TE OGH 1998/12/18 6Ob264/98m

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Veröffentlicht am 18.12.1998
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kellner, Dr. Schiemer, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge L*****, vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Helga S*****, vertreten durch Dr. Günther Dobretsberger und Dr. Martin Steininger, Rechtsanwälte in Linz, wegen 111.500 S und Feststellung (Feststellungsinteresse 5.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. November 1997, GZ 15 R 189/97p-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 1. August 1997, GZ 8 C 1886/95g-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für die Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin wurde am 19. 3. 1995 vom Hund der Beklagten gebissen. Sie begehrt ein Schmerzengeld von 111.000 S, 500 S "Spesenersatz" und die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Vorfall.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht sprach in seiner am 19. 11. 1997 ergangenen Berufungsentscheidung aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Klägerin stellte innerhalb der vierwöchigen Revisionsfrist an das Berufungsgericht den Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO idF der WGN 1997, den Zulässigkeitsausspruch im Sinn einer Zulassung der ordentlichen Revision abzuändern und verband diesen Antrag mit einer ordentlichen Revision.Die Klägerin stellte innerhalb der vierwöchigen Revisionsfrist an das Berufungsgericht den Antrag nach Paragraph 508, Absatz eins, ZPO in der Fassung der WGN 1997, den Zulässigkeitsausspruch im Sinn einer Zulassung der ordentlichen Revision abzuändern und verband diesen Antrag mit einer ordentlichen Revision.

Das Berufungsgericht änderte seinen Zulässigkeitsausspruch mit Beschluß vom 3. 9. 1998 ab und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Das als außerordentliche Revision zu qualifizierende Rechtsmittel der Klägerin ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig:Das als außerordentliche Revision zu qualifizierende Rechtsmittel der Klägerin ist mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund des Entscheidungszeitpunkts zweiter Instanz ist die Rechtsmittelzulässigkeit noch nach der alten Rechtslage zu beurteilen. Das durch die WGN 1997 eingeführte Zwischenverfahren nach § 508 ZPO idgF ist erst auf Entscheidungen zweiter Instanz anzuwenden, die nach dem 31. 12. 1997 gefällt wurden (Art XXXII Z 14 WGN 1997). An die auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhende Änderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden. Sie ist unwirksam. Gegen das Berufungsurteil konnte die Klägerin nur eine außerordentliche Revision erheben. Ihre Rechtsmittelschrift ist in eine solche umzudeuten, ohne daß noch ein Verbesserungsverfahren nötig wäre, weil die Begründung eines Antrags nach § 508 Abs 1 ZPO sich inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde einer außerordentlichen Revision gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO zu decken hat (vgl zur Umdeutungsmöglichkeit in einem vergleichbaren Fall: 9 Ob 107/98w).Aufgrund des Entscheidungszeitpunkts zweiter Instanz ist die Rechtsmittelzulässigkeit noch nach der alten Rechtslage zu beurteilen. Das durch die WGN 1997 eingeführte Zwischenverfahren nach Paragraph 508, ZPO idgF ist erst auf Entscheidungen zweiter Instanz anzuwenden, die nach dem 31. 12. 1997 gefällt wurden (Art römisch XXXII Ziffer 14, WGN 1997). An die auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhende Änderung des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden. Sie ist unwirksam. Gegen das Berufungsurteil konnte die Klägerin nur eine außerordentliche Revision erheben. Ihre Rechtsmittelschrift ist in eine solche umzudeuten, ohne daß noch ein Verbesserungsverfahren nötig wäre, weil die Begründung eines Antrags nach Paragraph 508, Absatz eins, ZPO sich inhaltlich mit der Zulassungsbeschwerde einer außerordentlichen Revision gemäß Paragraph 506, Absatz eins, Ziffer 5, ZPO zu decken hat vergleiche zur Umdeutungsmöglichkeit in einem vergleichbaren Fall: 9 Ob 107/98w).

