TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/16 2006/10/0138

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2006
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E15103020;
E6J;
L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E226 EG Art226;
31992L0043 FFH-RL;
62004CJ0209 Kommission / Österreich;
AVG §8;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art15 Abs1;
EURallg;
NatSchG Vlbg 1997 §34 Abs1;
NatSchG Vlbg 1997 §48 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Ortsgemeinde A, Schweiz, vertreten durch Dr. Michael Konzett, Rechtsanwalt in 6700 Bludenz, Fohrenburgstraße 4, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. Februar 2002, Zl. IVe-151.094, betreffend Parteistellung in einem naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch die ASFINAG, diese vertreten durch die Vorarlberger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Zur Vorgeschichte des Falles ist auf das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2002, Zl. 2000/10/0172, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 5. Juli 2000 gegen die Abweisung eines Bescheides betreffend die Feststellung, dass der beschwerdeführenden Partei keine Parteistellung in einem naturschutzbehördlichen Verfahren zukomme, als unbegründet ab.

Gegenstand des naturschutzbehördlichen Verfahrens war der Antrag auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung zur Errichtung der Bundesstraße S 18, Bodenseeschnellstraße, in den Gemeinden Höchst, Fußach, Lustenau, Dornbirn, Lauterach und Wolfurt zwischen näher genannten Anfangs- und Endpunkten. Die beschwerdeführende Partei ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke im sogenannten "Schweizer Ried".

Mit Bescheid vom 6. Juli 2001 erteilten die Bezirkshauptmannschaften Dornbirn und Bregenz "der Republik Österreich vertreten durch die ASFINAG, diese vertreten durch das Land Vorarlberg, dieses vertreten durch die Vorarlberger Landesregierung" gemäß den §§ 33 Abs. 1 lit. g, 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 und 2 iVm den §§ 35 Abs. 2 und 37 Abs. 1, 2 und 3 des (Vorarlberger) Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (Vlbg NatSchG) die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Bundesstraße S 18, Bodenseeschnellstraße. Die beschwerdeführende Partei erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unzulässig zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 23. Juni 2006, B 566/03-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird bestritten, dass die belangte Behörde im Hinblick auf das eingangs genannte hg. Erkenntnis davon ausgehen konnte, dass der beschwerdeführenden Partei keine Parteistellung zukomme. Die Parteistellung und die unmittelbare Betroffenheit der beschwerdeführenden Partei sei weder vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich, Rs C-209/04, noch vom Verfassungsgerichtshof im Verordnungsprüfungsverfahren betreffend die Trassenverordnung bezweifelt worden. In dem am 11. November 2001 gegen die Republik Österreich wegen Verstoßes gegen die Vogelschutzrichtlinie und die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren seien auch Gebiete der beschwerdeführenden Partei Verfahrensgegenstand.

Überdies werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 34 Abs. 1 und § 48 Abs. 1 des Vlbg NatSchG wegen Unvereinbarkeit mit den Grundrechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, der Eigentumsfreiheit und wegen Unsachlichkeit und Verstoßes gegen den Gleichheitssatz geltend gemacht und eine Antragstellung des Verwaltungsgerichtshofes beim Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung der genannten Bestimmungen angeregt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesene Berufung der beschwerdeführenden Partei richtete sich gegen die erstinstanzliche Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung der Bundesstraße S 18, Bodenseeschnellstraße.

Wie in dem Erkenntnis vom 16. Dezember 2002, Zl. 2000/10/0172, vom Verwaltungsgerichtshof festgehalten wurde, kommt der beschwerdeführenden Partei in diesem Verfahren nach dem Vorarlberger Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. Nr. 22/1997 (Vlbg NatSchG), keine Parteistellung zu.

Wenn die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2006, V 89/02 und V 55/03, (u.a.) über den Individualantrag der beschwerdeführenden Partei gegen die Trassenverordnung betreffend die gegenständliche Straße und auf das Verfahren vor dem EuGH in der Rechtssache C-209/04 die Auffassung vertritt, dass die belangte Behörde nicht an das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gebunden gewesen sei, so ist dem Folgendes zu entgegnen:

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zur Zl. V 55/03 betraf den Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde auf Aufhebung der Trassenverordnung betreffend die Bodenseeschnellstraße. Der Verfassungsgerichtshof gab dem Antrag der beschwerdeführenden Partei Folge und hob die Wortfolge "verläuft sodann durch das Schweizer Ried" in Z 1 der Trassenverordnung auf. Für die Frage, wem im naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren nach dem Vlbg NatSchG Parteistellung zukommt, ist aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes jedoch nichts abzuleiten, weil es Sache des Materiengesetzgebers (hier: des Naturschutzgesetzgebers) ist, den Kreis der Parteien eines Bewilligungsverfahrens zu umschreiben. Aus der Bejahung der Antragslegitimation gemäß Art. 139 Abs. 1 letzter Satz B-VG betreffend einen Individualantrag auf Normenkontrolle bezüglich einer Verordnung durch den Verfassungsgerichtshof kann per se grundsätzlich nichts für die Frage der Parteistellung in einem Bewilligungsverfahren (nach einer anderen gesetzlichen Bestimmung) abgeleitet werden.

