Cg 100/94f-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 1,75 % Zinsen aus S 383.647,80 vom 30. 3. 1994 bis 3. 8. 1994, aus S 363.241,80 vom 4. 8. 1994 bis 12. 9. 1994, aus S 361.081,80 vom 13. 9. 1994 bis 15. 9. 1994, aus S 358.921,80 vom 16. 9. 1994 bis 17. 9. 1994, aus S 339.121,80 vom 17. 9. 1994 bis 21. 9. 1994, aus S 336.781,80 vom 22. 9. 1994 bis 7. 2. 1995, aus S 324.781,80 vom 8. 2. 1995 bis 22. 5. 1995 und aus S 257.581,80 ab 23. 5. 1995 unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird im übrigen aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die klagende Bank stellte mit Kreditvertrag vom 6. 9./18. 9. 1990 der R***** GmbH und Gernot F. S*****, Robert M. R***** und Bertram H***** einen Kredit von S 350.000 auf Kontonummer 6-882.618-2 zur Verfügung. Eine Verzinsung von 9,25 % p. a. kontokorrentmäßig und Verzugszinsen von 4,5 % wurden vereinbart; die klagende Partei war berechtigt, die vereinbarten Kreditkonditionen in dem Ausmaß abzuändern, als sich die Verhältnisse auf dem Geld-, Kredit- bzw Kapitalmarkt ändern. Der klagenden Partei blieb das Eigentum an der von der R***** mit den Kreditmitteln anzuschaffenden Betriebs- und Geschäftsausstattung vorbehalten. Im Kreditvertrag wurde festgehalten, daß um Zinsenzuschuß bei der Bürges Förderungsbank GmbH angesucht wird, bei Nichtgewährung der Förderung der jeweils gültige Zinssatz für Investitionskredite rückwirkend ab Kreditausnützung in Rechnung gestellt wird und für den Fall, daß der Förderungsantrag positiv entschieden wird, die für die zur Anwendung kommende Förderungsaktion geltenden Richtlinien auf den Kreditvertrag Anwendung finden. Die Bürges Förderungsbank GmbH schränkte den Kreditbetrag auf S 260.000 ein. Die klagende Partei übertrug aus verrechnungstechnischen Gründen die nicht geförderten Kreditanteile von S 90.000 auf ein neu eröffnetes Konto Nummer 6-834.977-8, wobei der Zinsatz für den geförderten Kredit mit 9,125 %, für den nicht geförderten Kredit mit 10,5 % ab Zuzählung, 11 % ab 15. 1. 1992 und 11,5 % ab 1. 8. 1992 bekanntgegeben wurde. Die Bürges Förderungsbank GmbH verlangte überdies an Sicherheiten zusätzlich die Haftung der Beklagten als Ehefrau des geschäftsführenden Gesellschafters Gernot F. S*****, der gleichzeitig Mitkreditnehmer war. Zu diesem Zweck wurde Gernot F. S***** ein von der klagenden Partei vorbereitetes Bürgschaftsanbot der klagenden Partei vom 11. 3. 1991 zur Unterfertigung durch die Beklagte übergeben. Gernot F. S***** erklärte der Beklagten nur, sie müsse dieses Bürgschaftsanbot unterschreiben; ansonsten bekomme die R***** den Kredit nicht. Die Beklagte nahm hierauf am 15. 3. 1991 das Bürgschaftsanbot an und übermittelte es der klagenden Partei, ohne daß zwischen Vertretern der klagenden Partei und der Beklagten darüber noch Gespräche stattgefunden hätten. Die Bürgschaft umfaßte den gesamten Darlehensbetrag von S 350.000, weil die Bürges Förderungsbank GmbH die Einschränkung des förderbaren Kreditbetrages auf S 260.000 der klagenden Partei erst am 14. 9. 1992 mitteilte.

