TE OGH 1999/3/11 6Ob126/98t

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Veröffentlicht am 11.03.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler und Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeindeverband Bezirkskrankenhaus H*****, vertreten durch den Obmann, Bezirkshauptmann Hofrat Dr. Günther S*****, dieser vertreten durch Dr. Josef Posch und Dr. Eva Maria Posch, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 145.000,-- S, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 120.000,-- S) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 20. Jänner 1998, GZ 1 R 286/97m-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. August 1997, GZ 14 Cg 58/96s-45, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 8.112,-- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.352,-- S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist Rechtsträger des Bezirkskrankenhauses H*****. Die Klägerin, die an Schmerzen im rechten Unterbauch litt, unterzog sich in diesem Krankenhaus am 27. 11. 1992 im Zuge einer Bauchspiegelung einer Operation. Dabei wurde ein Verwachsungsstrang mittels monopolarer Koagulationsschere koaguliert und bauchwandnahe durchtrennt. Dabei trat eine kleine Blutung im Bereich der seitlichen Bauchwand rechts auf, die ebenfalls koaguliert wurde. Der Eingriff verlief ansonsten komplikationsfrei und wurde lege artis durchgeführt.

Die Klägerin bemerkte nach dem Erwachen aus der Narkose ein "taubes Gefühl" am rechten Oberschenkel. In der Folge wurde eine inkomplette Laesion des nervus cutaneus femoris lateralis rechts festgestellt. Ursache für die Schädigung des genannten Nervs ist Zug oder Druck während des operativen Eingriffes vom 27. 11. 1992.

Mit ihrer am 7. 3. 1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin ein Schmerzengeld von 145.000,-- S. Nach ihrem Vorbringen, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, sei sie vor Durchführung der Operation über die in der medizinischen Literatur dokumentierte Möglichkeit einer Nervenschädigung nicht aufgeklärt worden. Sie sei eine angstvolle und vorsichtige Frau und hätte sich daher bei einer entsprechenden ärztlichen Aufklärung ohne weitere Abklärung der medizinischen Situation diesem nicht zur Beseitigung eines lebensbedrohlichen Gebrechens erforderlichen Eingriff nicht unterzogen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, die Klägerin hätte den Eingriff auch dann vornehmen lassen, wenn sie über die mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit mögliche Nervenschädigung aufgeklärt worden wäre. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß die Klägerin die von ihr als chronisch geschilderten Schmerzen im Bereich des Unterbauchs mit unbekannter Ursache weiterhin mit dem Risiko des Vorliegens einer Erkrankung hingenommen hätte, da durch den geplanten Eingriff eine Linderung der Schmerzen zu erwarten gewesen sei und sich die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung nur im Promillebereich bewegt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Bei der Operation handelte es sich nicht um einen dringenden Eingriff. Im Falle der bei der Klägerin aufgetretenen Beschwerden gibt es grundsätzlich zwei Methoden, operative Eingriffe durchzuführen, und zwar die offene Methode durch eine Öffnung der Bauchwand unter Darstellung der schmerzenden Gegend etwa in der Art einer Blinddarmoperation, oder den endoskopischen Eingriff, der in der Regel als der kleinere gilt.

Die bei der Klägerin angewandte endoskopische Adhäsiolyse ist eine anerkannte Methode der ärztlichen Kunst und entspricht dem letzten Stand der medizinischen Wissenschaft. Arbeiten, die sich mit der endoskopischen Versorgung in der gleichen anatomischen Gegend zB bei Hernien befassen, ergaben, daß eine Laesion des nervus cutaneus femoris lateralis dext bei 250 Operationen ca 5 mal auftritt. In größeren Serien wurden Nervenverletzungen insgesamt zugegeben, wobei außer dem nervus cutaneus femoris lateralis dext auch der nervus genito femoralis mitgerechnet wird, und zwar unter 1514 Operationen 25 mal, unter 4095 Operationen 38 mal und unter 761 Operationen 21 mal. Bei der Nervenschädigung, wie sie bei der Klägerin aufgetreten ist, handelt es sich um ein operationsimmanentes Risiko, mit dem üblicherweise gerechnet werden muß und das zum Zeitpunkt des Eingriffes bekannt war. Im allgemeinen handelt es sich bei derartigen Nervenläsionen um Gefühlsstörungen, die innerhalb von 3 Wochen abklingen. In einer großen Serie von laparoskopischen Leistenhernienoperationen ergab die Nachuntersuchung von 793 Patienten, daß eine bleibende Läsion des gegenständlichen Nervens in 0,1 % der Fälle eingetreten ist.

