Index
60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Bedenken gegen den Übergang auf ein neues System bei der Entgeltfortzahlung durch Übertragung der Belastung der Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung an den einzelnen Arbeitgeber infolge Wegfalls des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Träger der Krankenversicherung; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; dreimonatige Übergangsfrist ausreichendSpruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten noch in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft, die einem bei ihr beschäftigten Dienstnehmer, der im Oktober 2000 durch sechs Tage hindurch krankheitshalber an der Leistung seiner Arbeit verhindert war, das Entgelt fortgezahlt hatte, beantragte daraufhin die Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen gemäß §8 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (künftig: EFZG) bei der NÖ Gebietskrankenkasse. Diese wies den Antrag mit Bescheid vom 27. Februar 2001 ab; einem dagegen an den Landeshauptmann von Niederösterreich erhobenen Einspruch blieb der Erfolg versagt.
2. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung von für verfassungswidrig erachteten Gesetzesbestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Nach §2 Abs1 des EFZG haben Arbeitnehmer, die unter den in §1 dieses Gesetzes festgelegten Geltungsbereich fallen, für eine bestimmte Zeit unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts, wenn sie an der Leistung der Arbeit durch Krankheit oder einen Unglücksfall verhindert waren. Diese Regelungen bestehen im Grundsatz seit der erstmaligen Erlassung des EFZG durch BGBl. 399/1974, wurden aber in der Ausgestaltung mehrfach im Detail geändert, was für die Beurteilung des vorliegenden Falles aber ohne Bedeutung ist.
Nach der bis zum 30. September 2000 anzuwendenden Rechtslage war den Arbeitgebern für ihre Aufwendungen bei der Entgeltfortzahlung von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung ein Erstattungsbeitrag zu leisten (§8 leg.cit.). Die Erstattungsansprüche entstanden mit der Erfüllung der Entgeltfortzahlungspflicht durch den Arbeitgeber und waren innerhalb von zwei Jahren nach Ende des Anspruchs auf Fortzahlung geltend zu machen. Die für die Erstattung erforderlichen Mittel einschließlich einer Rücklage im Ausmaß des Erstattungsvolumens für zwei Monate (vgl. §14 Abs1 leg.cit.) waren gemäß §13 EFZG durch Beiträge der Arbeitgeber und einen Beitrag der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt aufzubringen; die Träger der Krankenversicherung hatten dafür einen - gesondert zu verwaltenden - Fonds einzurichten (§14 leg.cit.); beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger war zum Ausgleich von Gebarungsschwankungen bei den Erstattungsfonds der Krankenversicherungsträger ein Ausgleichsfonds einzurichten (§15 leg.cit.). Die Beitragssätze waren durch Verordnung des Bundesministers (damals: für soziale Verwaltung) im Bedarfsfall anzupassen und "in einer Höhe festzusetzen, die eine ausgeglichene Gebarung des Erstattungsfonds voraussichtlich sicherstellt" (§16 Abs1 leg.cit.).
Mit dem Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000, BGBl. I 44, einem sog. "Sammelgesetz", mit dem 18 Bundesgesetze geändert wurden, wurden verschiedene Regelungen im Bereich der Entgeltfortzahlung und deren Finanzierung getroffen. Dieses Bundesgesetzblatt wurde am 7. Juli 2000 ausgegeben. Mit Art2 des Gesetzes wurde das EFZG derart geändert, daß die oben dargestellte Erstattungsregelung ebenso wie die Regelung der Finanzierung der Erstattungsbeiträge mit Ablauf des 30. September 2000, also nach einer Legisvakanz von knapp drei Monaten, wegfiel: Die insofern relevante "Übergangsbestimmung" des §19a lautete:
"§19a. (1) Für Dienstverhinderungen, die nach Ablauf des 30. September 2000 eingetreten sind, besteht kein Anspruch auf Erstattung gemäß §§8 und 19.
