TE OGH 1999/1/28 2Ob17/99k

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Veröffentlicht am 28.01.1999
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****krankenkasse, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr. Hanns Christian Baldinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 114.672,40 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 1998, GZ 17 R 209/98z-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Juni 1998, GZ 4 Cg 194/95v-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.112,-- (darin enthalten USt von S 1.352,--, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 21. 10. 1992 wurde die bei der klagenden Partei Versicherte Marija M***** bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt.

Die klagende Partei brachte vor, für die Versicherte Sach- und Barleistungen erbracht zu haben. Deren Ansprüche seien gemäß § 332 ASVG auf sie übergegangen. Vor dem Unfall habe die Versicherte Karenzurlaubsgeld bezogen. In der Zeit vom 24. 10. 1992 bis 22. 4. 1994 sei an sie Krankengeld in der Höhe von S 114.672,40 bezahlt worden. Die erbrachten Barleistungen fänden im unfallskausalen Verdienstentgang volle Deckung.Die klagende Partei brachte vor, für die Versicherte Sach- und Barleistungen erbracht zu haben. Deren Ansprüche seien gemäß Paragraph 332, ASVG auf sie übergegangen. Vor dem Unfall habe die Versicherte Karenzurlaubsgeld bezogen. In der Zeit vom 24. 10. 1992 bis 22. 4. 1994 sei an sie Krankengeld in der Höhe von S 114.672,40 bezahlt worden. Die erbrachten Barleistungen fänden im unfallskausalen Verdienstentgang volle Deckung.

Die beklagte Partei wendete ein, es sei kein Deckungsfonds gegeben. Die Verletzte sei Hausfrau gewesen und vor dem Unfall keiner Beschäftigung nachgegangen. Sie sei zwischen 24. 2. und 26. 3. 1992 bei einem Verein für R***** als Lagerhilfskraft im Angestelltenverhältnis beschäftigt gewesen. Ab 27. 3. 1992 habe sie Wochengeld, ab 18. 7. 1992 Karenzurlaubsgeld bezogen. Das Karenzurlaubsgeld sei der Geschädigten aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt worden, ein Beschäftigungsverhältnis habe tatsächlich nicht vorgelegen, sollte es bestanden haben, so habe es sich lediglich um ein "formales Beschäftigungsverhältnis", aus dem die Geschädigte keinerlei Entgelt bezogen habe, gehandelt.

Mit Urteil vom 16. 10. 1996 wies das Erstgericht das Zahlungsbegehren ab, wobei es folgende Feststellungen traf:

Vom 24. 2. 1992 bis 26. 3. 1992 stand Marija M***** in einem Beschäftigungsverhältnis beim Verein R*****. Ab 27. 3. 1992 bezog sie Wochengeld und ab 18. 7. 1992 Karenzurlaubsgeld. Am 21. 10. 1992 wurde sie als Beifahrerin in einem bei der beklagten Partei versicherten Kleinbus im Zuge eines Verkehrsunfalles schwer verletzt und bezog vom 24. 10. 1992 bis 22. 4. 1994 Krankengeld. Während des Zeitraumes vom 24. 10. 1992 bis 22. 4. 1994 hatte sie keinen Verdienst.

Dieses Urteil wurde mit Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, darüber Feststellungen zu treffen, welche Bezüge in welcher Zeit die Versicherte ohne Unfall gehabt hätte, während die klagende Partei an sie Leistungen an Krankengeld erbrachte.

Mit Urteil vom 8. 6. 1998 gab das Erstgericht nunmehr dem Klagebegehren statt und traf folgende (ergänzende) Feststellungen:

Die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei erhielt von dieser für folgende Zeiträume und im folgenden Ausmaß Krankengeldzahlungen:

Krankengeld vom 24. 10. 1992 bis 26. 11. 1993,

das sind 399 Tage a S 253,70                S 101.226,30

Krankengeld vom 1. 3. 1994 bis

22. 4. 1994 das sind 53 Tage zu

je S 253,70                                  S 13.446,10

                                            S 114.672,40.

