TE OGH 1999/2/23 1Ob21/99s

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Veröffentlicht am 23.02.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl. Ing. Hubert M*****, vertreten durch Dr. Heinz Pratter, Rechtsanwalt in Leibnitz, wider die beklagte Partei Günter Josef L*****, vertreten durch Dr. Hans Exner und Mag. Hans Exner, Rechtsanwälte in Judenburg, wegen S 55.000,-- sA und Feststellung (Streitwert S 2.000,--), infolge von Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 16. Oktober 1998, GZ 3 R 215/98v-46, womit das Urteil des Bezirksgerichts Judenburg vom 9. Juni 1998, GZ 2 C 401/95p-41, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 (darin S 676,48 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu bezahlen.

Text

Begründung:

Der Beklagte wurde am 14. 9. 1993 vom Strafgericht wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt und überdies schuldig erkannt, dem Kläger ein Schmerzengeld von S 2.000 zu bezahlen; er habe am 17. 4. 1993 auf einer Golfanlage mit einem Golfschläger eine wuchtige Ausholbewegung gemacht, ohne sich vorher zu überzeugen, daß dies ohne Gefährdung umstehender Personen möglich sei; hiebei sei der Kläger am Schädel schwer verletzt worden. Der Beklagte hat dem Kläger - aufgrund des geschilderten Vorfalls - bereits vor Klagseinbringung S 22.000 bezahlt.

Der Kläger begehrte vom Beklagten die Zahlung von S 55.000 als Schmerzengeld bzw Ersatz des Verdienstentgangs und die Feststellung der Haftung des Beklagten für künftige Schmerzengeldansprüche, die sich "aus einer nicht komplikationsfreien Plattenentfernung" ergeben könnten. Er brachte vor, der Beklagte habe ihm angekündigt, daß er ihm das Golfspiel näher erklären werde, habe aber dann völlig überraschend zum Schlag ausgeholt und einen Ball abgeschlagen. Dabei sei der Kläger durch den ausschwingenden Golfschläger verletzt worden. Sein Interesse an der begehrten Feststellung begründete er damit, daß noch eine ihm im Zuge der Behandlung der Verletzungen implantierte Platte entfernt werden müsse, was zu Komplikationen führen könnte.