(2) Für Dienstverhinderungen, die vor Ablauf des 30. September 2000 eingetreten sind, jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus andauern, besteht ein Anspruch auf Erstattung gemäß §8 und 19 nur bis zum Ablauf dieses Tages.
(3) Abweichend von §11 sind sämtliche Ansprüche auf Erstattungsbeiträge gemäß §§8 und 19 bei sonstigem Verlust bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 geltend zu machen.
(4) Mit Ablauf des 30. September 2000 erlischt
1.
die Beitragspflicht der Arbeitgeber gemäß §13 Abs2 bis 4,
2.
die Beitragspflicht der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt nach §13 Abs5.
(5) Die Fonds gemäß §§14 und 15 sind aufzulösen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat im Einvernehmen mit der Bundesministerin für soziale Sicherheit und Generationen durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Auflösung der Fonds zu treffen."
Abs5 dieser Bestimmung erhielt sodann durch Art41 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I 142/2000 (einem "Sammelgesetz", mit dem vier Bundesgesetze erlassen und 84 Bundesgesetze, die miteinander inhaltlich zum Teil gar nicht zusammenhängen, geändert wurden), durch folgende Bestimmungen ersetzt:
"(5) Die Krankenversicherungsträger nach dem ASVG haben für das Geschäftsjahr 2000 einen Rechnungsabschluss, der jedenfalls aus einer Erfolgsrechnung und einer Liquidationsbilanz samt Einzelnachweisungen zu allen Positionen der Bilanz bestehen muss, zu verfassen und bis zum 31. März 2001 dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen, dem Rechnungshof und dem Hauptverband vorzulegen. Rücklagen gemäß §14 Abs1 sind nicht mehr zu bilden. Gleichzeitig ist das verbleibende Finanzvermögen des Erstattungsfonds an den Hauptverband abzuführen.
(6) Nach Vorlage des Rechnungsabschlusses und Übermittlung des verbleibenden Finanzvermögens ist der jeweilige Erstattungsfonds des Krankenversicherungsträgers aufzulösen. In der Liquidationsbilanz ausgewiesene Forderungen und Verbindlichkeiten sind in die ordentliche Gebarung des Krankenversicherungsträgers zu übernehmen. Aufwendungen und Erträge aus verbleibenden Tätigkeiten nach diesem Bundesgesetz, die nach Liquidation des Erstattungsfonds auftreten, sind in der ordentlichen Gebarung des Krankenversicherungsträgers als 'sonstige und außerordentliche Aufwendungen' bzw. 'sonstige und außerordentliche Erträge' zu verrechnen.
(7) Anstelle des Rechnungsabschlusses gemäß §15 Abs2 für das Geschäftsjahr 2000 hat der Hauptverband über das gesamte Vermögen seines Erstattungsfonds einen Rechnungsabschluss, der jedenfalls aus einer Erfolgsrechnung und einer Liquidationsbilanz bestehen muss, zu verfassen und dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen und dem Rechnungshof bis zum 30. April 2001 vorzulegen. Dabei hat der Hauptverband die Übernahme des Vermögens der Krankenversicherungsträger in einer Einzelnachweisung zur Position 'allgemeine Rücklage' gesondert darzustellen.
(8) Der Hauptverband hat das verbleibende Finanzvermögen bis zu einem Betrag von 300 Millionen Schilling dem Bund für Zwecke nach dem Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 91/1998, zu übertragen. Verbleibt danach ein Restbetrag, ist ein Betrag bis zur Höhe von 30 vH des gesamten verbleibenden Finanzvermögens zuzüglich 30 Millionen Schilling dem Bund zu übertragen. Diese Übertragungen haben bis zum 30. April 2001 zu erfolgen. Verbleibt auch danach ein Restbetrag, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen die Verwendung des Restbetrages durch Verordnung festzulegen.