Das (mit Urteil vom 23. März 2006 abgeschlossene) Verfahren vor dem EuGH in der Rechtssache C-209/04 war ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich nach Art. 226 EG. Die Frage, ob in diesem von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen den Mitgliedstaat durch Klage eingeleiteten Verfahren anderen Rechtssubjekten Parteistellung zukommt (vgl. zum Verfahren nach Art. 226 EG z.B. Schwarze in Schwarze, EU-Kommentar, Art. 226 EG, Rz 22, oder Lasok und Millet, Judicial Control in the EU, Randnr. 44 ff) bzw. ob der EuGH allenfalls die Parteistellung eines Dritten angenommen hat, präjudiziert ebenfalls nicht die Frage, wem in bestimmten innerstaatlichen Verwaltungsverfahren ein Mitspracherecht zukommen muss. Abgesehen davon, dass sich die beschwerdeführende Partei nicht auf konkrete gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen beruft, aus denen sich ein Mitspracherecht ergeben sollte, ist jedoch zu dem von ihr genannten Verfahren vor dem EuGH darauf hinzuweisen, dass der EuGH in seinem Urteil vom 23. März 2006 in der Rechtssache C-209/04, Kommission gegen Republik Österreich, die Klage der Kommission hinsichtlich der behaupteten Vertragsverletzung bei der Bewilligung der Bodenseeschnellstraße unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zur Prüfung von Umweltauswirkungen von Vorhaben mit der Begründung abgewiesen hat, dass das Straßenbauvorhaben vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union förmlich eingeleitet worden sei und daher nicht den Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-RL unterlag. Weder aus der zuletzt genannten Richtlinie, noch aus anderen Richtlinien über die Prüfung der Umweltauswirkungen von Projekten kann die beschwerdeführende Partei somit Rechte im Zusammenhang mit dem vorliegenden Straßenprojekt ableiten. Es ist daher nicht näher zu untersuchen, ob die beschwerdeführende Partei allenfalls aus der Richtlinie ableitbare Rechte (nicht nur im straßenrechtlichen Verfahren, sondern) auch im Naturschutzverfahren geltend machen könnte.

Auch Gesichtspunkte des Gemeinschaftsrechts führen somit nicht zu einer anderen Beurteilung der Parteistellung der beschwerdeführenden Partei im vorliegenden naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren nach dem Vlbg NatSchG.

Das Beschwerdevorbringen ist somit nicht geeignet, ein Abgehen von der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im hg. Erkenntnis Zl. 2000/10/0172 zur Frage der Parteistellung im naturschutzbehördlichen Bewilligungsverfahren nach dem Vlbg NatSchG nahezulegen.

Es ist daher aus Anlass des vorliegenden Verfahrens auch nicht näher auf die Frage einzugehen, welche Auswirkungen die Aufhebung der Wortfolge "verläuft sodann durch das Schweizer Ried" in Z 1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend die Bestimmung des Straßenverlaufes der S 18 Bodenseeschnellstraße und der A 14 Rheintal Autobahn - Anschlussstelle Wolfurt/Lauterach im Bereich der Gemeinden Wolfurt, Lauterach, Dornbirn, Lustenau, Fußach und Höchst, BGBl. II Nr. 96/1997, auf das naturschutzbehördliche Verfahren betreffend die Bodenseeschnellstraße hat.

Zur Anregung auf Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof betreffend die Aufhebung der §§ 34 und 48 Vlbg NatSchG ist darauf zu verweisen, dass die beschwerdeführende Partei die entsprechenden Bedenken bereits an den Verfassungsgerichtshof herangetragen hat, welche dieser nicht zum Anlass der Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens genommen hat. Im oben genannten Beschluss vom 23. Juni 2006 hat der Verfassungsgerichtshof insbesondere auch darauf hingewiesen, dass das Beschwerdevorbringen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Präjudizialität von Rechtsvorschriften die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen lasse, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2006

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitRechtsgrundsätze Diverses VwRallg6/7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006100138.X00

Im RIS seit

06.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten