TE OGH 1999/2/18 12Os150/98-6 (12Os151/98)

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Veröffentlicht am 18.02.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Feber 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Holzweber, Dr. Zehetner und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian Sch***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 4 d E Vr 446/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator gegen die Beschlüsse der Untersuchungsrichterin vom 11. Mai 1998, GZ 4 d E Vr 446/98-11, und der Ratskammer vom 1. Juli 1998, GZ 4 d E Vr 446/98-13, zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Feber 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Holzweber, Dr. Zehetner und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Gutschi als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian Sch***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach Paragraphen 127,, 128 Absatz eins, Ziffer 4,, 130 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 4 d E römisch fünf r 446/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die vom Generalprokurator gegen die Beschlüsse der Untersuchungsrichterin vom 11. Mai 1998, GZ 4 d E römisch fünf r 446/98-11, und der Ratskammer vom 1. Juli 1998, GZ 4 d E römisch fünf r 446/98-13, zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Beschuldigten, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Christian Sch*****, AZ 4 d E Vr 446/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 224 Abs 1, 276 und 488 Z 2 StPO:In der Strafsache gegen Christian Sch*****, AZ 4 d E römisch fünf r 446/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der Paragraphen 224, Absatz eins,, 276 und 488 Ziffer 2, StPO:

1. der Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 11. Mai 1998 (ON 11), soweit darin eine untersuchungsrichterliche Entscheidungsbefugnis über die Zulässigkeit einer vom erkennenden Gericht ausgesprochenen Aktenrückleitung in Anspruch genommen und in der Begründung überdies die gesetzliche Deckung einer Aktenrückleitung an den Untersuchungsrichter "außerhalb der Hauptverhandlung" verneint wird;

2. der Beschluß der Ratskammer vom 1. Juli 1998 (ON 13), soweit auch darin eine die Zulässigkeit der Aktenrückleitung durch das erkennende Gericht betreffende untersuchungsrichterliche Entscheidungskompetenz bejaht wird.

Beide Beschlüsse werden aufgehoben.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren AZ 4 d E Vr 446/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurden Christian Sch***** mit Strafantrag vom 6. Februar 1998 (ON 5) das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB und das (richtig:) Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB angelastet. In der Hauptverhandlung am 27. März 1998 legte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft das abschließende Erhebungsergebnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. März 1998 mit einer Faktenaufstellung zu dem insgesamt bereits vom Strafantrag erfaßten Tatkomplex vor. Bei der Erörterung des polizeilichen Erhebungskonvoluts verantwortete sich der Beschuldigte teilweise leugnend, weshalb seitens der Staatsanwaltschaft die Vertagung der Hauptverhandlung zur Ladung mehrerer Zeugen und überdies die Übermittlung des Aktes zur Überprüfung des Strafantrages aus der Sicht der Nachtragsanzeige beantragt wurde. Nach entsprechender Vertagung der Hauptverhandlung beantragte der öffentliche Ankläger in der Folge die Aktenrückleitung an den Untersuchungsrichter zur verantwortlichen Abhörung des Beschuldigten und Vernehmung einiger im einzelnen bezeichneter Zeugen (AS 1c).Im Strafverfahren AZ 4 d E römisch fünf r 446/98 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurden Christian Sch***** mit Strafantrag vom 6. Februar 1998 (ON 5) das Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach Paragraphen 127,, 128 Absatz eins, Ziffer 4,, 130 erster Fall StGB und das (richtig:) Verbrechen der Verleumdung nach Paragraph 297, Absatz eins, zweiter Fall StGB angelastet. In der Hauptverhandlung am 27. März 1998 legte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft das abschließende Erhebungsergebnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. März 1998 mit einer Faktenaufstellung zu dem insgesamt bereits vom Strafantrag erfaßten Tatkomplex vor. Bei der Erörterung des polizeilichen Erhebungskonvoluts verantwortete sich der Beschuldigte teilweise leugnend, weshalb seitens der Staatsanwaltschaft die Vertagung der Hauptverhandlung zur Ladung mehrerer Zeugen und überdies die Übermittlung des Aktes zur Überprüfung des Strafantrages aus der Sicht der Nachtragsanzeige beantragt wurde. Nach entsprechender Vertagung der Hauptverhandlung beantragte der öffentliche Ankläger in der Folge die Aktenrückleitung an den Untersuchungsrichter zur verantwortlichen Abhörung des Beschuldigten und Vernehmung einiger im einzelnen bezeichneter Zeugen (AS 1c).