(9) Nach Übertragung des gesamten Finanzvermögens sind der Erstattungsfonds beim Hauptverband sowie die Erstattungsausschüsse aufzulösen."
Diese Novelle trat mit 1. Jänner 2001 in Kraft (§20 Abs8 EFZG idF Art41 Budgetbegleitgesetz 2001).
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist der Auffassung, daß die Änderung des Systems im Effekt zu einer Verletzung des Art5 StGG und des Gleichheitsgrundsatzes geführt hat.
In der Beschwerde wird zunächst das System der Entgeltfortzahlungserstattung, das bis zum 30. September 2000 anzuwenden war, beschrieben. Dabei wird unter anderem ausgeführt, daß die von den Arbeitgebern gemäß §13 Abs1 lita EFZG geleisteten Beiträge an den Erstattungsfonds der Gebietskrankenkasse zu leisten waren.
"Diese Mittel dürfen gemäß §14 Abs2 EFZG nur für die Zwecke der Erstattung der Arbeitgeberaufwendungen verwendet werden. Diese sind in §8 EFZG geregelt. Prinzipiell sind den Arbeitgebern die von ihnen den in der Krankenversicherung versicherten Beschäftigten gemäß §2 EFZG fortgezahlten Entgelte samt Pauschbetrag unverzüglich (auf Antrag) zu erstatten. Etwaige Mehrerträge sind nach eventuell notwendiger Aufstockung der Rücklage, die ein Sechstel des Aufwandes des davorliegenden Kalenderjahres zu Geschäftsjahrende zu umfassen hat, an den Erstattungsfonds des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger abzuführen. Gemäß §16 Abs1 EFZG hat schließlich der zuständige Bundesminister durch Verordnung einen für die Arbeitgeber maßgeblichen Beitragssatz festzusetzen, der eine ausgeglichene Gebarung des Erstattungsfonds voraussichtlich sicherstellt. Damit ist gewährleistet, daß bundesweit die Höhe der Beiträge der Arbeitgeber genau den Erfordernissen angepaßt ist. Wurden in einem Jahr mehr Beiträge eingezahlt als für die Erstattung erforderlich waren, so wird im Folgejahr der Beitragssatz entsprechend gesenkt.
Das System der Entgeltfortzahlung ist also derart geregelt, daß der Arbeitgeber über einen bestimmten Zeitraum sowohl Beiträge an den Krankenversicherungsträger zahlt (vergleichbar einer Versicherungsprämie) als auch in diesem Zeitraum ein Fortzahlungsfall eintreten kann, und der Krankenversicherungsträger erst nachträglich das fortgezahlte Entgelt erstattet. So zahlt etwa der Arbeitgeber im Monat x den Beitrag an den KV-Träger, im Monat x+1 zahlt er sowohl den Beitrag als auch das Entgelt für einen verhinderten Arbeitnehmer, und erhält bei sofortiger Antragstellung nach §8 Abs5 EFZG längstens im Monat x+2 das fortgezahlte Entgelt erstattet (wobei er auch in diesem Monat den Beitrag zahlt).
Die Beiträge der Arbeitgeber werden, sowohl was einzelne Erstattungsansprüche als auch was den Beitragssatz betrifft, erst im nachhinein verrechnet; d.h. das fortgezahlte Entgelt wird im nachhinein erstattet, und die in einem Jahr zuviel gezahlten (weil nicht zur Erstattung benötigten) Beiträge bewirken im nächsten Jahr einen niedrigeren Beitragssatz."
