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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des W in W, geboren 1972, vertreten durch Mag. Ulrike Nittmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1b, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Jänner 2005, Zl. 255.072/0-V/14/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste gemäß seinen Angaben am 11. Juli 2004 in das Bundesgebiet ein. Den noch am selben Tag gestellten Asylantrag begründete der Beschwerdeführer bei den Vernehmungen vor dem Bundesasylamt am 13. Juli 2004 und am 8. Oktober 2004 zusammengefasst damit, dass ihm in Nigeria als Mitglied der Unabhängigkeitsbewegung "MOSSOB" - er sei Sekretär des am 27. Mai 2004 in Asaba ermordeten "Provincial Administrator" Chief Emmanuel Enulor gewesen - Verfolgung drohe.
Mit Bescheid vom 4. November 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.). Weiters stellte es gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt ging in Bezug auf die fluchtauslösenden Ereignissen aus näher dargestellten Gründen von der mangelnder Glaubwürdigkeit der Schilderung des Beschwerdeführers aus. Unter anderem verwies es darauf, dass Chief Emmanuel Enulor zwar - wie vom Beschwerdeführer vorgebracht - tatsächlich in den frühen Morgenstunden in seinem Haus in Asaba umgebracht worden sei, jedoch nicht an dem vom Beschwerdeführer erwähnten Tag (27. Mai 2004), sondern "schon weit früher" (nach dem im Akt befindlichen Auszug aus dem Internet am 5. Mai 2004).
Die dagegen erhobene Berufung bemängelte ohne konkrete Bezugnahme auf die Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid nur ganz allgemein, das Bundesasylamtes sei in Bezug auf die angenommene Unglaubwürdigkeit seiner Begründungspflicht "in keinster Weise" nachgekommen. Der Beschwerdeführer habe auf jede Frage eine "ausführliche, in sich schlüssige und präzise Antwort" gegeben. Somit könne "man wohl deutlich feststellen", dass er die Wahrheit gesagt habe. Im Übrigen wurde in der Berufung ein Bericht vom 31. März 2003 zitiert, wonach Mitglieder von MASSOB nach wie vor verfolgt werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung "gemäß §§ 7, 8 AsylG" ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Bundesasylamtes verwies. In der Berufung werde nicht hinreichend vorgebracht, warum entgegen der Argumentation im erstinstanzlichen Bescheid eine Verfolgung glaubhaft sein sollte. Die belangte Behörde verwies in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass der Beschwerdeführer in der Berufung nicht "einmal ansatzweise" dargetan habe, weshalb er trotz seiner behaupteten längeren Mitgliedschaft bei dieser Unabhängigkeitsbewegung eine unrichtige Abkürzung verwendete ("MOSSOB" statt richtig "MASSOB" für "Movement for Actualization of Souvereign State of Biafra").
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerde wendet sich nicht konkret gegen die für die Annahme der Unglaubwürdigkeit von der Erstbehörde herangezogenen und von der belangten Behörde übernommenen beweiswürdigenden Argumente. Sie tritt nicht nur dem von der belangten Behörde hervorgehobenen Begründungselement nicht entgegen, sondern sie bleibt - wie schon die Berufung - vor allem eine Erklärung dafür schuldig, weshalb der Beschwerdeführer bei beiden Vernehmungen vor dem Bundesasylamt den Todeszeitpunkt von Chief Emmanuel Enulor, dessen Sekretär er gewesen sein will, gravierend falsch angegeben hat. Schon deshalb durfte die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend von der Unglaubwürdigkeit der darauf aufbauenden Fluchtgründe ausgehen. Die (von der belangten Behörde übernommene) beweiswürdigende Einschätzung, der nach seinen eigenen Angaben mit dem Internet vertraute Beschwerdeführer habe sich "ein gewisses Wissen" von dieser Bewegung angeeignet und darauf gestützt eine Fluchtgeschichte zu konstruieren versucht, ist demnach - im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof insoweit zukommenden Prüfungsbefugnis - nicht zu beanstanden. Angesichts des substanzlosen Berufungsinhaltes liegt - entgegen der Beschwerdemeinung - diesbezüglich auch kein Begründungsmangel vor. Ausgehend von der mangelnden Glaubwürdigkeit der MASSOB-Mitgliedschaft des Beschwerdeführers kommt es schließlich auf die in der Berufung und in der Beschwerde relevierte Frage, ob deren Mitglieder aktuell noch einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wären, nicht an.
Die Beschwerde vermag daher insoweit, als sie sich gegen die ersten beiden Spruchpunkte richtet, keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen und kann somit in Bezug auf die Asyl- und Refoulement-Entscheidung nicht erfolgreich sein.
Hinsichtlich der Bestätigung des Ausspruches nach § 8 Abs. 2 AsylG über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.
Es war daher die unveränderte Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, während die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere unter Bedachtnahme auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren auf Ersatz der (nicht entrichteten) Eingabengebühr war im Hinblick auf die gewährte Verfahrenshilfe abzuweisen.
Wien, am 17. Oktober 2006
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005200266.X00Im RIS seit
21.11.2006