TE Vfgh Beschluss 2002/6/15 V111/01

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Veröffentlicht am 15.06.2002
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Plandokument Nr 6894. Beschluß des Wr Gemeinderates vom 27.11.97
Wr BauO 1930 §6

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der Widmung eines Grundstücks mangels Legitimation; keine rechtliche Betroffenheit durch die behauptete Wertminderung des Grundstücks; keine Änderung der Beurteilung der Legitimation durch Zugehörigkeit des Grundstücks zu einer Konkursmasse

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Mit seinem auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller,

"die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Wien vom 27.11.1997, Pr. Zl. 379 GPZ/1997, über die Festsetzung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes für das im Antragsplan Nr. 6894 mit der rot strichpunktierten Linie umschriebene Gebiet, kundgemacht in ABl 1997/50, soweit sie das zwischen den Grundstücken Neuwaldegger Straße 43 und Neuwaldegger Straße 45 gelegene Grundstück mit der Widmung 'SWW' betrifft, als gesetzwidrig"

aufzuheben.

1.2. Zur Begründung seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, die H O Ges.m.b.H. sei Eigentümerin der zwischen den Grundstücken Neuwaldegger Straße 43 und Neuwaldegger Straße 45 gelegene Wallachenwiese, über ihr Vermögen sei der Konkurs eröffnet worden, und das Landesgericht Krems a. d. D. habe ihn mit Beschluss vom 22. September 1995, Z9 S 175/95 y, zum Masseverwalter bestellt. Die Konkursmasse, in welche das genannte Grundstück falle, sei durch den angefochtenen Flächenwidmungsplan unmittelbar betroffen, weil das genannte Grundstück zur Gänze in das Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel einbezogen worden sei und daher den Nutzungsbeschränkungen nach §6 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 idgF (in der Folge BO f Wien), unterliege. Auf Grund dieser Flächenwidmung sei beispielsweise das Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren 21 E103/96 s des Bezirksgerichtes Hernals auf einen Wert von S 410.000,- geschätzt worden, während im Fall der vom Antragsteller angestrebten teilweisen Umwidmung des Grundstückes als Bauland ein wesentlich höherer Preis erzielt werden würde. Da es die gesetzliche Aufgabe des Masseverwalters sei, zugunsten der Gläubiger die Masse bestmöglich zu verwerten und er nicht die Möglichkeit habe, und es auch nicht zumutbar wäre, eine Baubewilligung für das gegenständliche Grundstück zu beantragen und dann auf diesem Wege seine Bedenken gegen die Flächenwidmung nach Beschreiten des Instanzenzuges an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, sei die Antragslegitimation gegeben. Da bereits jetzt bei Bewertung des Grundstückes die Wertdifferenz augenscheinlich sei, sei das rechtliche Interesse nachgewiesen und gegeben.

1.3. Die Einbeziehung des zwischen den Grundstücken Neuwaldegger Straße 43 und Neuwaldegger Straße 45 gelegenen Grundstücks in das Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel sei deshalb nicht sachgerecht, weil das Grundstück bis an die im Übrigen durchgehend verbaute Neuwaldegger Straße heranreiche. Betrachte man die westlich und östlich der so genannten Wallachenwiese gelegenen Grundstücke, wie insbesondere die Grundstücke Neuwaldegger Straße 45, 47, 49, 51 und 53 im Westen sowie das Grundstück Neuwaldegger Straße 43 im Osten, sehe man, dass diese als Bauland gewidmet seien und das Grundstück der Gemeinschuldnerin - betrachte man die südliche Grenze der Baulandwidmung - quasi wie ein Keil in dieses Bauland bis zur Neuwaldegger Straße hineinreiche. Es sei evident, dass die Widmung als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße, weil die in gleicher Lage befindlichen benachbarten Grundstücke als Bauland gewidmet seien.