Sodann werden die Novellen des EFZG des Jahres 2000 folgendermaßen beschrieben:
"Durch Art2 des Arbeitsrechts-Änderungsgesetzes vom 7. Juli 2000, BGBl. I Nr. 44/2000, wurde ein neuer §19a in das EFZG eingefügt, der zum Inhalt hatte, daß zwar die Beitragspflicht der Arbeitgeber gemäß §13 Abs2 bis 4 EFZG mit Ablauf des 30. September 2000 erlischt, daß aber auch für Dienstverhinderungen nach diesem Zeitpunkt kein Anspruch auf Erstattung des fortgezahlten Entgelts besteht. Diese Bestimmung war in der Regierungsvorlage nicht enthalten (weshalb sie auch in den Erläuterungen nicht behandelt wird) und gelangte erst über den Ausschuß für Arbeit und Soziales in den Gesetzesvorschlag. Im Ausschußbericht werden keine Angaben über die Verwendung der verbleibenden Geldmittel getroffen, da diese zum damaligen Zeitpunkt nur im Verordnungswege erfolgen sollte.
Über die von den Arbeitgebern eingezahlten Beträge, die somit im Erstattungsfonds verbleiben, bestimmt Artikel 41 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl I Nr 142/2000, durch Anfügung der Abs5 bis 9 an den §19a EFZG, daß die Erstattungsfonds der Krankenversicherungsträger aufzulösen sind und der Liquidationserlös (inklusive der aufgelösten Rücklagen) an den Hauptverband abzuführen ist. Der Erstattungsfonds des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ist ebenfalls aufzulösen. Der Hauptverband hat nun aus diesen Geldern einen Betrag von bis zu 300 Millionen Schilling an den Bund für Zwecke des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes (JASG) zu übertragen. Vom Restbetrag ist zunächst ein bestimmter Betrag ohne Zweckwidmung an den Bund (für die allgemeine Gebarung) zu übertragen, während über die Verwendung des verbleibenden Betrages mittels einer Verordnung des BMWA entschieden wird."
Diese gesetzlich normierte Vorgangsweise hält die Beschwerde für verfassungswidrig und meint, §19a EFZG verstoße insgesamt gegen des Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Beschwerde schildert die bisherige Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu den Grenzen der Umschichtung von Geldmitteln innerhalb der Sozialversicherung und führt dazu aus:
"Auch im vorliegenden Fall besteht eine starke Diskrepanz zwischen den Personenkreisen der Beitragszahler und der letztendlichen Leistungsempfänger. Die Beiträge zur den Erstattungsfonds wurden von den Arbeitgebern und der AUVA entrichtet, sollen aber nunmehr aufgrund des neuen §19a EFZG (in materieller, nicht formeller Derogation des §14 Abs2 und des §15 Abs3 EFZG) für Ausbildungsmaßnahmen für Lehrstellensuchende verwendet werden, also weder für Dienstnehmer noch für Dienstgeber. Zwischen diesen Personenkreisen besteht überhaupt keine Riskengemeinschaft. Dazu kommt noch, daß der Restbetrag aus der Liquidation der Fonds direkt in das Bundesbudget fließen soll, also für Zwecke fernab der Sozialversicherung verwendet werden soll. Die in §19a EFZG normierte Abschöpfung der Erstattungsfonds-Mittel kommt nicht einer Versicherungsgemeinschaft zu, was die Verfassungswidrigkeit bewirkt.
Eine verfassungskonforme Vorgangsweise bestünde darin, nach Erlöschen der Beitragspflicht so lange fortgezahltes Entgelt zu erstatten, bis die Erstattungsfonds aufgebraucht sind. §19a (insb Abs1) EFZG schließt eine solche Vorgangsweise jedoch aus.
Durch die EFZG-Novelle BGBl. I 2000/44 wurde nicht nur die materielle Anspruchsbegründung entzogen, sondern offenbar zu deren Absicherung auch der Bestimmung des §11 EFZG durch eine unsachlich kurze Frist des §19a Abs3 EFZG die materielle Bedeutung weitgehend entzogen. Fristen sind zwar in der Rechtsordnung zu akzeptieren; die Frist des §11 EFZG war eine solche. Die Antragsfrist des §19a Abs3 EFZG ist jedoch gleichheitswidrig (vgl das dg Erk vom 16.3.2000, G151/99 uam).
