Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hildetraud R*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. Muharrem C*****, 2. H***** AG *****, beide vertreten durch Dr. Peter Wallnöfer und Dr. Roman Bacher, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 100.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 11. April 1997, GZ 2 R 100/97i-17, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 16. Jänner 1997, GZ 4 C 217/96i-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 27.775,03 (darin enthalten S 2.045,47 USt und S 7.282,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 21. 2. 1994 ereignete sich gegen 23.25 Uhr in Hohenems ein Verkehrsunfall, bei welchem der damals 77jährige Vater der Klägerin durch eine vom Erstbeklagten ermöglichte Schwarzfahrt tödlich verletzt wurde. Die Klägerin begehrt die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien ihr gegenüber für sämtliche zukünftigen und nachteiligen Folgen aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall. Ihr Vater sei zwar nicht konkret, jedoch potentiell unterhaltspflichtig gewesen. Sie habe an der begehrten Feststellung ein rechtliches Interesse, weil die künftige Entwicklung nicht absehbar sei und die Verjährung allfälliger Ansprüche drohe.
Die Beklagten beantragen Abweisung des Klagebegehrens. Es sei anzunehmen, daß die Klägerin über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und verehelicht sei. Eine potentielle Unterhaltspflicht des Getöteten sei auszuschließen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Es traf - soweit noch für das Revisionsverfahren von Interesse - nachstehende wesentliche Feststellungen:
Die am 14. 1. 1947 geborene Klägerin ist verheiratet. Sie hat ein Adoptivkind. Sie ist Mittelschullehrerin und ihr 1952 geborener Ehegatte dzt karenzierter Sonderschullehrer. Zum Todeszeitpunkt hatte der damals 77jährige Vater der Klägerin gegenüber keine aktuelle Unterhaltspflicht.
Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß nach § 1327 ABGB die Hinterbliebenen eines Getöteten, sofern er diesen unterhaltspflichtig gewesen sei oder hätte werden können, anspruchsberechtigt seien. Es sei nicht erforderlich, daß der Getötete zum Zeitpunkt seines Todes ihnen zu Leistungen verpflichtet gewesen sei. Es reiche aus, daß das bestehende Rechtsverhältnis zu einer Unterhaltspflicht führen habe können. Der Vater der Klägerin sei ihr gegenüber zwar nicht aktuell unterhaltspflichtig gewesen, weil sie verheiratet und selbsterhaltungsfähig sei. Es könne aber dennoch eine Situation eintreten, so bei unverschuldeter Not, in welcher der Getötete der Klägerin gegenüber wieder unterhaltspflichtig werden könne.Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß nach Paragraph 1327, ABGB die Hinterbliebenen eines Getöteten, sofern er diesen unterhaltspflichtig gewesen sei oder hätte werden können, anspruchsberechtigt seien. Es sei nicht erforderlich, daß der Getötete zum Zeitpunkt seines Todes ihnen zu Leistungen verpflichtet gewesen sei. Es reiche aus, daß das bestehende Rechtsverhältnis zu einer Unterhaltspflicht führen habe können. Der Vater der Klägerin sei ihr gegenüber zwar nicht aktuell unterhaltspflichtig gewesen, weil sie verheiratet und selbsterhaltungsfähig sei. Es könne aber dennoch eine Situation eintreten, so bei unverschuldeter Not, in welcher der Getötete der Klägerin gegenüber wieder unterhaltspflichtig werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Weiters sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und "der ordentliche Revisionsrekurs" zulässig sei. Zur Bejahung des Feststellungsinteresses reiche zwar hin, daß im Tötungszeitpunkt ein Verhältnis bestanden habe, aufgrund dessen der Getötete nach dem Gesetz unterhaltspflichtig gewesen sei oder geworden wäre. Hier sei aber das Alter der Klägerin und ihres Vaters zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz, die berufliche Stellung der Klägerin als Mittelschullehrerin und die primäre Unterhaltspflicht ihres Ehegatten zu berücksichtigen, weshalb der Eintritt einer Sachverhaltskonstellation, die zum Wiederaufleben der Unterhaltspflicht des Vaters der Klägerin führen könnte, in einem so hohen Maße unwahrscheinlich erscheine, daß ein Feststellungsinteresse nicht mehr bejaht werden könne.
In der Revision verweist die Klägerin auf die bisherige Rechtsprechung, nach der bereits die Möglichkeit des Eintrittes der Voraussetzungen für Unterhaltsansprüche die Einbringung einer Feststellungsklage rechtfertigten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin in Zukunft der Bedürfigkeit verfallen würde.
Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Es trifft zunächst zu, daß nach der älteren Lehre und Rechtsprechung
Unterhaltsansprüche im Sinn des § 1327 ABGB nur dann geltend gemacht
werden konnten, wenn der Getötete bereits zu Leistungen verpflichtet
war (Wolff in Klang 149; Fenzl, ÖJZ 1961/7, SZ 11/144; SZ 23/311; SZ
34/27). Nach der jüngeren Lehre und der ständigen neueren
Rechtsprechung genügt es, daß das bestehende Rechtsverhältnis zu
einer Unterhaltsverpflichtung führen könnte (Koziol,
Haftpflichtrecht2 II 153, Reischauer in Rummel2 § 1327 Rz 17; Harrer
in Schwimann2, § 1327 Rz 13; SZ 41/153 = EvBl 1969/185 = ZVR 1969/299
= JBl 1970, 154; ZVR 1972/69; ZVR 1974/252; SZ 48/13; ZVR 1980/161;
SZ 62/140 = JBl 1990, 240 = ZVR 1990/123; RIS-Justiz RS0048104). Der
Unterhaltsberechtigte kann die Haftung des Schädigers im Wege einer Feststellungsklage geltend machen, wenn die Möglichkeit besteht, daß die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruches eines Tages vorliegen werden. Das Feststellungsbegehren ist berechtigt, wenn weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit auszuschließen sind (Harrer in Schwimann2 ABGB § 1327 Rz 13 mwN). Das Feststellungsinteresse ergibt sich schon daraus, daß die künftige Entwicklung nicht abgesehen werden kann oder daß sich die Beweislage schwierig gestalten könnte (Reischauer in Rummel2 § 1327 Rz 25 mwN).Unterhaltsberechtigte kann die Haftung des Schädigers im Wege einer Feststellungsklage geltend machen, wenn die Möglichkeit besteht, daß die Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruches eines Tages vorliegen werden. Das Feststellungsbegehren ist berechtigt, wenn weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit auszuschließen sind (Harrer in Schwimann2 ABGB Paragraph 1327, Rz 13 mwN). Das Feststellungsinteresse ergibt sich schon daraus, daß die künftige Entwicklung nicht abgesehen werden kann oder daß sich die Beweislage schwierig gestalten könnte (Reischauer in Rummel2 Paragraph 1327, Rz 25 mwN).
Wendet man diese Rechtssätze auf den vorliegenden Fall an, danach kann entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, daß trotz des hohen Standes der Sozialgesetzgebung (ZVR 1974/252) nicht doch der Fall eintreten könnte, daß der getötete Vater der Klägerin gegenüber wieder unterhaltspflichtig hätte werden können.
Das Feststellungsinteresse der Klägerin ist daher zu bejahen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 ZPO.
Anmerkung
E52812 02A02397European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1999:0020OB00239.97D.0225.000Dokumentnummer
JJT_19990225_OGH0002_0020OB00239_97D0000_000