Der Einzelrichter übermittelte daraufhin den Akt mit antragskonformem Ersuchen an die zuständige Untersuchungsrichterin, die mit Beschluß vom 11. Mai 1998 (ON 11) die "Rückleitung des Verfahrens" im wesentlichen mit der Begründung für unzulässig erklärte, daß gemäß § 488 Z 2 StPO die Bestimmungen der §§ 224 und 276 StPO über die Vornahme von Erhebungen oder Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter nur anwendbar seien, wenn die Beweise - anders als nach ihrer Meinung im konkreten Fall - nicht in der Hauptverhandlung aufgenommen werden könnten. In der Begründung dieses Beschlusses wird darüber hinaus unter Hinweis auf die Bestimmung des § 488 Z 6 StPO über die Fällung eines Unzuständigkeitsurteils die Auffassung vertreten, daß eine Rückleitung an den Untersuchungsrichter außerhalb der Hauptverhandlung gesetzlich nicht gedeckt wäre.Der Einzelrichter übermittelte daraufhin den Akt mit antragskonformem Ersuchen an die zuständige Untersuchungsrichterin, die mit Beschluß vom 11. Mai 1998 (ON 11) die "Rückleitung des Verfahrens" im wesentlichen mit der Begründung für unzulässig erklärte, daß gemäß Paragraph 488, Ziffer 2, StPO die Bestimmungen der Paragraphen 224 und 276 StPO über die Vornahme von Erhebungen oder Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter nur anwendbar seien, wenn die Beweise - anders als nach ihrer Meinung im konkreten Fall - nicht in der Hauptverhandlung aufgenommen werden könnten. In der Begründung dieses Beschlusses wird darüber hinaus unter Hinweis auf die Bestimmung des Paragraph 488, Ziffer 6, StPO über die Fällung eines Unzuständigkeitsurteils die Auffassung vertreten, daß eine Rückleitung an den Untersuchungsrichter außerhalb der Hauptverhandlung gesetzlich nicht gedeckt wäre.

Gegen diesen untersuchtungsrichterlichen Beschluß erhob die Staatsanwaltschaft gemäß § 113 Abs 1 StPO Beschwerde, welcher mit Beschluß der Ratskammer vom 1. Juli 1998 (ON 13) nicht Folge gegeben wurde. In ihrer Beschwerdeentscheidung schloß sich die Ratskammer dabei der Auffassung der Untersuchungsrichterin über die im konkreten Fall fehlenden Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 488 Z 2 StPO durch den Einzelrichter an und erachtete ein "Rückleitungsbegehren" der Staatsanwaltschaft nur bei gleichzeitiger Stellung eines Antrages auf Einleitung der Voruntersuchung für gesetzeskonform.Gegen diesen untersuchtungsrichterlichen Beschluß erhob die Staatsanwaltschaft gemäß Paragraph 113, Absatz eins, StPO Beschwerde, welcher mit Beschluß der Ratskammer vom 1. Juli 1998 (ON 13) nicht Folge gegeben wurde. In ihrer Beschwerdeentscheidung schloß sich die Ratskammer dabei der Auffassung der Untersuchungsrichterin über die im konkreten Fall fehlenden Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Paragraph 488, Ziffer 2, StPO durch den Einzelrichter an und erachtete ein "Rückleitungsbegehren" der Staatsanwaltschaft nur bei gleichzeitiger Stellung eines Antrages auf Einleitung der Voruntersuchung für gesetzeskonform.

Wie die Generalprokuratur in ihrer - im Gerichtstag modifizierten - Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend geltend macht, stehen sowohl der Beschluß der Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. Mai 1998 (ON 11) als auch die Beschwerdeentscheidung der Ratskammer dieses Gerichtshofes vom 1. Juli 1998 (ON 13) mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Rechtliche Beurteilung

