TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/11 2005/12/0189

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Veröffentlicht am 11.10.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §56;
BDG 1979 §38 Abs2;
BDG 1979 §38;
BDG 1979 §40;
BDG 1979 §56 Abs1;
BDG 1979 §56 Abs2;
BDG 1979 §56 Abs3;
BDG 1979 §91;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma, Dr. Pfiel und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des L in G, vertreten durch Mag. Klaus Haberler, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. Juli 2005, Zl. 133.683/2- I/1/05, betreffend die Feststellung der Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung nach § 56 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlichen-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Verkehrsabteilung-Außenstelle W. im Bereich des Landespolizeikommandos für Niederösterreich (vormals Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich; im Folgenden kurz:

LGK).

Durch ein an das Bundesministerium für Inneres ergangenes Schreiben der "LKW-Fahrervereinigung P." erlangte das LGK am 20. April 2004 Kenntnis von einer angeblichen Nebenbeschäftigung des Beschwerdeführers. Demnach soll der Beschwerdeführer mehrmals monatlich für eine Transportfirma als Kraftfahrer tätig sein.

Daraufhin wurde durch das LGK ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und mit den weiteren Erhebungen die Verkehrsabteilung beauftragt.

Am 8. Mai 2004 wurde der Beschwerdeführer vom Leiter der Verkehrsabteilung einvernommen. Der Beschwerdeführer gab dabei an, fallweise als Kraftfahrer bei der Firma H.J. tätig zu sein. Er hätte dabei ein Sattel-KFZ (Kühler) mit Lebensmitteln von Wien nach Dornbirn sowie retour gelenkt. Seit Mitte 2003 hätte er maximal zehn derartige Fahrten pro Jahr durchgeführt. Der Zeitaufwand habe pro Hin- und Rückfahrt zwei Tage betragen. Die Fahrten seien zur Tageszeit erfolgt. Arbeitgeber sei die Firma H.J. gewesen. Dabei habe es sich um keine selbständige Tätigkeit gehandelt. Die Fahrtrouten hätten von Wien über die A1 und die westlichen Bundesländer nach Vorarlberg und retour geführt. Die Firma H.J. betreibe rund 66 LKW-Züge und ca. 30 Solo-LKW, die im gesamten Bundesgebiet eingesetzt würden. Es handle sich dabei um eine absolut seriöse Firma. Anlässlich dieser Einvernahme führt der Beschwerdeführer weiter aus, dass die Möglichkeit bestünde, in Ausübung seines Dienstes LKW der Firma H.J. zu kontrollieren. Derartige Kontrollen wären auch schon durchgeführt worden. Dabei hätte es jedoch keine besondere Vorkommnisse oder Probleme gegeben. Den Ablauf seiner Lenkertätigkeit stellte der Beschwerdeführer wie folgt dar: Er hätte das Sattel-KFZ in Baden übernommen, nach Wien zur Firma A. gelenkt, die Ladung sowie die Frachtpapiere übernommen, bei der Fahrt nach Dornbirn in Innsbruck bei der Firma M. eine Zwischenabladung vorgenommen und anschließend die restliche Ladung in Dornbirn ebenfalls bei der Firma M. abgeladen. Einen direkten Kontakt zur Bevölkerung - außer zu Firmenangehörigen - hätte es nicht gegeben. Auch sei es zu keinem Interessenkonflikt in seiner Dienstverrichtung mit der eventuellen Anhaltung von LKW der Firma H.J. gekommen. Beim Lenken des Sattel-KFZ sei es zu keinen Beanstandungen gekommen. Auf Grund des geringfügigen Ausmaßes seiner Tätigkeit hätte er - so führt der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme abschließend aus - geglaubt, diese nicht melden zu müssen. Er habe keine Dienstpflichtverletzung begehen wollen und werde um eine "Genehmigung" dieser Nebenbeschäftigung ansuchen. Bis zur Entscheidung darüber würde er diese Tätigkeit nicht mehr ausüben.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2004 meldete der Beschwerdeführer dem LGK, dass er seit den Herbstmonaten 2003 "im Sinne des § 56 BDG sporadisch eine Nebentätigkeit" ausüben würde. Diese "Nebentätigkeit" betreffe das fallweise Lenken eines Sattel-KFZ der Firma H.J. Er erhalte dafür von dieser Firma keine nennenswerten Einkünfte in Geld- oder Güterform. Das Lenken eines Schwerfahrzeuges sei sein Hobby und komme nur vereinzelt bzw. gelegentlich vor. Die Firma H.J. ermögliche dem Beschwerdeführer, seinem Hobby gelegentlich nachkommen zu können. Die bisherigen Fahrten wären nur während des Urlaubes erfolgt. Der Dienstbetrieb sei dadurch nicht beeinträchtigt gewesen. In diesem Schreiben ersuchte der Beschwerdeführer "um Bewilligung dieser Nebentätigkeit".