Die von der Revisionswerberin gegen die Verneinung einer nachlässigen Verwahrung und Beaufsichtigung des Hundes relevierten Rechtsfragen sind nicht erheblich:

Mangels einer generellen Norm über einen "Leinenzwang" durften die Hunde im Gelände grundsätzlich frei herumlaufen. Der Hund der Beklagten lief über eine Strecke von 70 m zum Hund der Klägerin, wo es zwischen den Tieren zu einem folgenlosen Streit kam. Die Bißverletzung kam nur dadurch zustande, daß sich die Klägerin bückte und ihren Hund hochheben wollte. Die Beklagte hatte ihren Hund zuvor mehrmals gerufen und sich dem Tatort auf etwa 30 m genähert.

Bei diesem Sachverhalt ist die Rechtsansicht, die Beklagte habe keine objektive Verwahrungspflicht verletzt, weder im Widerspruch zur bisherigen Judikatur, noch besteht ein Bedarf zur Entwicklung neuer Leitsätze von grundsätzlicher Bedeutung. Der Tierhalter hat die objektiv erforderliche Sorgfalt bei der Verwahrung und Beaufsichtigung seines Tieres einzuhalten und hiefür den Beweis zu erbringen (SZ 69/112 uva). Wenn dieser Beweis erbracht ist, kommt es auf die von der Klägerin relevierte Rechtsfrage, ob § 1320 ABGB eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast oder aber eine Gefährdungshaftung normiert, nicht mehr an. Eine Erfolgshaftung wird jedenfalls nach einhelliger Meinung im § 1320 ABGB nicht festgelegt (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 21 zu § 1320 mwN). Unter ordnungsgemäßer Verwahrung sind die Maßnahmen zu verstehen, die nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise geboten erscheinen (Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 10 zu § 1320 mwN). Diese Frage ist nach den Umständen des Einzelfalls zu lösen. Grundsätzliche Bedeutung käme ihr hier nur dann zu, wenn das Berufungsgericht von schon entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung abgewichen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Vorentscheidungen lagen jeweils (zum Teil sogar völlig) andere und somit nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde (insbesondere gilt dies für die Entscheidung 1 Ob 2351/96h). Der vorliegende Sachverhalt ist am ehesten mit demjenigen zu vergleichen, der in der Entscheidung RZ 1985/28 zu beurteilen war. Auch dort gewährten mehrere Hundebesitzer beim Spazierengehen im Freigelände ihren Hunden freien Auslauf. Beim Spiel zweier Hunde wurde ein Hundebesitzer umgestoßen und verletzt. Der Oberste Gerichtshof verneinte eine Verletzung der Verwahrungspflicht mangels einer Verpflichtung, die Hunde anzuleinen. Besondere Gefahrenquellen (wie etwa ein in der Nähe befindlicher Straßenverkehr) waren nicht zu berücksichtigen. Die bekämpfte Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Einklang mit dieser Judikatur. Der Hund der Beklagten befand sich immer in Ruf- und Sichtweite der Hundehalterin, also unter ihrer Beaufsichtigung. Die Bejahung einer Haftung aus den in der Revision angestellten Überlegungen wegen völlig hypothetischer anderer Gefahrenquellen (Radfahrer; Kleinkinder) würde entgegen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung de facto die Normierung eines generellen Leinenzwangs (also des Verbots eines Hundeauslaufs) oder die Anerkennung einer Erfolgshaftung bedeuten.Bei diesem Sachverhalt ist die Rechtsansicht, die Beklagte habe keine objektive Verwahrungspflicht verletzt, weder im Widerspruch zur bisherigen Judikatur, noch besteht ein Bedarf zur Entwicklung neuer Leitsätze von grundsätzlicher Bedeutung. Der Tierhalter hat die objektiv erforderliche Sorgfalt bei der Verwahrung und Beaufsichtigung seines Tieres einzuhalten und hiefür den Beweis zu erbringen (SZ 69/112 uva). Wenn dieser Beweis erbracht ist, kommt es auf die von der Klägerin relevierte Rechtsfrage, ob Paragraph 1320, ABGB eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast oder aber eine Gefährdungshaftung normiert, nicht mehr an. Eine Erfolgshaftung wird jedenfalls nach einhelliger Meinung im Paragraph 1320, ABGB nicht festgelegt (Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 21 zu Paragraph 1320, mwN). Unter ordnungsgemäßer Verwahrung sind die Maßnahmen zu verstehen, die nach der Verkehrsauffassung vernünftigerweise geboten erscheinen (Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 10 zu Paragraph 1320, mwN). Diese Frage ist nach den Umständen des Einzelfalls zu lösen. Grundsätzliche Bedeutung käme ihr hier nur dann zu, wenn das Berufungsgericht von schon entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung abgewichen wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Den von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Vorentscheidungen lagen jeweils (zum Teil sogar völlig) andere und somit nicht vergleichbare Sachverhalte zugrunde (insbesondere gilt dies für die Entscheidung 1 Ob 2351/96h). Der vorliegende Sachverhalt ist am ehesten mit demjenigen zu vergleichen, der in der Entscheidung RZ 1985/28 zu beurteilen war. Auch dort gewährten mehrere Hundebesitzer beim Spazierengehen im Freigelände ihren Hunden freien Auslauf. Beim Spiel zweier Hunde wurde ein Hundebesitzer umgestoßen und verletzt. Der Oberste Gerichtshof verneinte eine Verletzung der Verwahrungspflicht mangels einer Verpflichtung, die Hunde anzuleinen. Besondere Gefahrenquellen (wie etwa ein in der Nähe befindlicher Straßenverkehr) waren nicht zu berücksichtigen. Die bekämpfte Entscheidung des Berufungsgerichtes steht im Einklang mit dieser Judikatur. Der Hund der Beklagten befand sich immer in Ruf- und Sichtweite der Hundehalterin, also unter ihrer Beaufsichtigung. Die Bejahung einer Haftung aus den in der Revision angestellten Überlegungen wegen völlig hypothetischer anderer Gefahrenquellen (Radfahrer; Kleinkinder) würde entgegen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung de facto die Normierung eines generellen Leinenzwangs (also des Verbots eines Hundeauslaufs) oder die Anerkennung einer Erfolgshaftung bedeuten.

