TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/17 2003/11/0281

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Veröffentlicht am 17.10.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1;
FSG 1997 §7 Abs1 Z2;
FSG 1997 §7 Abs3 Z11;
FSG 1997 §7 Abs3;
FSG 1997 §7 Abs4 Z4;
StGB §127;
StGB §128 Abs1 Z4;
StGB §129 Z1;
StGB §164 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Winkler - Heinzle, Rechtsanwaltspartnerschaft in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 15. Oktober 2003, Zl. 3-79-69/03/E4, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Vorstellungsbescheid vom 24. Juli 2003 wurde die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 und 3, § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 und 3 FSG für die Dauer von zwölf Monaten, gerechnet ab der Zustellung des Mandatsbescheides am 15. Juli 2003, entzogen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Verbüßung einer allfälligen Strafhaft in die Entziehungsdauer nicht miteinzurechnen sei.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2003 wurde der gegen den Erstbescheid erhobenen Berufung "insoweit" Folge gegeben, als die Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf neun Monate, gerechnet ab der Zustellung des Mandatsbescheides am 15. Juli 2003, herabgesetzt wurde.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. September 2003 nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und 129 Z. 1 StGB einerseits wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch, welches er zusammen mit einem Mittäter in der Nacht zum 19. April 2003 in Dornbirn bei einem näher genannten Tankstellengebäude verübt habe, und andererseits wegen des von ihm als Alleintäter im April 2003 am vorgenannten Tatort verübten Verbrechens des schweren Diebstahls sowie nach § 164 Abs. 2 StGB wegen des Vergehens der Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei, rechtskräftig verurteilt worden. Zu dem diesem Urteil zugrunde liegenden strafbaren Verhalten führte die belangte Behörde u.a. aus, der Beschwerdeführer habe in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2003 bei einer Tankstelle gemeinsam mit einer dritten Person mittels eines Brecheisens die Türe aufgebrochen und insgesamt 508 Stangen Zigaretten verschiedener Marken mit einem Verkaufswert von ca. EUR 12.000,-- gestohlen. Der Abtransport der Zigaretten sei mit einem speziell für den Einbruchsdiebstahl angemieteten Kleintransporter erfolgt. Außerdem habe der Beschwerdeführer (in einer anderen Nacht) in einer Tankstelle weitere Zigaretten gestohlen.

Das genannte Verhalten des Beschwerdeführers subsumierte die belangte Behörde unter die demonstrative Aufzählung des § 7 Abs. 3 Z. 11 FSG. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könnten nämlich auch andere Diebstähle als der in der letztgenannten Bestimmung genannte räuberische Diebstahl als bestimmte Tatsache beurteilt werden. Im vorliegenden Fall sei als bestimmte Tatsache anzusehen, dass einer der vom Beschwerdeführer begangenen Diebstähle ein Einbruchsdiebstahl gewesen sei. Zur Wertung des strafbaren Verhaltens gemäß § 7 Abs. 4 FSG meinte die belangte Behörde, dass der Einbruchsdiebstahl vom Beschwerdeführer gut geplant gewesen sei, habe dieser doch speziell für die Begehung der Straftat ein Kraftfahrzeug angemietet. Auf die Sinnesart des Beschwerdeführers lasse auch schließen, dass dieser sich von seinem Vorhaben nicht habe abhalten lassen, obwohl ein potenzieller Mittäter das Mitwirken an der Tat verweigert habe. Im Hinblick auf die Kürze der seit der Begehung der Straftaten verstrichenen Zeit könne noch nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer zwischenzeitig einen Sinneswandel vollzogen habe. Sein Wohlverhalten seit Begehung der Straftaten sei auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass der Beschwerdeführer ein gerichtliches Strafverfahren erwartet habe und dass ihm das anhängige Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung bekannt gewesen sei. Insgesamt sei aus der Sicht der belangten Behörde daher "nicht auszuschließen", dass sich der Beschwerdeführer wegen der erleichternden Umstände, welche beim Lenken eines Kraftfahrzeuges gegeben seien, auch in Zukunft sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Bei der Bemessung der Entziehungsdauer berücksichtigte die belangte Behörde das Geständnis im Strafverfahren und die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers vor den in Rede stehenden Straftaten und vertrat sodann die Ansicht, dass von einer Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers für "rund 12 Monate" ab dem Tatzeitpunkt 19. April 2003 ausgegangen werden müsse. Daraus ergebe sich die im Spruch des angefochtenen Bescheides festgesetzte Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung von neun Monaten, gerechnet ab dem 15. Juli 2003. Nach Ablauf der Entziehungsdauer bestehe, sofern der Beschwerdeführer zwischenzeitig nicht Anlass für eine gegenteilige Annahme biete, kein Grund mehr, an der weiteren Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

...

2. sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird. ...

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

...

11. eine strafbare Handlung gemäß den §§ 102 (erpresserische Entführung), 131 (räuberischer Diebstahl), 142 und 143 (Raub und schwerer Raub) StGB begangen hat;

(4) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.