Mit Kreditvertrag vom 11. 11./19. 11. 1991 wurde der R***** und deren Gesellschaftern Gernot F. S*****, Robert M. R***** und Bertram H***** ein weiterer Kredit von S 165.000 auf Konto Nummer 6-822.715-6 zur Verfügung gestellt. Vereinbart wurden 8,75 % Zinsen kontokorrentmäßig berechnet und 4,5 % Verzugszinsen; die vereinbarten Kreditkonditionen sind in dem Ausmaß abänderbar, als sich die Verhältnisse auf dem Geld-, Kredit- bzw Kapitalmarkt ändern. Auch für diesen Kredit wurde bei der Bürges Förderungsbank GmbH um einen Zinsenzuschuß angesucht; für einen Kreditteilbetrag von S 50.000 wurde ein Förderungszuschuß bewilligt, wobei die Bürges Förderungsbank GmbH im Ausmaß von 90 % die Haftung als Bürge für diesen Kreditteilbetrag übernahm. Aus verrechnungstechnischen Gründen wurde der nicht geförderte Kreditteil von S 115.000, der mit S 103.500 aushaftete, auf das neu eröffnete Konto Nummer 6-833.795-5 übertragen. Für den Kreditteilbetrag von S 50.000 wurde wiederum die Haftung der Beklagten als Bürgin und Zahlerin verlangt und zu diesem Zweck der Beklagten ein von der klagenden Partei vorbereitetes Bürgschaftsanbot vom 16. 4. 1992 per Post übermittelt, das von der Beklagten am 17. 4. 1992 unterfertigt und an die klagende Partei retourniert wurde. Die Beklagte übernahm für einen Kreditbetrag von S 50.000 die Haftung als Bürge und Zahler. Auch hiezu wurde der Beklagten von ihrem Ehemann Gernot F. S***** nur erklärt, daß ihre Unterschrift erforderlich sei, um den Kredit zu erlangen. Direkte Gespräche zwischen der klagenden Partei und der Beklagten fanden nicht statt.

Der Firmenwortlaut der R***** GmbH wurde in M***** GesmbH geändert.

Per 29. 3. 1994 hafteten zu Konto Nummer 6-822.618-2 S 211.483,80, zu Konto Nummer 6-822.715-6 S 32.287 und zu Konto Nummer 6-834.977-8 S 139.871, insgesamt S 383.641,80, aus. Durch Erlöse aus Verwertung der im Vorbehaltseigentum der klagenden Partei stehenden Geschäftsausstattung der Firma M***** von S 2.400 am 3. 8. 1994, S

2.160 am 12. 9. 1994, S 2.160 am 15. 9. 1994, S 19.800 am 16. 9. 1994, S 2.340 am 21. 9. 1994, S 12.000 am 7. 2. 1995 und S 67.200 am 22. 5. 1995 reduzierte sich der Gesamtsaldo auf S 257.581,80. Die Darlehenszinsen änderten sich infolge der Lage auf dem Geldmarkt ab 15. 11. 1990 auf 11 % bis 11,25 %, ab 3. 9. 1991 auf 11,5 % bis 11,75 %, ab 15. 1. 1992 auf 12 % bis 12,25 %, ab 1. 8. 1992 auf 12,5 % bis 12,75 %, ab 15. 10. 1992 auf 12,25 % bis 12,5 %, ab 25. 2. 1993 auf 11,25 % bis 11,5 %, ab 1. 4. 1993 auf 11 % bis 11,25 %, ab 17. 5. 1993 auf 10,5 % bis 10,75 %, ab 8. 6. 1993 auf 10 % bis 10,25 %, ab 15. 7. 1993 auf 9,75 % und ab 10. 11. 1993 auf 9,5 %.

Die Beklagte ist am 12. 12. 1966 geboren; sie heiratete im Jahr 1987; sie ist Mutter von zwei Kindern, geboren 1987 und 1990. Sie verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung; sie besuchte das Gymnasium bis zur 6. Klasse, begann eine Bürokaufmann-Lehre für ein Jahr, kehrte wieder in das Gymnasium zurück und brach das Gymnasium in der 7. Klasse neuerlich ab. Zwischen der Geburt des ersten und des zweiten Kindes war sie nur in einem Privatkindergarten teilzeitbeschäftigt; sie erhielt ein monatliches Entgelt von S 2.500; sie konnte das Kind in den Privatkindergarten mitnehmen. Seit der Geburt ihres zweiten Kindes war sie nur mehr im Haushalt tätig. Die Beteiligung des Ehemannes der Beklagten an der Firma M***** und seine Tätigkeit als Geschäftsführer war die einzige Einkommensquelle für die Familie. Der im Jahr 1994 gestellte Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Firma M***** wurde mangels Vermögens abgewiesen. Gernot F. S***** befindet sich nunmehr in einem Angestelltenverhältnis; sein Einkommen ist aufgrund seiner Verpflichtung aus der unternehmerischen Tätigkeit bis zum Existenzminimum gepfändet. Die Beklagte war von Anfang März 1994 bis Juni 1994 in einer Trafik in S***** halbtags als Verkäuferin gegen ein monatliches Entgelt von S 5.000 beschäftigt; die Kinder waren vormittags in der Schule bzw im Kindergarten. Sie wurde gekündigt; es war nicht möglich, wiederum eine Halbtagsbeschäftigung zu finden. Eine Ganztagsbeschäftigung kommt für die Beklagte wegen der Betreuung der Kinder nicht in Frage.