Die Klägerin releviert schließlich noch die Verletzung eines Schutzgesetzes (des oö. Polizeistrafgesetzes) als Haftungsgrundlage. Dieses Gesetz sieht eine Verwaltungsstrafe bei der Verletzung der Verwahrungspflicht eines Tierhalters vor, enthält aber keine näheren Ausführungen zum Inhalt der Verwahrungspflichten. Eines Rückgriffs auf dieses Landesgesetz zur Haftungsbegründung bedarf es daher bei einem nach § 1320 ABGB zu beurteilenden Fall nicht (anders läge der Fall nur dann, wenn im Landesgesetz eine besondere Verhaltensvorschrift normiert wäre). Mangels weiterer Revisionsausführungen zu diesem Thema ist eine nähere oberstgerichtliche Stellungnahme entbehrlich.Die Klägerin releviert schließlich noch die Verletzung eines Schutzgesetzes (des oö. Polizeistrafgesetzes) als Haftungsgrundlage. Dieses Gesetz sieht eine Verwaltungsstrafe bei der Verletzung der Verwahrungspflicht eines Tierhalters vor, enthält aber keine näheren Ausführungen zum Inhalt der Verwahrungspflichten. Eines Rückgriffs auf dieses Landesgesetz zur Haftungsbegründung bedarf es daher bei einem nach Paragraph 1320, ABGB zu beurteilenden Fall nicht (anders läge der Fall nur dann, wenn im Landesgesetz eine besondere Verhaltensvorschrift normiert wäre). Mangels weiterer Revisionsausführungen zu diesem Thema ist eine nähere oberstgerichtliche Stellungnahme entbehrlich.

Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat, waren ihr keine Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

Anmerkung

E52365 06A02648

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1998:0060OB00264.98M.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19981218_OGH0002_0060OB00264_98M0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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