Der Beklagte wendete ein, den Kläger treffe das alleinige bzw zumindest das überwiegende Verschulden am Zustandekommen der Verletzungen, weil er nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten habe, obwohl ihm klar gewesen sei oder jedenfalls habe sein müssen, daß der Beklagte den Ball abschlagen werde. Der Höhe nach stellte der Beklagte die Klagsforderung außer Streit.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte fest, die Streitteile hätten am 17. 4. 1993 auf einer Golfanlage Golfschläge trainiert. Beide hätten über die nötige "Platzreife", also über eine entsprechende praktische Ausbildung zu Grundschwüngen und auch über die erforderlichen theoretischen Kenntnisse über die Regelkunde und das Verhalten am Golfplatz verfügt. Im Laufe des Trainings, das dem Kläger nicht besonders gelungen sei, seien die Streitteile ins Gespräch gekommen. Der Beklagte habe zum Kläger gesagt, "ihm etwas zeigen zu wollen", und habe sich daraufhin zum Abschlagplatz des Klägers begeben, neben die Matte gestellt, einen seiner Bälle aufgelegt und die Stellung zum Abschlag eingenommen. Hiebei habe er sich mit dem Rücken zum Kläger gedreht. Dieser sei etwa zwei Schritte schräg links hinter den Beklagten zurückgetreten. In der Folge habe der Beklagte, ohne sich über einen ausreichenden Sicherheitsabstand zum Kläger zu vergewissern, den Ball abgeschlagen. Der schräg links hinter dem Beklagten in nicht ausreichendem Sicherheitsabstand zu diesem stehende Kläger habe aus Unaufmerksamkeit die vom Beklagten durchgeführte Ausholbewegung mit dem Schläger übersehen und sei im Zuge des Durchschwungs vom Golfschläger des Beklagten im Gesicht getroffen worden. Hiebei habe er mehrfache Verletzungen im Bereich des Gesichtsschädels erlitten; im Krankenhaus sei ihm eine Platte implantiert worden. Diese sollte innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall operativ entfernt werden, doch habe der Kläger aus Zeitgründen die Operation noch nicht durchführen lassen. Es sei insbesondere bei jüngeren Menschen angezeigt, die Platte nach zwei Jahren zu entfernen, weil eine Entfernung später schwieriger werde. In seltenen Fällen könne es nach dem Entfernen der Platte zu Komplikationen durch Entstehen einer Infektion kommen, wobei die Möglichkeit des Auftretens einer solchen Infektion unabhängig vom Zeitpunkt der Entfernung der Platte sei. Bei sachgemäßer Entfernung des implantierten Materials sei mit keinen Dauerfolgen zu rechnen. Der vom Beklagten verwendete Golfschläger bedinge einen Sicherheitsabstand von zumindest 2,5 m. Beide Parteien hätten vor bzw während des Abschlags des Beklagten den mangelnden Sicherheitsabstand nicht beachtet. Der Beklagte hätte seinerseits den Schlag nicht führen dürfen, der Kläger hätte einen ausreichenden Sicherheitsabstand einhalten müssen. Es wäre dem Kläger vom Zeitpunkt des Ausholens bis zum Durchschwung eine Zeitspanne von ein bis zwei Sekunden zur Verfügung gestanden, innerhalb welcher Zeit er sich in Sicherheit hätte bringen können. Der Höhe nach sei ein Schmerzengeld von S 47.000 und ein Verdienstentgang von S 30.000 angemessen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, das Verschulden des Beklagten am Zustandekommen der Verletzungen des Klägers stehe aufgrund des gegen den Beklagten ergangenen Strafurteils fest. Die Tatsache, daß der Kläger nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten habe, bewirke aber dessen weitaus überwiegendes Mitverschulden. Der Kläger habe nämlich aufgrund des Verhaltens des Beklagten damit rechnen müssen, daß ein Abschlag durchgeführt werden würde. Bei entsprechender Aufmerksamkeit wäre es ihm möglich gewesen, die Bewegungen des Beklagten wahrzunehmen und den Gefahrenbereich zu verlassen. In Anbetracht seines grob regelwidrigen Verhaltens und seiner groben Unaufmerksamkeit sei das mit höchstens 5 % zu bewertende (Mit-)Verschulden des Beklagten zu vernachlässigen. Durch die bereits vor Klagseinbringung geleistete Teilzahlung sei das den Beklagten treffende Mitverschulden jedenfalls abgegolten, und bei sachgemäßer Entfernung der implantierten Platte sei auch mit keinen Dauerfolgen zu rechnen.

Das Berufungsgericht erkannte den Beklagten schuldig, dem Kläger S

16.500 samt 4 % Zinsen seit 1. 10. 1994 zu zahlen, und stellte fest, daß der Beklagte dem Kläger aus dem Vorfall vom 17. 4. 1993 zu 50 % für sämtliche künftige Schmerzengeldforderungen hafte, die sich aus einer nicht komplikationsfreien Entfernung der im Jochbein des Klägers eingesetzten Platte ergeben könnten; das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 38.500 sA und das Feststellungsmehrbegehren wies es ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt S 52.000, nicht jedoch S 260.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Erstgericht habe die Verschuldenskomponenten zutreffend dargestellt, aber unrichtig abgewogen. Beide Parteien hätten den Golfregeln grob zuwidergehandelt. Demnach sei eine gleichteilige Verschuldensaufteilung gerechtfertigt. Danach sei dem Kläger unter Berücksichtigung der Teilzahlung von S 22.000 ein Betrag von S 16.500 zuzusprechen. Dem Feststellungsbegehren sei zu 50 % stattzugeben, weil die Möglichkeit eines künftigen Unfallschadens bestehe.

