TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/17 2005/20/0350

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Veröffentlicht am 17.10.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des T in W, geboren 1984, vertreten durch Dr. Silvia Franek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Am Fischertor 5/4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 1. April 2005, Zl. 254.627/0-V/13/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1984 geborene Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, ist Angehöriger der Volksgruppe der Yoruba und stammt seinen Angaben zufolge aus Warri im Delta-State. Er reiste am 18. Oktober 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Bei seinen Einvernahmen am

21. und 25. Oktober 2004 gab er zu seinen Fluchtgründen - im Wesentlichen - an, er werde von der Polizei gesucht, weil er gemeinsam mit seinem Bruder und zwei namentlich genannten "Anführern einer Jugendorganisation" am 24. September 2004 eine zunächst friedliche Demonstration gegen die Regierung, bei der es dann zu gewaltsamen Ausschreitungen gekommen und auch der Bruder erschossen worden sei, "gestartet" habe. Für den Fall der Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, umgebracht zu werden; er wisse "nicht genau", wer ihn umbringen werde. Sein Leben sei in Gefahr; er wolle nicht zurück nach Nigeria.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) mangels Glaubwürdigkeit der behaupteten Fluchtgründe ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine - im Begründungsteil teilweise von ihm handschriftlich verfasste - Berufung, in der neben rechtlichen Einwänden gegen die Ausweisung im Wesentlichen nur die Fluchtgründe wiederholt wurden.

Der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) verhandelte zunächst am 2. Dezember 2004. Nach Erstattung eines zur Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers eingeholten Berichtes der österreichischen Botschaft in Lagos führte die belangte Behörde (nach einem vom Beschwerdeführer versäumten Termin) eine weitere Verhandlung am 30. März 2005 durch, in der dem Beschwerdeführer unter anderen auch der Inhalt der Botschaftsauskunft zur Kenntnis gebracht wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. April 2005 wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 Abs. 1, 8 Abs. 2 AsylG" ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die belangte Behörde erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund einer Divergenz in seinen Angaben zur Dauer der Demonstration (vom Nachmittag bis zum Abend einerseits und vom Morgen bzw. Vormittag bis zu Mittag andererseits) für nicht glaubwürdig. Für diese beweiswürdigende Einschätzung der belangten Behörde war aber vor allem maßgebend, dass die Angaben des Beschwerdeführers in mehreren gravierenden Punkten nicht mit den Ermittlungen des Vertrauensanwaltes der österreichischen Botschaft in Einklang zu bringen waren. Demnach hätte das angeblich von der Familie des Beschwerdeführers bewohnte Haus an einer bestimmten, von ihm mehrfach genannten Adresse in Warri nicht - wie von ihm im Asylantragsformular ausgeführt und im Berufungsverfahren behauptet worden war - im Zuge der Demonstration am 24. September 2004 niedergebrannt worden sein können, weil sich dort und auf den benachbarten Grundstücken in dieser Straße seit 2002 (nach einem Brand) kein bewohnbares Gebäude mehr befunden habe. Weiters spreche seine grobe Unkenntnis von dem in seiner angeblichen Heimatstadt Warri stattfindenden interethnischen Konflikt (zwischen Ijaw und Itsekiri) gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers. Dagegen spreche auch, dass die vom Beschwerdeführer (in der Berufungsverhandlung am 2. Dezember 2004) erwähnte Bewegung NDPVF, die ihre "Basis" im River-State habe, - entgegen seinen Behauptungen - in keiner Weise in Unruhen in der Stadt Warri involviert gewesen sei.

Dem erstangeführten Argument hält die Beschwerde entgegen, einer Demonstration sei es "begriffsimmanent", dass "hiebei der genaue Beginn, wie auch deren genaues Ende zeitlich nicht genau festgelegt" werden könne. Abgesehen davon, dass dem in dieser Allgemeinheit nicht beizupflichten ist, hat sich der Beschwerdeführer ja im vorliegenden Fall imstande gesehen, die in Rede stehende Demonstration zeitlich konkret einzuordnen. Soll sie aber nach der ersten diesbezüglichen Aussage am Nachmittag und nach den Angaben bei der nächsten Befragung am Vormittag stattgefunden haben, dann durfte die belangte Behörde das in nicht unschlüssiger Weise als maßgeblichen Widerspruch "in einem zentralen Punkt" der fluchtauslösenden Ereignisse ansehen.

Die Richtigkeit der im Botschaftsbericht enthaltenen Ermittlungsergebnisse, die in wesentlichen Punkten im Widerspruch zum Vorbringen des Beschwerdeführers stehen, wird in der Beschwerde nicht bestritten. Der Inhalt des Berichtes wurde dem Beschwerdeführer - wie erwähnt - in der Verhandlung am 30. März 2005 zur Kenntnis gebracht und mit ihm erörtert. Die diesbezügliche Rüge in der Beschwerde, das sei unterlassen worden, geht daher ins Leere. Gleiches gilt hinsichtlich der für erforderlich gehaltenen näheren Befragung des Beschwerdeführers zu den Gründen für die in Warri stattfindenden (gewaltsamen) Konflikte, die im notwendigen Umfang ohnehin vorgenommen wurde.

Die Beschwerde macht schließlich noch Ermittlungsmängel (in Bezug auf die Nichteinholung "anerkannter internationaler Berichte, etwa von Hilfsorganisationen, über die Lage in Nigeria") geltend, ohne allerdings eine ausreichende Relevanzdarstellung vorzunehmen.

Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die ersten beiden Spruchpunkte richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der im Bescheid des Bundesasylamtes vorgenommene Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet", der von der belangte Behörde auch bestätigt wurde. Diesbezüglich wurde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Oktober 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200350.X00

Im RIS seit

21.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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