Im Jahr 1993 erwarb die Beklagte eine Eigentumswohnung in S*****, S*****straße 1c, die der Familie als Wohnsitz dient. Die Eigenmittel für diese Wohnung stellte der Vater der Beklagten zur Verfügung. Im übrigen wurde die Wohnung mit Bankkredit und Annuitäten- bzw Zinsenzuschuß durch die Wohnbauförderung des Landes Salzburg finanziert. Die monatliche Belastung für die Rückzahlung dieser Kredite beträgt S 2.000; anschließend an die Rückzahlung des Bankkredits müssen die Annuitäten an das Land Salzburg rückbezahlt werden. Monatlich sind S 1.700 Betriebskosten zu zahlen. Die Rückzahlungsverpflichtung wird jeweils an die Einkommensverhältnisse geknüpft und kann bei Wegfall jeglichen Familieneinkommens auch auf Null herabgesetzt werden. Die Zahlungsverpflichtungen für diese Wohnung sind jedenfalls geringer als die Miete für eine Wohnung, die der Größe der Familie der Beklagten angemessen ist. Die Wohnung ist mit Pfandrechten der C***** von S 1,631.360, des Landes Salzburg von S 790.000 sowie im Höchstbetrag von S 2,120.768 belastet; eingetragen ist ein Veräußerungsverbot für das Land Salzburg und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot für Adolf M*****.

Die klagende Partei begehrt von der Beklagten als Bürgin und Zahlerin die Bezahlung von (eingeschränkt) S 257.581,80 sA. Die klagende Partei brachte vor, das seinerzeitige und auch das zukünftig zu erwartende Einkommen der Beklagten stehe in keinerlei Mißverhältnis zu den gewährten Krediten bzw zum nunmehr eingeklagten Saldo. Es sei zu erwarten, daß die Beklagte wieder berufstätig sein werde. Überdies sei sie gemeinsam mit ihrem Ehegatten Eigentümerin einer geförderten Wohnung.

Die Beklagte wendete ein, die überaus kompliziert und extrem juristisch formulierte Bürgschaftsvereinbarung habe sie überfordert; es liege Dissens vor. Der Beklagten sei vor Unterfertigung des Bürges-Kreditantrags durch die Beklagte mitgeteilt worden, ihre Unterschrift sei erforderlich, weil sonst der Bürges-Kredit nicht gewährt werde. Sie habe keine Belehrung erhalten, ob sie aufgrund ihrer Unterschrift und der von ihr dadurch übernommenen Haftung tatsächlich in der Lage sei, die Verbindlichkeit auch nur teilweise zu befriedigen, obgleich zwischen dem Verpflichtungsumfang und dem damals gegenwärtigen und künftig zu erwartenden Einkommen und den Vermögensverhältnissen der Beklagten ein krasses Mißverhältnis bestanden habe, das bei lebensnaher Sicht der Dinge erwarten habe lassen, daß die Beklagte die übernommenen Verpflichtungen nicht erfüllen könne. Die Beklagte habe kein wie immer geartetes Einkommen. Sie könne wegen ihrer kleinen Kinder auch in absehbarer Zeit kein Einkommen erwirtschaften. Sie habe sich im Zeitpunkt der Unterfertigung in einer seelischen Zwangslage befunden, die sich aus ihrer natürlichen gefühlsmäßigen Bindung ihrem Gatten gegenüber und aus ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit ergeben habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab; neben dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte es fest, die Beklagte habe im Rahmen der Firma R***** bzw M***** keinerlei Funktion gehabt und habe für dieses Unternehmen auch keine Arbeiten ausgeübt; sie habe auch keinen Einblick in die finanzielle Gebarung gehabt. Aus den aus den Kreditmitteln angeschafften Bürogeräten der Firma M***** habe die Beklagte keinerlei persönlichen Vorteil gehabt. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung völlig vermögenslos gewesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, wenngleich die Beklagte die Auswirkung einer Bürgschaftserklärung zu wenig bedacht haben mag bzw die entsprechenden Erklärungen für sie auch nicht ausreichend verständlich gewesen seien, so sei doch davon auszugehen, daß der Beklagten bewußt gewesen sei, eine Bürgschaftserklärung zu unterfertigen und damit auch eine Haftung als Bürge und Zahler zu übernehmen. Insofern liege Willensübereinstimmung und kein Dissens zwischen den Streitteilen vor.

