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L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
ABGB §140 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der R H in D, vertreten durch Dr. Frank Riel, Rechtsanwalt in 3500 Krems/Donau, Gartenaugasse 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. August 2003, Zl. GS5- F-40.678/35-03, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems (BH) vom 23. Mai 2003, mit dem der Beschwerdeführerin ab 1. Mai 2003 eine Sozialhilfeleistung von monatlich EUR 422,53 befristet bis zum 30. November 2003, längstens jedoch bis zur Arbeitsaufnahme zuerkannt worden waren, abgewiesen. Als Rechtsgrundlagen wurden § 66 Abs. 4 AVG sowie § 9 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes 2000, LGBl. 9200-2 (NÖ SHG) und die Niederösterreichische Richtsatzverordnung, LGBl. 9200/1-2, genannt.
Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin mit ihrer (am 27. Jänner 1988 geborenen) Tochter seit 16. Dezember 2003 unter Kostentragung der Sozialhilfe in einem näher genannten Übergangswohnheim in Krems untergebracht gewesen. Die Unterbringung samt sozialarbeiterischer und -pädagogischer Betreuung wäre aus Sicht der zuständigen Sozialhilfebehörde bis Ende 2003 möglich gewesen. Dies sei auch der Beschwerdeführerin bekannt gewesen. Die Beschwerdeführerin habe das Übergangswohnheim jedoch freiwillig verlassen und mit Unterstützung einer Immobiliengesellschaft gegen eine Provision in der Höhe von EUR 648,-- eine Wohnung in D. angemietet. Laut Mietvertrag habe das Mietverhältnis am 1. Mai 2003 begonnen, der vereinbarte Mietzins habe monatlich EUR 180,-- betragen. Im Mietvertrag sei bestätigt worden, dass die Mieträume neu ausgemalt und gestrichen übernommen worden seien. Die Mietwohnung bestehe aus einer Küche, zwei Zimmern, Dusche, WC und Schlafzimmer im Gesamtausmaß von 65 m2; mitvermietet sei ein Holzlager-Abstellraum und ein Gemüsegarten.
Die BH habe ihrer Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter im gemeinsamen Haushalt lebe und von ihrem geschiedenen Gatten Unterhalt in Höhe von monatlich EUR 72,67 erhalte. Ihre Tochter erhalte Alimente in Höhe von monatlich EUR 341,56. Der auf die Beschwerdeführerin als Hauptunterstützte anzuwendende Richtsatz plus "Mietbeihilfe" (in Höhe von insgesamt EUR 495,20) sei um das Einkommen der Beschwerdeführerin (Unterhaltsleistung) zu vermindern. Für ihre Tochter habe sie keinen Anspruch auf laufende Sozialhilfeleistung.
In ihrer Berufung gegen den Bescheid der BH habe die Beschwerdeführerin die Auffassung vertreten, dass ihr der Richtsatz für Alleinunterstützte (gemeint: Alleinstehende) in Höhe von EUR 467,30 sowie Mietbeihilfe zustehe. Sie habe auch eine erhöhte Mietbeihilfe beansprucht, da ihre Miete ohne Betriebskosten EUR 180,-- betrage und sie bei früheren Mietverhältnissen eine höhere Beihilfe erhalten habe. Schließlich habe sie ersucht, zumindest zwei Drittel der Maklerprovision zu übernehmen. Die angemietete Wohnung sei im Übrigen nass und schimmelig, weshalb sie eventuell versuchen werde, in der Nähe von St. Pölten unterzukommen, was auch für ihre Tochter (Schulbesuch) günstiger wäre.
Nach Wiedergabe der anzuwendenden Rechtsgrundlagen vertrat die belangte Behörde im Wesentlichen die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin nicht alleinstehend sei, sondern mit einer unterhaltsberechtigten Angehörigen (ihrer Tochter) in Haushalts- bzw. Wohngemeinschaft lebe. Deshalb komme für die Beschwerdeführerin der Richtsatz für den unterhaltspflichtigen Hauptunterstützen nach § 1 Abs.1 Z. 2 der Richtsatzverordnung zur Anwendung. Dies entspreche auch den im Niederösterreichischen Sozialhilfegesetz ausdrücklich normierten Vorgaben, wonach die bei einer gemeinsamen Haushaltsführung erzielten Einsparungen zu berücksichtigen seien. Bei einem Hilfesuchenden, der mit "sonstigen Personen" in Haushalts- oder Wohngemeinschaft lebe, komme es nicht darauf an, ob diese "sonstigen Personen" hilfebedürftig seien oder nicht.