Durch das Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl I 2000/142, wurde darüber hinaus durch eine Ergänzung des §19a EFZG (Anfügung der Abs5 bis 9) der Versichertengemeinschaft dieses Vermögen entzogen, wodurch unsere Ansprüche auf Erstattung, die bis dahin durch Verrechnung auf Sozialversicherungsbeiträge hätten befriedigt werden können, endgültig beseitigt wurden.
Da sich bei Auflösung der Erstattungsfonds die angesammelten Überschüsse nicht in einem zukünftigen niedrigeren Beitragssatz auswirken können, käme als weitere verfassungskonforme Regelung nur eine rückwirkende Anpassung des Beitragssatzes in Frage. Da gemäß §16 Abs1 EFZG eine ausgeglichene Gebarung angestrebt werden soll, ist der Beitragssatz rückwirkend in dem Ausmaß zu senken, daß zum Liquidations-Stichtag die Erstattungsfonds (nach Auflösung der Rücklagen) mit Null bilanzieren.
Dazu kommt, daß §19a EFZG mit 1. Juli 2000 in Kraft trat, aber die Beitragspflicht für Arbeitgeber noch für drei Monate aufrechterhalten wurde. Im Zeitraum zwischen 1. Juli und 30. September 2000 war somit bereits gesetzlich normiert, daß die eingehobenen Beiträge nicht den Beitragszahlern zugute kommen würden, sondern bei der Auflösung des Erstattungsfonds zur Verfügung stehen würden. Dadurch wurde Art5 StGG verletzt.
§19a Abs8 letzter Satz EFZG widerspricht darüber hinaus dem Legalitätsprinzip. Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird ermächtigt, die Verwendung des Restbetrages aus der Liquidation der Erstattungsfonds mittels Verordnung zu regeln. Diese Blankett-Ermächtigung genügt nicht den Erfordernissen von Art18 B-VG, da nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte für den Inhalt der Verordnung normiert werden (etwa Kriterien für die Ermittlung des Zahlungsempfängers oder eine Zweckwidmung).
Die Präjudizialität des §19a Abs1 EFZG und des §19a Abs3 EFZG ist unzweifelhaft; die NÖGKK wäre aber nach Aufhebung der erwähnten Gesetzesstellen zur Anspruchsbefriedigung verpflichtet, die dafür ihr zur Verfügung stehenden Mittel wären aber infolge Abschöpfung durch den beim Hauptverband bestehenden Fonds und durch die Abschöpfung auch dieses zugunsten des Bundes gemäß den übrigen Bestimmungen des §19a EFZG nicht mehr vorhanden.
Die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes könnte daher nicht beseitigt werden, sodaß im Sinne der nunmehrigen Judikatur des VfGH (Slg 14.805/97, 15.316/98, 15.391/98) auch hinsichtlich der restlichen Bestimmungen des §19a EFZG die Präjudizialität gegeben ist."
3. a) Soweit die Beschwerde dahingehend argumentiert, daß die Regelungen des §19a Abs5 (idF des Art2 des BG BGBl. I 44/2000) bzw. Abs5 bis 9 (idF des Art41 des BG BGBl. I 142/2000) verfassungswidrig sind, geht sie insofern ins Leere, als diese Bestimmungen über die Art der Verwendung des nach Beendigung der auf die Erstattung des fortgezahlten Entgelts gerichteten Tätigkeit der Fonds verbleibenden (Rest-)Vermögens weder von der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendet wurden noch anzuwenden waren und daher auch bei Behandlung der Beschwerde nicht präjudiziell sind. Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerde auf Judikate des Verfassungsgerichtshofes nichts zu ändern, die sich mit der Frage der Präjudizialität von Regel und Ausnahme beschäftigen. Wieso diese Judikatur bewirken soll, daß die Regelungen über die Verwendung der bei der Auflösung der Fonds bestehenden Überschüsse bei Erlassung des angefochtenen Bescheides, der das Bestehen von Erstattungsansprüchen verneint, anzuwenden gewesen wären, bleibt unerfindlich.
