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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des FJ (auch S) in G, geboren am 5. Jänner 1979, vertreten durch Dr. Klaus Kocher & Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Mai 2006, Zl. 266.705/0-XI/38/05, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages wegen entschiedener Sache (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nachdem der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Mazedonien, bereits 1999 einen dann in der Folge zurückgezogenen ersten Asylantrag gestellt hatte, beantragte er im Juli 2001 neuerlich die Gewährung von Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. November 2001 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mazedonien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden RSa-Rückschein am 27. November 2001 an einer Adresse in N (nach zwei erfolglosen Zustellversuchen durch Hinterlegung beim Postamt; die hinterlegte Sendung wurde in der Folge als nicht behoben an das Bundesasylamt retourniert) zugestellt und blieb unbekämpft.
Am 18. Dezember 2001 stellte der Beschwerdeführer nach einer in Vollziehung des Dubliner Übereinkommens erfolgten Überstellung aus Deutschland einen dritten Asylantrag, den das Bundesasylamt mit Bescheid vom 10. April 2002 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückwies. Bei seiner vorangegangenen Einnahme hatte der Beschwerdeführer auf die Frage, warum er den seinen zweiten Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. November 2001 nicht behoben habe, erklärt, sich "zu dieser Zeit schon in Deutschland oder in der Schweiz aufgehalten" zu haben, er sei "zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Österreich" gewesen und sei in die Schweiz gereist, weil er gedacht habe, dort leichter Arbeit zu finden.
Am 14. November 2005 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Asylantrag. Auch diesen wies das Bundesasylamt (mit Bescheid vom 1. Dezember 2005) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid keine Folge. Dazu führte sie ua. aus, dass der seinerzeitige Bescheid über den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers vom 16. November 2001 infolge ungenützten Ablaufs der Berufungsfrist mit 12. Dezember 2001 in Rechtskraft erwachsen sei und dass das nunmehr im Rahmen der vierten Asylantragstellung erstattete Vorbringen "keinen glaubwürdigen Kern" aufweise.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer hatte (siehe oben) bei der Einvernahme zu seinem dritten Asylantrag angegeben, er habe sich bei Zustellung des bisher einzigen eine meritorische Entscheidung enthaltenden Bescheides des Bundesasylamtes vom 16. November 2001 nicht mehr in Österreich befunden. Dieses Vorbringen findet Deckung in der Aktenlage, wonach der Beschwerdeführer gemäß dem deutschen Übernahmeersuchen nach dem Dubliner Übereinkommen vom 20. November 2001 nach versuchtem illegalen Grenzübertritt von Deutschland aus in die Schweiz am 17. November 2001 in Deutschland inhaftiert wurde und wonach seine Überstellung nach Österreich am 18. Dezember 2001 erfolgte. Ausgehend von diesem Sachverhalt ist nicht zu sehen, warum der Beschwerdeführer bei Hinterlegung des Bescheides vom 16. November 2001 am 27. November 2001 an der seinerzeitigen Adresse in N dort noch eine zulässige Abgabestelle im Sinn des - damals noch maßgeblichen - § 4 ZustG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 gehabt haben sollte. Von daher vermochte die besagte Hinterlegung keine Rechtswirkungen zu entfalten, weshalb das seinerzeitige (zweite) Asylverfahren noch in erster Instanz anhängig und nicht rechtskräftig entschieden ist. Eine Zurückweisung des gegenständlichen Asylantrages wegen entschiedener Sache kommt im Hinblick darauf nicht in Betracht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. April 2005, Zl. 2004/01/0491, und vom 18. Oktober 2005, Zl. 2005/01/0215), woran auch der Umstand, dass schon der (dritte) Asylantrag vom 18. Dezember 2001 - offenkundig rechtskräftig - aus diesem Grund zurückgewiesen worden ist, nichts zu ändern vermag. Die Rechtskraft des letztgenannten Bescheides beschränkt sich nämlich auf die Zurückweisung des von ihm erfassten Asylantrages, kann jedoch bezüglich der hier zu beurteilenden Rechtskraft des Bescheides vom 16. November 2001 keine Bindungswirkung entfalten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 13. Oktober 2006
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006010323.X00Im RIS seit
24.11.2006