Die Übernahme der Bürgschaft stelle für jeden ein erhebliches persönliches Risiko dar. Die sinngemäße Anwendung der Grundsätze des Wucherverbotes wegen Vorliegens eines Ausbeutungstatbestandes könne zur Annahme der Sittenwidrigkeit und damit zur Nichtigkeit des die Verpflichtung begründenden Rechtsgeschäftes führen. Es sei eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorzunehmen. Die Beklagte sei nicht ein einziges Mal von der klagenden Partei über die übernommene Bürgschaft aufgeklärt worden. Es habe keine Belehrung darüber stattgefunden, welches Risiko die Beklagte bei der Übernahme der Bürgschaft eingeht, wie hoch die Zinsen sind und wie die Rückzahlung ausgestaltet ist. Der Ehegatte, zu dem die Beklagte in einem finanziellen und seelischen Abhängigkeitsverhältnis stehe, habe sie die Bürgschaft unterschreiben lassen. Die Beklagte sei wirtschaftlich unerfahren gewesen und habe sich den Bürgschaftsvertrag auch beim Durchlesen bis auf die Kredithöhe nicht erklärbar machen können. Sie sei nach wie vor völlig mittellos und nur auf das Haushaltsgeld angewiesen, das sie von ihrem Ehegatten bekomme. Das Eigeninteresse der Beklagten habe sich darauf beschränkt, daß sie nicht gewollt habe, daß ihr Ehegatte seine Arbeit und die Einkommensquelle für die Familie verliere. Aus den durch den Kredit angeschafften Geräten habe sie keinen persönlichen Nutzen gezogen. Die auf ihren Namen lautende Eigentumswohnung sei erst nach Abschluß der Bürgschaftsverträge angeschafft und von ihrem Vater bzw durch Förderungsmittel des Landes finanziert worden; die Belastung werde den jeweiligen Einkommensverhältnissen angepaßt; eine Verwertung der Wohnung sei aufgrund der Belastungen bzw des Veräußerungs- und Belastungsverbotes für die Beklagte nicht möglich. Wenn man diese Umstände, die der klagenden Partei bekannt gewesen seien bzw über die sich die klagende Partei leicht hätte Kenntnis verschaffen können, der von der Beklagten eingegangenen Verpflichtung in Höhe von S 400.000 gegenüberstelle und noch bedenke, daß die Beklagte zwei Kinder im Alter von nunmehr 9 und 6 Jahren habe, weiters keine abgeschlossene Ausbildung besitze, so müsse man davon ausgehen, daß diese Verpflichtung die zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beklagten bei weitem übersteigen, dies auch unter Berücksichtigung des noch relativ geringen Alters der Beklagten. Wenn man nun auch die jeweils hinzukommenden Zinsen berücksichtige, sei die Zurückzahlung der Schuld durch die Beklagte bei lebensnaher Betrachtung auszuschließen. Aus diesen Gründen sei von der Sittenwidrigkeit der Haftungsvereinbarung auszugehen und daher das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der klagenden Partei mit Ausnahme der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens von weiteren 1,75 % Zinsen im klagsstattgebenden Sinn ab; es ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es von der oberstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen sei. Zur Begründung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, die Tatsachen- und Beweisrüge ziele darauf ab, daß die Beklagte entgegen den erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen weder mittellos noch ohne Funktion in der M***** Gesellschaft mbH gewesen sei. Die klagende Partei habe mit der Berufung einen Firmenbuchauszug vom 9. 9. 1996 über die M***** GmbH vorgelegt, worin die Beklagte mit einer geleisteten Stammeinlage von S 125.000 als Gesellschafterin aufscheine. Daraus ziehe die klagende Partei die Schlußfolgerung, daß die Zeugenaussage des Gernot F. S***** nachweislich unrichtig sei, der wörtlich ausgesagt habe: "Meine Frau hatte innerhalb des Unternehmens der Firma M***** keinerlei Funktion". Damit verstoße die klagende Partei nicht gegen das in § 482 ZPO normierte Neuerungsverbot. Zunächst erlaube § 482 Abs 2 ZPO ausdrücklich das Vorbringen neuer Tatumstände und Beweise im Berufungsverfahren zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe. Daß der Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung davon ausgenommen wäre, werde zwar vielfach vertreten, finde aber im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Folge man dem Gesetzeswortlaut, so könne ein Berufungswerber einen vom Erstrichter als glaubwürdig beurteilten Zeugen durch Urkundenvorlage zu widerlegen versuchen. Einer abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage bedürfe es hier jedoch deshalb nicht, weil das Firmenbuch gemäß §§ 34 f FBG ohnedies öffentlich sei und jedermann zur Einsicht offenstehe. Was in einem vom Prozeßgericht geführten öffentlichen Buch eingetragen ist, sei als gerichtsbekannt anzusehen und bedürfe gemäß § 269 ZPO keines Beweises.Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge Berufung der klagenden Partei mit Ausnahme der in Rechtskraft erwachsenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens von weiteren 1,75 % Zinsen im klagsstattgebenden Sinn ab; es ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es von der oberstgerichtlichen Judikatur nicht abgewichen sei. Zur Begründung führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, die Tatsachen- und Beweisrüge ziele darauf ab, daß die Beklagte entgegen den erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen weder mittellos noch ohne Funktion in der M***** Gesellschaft mbH gewesen sei. Die klagende Partei habe mit der Berufung einen Firmenbuchauszug vom 9. 9. 1996 über die M***** GmbH vorgelegt, worin die Beklagte mit einer geleisteten Stammeinlage von S 125.000 als Gesellschafterin aufscheine. Daraus ziehe die klagende Partei die Schlußfolgerung, daß die Zeugenaussage des Gernot F. S***** nachweislich unrichtig sei, der wörtlich ausgesagt habe: "Meine Frau hatte innerhalb des Unternehmens der Firma M***** keinerlei Funktion". Damit verstoße die klagende Partei nicht gegen das in Paragraph 482, ZPO normierte Neuerungsverbot. Zunächst erlaube Paragraph 482, Absatz 2, ZPO ausdrücklich das Vorbringen neuer Tatumstände und Beweise im Berufungsverfahren zur Dartuung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe. Daß der Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung davon ausgenommen wäre, werde zwar vielfach vertreten, finde aber im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Folge man dem Gesetzeswortlaut, so könne ein Berufungswerber einen vom Erstrichter als glaubwürdig beurteilten Zeugen durch Urkundenvorlage zu widerlegen versuchen. Einer abschließenden Klärung dieser Rechtsfrage bedürfe es hier jedoch deshalb nicht, weil das Firmenbuch gemäß Paragraphen 34, f FBG ohnedies öffentlich sei und jedermann zur Einsicht offenstehe. Was in einem vom Prozeßgericht geführten öffentlichen Buch eingetragen ist, sei als gerichtsbekannt anzusehen und bedürfe gemäß Paragraph 269, ZPO keines Beweises.