Was die von der Beschwerdeführerin angesprochene Maklerprovision bzw. die laufenden Kosten ihrer Wohnung anlange, so werde darauf hingewiesen, dass diese Kosten im vorliegenden Fall keine unvermeidbaren Kosten des Lebensunterhaltes darstellten. Der Wohnbedarf der Beschwerdeführerin wäre jedenfalls bis Ende des Kalenderjahres 2003 durch Unterbringung in einer betreuten Einrichtung gedeckt gewesen. Die Beschwerdeführerin habe diese Wohnmöglichkeit freiwillig aufgegeben und eine Wohnung mit einer Größe von 65 m2 mit einem Holzlager-Abstellraum und einem Gemüsegarten gemietet. Den Erläuterungen zur Richtsatzverordnung folgend sei der Festlegung des Richtsatzes zur Bemessung des vertretbaren Unterkunftsaufwandes für eine Einzelperson eine anerkennungsfähige, notwendige Wohnnutzfläche im Ausmaß von 35 m2 und für eine zweite Person von zusätzlich 15 m2 zugrunde gelegt worden. Nach den Erläuterungen erhielten Haushaltsangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe jedoch keinen Zuschuss, da für sie die richtsatzmäßige Leistung plus Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bereits weit höher sei als der Richtsatz für Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe. Die von der Beschwerdeführerin gemietete Wohnung übersteige in der Größe und in Ansehung der mitgemieteten Liegenschaftsteile die der Richtsatzfestlegung zugrunde liegende anerkennungsfähige Wohnfläche. Der Beschwerdeführerin sei auch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden (jedenfalls bis Ende 2003), eine entsprechende kostengünstigere Wohnung zu suchen. Die im Rahmen der bisherigen Unterbringung gegebene Betreuung hätte auch die Unterstützung umfasst, eine entsprechende leistbare und kostengünstigere Wohnung zu erlangen.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin, ein zuständiger Sachbearbeiter hätte die Übernahme einer höheren Miete telefonisch zugesagt, sei weder glaubwürdig noch wäre eine solche rechtlich verbindlich. Ihre Behauptung, dass bei früheren Mietverhältnissen eine erhöhte Mietbeihilfe bezahlt worden sei, sei unzutreffend. Dies könne auch bei der Beurteilung des aktuellen Bedarfes keine Rolle spielen. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin begehrten Richtsatzüberschreitung zur Übernahme der Maklerprovision für die derzeitige Wohnung werde auf die Bestimmung des § 19 NÖ SHG verwiesen. "Maßnahmen zur Schaffung und Beibehaltung des Wohnraumes" von Familien seien dieser Spezialnorm und nicht der "Hilfe zum Lebensunterhalt" zuzuordnen. Damit sei eine Richtsatzüberschreitung für derartige Aufwendungen gesetzlich nicht vorgesehen. Auch wenn man annehme, dass eine Richtsatzüberschreitung dafür rechtlich gedeckt wäre, sei aus den angeführten Gründen die Maklerprovision für die derzeitige Wohnung nicht als unvermeidbarer und notwendiger Aufwand zu qualifizieren.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin mit ihrer am 27. Jänner 1988 geborenen Tochter in Wohngemeinschaft lebt; die Tochter ist nicht hilfebedürftig im Sinne des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes.
Gemäß § 9 Abs. 1 NÖ SHG erhält Hilfe zum Lebensunterhalt, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt oder den seiner mit ihm in Haushaltsgemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend decken kann und ihn nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.
Nach § 9 Abs. 2 NÖ SHG umfasst der notwendige Lebensunterhalt den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Kleidung, Körperpflege, Unterkunft, Beheizung, Beleuchtung, Kleinhausrat und andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt.
Die Hilfe zum Lebensunterhalt erfolgt nach § 9 Abs. 3 NÖ SHG durch laufende oder durch einmalige Geldleistungen, Sachleistungen oder in Form von stationärer Hilfe.
Nach § 10 Abs. 1 NÖ SHG hat die Landesregierung zur Bemessung laufender monatlicher Geldleistungen Richtsätze durch Verordnung so festzusetzen, dass mit dem jeweiligen Betrag die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse im Rahmen des Lebensunterhaltes (§ 9 Abs. 2) unter Berücksichtigung der bei einer gemeinsamen Haushaltsführung erzielten Einsparungen gedeckt werden kann.
Nach § 10 Abs. 2 NÖ SHG sind Richtsätze jedenfalls festzusetzen für:
1. hilfebedürftige Menschen, die nicht in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben.
2. hilfebedürftige Menschen, die in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben.
3. ein Betrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse hilfebedürftiger Menschen, die Sozialhilfe in stationären Einrichtungen erhalten, und
4. ein Betrag als Zuschuss zu den vertretbaren Unterkunftskosten.
Mit der im Beschwerdefall anzuwendenden Richtsatzverordnung wurden für die genannten Personengruppen folgende Richtsätze festgelegt.