Mit Schreiben vom 24. August 2004 teilte das LGK dem Beschwerdeführer die Absicht mit, seine am 18. Juli 2004 gemeldete Nebenbeschäftigung als Kraftfahrer der Firma H.J. zu untersagen. Diese Tätigkeit sei nämlich geeignet, die Vermutung der Befangenheit und Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen bei der Dienstverrichtung als Exekutivorgan hervorzurufen.

In seiner Stellungnahme vom 12. September 2004 führte der Beschwerdeführer aus, dass er weder regelmäßig noch gewerbsmäßig Fahrten für die Firma H.J. durchgeführt hätte. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er eine Meldung nach § 56 BDG 1979 vorlegen hätte müssen. Zu den Vorhaltungen, dass seine Tätigkeit geeignet sei, die Vermutung der Befangenheit und Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen bei der Dienstverrichtung als Exekutivorgan hervorzurufen, führte der Beschwerdeführer aus, dass das Lenken eines Schwerfahrzeuges nur ein Hobby sei. Diesem hätte er gelegentlich auf legale Weise nachkommen wollen, um sich die Fahrpraxis zu erhalten. Auch würde er seit Dienstverrichtung bei der Verkehrsabteilung Schwerfahrzeuge kontrollieren, ohne dass es bis jetzt zu Problemen gekommen sei.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2004 untersagte das LGK dem Beschwerdeführer die Ausübung "der gemeldeten erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung" als Kraftfahrer bei der Firma H.J. Als Rechtsgrundlage bezog sich das LGK auf § 56 BDG 1979.

In der Begründung dieses Bescheides führt das LGK aus, dass der Beschwerdeführer auf der Verkehrsabteilung-Außenstelle W. seinen Dienst verrichte. Er würde vorwiegend im Außendienst (Verkehrs- und allgemeiner Sicherheitsdienst) in Verwendung genommen. Dabei obliege dem Beschwerdeführer im Rahmen der staatlichen Hoheitsverwaltung vor allem die Wahrnehmung verkehrspolizeilicher Aufgaben. Der Beschwerdeführer hätte selbst zugegeben, dass von ihm in der Vergangenheit bereits KFZ der Firma H.J., bei der er selbst fallweise als Kraftfahrer eine Nebenbeschäftigung ausüben würde, kontrolliert worden seien. Dabei lasse sich eine besondere Nahebeziehung zwischen den Dienstpflichten des Beschwerdeführers und seiner Nebenbeschäftigung erkennen, die zwangsläufig eine Überschneidung dieser beiden Bereiche und somit auch die konkrete Gefahr einer Vermittlung des Eindrucks der Befangenheit in der Bevölkerung mit sich bringen könnte. Der Beschwerdeführer könnte bei der Kontrolle von LKW der Firma H.J., aber auch bei einer eventuellen Aufnahme eines Verkehrsunfalles mit Beteiligung von KFZ dieser Firma in Situationen geraten, in denen die Fähigkeit zur unparteiischen Entscheidung gehemmt sei und Personen Anlass geben könnte, an der Objektivität des Beschwerdeführers zu zweifeln. Ebenso liege eine mögliche Gefährdung der sachlichen und gesetzestreuen Aufgabenerfüllung und des darauf gerichteten Vertrauens der Allgemeinheit vor. Damit sei auch eine Gefährdung sonstiger wesentlicher dienstlicher Interessen gegeben. Zur Behauptung des Beschwerdeführers, wonach er die Nebenbeschäftigung nur fallweise ausübe, merkte das LGK in seiner Begründung noch an, dass es unerheblich sei, ob eine kurzfristige oder dauernde Nebenbeschäftigung ausgeübt werde.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid hielt der Beschwerdeführer der Argumentation des LGK entgegen, dass die Feststellung, wonach er "fallweise als Kraftfahrer" eine Nebenbeschäftigung ausübe, nicht ausreichen würde, um den Sachverhalt abschließend beurteilen zu können. Zum Begriff "fallweise" sei auszuführen, dass daraus nicht hervorgehe, in welcher Intensität eine derartige Tätigkeit verrichtet worden sei. In seiner Stellungnahme vom 12. September 2004 hätte er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er nur "sporadisch" und ausschließlich dann, wenn er auf Urlaub gewesen sei, ein Schwerfahrzeug der Firma H.J. gelenkt hätte. Eine solche Tätigkeit sei zwei- bis dreimal im Jahr erfolgt, wobei er mit dem LKW ausnahmslos Touren nach Vorarlberg absolviert hätte (ein Tag Hin- und ein Tag Rückfahrt).