Sohin sei ohne Vornahme einer Beweiswürdigung und ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung im Berufungsverfahren davon auszugehen, daß die Beklagte Gesellschafterin der Kreditnehmerin M***** GmbH war, und zwar zumindest von der gerichtsbekannten Datenersterfassung des ADV umgestellten Firmenbuchs vom 18. 8. 1993 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Darüber hinaus sei im Berufungsverfahren infolge Zugeständnisses in der Berufungsbeantwortung nicht mehr strittig, daß die Beklagte auch schon zum Zeitpunkt der Bürgschaftsübernahme mit einem Anteil von 25 % Gesellschafterin der M***** GmbH war. Ob die Aussage des Zeugen Gernot F. S***** dazu im Widerspruch stehe oder bei entsprechend enger Auslegung des Begriffes "Funktion" noch mit dem Stand des Firmenbuchs und dem eigenen Zugeständnis der Beklagten in Übereinstimmung gebracht werden könne, erfordere keine Stellungnahme des Berufungsgerichtes.

Die bereits in erster Instanz offenkundig gewesene, wenngleich vom Erstrichter nicht verwertete Tatsache, daß die Beklagte Gesellschafterin der Kreditnehmerin gewesen ist, müsse zu einem anderen Prozeßergebnis führen. Das grobe Mißverhältnis zwischen Verpflichtungsumfang und Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Bürgen könne erst dann bedeutsam werden, wenn der gutstehende Angehörige am Zustandekommen des Vertrages kein wesentliches Eigeninteresse hatte. Ein weitgehend fehlendes Eigeninteresse des Bürgen sei ein wesentliches Element der Sittenwidrigkeit. Wenn der Kreditbürge Gesellschafter der Kreditnehmerin sei, könne von einem weitgehend fehlenden Eigeninteresse des Bürgen keine Rede mehr sein. Immerhin erfolge die Beteiligung an einer handelsrechtlichen Gesellschaft im allgemeinen aus wirtschaftlichen Motiven. Fehlendes Eigeninteresse trotz ihrer Funktion als Gesellschafterin der Kreditnehmerin hätte die Beklagte behaupten und beweisen müssen; für den von ihr erhobenen Einwand der Sittenwidrigkeit sei die Beklagte nach allgemeinen Beweislastregeln behauptungs- und beweispflichtig. Die Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände sei auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beziehen. Wegen der Gesellschafterfunktion der Beklagten in der kreditnehmenden GmbH könne der Abweisungsgrund der Sittenwidrigkeit nicht aufrecht erhalten werden.

Dissens als Abweisungsgrund habe der Erstrichter mit Recht verneint, weil nach den allgemeinen Auslegungsregeln der §§ 863, 914 f ABGB übereinstimmende Willenserklärungen vorlägen und mangelndes juristisches Verständnis von Einzelheiten die Willensübereinstimmung nicht zu beseitigen vermöge. Das vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung festgestellte Bewußtsein der Beklagten, eine Bürgschaftserklärung zu unterfertigen und damit eine Haftung als Bürge und Zahler zu übernehmen, könne vom Berufungsgericht mangels einer diesbezüglichen Anfechtung nicht abgeändert werden. Dasselbe gelte für die unangefochtene Feststellung des Erstgerichtes über den aushaftenden Gesamtsaldo und über die Entwicklung der Darlehenszinsen. Dies müsse im vorliegenden Fall zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des vom Erstrichter festgestellten offenen Kreditsaldos zuzüglich Zinsen führen.Dissens als Abweisungsgrund habe der Erstrichter mit Recht verneint, weil nach den allgemeinen Auslegungsregeln der Paragraphen 863,, 914 f ABGB übereinstimmende Willenserklärungen vorlägen und mangelndes juristisches Verständnis von Einzelheiten die Willensübereinstimmung nicht zu beseitigen vermöge. Das vom Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung festgestellte Bewußtsein der Beklagten, eine Bürgschaftserklärung zu unterfertigen und damit eine Haftung als Bürge und Zahler zu übernehmen, könne vom Berufungsgericht mangels einer diesbezüglichen Anfechtung nicht abgeändert werden. Dasselbe gelte für die unangefochtene Feststellung des Erstgerichtes über den aushaftenden Gesamtsaldo und über die Entwicklung der Darlehenszinsen. Dies müsse im vorliegenden Fall zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des vom Erstrichter festgestellten offenen Kreditsaldos zuzüglich Zinsen führen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge in der Berufung der klagenden Partei nicht behandelt, weil es die Rechtsmeinung vertritt, aus dem gerichtsbekannten Firmenbuchstand ergebe sich die Stellung der Beklagten als Gesellschafterin der Kreditnehmerin, einer GmbH; dies allein müsse wegen des sich daraus ergebenden wesentlichen Eigeninteresses der Beklagten zu deren Haftung als Bürgin führen.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht den Umstand, daß die Beklagte Gesellschafterin der Kreditnehmerin war, als gerichtskundig und damit offenkundig angesehen. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung 3 Ob 2122/96x (insoweit veröffentlicht in Jus Extra OGH-Z 2101) ausgeführt hat, bedeutet der Umstand, daß ein Register, also vor allem das Firmenbuch und das Grundbuch, öffentlich ist, nur, daß jeder darin Einsicht nehmen und daraus Abschriften erhalten kann (§ 9 Abs 1 HGB; § 7 GBG), er bedeutet aber nicht, daß die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig sind. Auch die Gerichtskundigkeit erfordert nämlich, daß der Richter die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen; andernfalls kann er nämlich nicht als "kundig" angesehen werden (so zum Inhalt des Grundbuchs bereits NZ 1995, 32). Es reicht daher entgegen der Ansicht, die von Rechberger (in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 269), Rechberger/Simotta (ZPR4 601) und Hoyer (in der Besprechung der Entscheidung NZ 1995, 32) vertreten wird, auch nicht aus, wenn Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichtes zu ersehen sind. Nur dieses Verständnis des § 269 ZPO wird der Vorstellung des Gesetzgebers gerecht, wie sie etwa aus der Bestimmung des § 133 Abs 2 EO hervorgeht. Die darin vorgesehene Verpflichtung zur Vorlage einer Grundbuchsabschrift wäre überflüssig, wenn der Inhalt des Grundbuchs eine offenkundige Tatsache im Sinn des § 269 ZPO wäre.Das Berufungsgericht hat zu Unrecht den Umstand, daß die Beklagte Gesellschafterin der Kreditnehmerin war, als gerichtskundig und damit offenkundig angesehen. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung 3 Ob 2122/96x (insoweit veröffentlicht in Jus Extra OGH-Z 2101) ausgeführt hat, bedeutet der Umstand, daß ein Register, also vor allem das Firmenbuch und das Grundbuch, öffentlich ist, nur, daß jeder darin Einsicht nehmen und daraus Abschriften erhalten kann (Paragraph 9, Absatz eins, HGB; Paragraph 7, GBG), er bedeutet aber nicht, daß die dem Register zu entnehmenden Tatsachen allgemein bekannt oder auch nur gerichtskundig sind. Auch die Gerichtskundigkeit erfordert nämlich, daß der Richter die Tatsache kennt, ohne erst in bestimmte Unterlagen Einsicht nehmen zu müssen; andernfalls kann er nämlich nicht als "kundig" angesehen werden (so zum Inhalt des Grundbuchs bereits NZ 1995, 32). Es reicht daher entgegen der Ansicht, die von Rechberger (in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu Paragraph 269,), Rechberger/Simotta (ZPR4 601) und Hoyer (in der Besprechung der Entscheidung NZ 1995, 32) vertreten wird, auch nicht aus, wenn Tatsachen ohne weiteres aus den Akten desselben Gerichtes zu ersehen sind. Nur dieses Verständnis des Paragraph 269, ZPO wird der Vorstellung des Gesetzgebers gerecht, wie sie etwa aus der Bestimmung des Paragraph 133, Absatz 2, EO hervorgeht. Die darin vorgesehene Verpflichtung zur Vorlage einer Grundbuchsabschrift wäre überflüssig, wenn der Inhalt des Grundbuchs eine offenkundige Tatsache im Sinn des Paragraph 269, ZPO wäre.