In diesem Zeitraum hätte die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei, falls der Unfall nicht stattgefunden hätte, vom 23. 10. 1992 bis 24. 4. 1994 folgende Karenzurlaubsgeldleistungen erhalten:

Im Jahr 1992 täglich S 253,70

im Jahr 1993 täglich S 263,90 und

im Jahr 1994 täglich S 268,30.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Leistungen der klagenden Parteien fänden im Verdienstentgang der Versicherungsnehmerin Deckung, weshalb aufgrund der sachlichen und zeitlichen Kongruenz der Klage stattzugeben sei.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur Rechtsfrage aus, das Karenzurlaubsgeld sei ähnlich dem Arbeitslosengeld einem Erwerbseinkommen gleichzuhalten (Zankl in Schwimann, ABGB2, Rz 25 zu § 66 EheG; EFSlg 52.380). Dies habe zur Folge, daß es Einkommen für die Verletzte gewesen sei, weshalb wegen der sachlichen und zeitlichen Kongruenz der Regreßanspruch der klagenden Partei gemäß § 332 ASVG zu Recht bestehe.Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur Rechtsfrage aus, das Karenzurlaubsgeld sei ähnlich dem Arbeitslosengeld einem Erwerbseinkommen gleichzuhalten (Zankl in Schwimann, ABGB2, Rz 25 zu Paragraph 66, EheG; EFSlg 52.380). Dies habe zur Folge, daß es Einkommen für die Verletzte gewesen sei, weshalb wegen der sachlichen und zeitlichen Kongruenz der Regreßanspruch der klagenden Partei gemäß Paragraph 332, ASVG zu Recht bestehe.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil über die sachliche Kongruenz des Karenzurlaubsgeldes eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, daß für die klagende Partei ein kongruenter Deckungsfonds vorhanden sei, auf den sie greifen könne. Karenzurlaubsgeld und Arbeitslosengeld könnten nicht gleich behandelt werden, nur weil der Gesetzgeber eher unsystematisch beide Ansprüche im AlVG geregelt habe. Der Oberste Gerichtshof habe bereits ausgesprochen, daß die Notstandshilfe dem Erwerbseinkommen nicht kongruent sei. Dies müsse umsomehr für das Karenzurlaubsgeld gelten. Durch dieses Geld solle in einer Zeit stets zurückgehender Geburtenzahlen die Lust zum Kind gefördert werden, vor allem aber solle es den aus pflegerischen und erzieherischen Gründen zu begrüßenden möglichst uneingeschränkten Verbleib eines Elternteiles beim Kind in den ersten Lebensjahre erreichen. Das Karenzurlaubsgeld diene somit bevölkerungspolitischen und erzieherischen Zwecken. Nur so lasse es sich auch erklären, daß in der im Jahre 1992 gültigen Fassung des Gesetzes Karenzurlaubsgeld bereits bei Bezug von Wochengeld zugestanden sei, ohne daß die sonst geforderte Anwartschaft vorliegen habe müssen, wenn nur das neugeborene Kind mit der Mutter im selben Haushalt gelebt habe und von ihr überwiegend selbst gepflegt worden sei. Der Zusammenhang mit einem Erwerbseinkommen sei ein formaler, es richte sich nach dem vorangegangenen Verdienst und bleibe ohne Rücksicht darauf gleich hoch. Jedenfalls könne eine sachliche Kongruenz keineswegs mehr für die Zeit nach dem 31. 8. 1992 angenommen werden, da zu diesem Zeitpunkt das befristete Arbeitsverhältnis der Verletzten jedenfalls enden hätte sollen und dem Karenzurlaubsgeld nicht einmal ein fiktives Arbeitsverhältnis mit Erwerbseinkommen gegenübergestanden sei. Für einen Zeitraum, während dessen ohne bestehendes Arbeitsverhältnis Karenzurlaubsgeld bezahlt worden sei, sei eine Analogie zum Erwerbseinkommen schlicht undenkbar. Da die klagende Partei aber ihre Leistungen zur Gänze nach dem 31. 8. 1992 erbracht habe, fehle für diese in den Leistungen, die die Verletzte erhalten habe, mangels bestehenden Arbeitsverhältnisses jede Voraussetzung für eine sachliche Kongruenz.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Insoweit in der Revision von einem Scheinarbeitsverhältnis ausgegangen wird, weicht das Rechtsmittel von den (im ersten Rechtsgang) getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes ab.