Im einzelrichterlichen Verfahren sind gemäß § 488 Z 2 StPO die Bestimmungen der §§ 224 und 276 StPO über die Vornahme von Erhebungen oder Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter nur anwendbar, wenn die Beweise nicht in der Hauptverhandlung aufgenommen werden können. Ob im Einzelfall ein der Durchführbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung entgegenstehendes Hindernis vorliegt oder nicht, bleibt nach dem Gesetz der an pflichtgemäßes Ermessen gebundenen Beurteilung durch den erkennenden Einzelrichter vorbehalten. Dabei liegt es auf der Hand, daß ein entsprechend beachtliches Hindernis nicht allein in der Qualität (den Modalitäten) einer Beweisaufnahme, sondern auch darin gelegen sein kann, daß die Quantität für unverzichtbar erkannter Erkenntnisquellen ohne vorbereitende Straffung die durch die Hauptverhandlung eröffneten Möglichkeiten überfordert. Wird der Untersuchungsrichter - wie im konkreten Fall - mit einem Ersuchen des erkennenden Richters um - für die Hauptverhandlung aus dessen Sicht unabdingbare - Beweisergänzung konfrontiert, so wird er diesfalls (anders als im Rahmen der Voruntersuchung) nicht als selbständiges Untersuchungsorgan, vielmehr als bloßes Hilfsorgan des erkennenden Gerichtes befaßt, an dessen Begehren er gebunden ist, sofern nur die beantragten Untersuchungshandlungen nach den für seinen Bereich geltenden gesetzlichen Bestimmungen (der Art nach) zulässig sind (SSt 56/65). Lediglich im letzterwähnten Umfang steht dem Untersuchungsrichter daher eine entsprechende Überprüfungsbefugnis zu. Soweit daher in dem Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 11. Mai 1998 (ON 11) eine Kontrollkompetenz in der Richtung in Anspruch genommen wird, die nach dem Gesetz dem erkennenden Gericht vorbehaltene Beurteilung der Durchführbarkeit von Beweisen in der Hauptverhandlung nach eigenem Ermessen zu überprüfen und eine analoge Rechtsauffassung sinngemäß auch in der Beschwerdeentscheidung der Ratskammer vom 1. Juli 1998 (ON 13) zum Ausdruck kommt, werden dem geltenden Prozeßrecht widerstreitende Rechtspositionen vertreten.Im einzelrichterlichen Verfahren sind gemäß Paragraph 488, Ziffer 2, StPO die Bestimmungen der Paragraphen 224 und 276 StPO über die Vornahme von Erhebungen oder Untersuchungshandlungen durch den Untersuchungsrichter nur anwendbar, wenn die Beweise nicht in der Hauptverhandlung aufgenommen werden können. Ob im Einzelfall ein der Durchführbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung entgegenstehendes Hindernis vorliegt oder nicht, bleibt nach dem Gesetz der an pflichtgemäßes Ermessen gebundenen Beurteilung durch den erkennenden Einzelrichter vorbehalten. Dabei liegt es auf der Hand, daß ein entsprechend beachtliches Hindernis nicht allein in der Qualität (den Modalitäten) einer Beweisaufnahme, sondern auch darin gelegen sein kann, daß die Quantität für unverzichtbar erkannter Erkenntnisquellen ohne vorbereitende Straffung die durch die Hauptverhandlung eröffneten Möglichkeiten überfordert. Wird der Untersuchungsrichter - wie im konkreten Fall - mit einem Ersuchen des erkennenden Richters um - für die Hauptverhandlung aus dessen Sicht unabdingbare - Beweisergänzung konfrontiert, so wird er diesfalls (anders als im Rahmen der Voruntersuchung) nicht als selbständiges Untersuchungsorgan, vielmehr als bloßes Hilfsorgan des erkennenden Gerichtes befaßt, an dessen Begehren er gebunden ist, sofern nur die beantragten Untersuchungshandlungen nach den für seinen Bereich geltenden gesetzlichen Bestimmungen (der Art nach) zulässig sind (SSt 56/65). Lediglich im letzterwähnten Umfang steht dem Untersuchungsrichter daher eine entsprechende Überprüfungsbefugnis zu. Soweit daher in dem Beschluß der Untersuchungsrichterin vom 11. Mai 1998 (ON 11) eine Kontrollkompetenz in der Richtung in Anspruch genommen wird, die nach dem Gesetz dem erkennenden Gericht vorbehaltene Beurteilung der Durchführbarkeit von Beweisen in der Hauptverhandlung nach eigenem Ermessen zu überprüfen und eine analoge Rechtsauffassung sinngemäß auch in der Beschwerdeentscheidung der Ratskammer vom 1. Juli 1998 (ON 13) zum Ausdruck kommt, werden dem geltenden Prozeßrecht widerstreitende Rechtspositionen vertreten.

Nicht anders verhält es sich aber auch mit jener Begründungspassage des erwähnten untersuchungsrichterlichen Beschlusses, in der eine fehlende gesetzliche Deckung einer außerhalb der Hauptverhandlung veranlaßten Rückleitung an den Untersuchungsrichter behauptet wird. Folgt doch das Gegenteil schon daraus, daß § 488 Z 2 StPO allein auf die Durchführbarkeit von Beweisen in der Hauptverhandlung, nicht aber auf die Wahrnehmung dieses Kriterium erfüllender Umstände erst in der Hauptverhandlung und überdies ausdrücklich auch auf § 224 StPO und damit auf eine Verfahrensphase abstellt, die dem Beginn der Hauptverhandlung zwangsläufig vorgelagert ist.Nicht anders verhält es sich aber auch mit jener Begründungspassage des erwähnten untersuchungsrichterlichen Beschlusses, in der eine fehlende gesetzliche Deckung einer außerhalb der Hauptverhandlung veranlaßten Rückleitung an den Untersuchungsrichter behauptet wird. Folgt doch das Gegenteil schon daraus, daß Paragraph 488, Ziffer 2, StPO allein auf die Durchführbarkeit von Beweisen in der Hauptverhandlung, nicht aber auf die Wahrnehmung dieses Kriterium erfüllender Umstände erst in der Hauptverhandlung und überdies ausdrücklich auch auf Paragraph 224, StPO und damit auf eine Verfahrensphase abstellt, die dem Beginn der Hauptverhandlung zwangsläufig vorgelagert ist.

Die insgesamt zutreffend geltend gemachten Gesetzesverletzungen waren spruchgemäß festzustellen.

Da insbesondere aus der Sicht des verfahrensspezifischen Kostenaufwandes allfällige für den Beschuldigten nachteilige Auswirkungen von in die Hauptverhandlung verlegten Beweisaufnahmen vorweg nicht auzuschließen sind, waren beide in diese Richtung wirkenden Beschlüsse aufzuheben.

Anmerkung

E52965 12D01508

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0120OS00150.98.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19990218_OGH0002_0120OS00150_9800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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