(5) ...

5. Abschnitt

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

...

§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen. ...

(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen."

In der Beschwerde wird weder das im angefochtenen Bescheid beschriebene strafbare Verhalten des Beschwerdeführers noch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer deshalb rechtskräftig zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, bestritten. Der Beschwerdeführer vertritt jedoch die Rechtsauffassung, dass sein Verhalten nicht gleichwertig mit den in § 7 Abs. 3 Z. 11 FSG genannten Tatsachen sei. Nur besonders gelagerte oder wiederholte Einbruchsdiebstähle könnten nach Ansicht des Beschwerdeführers als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 FSG angesehen werden, nicht jedoch ein einziger Einbruchsdiebstahl, wie ihn der Beschwerdeführer begangen habe.

Von den Diebstahltatbeständen des StGB ist zwar nur § 131 (räuberischer Diebstahl) in der Z. 11 der beispielsweisen Aufzählung von bestimmten Tatsachen in § 7 Abs. 3 FSG genannt. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber (ausgehend von seiner Rechtsprechung zu § 66 Abs. 1 und 2 KFG 1967) in seiner Judikatur zu § 7 Abs. 3 Z. 11 FSG (bzw. zu § 7 Abs. 4 Z. 4 FSG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2002) wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass auch eine Häufung von Einbruchsdiebstählen (insbesondere im Zusammenhang mit der Verwendung von Kraftfahrzeugen), das Zusammentreffen mit anderen Straftaten oder besonders gelagerte schwere Diebstähle die Annahme der Gleichwertigkeit mit den beispielsweise aufgezählten Straftaten in § 7 Abs. 3 FSG rechtfertigen könne (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0355, mwN, dem folgend u.a. die Erkenntnisse vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0038, vom 23. April 2002, Zl. 2002/11/0019, und vom 20. April 2004, Zl. 2004/11/0018).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer nicht nur wegen der Mittäterschaft am Einbruchsdiebstahl vom 19. April 2003, sondern auch wegen eines weiteren Diebstahls und überdies wegen des Vergehens der Hehlerei rechtskräftig verurteilt wurde. Im Hinblick auf das gegenständliche Zusammentreffen des Einbruchsdiebstahles mit anderen Straftaten ist somit in Anbetracht der zitierten Judikatur vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 11 FSG auszugehen.

Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig:

Für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG genügt nämlich nicht schon das Vorliegen einer bestimmten Tatsache, sondern es muss auf Grund der gemäß § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung anzunehmen sein, der Betreffende werde sich wegen seiner Sinnesart weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum FSG bereits mehrfach betont, dass die bedingte Strafnachsicht zwar noch nicht zwingend dazu führe, dass der Betreffende bereits als verkehrszuverlässig anzusehen sei, und dies damit begründet, dass sich die bei der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit zu berücksichtigenden Gesichtspunkte nicht zur Gänze mit jenen decken, die für das Gericht bei der Entscheidung betreffend die bedingte Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB von Bedeutung sind. Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof aber darauf hingewiesen, dass nach dieser Gesetzesstelle die Art der Tat, die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen sind und es sich dabei im Einzelfall durchwegs um Umstände handeln könnte, die für die in § 7 Abs. 4 FSG genannten Wertungskriterien von Bedeutung sein können (vgl. aus vielen das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2004/11/0018, mwN).

Im vorliegenden Beschwerdefall hat das Strafgericht die Freiheitsstrafe des Beschwerdeführers unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und ist demnach davon ausgegangen, dass beim Beschwerdeführer nach § 43 Abs. 1 StGB anzunehmen sei, dass die bloße Androhung der Vollziehung allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen genügen werde, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Mit den diesbezüglichen Erwägungen des Strafgerichts hat sich die belangte Behörde, worauf die Beschwerde zutreffend hinweist, in Verkennung der Rechtslage nicht auseinander gesetzt und ist daher im Gegensatz zum Strafgericht zur Ansicht gelangt, erst nach Ablauf der von ihr festgesetzten Entziehungsdauer könne angenommen werden, dass der Beschwerdeführer keine schweren strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Hinsichtlich der Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung ist aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides außerdem nicht zu erkennen, ob die von der belangten Behörde herabgesetzte Entziehungszeit auch allfällige Haftzeiten einschließt oder ob diese, wie im Erstbescheid ausgesprochen wurde, in die Entziehungszeit nicht einzurechnen sind.

Zutreffend rügt die Beschwerde im Übrigen, dass es für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG nicht genügt, dass die Begehung weiterer strafbarer Handlungen bloß "nicht ausgeschlossen" werden kann. Vielmehr muss, worauf der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise schon im Erkenntnis vom 23. April 2002, Zl. 2002/11/0019, hingewiesen hat, die Annahme begründet sein, dass der Betreffende sich weiterer "schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird".

Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 17. Oktober 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003110281.X00

Im RIS seit

21.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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