Der danach in einem obiter dictum vertretenen Ansicht des 10. Senats (10 ObS 239/98i), man werde die Tatsache einer Eintragung im Firmenbuch oder Grundbuch als notorisch ansehen können, ist in dieser verallgemeinernden Formulierung nicht zu folgen.

Hier hat zwar keine der Parteien im Verfahren erster Instanz vorgebracht, die Beklagte sei Gesellschafterin der Kreditnehmerin. Die Verletzung des Verfahrensrechts durch Mißachtung des Neuerungsverbots stellt jedoch nach herrschender Ansicht keinen Revisionsgrund dar (1 Ob 30/98p, 1 Ob 55/97p; 2 Ob 235/97s; NZ 1970, 31 uva; Fasching, Kommentar IV 168; Fasching, LB**2 Rz 1733; Fucik,Hier hat zwar keine der Parteien im Verfahren erster Instanz vorgebracht, die Beklagte sei Gesellschafterin der Kreditnehmerin. Die Verletzung des Verfahrensrechts durch Mißachtung des Neuerungsverbots stellt jedoch nach herrschender Ansicht keinen Revisionsgrund dar (1 Ob 30/98p, 1 Ob 55/97p; 2 Ob 235/97s; NZ 1970, 31 uva; Fasching, Kommentar römisch IV 168; Fasching, LB**2 Rz 1733; Fucik,

Das Neuerungsverbot im Zivilgerichtsverfahrensrecht, ÖJZ 1992, 425 [429]; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu § 482; Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 827).Das Neuerungsverbot im Zivilgerichtsverfahrensrecht, ÖJZ 1992, 425 [429]; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu Paragraph 482 ;, Rechberger/Simotta, ZPR4 Rz 827).

Der 1. Senat hat in der Entscheidung 1 Ob 30/98p ausgeführt, daß dabei zwischen den einzelnen Neuerungstatbeständen gemäß § 482 Abs 1 und 2 ZPO nicht unterschieden wird. Den gedanklichen Hintergrund letzterer Auffassung bildet jedoch das Neuerungsverbot gemäß § 482 Abs 2 ZPO, wird doch vor allem ins Treffen geführt, daß die Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage in Mißachtung des Neuerungsverbots niemals die Annahme einer nicht erschöpfenden Erörterung und gründlichen Beurteilung der Streitsache erlaube (EvBl 1969/344; SZ 27/65; Fasching, LB**2 Rz 1733; Rechberger/Simotta aaO Rz 827). Das Berufungsgericht ist aber, wie Fucik (ÖJZ 1992, 428) zutreffend hervorhebt, nur "im Rahmen der geltend gemachten Ansprüche und Einreden und der vorgebrachten Tatsachen" in "der rechtlichen Qualifikation des Sachverhalts völlig frei". Wird dagegen im Verfahren zweiter Instanz eine neue Einrede im Sinn des § 482 Abs 1 ZPO erhoben, die sich - wie die Einrede gemäß § 1052 Satz 1 ABGB - auf nicht von Amts wegen zu beachtende Umstände bezieht, erscheint es fraglich, ob eine solche unzulässige Neuerung (EvBl 1971/2 [Verpflichtung zur Zug-um-Zug-Leistung]), selbst wenn deren abschließende rechtliche Beurteilung etwa aufgrund ausreichender (überschießender) Tatsachenfeststellungen im Ersturteil möglich wäre, als ein im Revisionsverfahren unbekämpfbarer Abänderungsgrund herangezogen werden darf.Der 1. Senat hat in der Entscheidung 1 Ob 30/98p ausgeführt, daß dabei zwischen den einzelnen Neuerungstatbeständen gemäß Paragraph 482, Absatz eins und 2 ZPO nicht unterschieden wird. Den gedanklichen Hintergrund letzterer Auffassung bildet jedoch das Neuerungsverbot gemäß Paragraph 482, Absatz 2, ZPO, wird doch vor allem ins Treffen geführt, daß die Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage in Mißachtung des Neuerungsverbots niemals die Annahme einer nicht erschöpfenden Erörterung und gründlichen Beurteilung der Streitsache erlaube (EvBl 1969/344; SZ 27/65; Fasching, LB**2 Rz 1733; Rechberger/Simotta aaO Rz 827). Das Berufungsgericht ist aber, wie Fucik (ÖJZ 1992, 428) zutreffend hervorhebt, nur "im Rahmen der geltend gemachten Ansprüche und Einreden und der vorgebrachten Tatsachen" in "der rechtlichen Qualifikation des Sachverhalts völlig frei". Wird dagegen im Verfahren zweiter Instanz eine neue Einrede im Sinn des Paragraph 482, Absatz eins, ZPO erhoben, die sich - wie die Einrede gemäß Paragraph 1052, Satz 1 ABGB - auf nicht von Amts wegen zu beachtende Umstände bezieht, erscheint es fraglich, ob eine solche unzulässige Neuerung (EvBl 1971/2 [Verpflichtung zur Zug-um-Zug-Leistung]), selbst wenn deren abschließende rechtliche Beurteilung etwa aufgrund ausreichender (überschießender) Tatsachenfeststellungen im Ersturteil möglich wäre, als ein im Revisionsverfahren unbekämpfbarer Abänderungsgrund herangezogen werden darf.