Das zur Begründung der Widmung herangezogene Argument, das gesamte Grundstück sei für die Erholungsfunktion ein unverzichtbarer Grünlandbestand, von dem auch Wanderwege ihren Ausgang nehmen würden, sei in Wahrheit keine Begründung. Der Gemeinderat habe zunächst übersehen, dass das Grundstück im Privateigentum stehe und daher für die Erholungsfunktion der Allgemeinheit überhaupt nicht zur Verfügung stehe. Die Wanderwege führten nicht über das Grundstück der Gemeinschuldnerin, sondern seien als eigene Wegparzellen im Grenzkataster ausgewiesen, sodass es nicht erforderlich sei, das Grundstück als Schutzgebiet Wald- und Wiesengürtel zu widmen, um diese Wege, deren Beschaffenheit eine Verbauung ohne Rücksicht auf die Widmung ohnehin nicht zulasse, zu erhalten.

2. Der Gemeinderat der Stadt Wien legte die Verordnungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag auf teilweise Aufhebung der "Verordnung Plandokument Nr. 6894" zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die Verordnung im angefochtenen Umfang nicht gesetzwidrig ist.

3. Die Wiener Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie sich der Äußerung des Wiener Gemeinderates vollinhaltlich anschließt und beantragt, der Verfassungsgerichtshof wolle den Antrag auf teilweise Aufhebung der "Verordnung Plandokument Nr. 6894" zurückweisen, in eventu aussprechen, dass die Verordnung im angefochtenen Umfang nicht gesetzwidrig ist.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit des Antrags:

1.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (zB VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 8974/1980, 10.353/1985, 11.730/1988, VfGH vom 14. März 2001, V84/00).

1.2. Die vom Antragsteller genannten Wirkungen der angefochtenen Verordnung sind jedoch keine solchen, die seine Rechtssphäre (hier die Rechtssphäre der Konkursmasse) in einer nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst bestimmten Weise aktuell beeinträchtigen: Der Antragsteller verweist lediglich darauf, dass aufgrund der Widmung als "Schutzzone Wald- und Wiesengürtel" und der daraus resultierenden Nutzungsbeschränkungen nach §6 BO f Wien das Grundstück auf einen Wert von S 410.000,- geschätzt worden sei, während für den Fall der vom Antragsteller angestrebten teilweisen Umwidmung des Grundstücks als Bauland ein wesentlich höherer Preis erzielt werden würde. Er macht damit aber keine rechtliche Betroffenheit der Konkursmasse, sondern nur wirtschaftliche Interessen geltend (vgl. zB VfSlg. 9876/1983, 11.128/1986, 15.144/1998). Die rechtliche Betroffenheit eines Grundstückseigentümers durch eine Widmung seines Grundstücks kann nur in einem Verbot (einer bestimmten Art) der Bebauung des Grundstücks bestehen, wobei der bloße Hinweis auf eine Beeinträchtigung der künftigen Bebaubarkeit noch keine aktuelle Betroffenheit dartun würde (VfSlg. 11.128/1986), sondern konkrete Bauabsichten dargetan werden müssten (VfSlg. 15.144/1998). Die Tatsache, dass das gegenständliche Grundstück einer Konkursmasse zugehört und es unwahrscheinlich sein mag, dass diese konkrete Bauabsichten hegt, ändert an dieser Beurteilung nichts: Für die Legitimation zu einem Individualantrag gemäß Art139 B-VG kann in keinem Fall auf die Voraussetzung, dass eine rechtliche Betroffenheit durch die angefochtene Verordnung behauptet wird, verzichtet werden. Der bloße Umstand der Konkurseröffnung verschafft der Konkursmasse hinsichtlich der rechtlichen Betroffenheit durch einen Flächenwidmungsplan keine andere Rechtsstellung als sie der Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung hatte. Die Frage, ob dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht, braucht mangels der Behauptung rechtlicher Betroffenheit im vorliegenden Fall nicht untersucht zu werden.

1.3. Der Verordnungsprüfungsantrag war somit wegen Fehlens der Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen.

2. Dies konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Insolvenzrecht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Legitimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V111.2001

Dokumentnummer

JFT_09979385_01V00111_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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