TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/17 2005/20/0173

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Veröffentlicht am 17.10.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §52;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des J in F, geboren 1978, vertreten durch Mag. Gregor Würzinger, Rechtsanwalt in 5122 Hochburg-Ach, Athalerstraße 5a, gegen den am 7. November 2001 verkündeten und am 13. Dezember 2004 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 222.600/0-VIII/23/01, betreffend §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines aus Al Hasaka stammenden syrischen Staatsangehörigen, gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) abgewiesen und gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Syrien festgestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Abweisung des Asylantrages, den der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der ihm drohenden behördlichen Verfolgung (unverhältnismäßig lange Haft unter Folter oder Todesstrafe) wegen der ihm unterstellten Tätigkeit für die Samir-Gaga-Miliz in Verbindung mit seiner assyrischen Volksgruppenzugehörigkeit begründet hatte, stützte die belangte Behörde maßgeblich auf die Einschätzung, die vom Beschwerdeführer vorgelegte Ausfertigung eines gegen ihn am 15. August 2001 erlassenen Gerichtsurteiles sei gefälscht. Die Fälschung ergebe sich schon daraus, dass der im Dokument genannte Ausstellungsort und der im dort angebrachten Stempel genannte Ort nicht ident seien. Außerdem sei es in Syrien üblich, dass in Urteilsausfertigungen das Strafausmaß genannt werde, was hier nicht der Fall sei. Davon ausgehend ergebe sich, dass dem Beschwerdeführer keine Mitgliedschaft zu einer verbotenen Partei unterstellt werde und damit dem Vorbringen "die 'tragende' Stütze" fehle.

Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, es handle sich insoweit - zu dem vom Beschwerdeführer auch vorgelegten Auszug aus dem Zivilregister und dem Militärdienstbuch findet sich keine auf die Echtheit bezogene Beurteilung - um eine Fälschung, beruht auf der (eigenständigen) Beurteilung ihres Inhaltes. Eine solche Einschätzung in Bezug auf die zweifelsfrei überprüfungswürdige Urkunde lässt sich in tragfähiger Weise jedoch nicht allein mit den erwähnten Unstimmigkeiten in Bezug auf den Ausstellungsort rechtfertigen, weil nicht - in einer der Überprüfung durch die Parteien und den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Weise - dargetan wurde, dass das Entscheidungsorgan der belangten Behörde selbst über entsprechende Kenntnisse der diesbezüglichen Behördenmodalitäten in Syrien verfügt. Gleiches gilt für die Annahme, es sei in Syrien "üblich", dass in Urteilsausfertigungen das Strafausmaß genannt werde, zumal nach dem im Protokoll über die Berufungsverhandlung festgehaltenen, eher in Richtung einer vom Justizministerium ausgestellten Bestätigung deutenden Inhalt auch fraglich sein könnte, ob es sich tatsächlich um die Ausfertigung eines Urteiles im Sinne des üblichen Verständnisses handelt. Darauf, dass Plausibilitätsbeurteilungen, die im Zusammenhang mit der Prüfung syrischer Urkunden auf Gesichtspunkten bürokratischer Zweckmäßigkeit und Logik beruhen, nicht ganz unproblematisch sein können, hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen auch in seinem - nach Erlassung des hier angefochtenen Bescheides ergangenen - Erkenntnis vom 30. Juni 2005, Zl. 2002/20/0592, unter Bezugnahme auf entsprechende Quellen hingewiesen. Für eine nachvollziehbare Würdigung des vom Beschwerdeführer vorgelegten Schreibens hätte es daher auch im vorliegenden Fall zunächst einer fachmännischen Beurteilung seiner Echtheit und seines Inhaltes bedurft (vgl. zum Ganzen auch Punkt 3.4. der Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnisses vom 4. November 2004, Zl. 2002/20/0391, mit dem Hinweis auf das Erkenntnis vom 24. April 2003, Zl. 2001/20/0168, mit weiteren Nachweisen).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Oktober 2006

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200173.X00

Im RIS seit

21.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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