Der erkennende 3. Senat schließt sich diesen Überlegungen des 1. Senates an, der dem jedoch nicht weiterging, weil dort die Verletzung des Neuerungsverbots im Rechtsmittel gegen einen Aufhebungsbeschluß jedenfalls zulässigerweise geltend gemacht wurde.

Hier liegt jedoch auch kein Fall der Erhebung eines neuen Anspruchs oder einer neuen Einrede im Berufungsverfahren im Sinn des § 482 Abs 1 ZPO vor; vielmehr stützt die klagende Partei ihr Begehren nach wie vor auf die entsprechende Bürgschaftsvereinbarung mit der Beklagten. Die Berücksichtigung der Neuerungen durch das Berufungsgericht begründet somit im Sinn der ständigen Rechtsprechung keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die mit Revision geltend gemacht werden könnte.Hier liegt jedoch auch kein Fall der Erhebung eines neuen Anspruchs oder einer neuen Einrede im Berufungsverfahren im Sinn des Paragraph 482, Absatz eins, ZPO vor; vielmehr stützt die klagende Partei ihr Begehren nach wie vor auf die entsprechende Bürgschaftsvereinbarung mit der Beklagten. Die Berücksichtigung der Neuerungen durch das Berufungsgericht begründet somit im Sinn der ständigen Rechtsprechung keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die mit Revision geltend gemacht werden könnte.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, allein die Tatsache, daß die Beklagte Gesellschafterin der Kreditnehmerin gewesen sei, müsse zu einem anderen Prozeßergebnis führen, weshalb auf die Beweisrüge in der Berufung der klagenden Partei nicht einzugehen sei, ist nicht nur deshalb verfehlt, weil das Berufungsgericht aufgrund des Firmenbuchauszuges zum Zeitpunkt der Ersterfassung vom 18. 8. 1993, nicht aber zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärungen (15. 3. 1991, 17. 4. 1992) von einer Gesellschafterstellung der Beklagten ausging.

Soweit das Berufungsgericht meint, die Beklagte hätte im Sinn der Entscheidung 1 Ob 544/95 (SZ 68/64) all jene Tatsachen, die die Annahme der Sittenwidrigkeit der Haftungsvereinbarung rechtfertigen können, behaupten und unter Beweis stellen müssen, dies habe sie jedoch hier unterlassen, verkennt es, daß die Beklagte sich zu ihrer Stellung als mögliche Gesellschafterin der Kreditnehmerin nicht äußern konnte. Während dem Erstgericht dieser Umstand offenbar überhaupt nicht bekannt war, unterließ es das Berufungsgericht, mit den Parteien zu erörtern, daß es nun - in Verletzung des Neuerungsverbots - diese Tatsache seiner Entscheidung zugrundelegen werde.

Dies stellt einen groben Mangel des Berufungsverfahrens dar, weil für die Beklagte auch in der Berufungsverhandlung nicht erkennbar war, daß sie nun Vorbringen zu erstatten habe, weil das Berufungsgericht die Tatsache der Stellung der Beklagten als Gesellschafterin der Kreditnehmerin seiner Entscheidung zugrunde legen werde.

Das Berufungsgericht wird daher den Parteien die Möglichkeit eines entsprechenden Vorbringens einzuräumen haben und danach das Beweisverfahren zu ergänzen oder zu wiederholen haben, sodaß auf Grundlage ausreichender Tatsachenfeststellungen eine abschließende rechtliche Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Bürgschaftserklärung der Beklagten (zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtungen) möglich ist (s hiezu insb SZ 68/64 und die folgenden Entscheidungen [RIS RS0048300, 0048309], zuletzt 1 Ob 87/98w [teilweise veröffentlicht in ecolex 1998, 762], 6 Ob 117/98v [teilweise veröffentlicht in ecolex 1998, 761]) und 8 Ob 51/98h.

Dabei wird das Berufungsgericht auch die Beweisrüge der klagenden Partei wegen mangelnder Gerichtskundigkeit in der Berufung zu behandeln haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E52026 03A02247

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0030OB00224.97F.1111.000

Dokumentnummer

JJT_19981111_OGH0002_0030OB00224_97F0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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