Diese "sporadische" Tätigkeit sei für die Beurteilung der Frage, ob eine Nebenbeschäftigung im Sinne des § 56 Abs. 1 BDG 1979 vorliege, sehr wohl relevant. Auszugehen sei nämlich in diesem Zusammenhang von einer permanenten Tätigkeit. Er sei indessen in unregelmäßigen Abständen etwa zwei- bis dreimal im Jahr mit dem LKW gefahren, da er einen LKW gerne lenken würde und sich die Fahrpraxis erhalten habe wollen. Auch sei weder ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen noch Entgelt bezahlt worden. Selbst wenn man davon ausgehe, dass eine Nebenbeschäftigung vorliege, bestünde auf Grund der Unentgeltlichkeit keine Meldeverpflichtung. Zur abschließenden rechtlichen Beurteilung der Bestimmung des § 56 Abs. 2 BDG 1979 wären vom LGK jedenfalls Feststellungen hinsichtlich des genauen Einsatzgebietes zu treffen gewesen. Dieser Umstand sei deshalb wesentlich, weil erst dann Berührungspunkte mit der Verrichtung des Dienstes bei der Verkehrsabteilung-Außenstelle W. geklärt hätten werden können.

Sein Einsatzgebiet - so führt der Beschwerdeführer in seiner Berufung weiter aus - umfasse die A2-Südautobahn vom Wechsel bis nach Wiener Neustadt und die S6 von Maria Schutz bis zur Einmündung in die A2. Die LKWs seien ausschließlich außerhalb dieses Einsatzgebietes - und zwar auf der A1-Westautobahn Richtung Vorarlberg - gelenkt worden. In seinem dienstlichen Aufgabengebiet hätte der Beschwerdeführer Schwerfahrzeuge der Firma H.J. nicht gelenkt. Die vom Beschwerdeführer in Ausübung seines Dienstes als Beamter durchgeführten Verkehrskontrollen hätten Fahrzeuge der Firma H.J. aus der Filiale G. betroffen, deren Lenker dem Beschwerdeführer nicht bekannt gewesen seien. Im Unternehmen gebe es rund 66 LKW-Züge und in etwa 30 LKWs. Auf Grund der Größe dieses Unternehmens sei daher ein persönliches Naheverhältnis zu Mitarbeitern von vornherein auszuschließen. Überdies sei im Rayon des Beschwerdeführers ein derart hohes Verkehrsaufkommen, sodass in keiner Weise mit häufigen Kontrollen der LKWs der Firma H.J. zu rechnen sei. In all den Jahren habe er zwei- bis dreimal LKW der Firma H.J. aus Graz kommend kontrolliert. Selbst wenn man von den Sachverhaltsfeststellungen im Erstbescheid ausgehe, hätte bei richtiger rechtlicher Beurteilung keine Untersagung der Nebenbeschäftigung vorgenommen werden dürfen.