Die Klägerin wurde von der beklagten Partei bzw dem Operateur vor der Operation nicht über die beiden in Betracht kommenden Operationsmethoden und die bei ihr angewandte Methode und auch nicht darüber aufgeklärt, welche Komplikationen bei einer Bauchspiegelung auftreten können. Insbesondere wurde nicht auf die Möglichkeit allfälliger Verletzungen von Organen sowie Nerven, Blutgefäßen usw hingewiesen. Wenn die Klägerin vor dem Eingriff durch die beklagte Partei bzw durch den behandelnden Arzt über das allfällige Risiko einer Nervenschädigung aufgeklärt worden wäre, hätte sie sich eine Überlegungszeit erbeten und weitere Ärzte konsultiert. Ob die Klägerin bei ausreichender Belehrung in der Folge der Operation zugestimmt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Die Schmerzen im Unterleib vor dem gegenständlichen Eingriff waren geringer als die Schmerzen, die die Klägerin nunmehr im Bereich des Oberschenkels hat.

In rechtlicher Hinsicht vertraten die Vorinstanzen übereinstimmend die Auffassung, daß ärztliche Aufklärungspflichten verletzt worden seien. Auch in diesem Fall treffe nach der Rechtsprechung den Arzt bzw den Krankenhausträger die Beweislast dafür, daß der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur Operation erteilt hätte, da der Arzt bzw Krankenhausträger das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffes ausschließenden Rechtfertigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen habe.

Das Erstgericht vertrat weiters die Ansicht, die Klägerin habe zwar behauptet, bei entsprechender Aufklärung hätte sie noch weitere ärztliche Auskünfte eingeholt, darüber hinaus ergebe sich aber sonst nichts, aus dem eine Ablehnung der Einwilligung in die Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich erscheine. Die Klägerin sei damals lediglich vor der Alternative gestanden, weiterhin die Schmerzen im Bauchraum zu erdulden oder sich einer herkömmlichen Operation mit Öffnung der Bauchdecke mit wesentlich höherem Risiko als dem gegenständlichen Eingriff zu unterziehen. Es lägen somit keine plausiblen Gründe für den Entschluß der Klägerin vor, sie hätte dem gegenständlichen Eingriff auf keinen Fall zugestimmt, wenn sie vorher aufgeklärt worden wäre. Die Haftung der beklagten Partei sei daher zu verneinen.

Demgegenüber vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß infolge der von der beklagten Partei nicht bekämpften negativen Feststellung des Erstgerichtes, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob die Klägerin bei ausreichender Belehrung in der Folge der durchgeführten Operation zugestimmt hätte, der Krankenhausträger der ihm obliegenden Beweispflicht nicht nachgekommen sei, zumal diese Feststellung auch den Schluß erlaube, die Klägerin hätte im Bewußtsein einer möglichen Nervenschädigung durch die Operation dem endoskopischen Eingriff nicht zugestimmt, sondern allenfalls von einer Operation überhaupt Abstand genommen oder die offene Methode vorgezogen. Dies vor allem auch unter dem Aspekt, daß die Klägerin nunmehr an einem brennenden Schmerz im Oberschenkel leide, seit der Operation keine Hosen mehr anziehen könne und die Schmerzen stärker werden, wenn ein Gegenstand, etwa ein Kleidungsstück, auf den Oberschenkel drücke oder dort aufliege und diese Schmerzen auch stärker seien als die Schmerzen im Unterleib vor der Operation. Aufgrund der eingetretenen Folgen müsse auch davon ausgegangen werden, daß das typische Risiko der Nervenschädigung im gegenständlichen Fall von einiger Erheblichkeit und dadurch geeignet gewesen sei, die Entscheidung der Klägerin zu beeinflussen. Wenn ein Patient im Alter der Klägerin (ca 30 Jahre) damit rechnen müsse, als Folge der Bauchspiegelung bzw des hiebei vorgenommenen Eingriffs immerwährende Schmerzen und ständiges Ungemach erdulden zu müssen, liege die von der Rechtsprechung geforderte Erheblichkeit für eine mögliche Beeinflussung der Entscheidung des Patienten zweifellos vor. Aus dem Umstand, daß im gegenständlichen Fall die herkömmliche Operation (Öffnung der Bauchdecke) zwar als der größere Eingriff im Vergleich zu einem endoskopischen zu bezeichnen sei, könne nicht schon der Schluß gezogen werden, daß diese Methode auch mit einem wesentlich höheren Risiko verbunden sei, als dies beim gegenständlichen Eingriff der Fall gewesen sei.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die aus dem deutschen Rechtsbereich stammende und vom Erstgericht herangezogene Substantiierungspflicht des Patienten auch auf den österreichischen Rechtsbereich angewendet werden könne, da nach den Feststellungen davon auszugehen sei, daß die Klägerin bei gehöriger Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, aus dem heraus eine Ablehnung der Einwilligung in die Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich erschienen wäre und sie nicht das Aufklärungsversäumnis nachträglich ausschließlich zur Begründung einer Schadenersatzklage benutze. Die Haftung der beklagten Partei sei daher zu bejahen.

