TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/17 2005/20/0223

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Veröffentlicht am 17.10.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des L in K, geboren 1984, vertreten durch Dr. Wolfgang Grohmann, Rechtsanwalt in 3500 Krems an der Donau, Gartenaugasse 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Jänner 2005, Zl. 256.457/0-III/07/05, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1984 geborene Beschwerdeführer, ein aus Benin-City stammender nigerianischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am 5. Dezember 2004 in das Bundesgebiet ein und stellte am nächsten Tag einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme am 13. Dezember 2004 gab er zu seinen Fluchtgründen - zusammengefasst - an, sein (reicher) Vater sei Mitglied und "Präsident" der lokalen "Ogboni-Confrontanity". Dabei handle es sich um eine Geheimgesellschaft, deren Mitglieder in weißen Gewändern einen Schrein anbeten. Sein Vater habe einen Eid abgelegt, den Beschwerdeführer als seinen erstgeborenen Sohn dem Schrein zu opfern. Im Oktober 2004 hätten deshalb sein Vater und Ogboni-Mitglieder den Beschwerdeführer gewaltsam entführen wollen. Als sich der Beschwerdeführer zur Wehr gesetzt habe, hätten sie ihn zu töten versucht und ihm dabei mit einem Messer Verletzungen zugefügt, wovon er am ganzen Körper Narben habe. Ihm sei jedoch die Flucht gelungen. Er könne sich nirgends in Nigeria verstecken, weil viele mächtige Leute, sogar der nigerianische Präsident Obasanjo, und auch Polizisten Ogboni-Mitglieder seien. Bei einer Rückkehr nach Nigeria würde er umgebracht werden. Vielleicht könne er zurückkehren, wenn sein Vater gestorben sei.

Bei der zweiten, in Anwesenheit des Rechtsberaters durchgeführten Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 15. Dezember 2004 verwies der Beschwerdeführer nur auf diese Angaben und wiederholte, solange sein Vater am Leben sei, könne er nicht nach Nigeria zurück.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Das Bundesasylamt ging nach allgemeinen Ausführungen zur Beweiswürdigung im fallbezogenen Begründungsteil aufgrund einiger, näher angeführter - seiner Ansicht nach - nicht nachvollziehbarer Details in der Schilderung des Beschwerdeführers zu den fluchtauslösenden Ereignissen von deren mangelnder Glaubwürdigkeit aus. Das stützte die Erstbehörde im Übrigen auch noch darauf, dass die Darstellung des Beschwerdeführers mit den - auf näher bezeichnetes Berichtsmaterial gestützten - Feststellungen zu den "Ogboni" nicht in Einklang zu bringen sei. Es kam deshalb rechtlich zur Abweisung des Asylantrages und zur Versagung von Refoulement-Schutz. Mangels familiärer Bindungen in Österreich hielt das Bundesasylamt schließlich auch die Ausweisung des Beschwerdeführers für gerechtfertigt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer eine - im Begründungsteil teilweise von ihm handschriftlich verfasste - Berufung, in der neben rechtlichen Einwänden gegen die Ausweisung im Wesentlichen nur die Fluchtgründe wiederholt wurden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.) und nahm neuerlich Aussprüche nach § 8 Abs. 1 AsylG zur Zulässigkeit insbesondere der Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria (Spruchpunkt 2.) und nach § 8 Abs. 2 AsylG hinsichtlich der Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt 3.) vor. Zur Begründung verwies die belangte Behörde nur auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes. In der Berufung habe der Beschwerdeführer keinerlei konkrete Umstände für eine Neubewertung seines Vorbringens ins Treffen geführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die Beschwerde wendet sich nicht konkret gegen die für die Annahme der Unglaubwürdigkeit von der Erstbehörde herangezogenen und von der belangten Behörde übernommenen fallbezogenen Argumente. Diese sich mit einzelnen Passagen in der Aussage des Beschwerdeführers auseinandersetzenden Plausibilitätsüberlegungen können - entgegen der Beschwerdemeinung - nicht als "reine Scheinbegründung" angesehen werden, sondern sind geeignet, die beweiswürdigende Einschätzung zu tragen. Einzelne allgemein gehaltene, auch in anderen Bescheiden des Bundesasylamtes immer wieder vorzufindende Begründungselemente, die in der Beschwerde kritisiert werden, können zwar zur Beweiswürdigung nichts beitragen, weil hier keine ausreichend nachvollziehbare Bezugnahme auf die Aussage des Beschwerdeführers vorgenommen wurde (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/01/0594, und vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0560). Das führt aber nicht zur Unschlüssigkeit der übrigen, diesen Mangel nicht aufweisenden Überlegungen. Gleiches gilt aber auch für die Verwendung eines - wie die Beschwerde richtig aufzeigt - nicht passenden (eine Asylwerberin aus Guinea betreffenden) Textbausteines im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zum Abschiebungsschutz.