Unbestritten ist, daß nur solche Schadenersatzansprüche gemäß § 332 ASVG auf den Versicherungsträger übergehen, die dem Ausgleichszweck der zustehenden Sozialversicherungsleistung entsprechen. Die Legalzession umfaßt also nur solche Haftpflichtansprüche, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung liquidieren soll (Krejci in Tomandl, System des österr. Sozialversicherungsrechts 444). Bei der Frage der sachlichen Kongruenz geht es um die Feststellung der Identität des Ausgleichszweckes des Sozialversicherungs- und des Schadenersatzanspruches. Die Ansprüche sind kongruent, wenn sie darauf abzielen, denselben Schaden zu decken. Die Schwierigkeit der Bestimmung dieser Kongruenz liegt darin, daß die sozialversicherungsrechtlichen Tatbestände grundsätzlich nicht am zivilrechtlichen Schadensbegriff bzw den in seinem Zusammenhang entwickelten Schadensarten anknüpfen, sondern eigenständige Fallbeschreibungen wählen. Es muß also im Einzelfall geprüft werden, welchen Leistungszweck die dem Tatbestand verknüpfte Rechtsfolge verfolgt. Dieses Ergebnis ist mit dem Leistungszweck der zur Verfügung stehenden Haftpflichtansprüche zu vergleichen. Sind die Ergebnisse gleich, liegt sachliche Kongruenz vor (Krejci, aaO 446). Für das Arbeitslosengeld entspricht es nun seit der Entscheidung SZ 43/130 gesicherter Rechtsprechung, daß dieses den Charakter eines dem Erwerbseinkommen gleichzuhaltenden Bezuges hat (siehe RIS-Justiz RS0031373; zuletzt RZ 1983/68). Gleiches gilt aber auch für das im hier maßgeblichen Zeitraum im AlVG geregelte Karenzurlaubsgeld. Auch auf dieses besteht ein gesetzlicher Anspruch (§ 26 Abs 1 leg cit). Während die einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften die zur persönlichen Betreuung eines Kindes erforderliche Arbeitsfreistellung einräumen, deckt die Arbeitslosenversicherung zwischenzeitlich durch die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes den daraus resultierenden Einkommensausfall wenigstens teilweise ab (Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht 222). Zur Lösung des sozialpolitischen Problems, daß es unselbständig beschäftigten Müttern nur in den seltensten Fällen erlaubt ist, ihren Säugling an den Arbeitsplatz mitzunehmen und während der Arbeit zu betreuen, wurde im Jahre 1957 die Einrichtung des Karenzurlaubes nach dem MSchG geschaffen und 1960 als Ausgleich für eintretenden Lohn- und Gehaltsausfall das Karenzurlaubsgeld als neue Leistung der Arbeitslosenversicherung eingeführt. Wenn auch in den Folgejahren das Karenzurlaubsgeld weiter entwickelt wurde und stärkere familienpolitische Züge bekam, dient es jedenfalls auch dazu, den aus der Karenzierung resultierenden Einkommensausfall teilweise abzudecken (siehe hiezu auch Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsrecht3 216 f). Daß das Arbeitsverhältnis befristet war, ändert nichts an dieser Beurteilung (s § 26 Abs 1 Z 1 lit b AlVG).Unbestritten ist, daß nur solche Schadenersatzansprüche gemäß Paragraph 332, ASVG auf den Versicherungsträger übergehen, die dem Ausgleichszweck der zustehenden Sozialversicherungsleistung entsprechen. Die Legalzession umfaßt