Zur Frage der Befangenheit führte der Beschwerdeführer in seiner Berufung aus, dass keine erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung vorliege und die Tätigkeit als LKW-Lenker nicht im dienstlichen Aufgabenbereich ausgeübt werde. Auf Grund des Umstandes, dass im Einsatzgebiet des Beschwerdeführers ein sehr hohes Verkehrsaufkommen vorherrsche und nur gelegentlich LKW der Firma H.J. aus Graz die A2-Südautobahn befahren würden, sei auch keine Befangenheit zu vermuten. Mangels Entgeltlichkeit bestehe auch keine Abhängigkeit zur Firma H.J. Die bisher auf der A2- Südautobahn vorgenommenen Kontrollen (maximal zwei- bis dreimal) seien ohne den geringsten Anschein von Befangenheit oder Gefährdung irgendwelcher dienstlicher Interessen erfolgt. Eine Vermutung der Befangenheit sei nur dann anzunehmen, wenn der Beamte Kontakt mit Personen habe, gegen die er häufig dienstlich einschreiten könnte. Außerdem seien Verkehrskontrollen bzw. Aufnahmen eines Verkehrsunfalles immer von zwei Beamten vorzunehmen. Dadurch sei jedenfalls die Objektivität gewährleistet. Die "sporadische" und unentgeltliche Tätigkeit bei der Firma H.J. könne daher die Vermutung einer Befangenheit keinesfalls begründen. Exakte Sachverhaltsfeststellungen würden schließlich keine Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit ergeben. Vielmehr komme die Freizeitaktivität als LKW-Lenker der Allgemeinheit auch insofern zu Gute, als damit nicht nur über theoretische, sondern auch praktische Kenntnisse bei der LKW-Kontrolle verfügt würde. Die Gefährdung wesentlicher dienstlicher Interessen sei daher nicht gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Nach Darstellung des Verwaltungsverfahrens und der Rechtslage führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, dass die Vermutung der Befangenheit gegeben sei, wenn der Beschwerdeführer in Ausübung seines Dienstes Personen, für deren Firma er in Ausübung seiner Nebenbeschäftigung Leistungen erbringe oder mit denen die Firma H.J. in Konkurrenz trete, gegenüberzutreten habe. Dass niemand, nicht einmal die Konkurrenz der Transportfirma, bei der der Beschwerdeführer Schwerfahrzeuge lenke, herausfinden könnte, dass der Beschwerdeführer neben seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer noch aktiver Polizeibeamter sei, liege außer jeglicher Lebenserfahrung, was auch bereits das Schreiben der "LKW-Fahrervereinigung P." belege.

Die Trennung zwischen beruflicher Handhabung der Verkehrspolizei und dem bloßen Fahren mit Sattel-KFZ werde von der Öffentlichkeit nicht gemacht. Diese stelle vielmehr den Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Polizeibeamter - insbesondere bei Kontrollen von Schwerfahrzeugen (anderer Transportfirmen) - und der Tätigkeit als LKW-Fahrer her.

Auch sei es für die Allgemeinheit, insbesondere die Konkurrenz der Firma H.J., nicht ersichtlich, ob der Beschwerdeführer tatsächlich nur in Ausübung eines Hobbys zur Erhaltung der Fahrpraxis mit einem Schwerfahrzeug samt Ladung unterwegs sei. Auch wäre es für die Öffentlichkeit wohl nur schwer vorstellbar, dass eine Transportfirma einer Privatperson für nur zwei bis drei (maximal zehn) Fahrten im Jahr tatsächlich ein Schwerfahrzeug samt Ladung und Frachtpapieren ganz ohne Gegenleistung zur Verfügung stellen würde. Aus diesem Blickwinkel könne indessen eine besondere Nahebeziehung der beiden Tätigkeitsbereiche des Beschwerdeführers nicht mehr von der Hand gewiesen werden. Festzuhalten sei insbesondere, dass es dabei lediglich auf die Eindrücke der Öffentlichkeit ankomme und nicht darauf, ob sich der Beschwerdeführer selbst befangen fühle oder nicht. Zweifel an der Objektivität von Amtshandlungen könnten nämlich nur allzu leicht bei solchen Unternehmen oder Personen entstehen, die sich in einem Wettbewerbsverhältnis zu der Firma, bei der der Beschwerdeführer seinem Hobby nachgehe, befinden würden. Bereits aus den Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach eine Befangenheit auf Grund der dienstlichen Aufgaben einerseits und der Nebenbeschäftigung andererseits deshalb nicht gegeben sei, weil Verkehrskontrollen und Verkehrsunfallsaufnahmen ohnehin immer von zwei Beamten vorgenommen würden, folge jedoch, dass eine konkrete Nahebeziehung zwischen den Dienstpflichten des Beschwerdeführers und der bisher ausgeübten privaten Tätigkeit (Nebenbeschäftigung) durchaus bestehe.

Zur Frage der Gefährdung sonstiger wichtiger dienstlicher Interessen erachtet es die belangte Behörde im Fall des Beschwerdeführers als gegeben, das Vertrauen der Allgemeinheit - vor allem bei Verkehrskontrollen von LKWs - in die sachliche und gesetzestreue Aufgabenerfüllung der Exekutivbeamten an sich zu gefährden. Auch hier komme es nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer selbst von seiner korrekten Aufgabenerfüllung überzeugt sei, sondern nur auf den Eindruck in der Öffentlichkeit. Der Berufung sei daher ein Erfolg zu versagen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht "auf rechtsrichtige Anwendung des § 56 BDG, insbesondere auf Nichtuntersagung einer Tätigkeit gemäß dieser Gesetzesbestimmung (als LKW-Lenker für maximal zwei- bis dreimal im Jahr)" verletzt.