Die Beschwerde macht auch Ermittlungsmängel geltend und meint in diesem Zusammenhang vor allem, es hätten konkrete Informationen über die Ogboni-Geheimgesellschaft im regionalen Heimatbereich des Beschwerdeführers eingeholt werden müssen, zumal die Erstbehörde festgestellt habe, es sei in Einzelfällen nicht auszuschließen, dass es zu Gewalt gegen Personen kommen könne, und nach dem traditionellen Rechtsverständnis stünde den Ogboni das Recht zu, über Leben und Tod zu entscheiden.

Dem ist zu erwidern, dass sich die zitierten Passagen nur auf die Beitrittsverweigerung bei den "traditionellen" Ogboni-Geheimgesellschaften beziehen, während es hier um die Behauptung geht, der Beschwerdeführer hätte von seinem Vater wegen seines Versprechens gegenüber der "Ogboni-Confrontanity" dem Schrein geopfert werden sollen. Nach der aus den Verwaltungsakten ersichtlichen Berichtslage bestehen aber keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die erwähnten "traditionellen" Ogboni-Geheimgesellschaften oder die - vom Beschwerdeführer offenbar gemeinte - "(Reformed) Ogboni-Fraternity" Menschenopfer der behaupteten Art bringen (vgl. dazu den auch von der Erstbehörde herangezogenen ACCORD-Länderbericht Nigeria August 2004, Seite 57 ff). Auch der Beschwerdeführer vermag zum Nachweis der Existenz derartiger Vorkommnisse keine Quellen zu nennen. Vor diesem Hintergrund liegen im vorliegenden Fall insoweit keine zu einer Aufhebung führenden Ermittlungsmängel vor.

Ein ergänzendes Beweisverfahren war aber auch nicht zu den Fragen erforderlich, ob die Mutter des Beschwerdeführers - wie er behauptet - nach seiner Flucht vom Vater ermordet worden sei und ob seine Narben von durch Fremdeinwirkung erlittenen Verletzungen stammen. Beides kann nämlich auch auf andere als die vom Beschwerdeführer behaupteten Gründe zurückzuführen sein, sodass diese Umstände - sollten sie erweislich sein - über die Glaubwürdigkeit der Fluchtgründe nichts aussagen. Im Übrigen ist dazu noch anzumerken, dass der Beschwerdeführer im weiteren Verlauf der Vernehmung beim Bundesasylamt die Narben gezeigt und in diesem Zusammenhang erwähnt hat, sie seien ihm, als er noch ein Kind gewesen sei, zugefügt worden. Der belangten Behörde kann daher im Ergebnis nicht vorgeworfen werden, zu diesen Fragen nicht von Amts wegen Ermittlungen angestellt zu haben.

Zusammenfassend kann daher der belangten Behörde in Bezug auf das beweiswürdigend erzielte Ergebnis - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommenden Prüfungsbefugnis - nicht entgegen getreten werden. Von daher kommt der - nur vom Vorbringen des Beschwerdeführers ausgehenden - weiteren Beschwerdeargumentation zur Intensität der angeblichen Übergriffe, zum Bestehen eines Zusammenhanges mit einem Konventionsgrund, zur Aktualität der Verfolgungsgefahr, zur Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme behördlicher Hilfe und zur mangelnden staatlichen Schutzgewährung vor Nachstellungen durch Mitglieder der Ogboni-Geheimgesellschaft keine Relevanz zu.

Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die ersten beiden Spruchpunkte richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.

Mit Rechtswidrigkeit belastet ist hingegen der Ausspruch nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides). Diesbezüglich hat die belangte Behörde nämlich verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Spruchpunkt 3. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Oktober 2006

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200223.X00

Im RIS seit

22.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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