Beide Revisionen sind unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Eine erhebliche Rechtsfrage ist nicht ersichtlich und wird eine solche in der Revision auch nicht aufgezeigt:Nach Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist das Revisionsgericht an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach Paragraph 500, Absatz 2, Ziffer 3, ZPO nicht gebunden (Paragraph 508 a, Absatz eins, ZPO). Eine erhebliche Rechtsfrage ist nicht ersichtlich und wird eine solche in der Revision auch nicht aufgezeigt:

Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe nicht gegen "Golfregeln" verstoßen, und es wäre (ausschließliche) Sache des Beklagten gewesen, auf die Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstands zu achten, ehe er den Abschlag ausführte. Eine ihm allenfalls unterlaufene Unaufmerksamkeit sei als Mitverschuldenskomponente völlig zu vernachlässigen; es sei vom Alleinverschulden des Beklagten auszugehen.

Der Beklagte sieht eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darin, daß geklärt werden sollte, wieweit die Bindungswirkung einer strafrechtlichen Verurteilung reiche, insbesondere bis zu welchem Ausmaß ein Mitverschulden des "Gegners" angenommen werden könne. Weiters meint er, daß sein Verschulden gegenüber dem Mitverschulden des Klägers zumindest so weit in den Hintergrund trete, daß das Leistungsbegehren unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung nicht mehr berechtigt sei. Das Feststellungsbegehren sei schon deshalb nicht berechtigt, weil es aus medizinischen Gründen angezeigt gewesen wäre, die implantierte Platte operativ zu entfernen; aus einer - aus medizinischer Sicht - verspäteten Entfernung des Implantats entstehende Komplikationen seien nicht mehr adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen.

Zu all dem ist auszuführen:

Ein strafrechtlich Verurteilter muß das Urteil gegen sich gelten lassen und kann sich im nachfolgenden Rechtsstreit einer anderen Partei gegenüber nicht darauf berufen, daß er eine Tat, derentwegen er strafgerichtlich verurteilt wurde, nicht begangen habe (SZ 68/195). Schon aus dieser Formulierung wird deutlich, daß ein von einem Verurteilten im folgenden Zivilrechtsstreit behauptetes Mitverschulden zu berücksichtigen und über einen derartigen Einwand abzusprechen ist. Es bedarf daher keiner Klarstellung, "bis zu welchem Ausmaß ein Mitverschulden des Gegners angenommen werden könne".

Die Kasuistik des Einzelfalls schließt im allgemeinen die Zulässigkeit der Revision aus. Dies gilt insbesondere auch für reine Ermessensentscheidungen wie zB über das Bestehen und die Schwere eines Verschuldens, solange dem Berufungsgericht kein an die Grenzen des Mißbrauchs gehender Fehler unterlief oder der Ermessensspielraum eklatant überschritten wurde (1 Ob 194/97d; 1 Ob 574/95 uva). Die Gewichtung des Verschuldens stellt im allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (2 Ob 1026/95 uva). Eine krasse Fehlbeurteilung ist dem Gericht zweiter Instanz im vorliegenden Fall keinesfalls vorzuwerfen, soweit es das Verschulden im Verhältnis 1 : 1 teilte. Das Fehlverhalten des Klägers wurde der Unachtsamkeit (Sorglosigkeit) des Beklagten gegenübergestellt; dabei kam das Berufungsgericht zu einer durchaus naheliegenden Verschuldensaufteilung.

Was das Feststellungsbegehren betrifft, hat das Erstgericht festgestellt, die Möglichkeit des Auftretens einer Infektion im Zuge des Entfernens der implantierten Platte sei unabhängig vom Zeitpunkt der Entfernung des Implantats, sodaß das Feststellungsinteresse ungeachtet der Ausführungen des Beklagten jedenfalls zu bejahen ist; warum es - wie der Beklagte meint - dann an der Adäquität gebrechen sollte, bleibt schlechthin unerfindlich.

Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sind beide Revisionen daher zurückzuweisen.Mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO sind beide Revisionen daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat - anders als der Kläger zur Revision des Beklagten - auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hingewiesen.Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung des Beklagten gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO. Der Beklagte hat - anders als der Kläger zur Revision des Beklagten - auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hingewiesen.

Anmerkung

E52979 01A00219

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0010OB00021.99S.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19990223_OGH0002_0010OB00021_99S0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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