b) Hinsichtlich der präjudiziellen Regelung des Abs1 und der damit in sachlichem Zusammenhang stehenden Abs2 bis 4 des §19a EFZG (idF BGBl. I 44/2000) bestehen aber keine verfassungsrechtlichen Bedenken:
Daß es von Verfassungs wegen zulässig ist, Arbeitgebern in bestimmtem Ausmaß eine Pflicht zur Entgeltfortzahlung aufzuerlegen, wenn deren Arbeitnehmer durch Krankheit, Unglücksfall oder durch andere wichtige, ihre Person betreffenden Gründe ohne ihr Verschulden für eine kurze Zeit an der Arbeitsleistung verhindert werden, ist ebensowenig strittig, wie daß durch §2 EFZG das zulässige Ausmaß dieser Arbeitgeberpflicht nicht überschritten wird. Dabei steht es im rechtspolitischen Ermessen des (einfachen) Gesetzgebers, ob er die dem Arbeitgeber entstehende Belastung der Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderungen dem einzelnen Arbeitgeber auferlegt, oder diese Arbeitgeberpflicht durch eine versicherungsähnliche Konstruktion solidarisch auf die Arbeitgeber insgesamt verteilt, wie dies durch die bis zum 30. September 2000 bestandene Entgeltfortzahlungsregelung geschah.
Auch besteht kein Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber von einem zum anderen System übergeht. Die durch das Gesetz eingeräumte nahezu dreimonatige Übergangsfrist ermöglichte es den Betroffenen auch, sich auf die geänderte Situation einzustellen und allenfalls für notwendig erachtete Vorkehrungen zu treffen, sodaß der Verfassungsgerichtshof insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Systemänderung hegt.
Da das Entgeltfortzahlungssystem nicht nach dem Kapitaldeckungsverfahren, sondern - wie sich aus den §§13 bis 16 EFZG idF vor der Novelle Art2 BGBl. I 44/2000 ergibt - nach dem Umlageverfahren finanziert wurde, bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß das Ende der Beitragspflicht der Arbeitgeber und das Ende der die Leistungsverpflichtung der Krankenversicherungsträger auslösenden Fälle der Entgeltfortzahlung so wie deren Beginn mit demselben Zeitpunkt festgelegt wurde. Daran ändert es auch nichts, daß bei der Bemessung der Beiträge die Bildung einer Rücklage ermöglicht werden sollte, da diese lediglich die jederzeitige Liquidität der Erstattungsfonds sicherstellen sollte. Die vorgesehene dreimonatige Frist zur Antragstellung zur Refundierung der vom Arbeitgeber noch vor dem 30. September 2000 erbrachten Lohnfortzahlungsleistungen (§19a Abs3 EFZG idF der Novelle Art2 BGBl. I 44/2000) ist jedenfalls geeignet, im Regelfall eine Doppelbelastung der Arbeitgeber hintanzuhalten, die dadurch eintreten könnte, daß diese etwa im Monat September 2000 sowohl Lohnfortzahlungsleistungen zu erbringen als auch Leistungen an den Erstattungsfonds zu bezahlen hatten.
Es bestehen somit unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Falles keine Bedenken gegen die den Bescheid tragenden Bestimmungen des EFZG. Andere verfassungsrechtliche Bedenken wurden in der Beschwerde weder gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides noch gegen diesen selbst vorgetragen und sind auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen. Angesichts dessen war die Beschwerde abzuweisen.
c) Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorherige mündliche Verhandlung beschlossen werden.
Schlagworte
Arbeitsrecht, Entgeltfortzahlung, Übergangsbestimmung, Gesetz, Ausnahmeregelung - Regel, Vertrauensschutz, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B688.2001Dokumentnummer
JFT_09979383_01B00688_00