also nur solche Haftpflichtansprüche, die der Deckung eines Schadens dienen, den auch die Sozialversicherungsleistung liquidieren soll (Krejci in Tomandl, System des österr. Sozialversicherungsrechts 444). Bei der Frage der sachlichen Kongruenz geht es um die Feststellung der Identität des Ausgleichszweckes des Sozialversicherungs- und des Schadenersatzanspruches. Die Ansprüche sind kongruent, wenn sie darauf abzielen, denselben Schaden zu decken. Die Schwierigkeit der Bestimmung dieser Kongruenz liegt darin, daß die sozialversicherungsrechtlichen Tatbestände grundsätzlich nicht am zivilrechtlichen Schadensbegriff bzw den in seinem Zusammenhang entwickelten Schadensarten anknüpfen, sondern eigenständige Fallbeschreibungen wählen. Es muß also im Einzelfall geprüft werden, welchen Leistungszweck die dem Tatbestand verknüpfte Rechtsfolge verfolgt. Dieses Ergebnis ist mit dem Leistungszweck der zur Verfügung stehenden Haftpflichtansprüche zu vergleichen. Sind die Ergebnisse gleich, liegt sachliche Kongruenz vor (Krejci, aaO 446). Für das Arbeitslosengeld entspricht es nun seit der Entscheidung SZ 43/130 gesicherter Rechtsprechung, daß dieses den Charakter eines dem Erwerbseinkommen gleichzuhaltenden Bezuges hat (siehe RIS-Justiz RS0031373; zuletzt RZ 1983/68). Gleiches gilt aber auch für das im hier maßgeblichen Zeitraum im AlVG geregelte Karenzurlaubsgeld. Auch auf dieses besteht ein gesetzlicher Anspruch (Paragraph 26, Absatz eins, leg cit). Während die einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften die zur persönlichen Betreuung eines Kindes erforderliche Arbeitsfreistellung einräumen, deckt die Arbeitslosenversicherung zwischenzeitlich durch die Gewährung des Karenzurlaubsgeldes den daraus resultierenden Einkommensausfall wenigstens teilweise ab (Eichinger, Die Frau im Arbeitsrecht 222). Zur Lösung des sozialpolitischen Problems, daß es unselbständig beschäftigten Müttern nur in den seltensten Fällen erlaubt ist, ihren Säugling an den Arbeitsplatz mitzunehmen und während der Arbeit zu betreuen, wurde im Jahre 1957 die Einrichtung des Karenzurlaubes nach dem MSchG geschaffen und 1960 als Ausgleich für eintretenden Lohn- und Gehaltsausfall das Karenzurlaubsgeld als neue Leistung der Arbeitslosenversicherung eingeführt. Wenn auch in den Folgejahren das Karenzurlaubsgeld weiter entwickelt wurde und stärkere familienpolitische Züge bekam, dient es jedenfalls auch dazu, den aus der Karenzierung resultierenden Einkommensausfall teilweise abzudecken (siehe hiezu auch Dirschmied, Arbeitslosenversicherungsrecht3 216 f). Daß das Arbeitsverhältnis befristet war, ändert nichts an dieser Beurteilung (s Paragraph 26, Absatz eins, Ziffer eins, Litera b, AlVG).

Die Vorinstanzen haben daher zu Recht die sachliche Kongruenz bejaht und dem Klagebegehren stattgegeben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.

Anmerkung

E52780 02A00179

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0020OB00017.99K.0128.000

Dokumentnummer

JJT_19990128_OGH0002_0020OB00017_99K0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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