§ 56 Abs. 1 bis 3 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl. Nr. 333 in der Stammfassung, lautet auszugsweise:

"Nebenbeschäftigung

§ 56. (1) Nebenbeschäftigung ist jede Beschäftigung, die der Beamte außerhalb seines Dienstverhältnisses und einer allfälligen Nebentätigkeit ausübt.

(2) Der Beamte darf keine Nebenbeschäftigung ausüben, die ihn an der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben behindert, die Vermutung seiner Befangenheit hervorruft oder sonstige wesentliche dienstliche Interessen gefährdet.

(3) Der Beamte hat seiner Dienstbehörde jede erwerbsmäßige Nebenbeschäftigung unverzüglich zu melden. Eine Nebenbeschäftigung ist erwerbsmäßig, wenn sie die Schaffung von nennenswerten Einkünften in Geld- oder Güterform bezweckt."

Die tatsächliche Ausübung einer Nebenbeschäftigung, die gegen § 56 BDG 1979 verstößt, ist ausschließlich nach dem Disziplinarrecht zu ahnden. Nur die Präventivwirkung möglicher Disziplinarstrafen soll den Beamten von der (tatsächlichen) Ausübung einer nach § 56 Abs. 2 BDG 1979 verbotenen Nebenbeschäftigung abhalten. Vor diesem Hintergrund sind auf § 56 BDG 1979 gestützte "Untersagungsbescheide" der Dienstbehörde - wie im vorliegenden Fall - als Bescheide zu deuten, mit denen die Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung festgestellt wird (vgl. dazu u.v.a. das hg. Erkenntnis vom 21. September 2005, Zl. 2003/12/0026).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 2004, Zl. 2000/12/0195, auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, zu § 56 BDG 1979 ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine ausdrückliche Ermächtigung zur Erlassung eines Feststellungsbescheides enthält und daher die in der Rechtsprechung allgemein für die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides entwickelten Voraussetzungen gelten. Ein auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassender Bescheid, mit dem die Zulässigkeit/Unzulässigkeit einer Nebenbeschäftigung festgestellt werden soll, ist wegen der Subsidiarität des Feststellungsbescheides nur zulässig, solange die (beabsichtigte) Nebenbeschäftigung noch nicht aufgenommen wurde. Nach dem Beginn der Ausübung stehen andere Verfahren (Disziplinarverfahren; allenfalls Verfahren nach §§ 38 und 40 BDG 1979) zur Verfügung, in denen eine allfällige Unzulässigkeit der bereits ausgeübten Nebenbeschäftigung zu klären ist.

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass im vorliegenden Fall von der belangten Behörde überhaupt nicht festgestellt wurde, ob die verfahrensgegenständliche Nebenbeschäftigung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch den Beschwerdeführer (noch) ausgeübt wurde. Dieser hat nämlich in seiner Vernehmung am 8. Mai 2004 angegeben, dass er bis zum Abschluss des Verfahrens "diese Tätigkeit nicht mehr ausüben" werde. Folgt man den Angaben des Beschwerdeführers, hat er die beschwerdegegenständliche Nebenbeschäftigung bereits vor Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht mehr ausgeübt. Aus diesen Angaben geht zudem unstrittig hervor, dass er die bereits ausgeübte Nebenbeschäftigung unverändert weiter auszuüben gedenkt, wenn das anhängige dienstrechtliche Verfahren zu seinen Gunsten ausgehen sollte. Es liegt somit Identität der beabsichtigten Nebenbeschäftigung mit der bereits ausgeübten Tätigkeit vor. Bei einer solchen Fallkonstellation ist von der Subsidiarität des Feststellungsbescheides auszugehen und die Frage der Zulässigkeit der Nebenbeschäftigung im Disziplinarverfahren zu klären.

Die belangte Behörde hat - offenbar in Verkennung der Rechtslage - dadurch, dass sie keine näheren Ermittlungen zu dieser Frage vorgenommen hat, ohne präzise sachverhaltsbezogene Darlegungen zum Bestehen eines Feststellungsinteresses zu erstatten, die Funktion des Feststellungsbescheides als subsidiären Rechtsbehelf verkannt. Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen im Einzelnen einzugehen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 11. Oktober 2006

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005120189.X00

Im RIS seit

22.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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