1. Menschen, die nicht in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben (Alleinstehende)
EUR 467,30
2. Menschen, die mit unterhaltsberechtigten/-pflichtigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben:
a) für den unterhaltspflichtigen Hauptunterstützten EUR 410,30
b) für jeden unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen mit Anspruch auf
c) Familienbeihilfe
EUR 126,70
d) für jeden unterhaltsberechtigten Haushaltsangehörigen ohne Anspruch auf
e) Familienbeihilfe
EUR 213,70
3. Menschen die mit sonstigen Personen oder im Rahmen einer Lebensgemeinschaft, in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben
EUR 312,--
Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 1 der Richtsatzverordnung beträgt der Zuschuss zu den vertretbaren Unterkunftskosten an Empfänger von laufenden monatlichen Leistungen nach Abs. 1 für Alleinstehende oder unterhaltspflichtige Hauptunterstützte bis zu EUR 84,90 pro Monat.
Nach § 17 Abs. 1 Z. 2 NÖ SHG kann als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" Hilfe für Familien gewährt werden. Diese Hilfe umfasst gemäß § 19 Maßnahmen, die der Weiterführung des Haushaltes, der Erhaltung eines geordneten Familienlebens und der sozialen Eingliederung von Familien dienen. Hiezu zählen vor allem sämtliche Maßnahmen zur Schaffung und Beibehaltung des Wohnraumes.
Auf die "Hilfe in besonderen Lebenslagen" besteht nach § 17 Abs. 2 NÖ SHG kein Rechtsanspruch.
In der Beschwerde wird zunächst die Auffassung vertreten, es komme nicht darauf an, ob eine weitere Person mit dem Alleinstehenden in Haushalts- oder Wohngemeinschaft lebe, sondern ob die weitere Person (gemeint: die Tochter der Beschwerdeführerin) einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Alleinstehenden habe. Der leibliche Vater der Tochter der Beschwerdeführerin sei zum Unterhalt gegenüber der Tochter verpflichtet und decke deren gesamten Lebensunterhalt durch Alimentationszahlungen ab. Eine Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Tochter bestünde daher nicht. Der Beschwerdeführerin stünde somit der Richtsatz für Alleinstehende zu.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Die Beschwerdeführerin wohnt unbestrittener Maßen in Wohngemeinschaft mit ihrer Tochter. Sie ist daher nicht als "alleinstehend" im Sinne der Richtsatzverordnung anzusehen. Es trifft auch nicht zu, dass sie ihrer Tochter gegenüber nicht unterhaltspflichtig ist:
Nach § 140 Abs. 1 ABGB haben nicht selbsterhaltungsfähige Kinder gegen ihre (ehelichen oder unehelichen) Eltern Anspruch auf angemessenen Unterhalt, zu dessen Deckung jeder Elternteil entsprechend seiner Leistungsfähigkeit ("nach ihren Kräften") anteilig beizutragen hat.
Wenn ein Elternteil in dem von ihm geführten Haushalt das Kind "betreut", so leistet er damit nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle in der Regel seinen vollen Unterhaltsbeitrag und muss nur ausnahmsweise weiter zuschießen, wenn der andere Elternteil entweder ausfällt oder mit dem gesamten Unterhaltsrest über Gebühr belastet wäre.
Ist das Kind (wenigstens teilweise) einkommenslos und auch sonst nicht selbsterhaltungsfähig, ist ein Unterhaltsbedarf gegeben. Die elterliche Unterhaltspflicht entfällt mit der Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit. Sie tritt unabhängig vom Kindesalter dann ein, wenn das Kind die bei selbstständiger Haushaltsführung ("auch außerhalb des elterlichen Haushaltes") für eine Deckung des angemessenen Lebensbedarfes erforderlichen Mittel entweder aus Vermögenserträgnissen besitzt, selbst erwirbt oder auf Grund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist. Solange das Kind auf die elterliche Unterkunftsgewährung oder Betreuung angewiesen ist, ist es noch nicht selbsterhaltungsfähig (vgl. zum Ganzen etwa Schwimann, Unterhaltsrecht2, 21 f sowie 82 ff).
Im Beschwerdefall ist kein Umstand ersichtlich, der die Unterhaltsverpflichtung der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Tochter ausschlösse. Wäre die Tochter der Beschwerdeführerin dieser gegenüber nicht unterhaltsberechtigt, so wäre im Übrigen auf die Beschwerdeführerin der (geringere) Richtsatz für Menschen, die mit sonstigen Personen in Haushalts- oder Wohngemeinschaft leben, zur Anwendung zu bringen (vgl. § 1 Abs. 1 Z. 3 der Richtsatzverordnung).
Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, der zuständige Sachbearbeiter der Abteilung Sozialhilfe habe ihr die Übernahme einer höheren Miete telefonisch zugesagt, wird schon mangels Konkretisierung keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch - anders als die Beschwerdeführerin - keine Bedenken gegen § 10 Abs. 2 letzter Satz NÖ SHG, wonach bei der Festsetzung der Richtsätze zu berücksichtigen ist, dass die im Rahmen der Pensionsversicherung nach den Sozialversicherungsgesetzen gewährten Mindestleistungen nicht überschritten werden.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 16. Oktober 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003100240.X00Im RIS seit
28.11.2006