Das Berufungsgericht erachtete ein Schmerzengeld von 120.000,-- S für angemessen, gab daher in teilweiser Stattgebung der Berufung der Klägerin dem Klagebegehren in diesem Umfang statt. Das Mehrbegehren von 25.000,-- S wies es rechtskräftig ab.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen den Patienten eine Substantiierungspflicht im Sinne der deutschen Judikatur treffe, fehle.

Mit ihrer Revision beantragt die beklagte Partei die Abänderung des Berufungsurteiles dahin, daß das Ersturteil zur Gänze wiederhergestellt werde.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil in der Lehre jüngst Bedenken gegen die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Beweislastverteilung in Fällen der Verletzung ärztlicher Aufklärungspflichten erhoben wurden. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei bekämpft in ihren Ausführungen nicht die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen, daß ihr eine Verletzung ärztlicher Aufklärungspflichten anzulasten ist. Sie wendet sich unter Hinweis auf die Ausführungen von Dullinger, Zur Beweislast für Verletzung/Erfüllung der ärztlichen Aufklärungspflicht in JBl 1998, 2 ff ausschließlich gegen die ihr auferlegte Beweislast dafür, daß die Klägerin auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zum Eingriff erteilt hätte.

Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht treffe den Arzt bzw den Krankenhausträger die Beweislast dafür, daß der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zum Eingriff erteilt hätte, gehe es doch darum, das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffes ausschließenden Rechtfertigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen (SZ 69/199; JBl 1995, 453; 2 Ob 197/97b; Hofmann, Die Aufklärungspflicht des Arztes im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes RZ 1998, 80 ff [82 mwN]; Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 52 f zu § 1302 mwN). Die beklagte Partei hat im Verfahren erste Instanz vorgebracht, die Klägerin hätte den Eingriff auch dann vornehmen lassen, wenn sie über die mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit mögliche Nervenschädigung aufgeklärt worden wäre. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß die Klägerin die von ihr als chronisch geschilderten Schmerzen im Bereich des Unterbauchs mit unbekannter Ursache weiterhin mit dem Risiko des Vorliegens einer Erkrankung hingenommen hätte, da durch den geplanten Eingriff eine Linderung der Schmerzen zu erwarten gewesen sei und sich die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung nur im Promillebereich bewegt habe. Die Beweislast für diesen Einwand des "rechtmäßigen Alternativverhaltens" trägt nach Lehre und ständiger Rechtsprechung der Schädiger (SZ 62/154; SZ 63/151; SZ 69/199; JBl 1994, 336; JBl 1995, 453 [Steiner]; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 23b zu § 1299; Harrer aaO Rz 50 zu § 1300 und Rz 53 zu § 1301 f; EvBl 1997/86; 2 Ob 197/97b ua). Dazu vertritt Dullinger aaO die Auffassung, die dabei wesentliche Frage, ob die vollständige Aufklärung den entstandenen Schaden verhindert hätte, sei bereits im Zusammenhang mit der Kausalität der unterlassenen Aufklärung zu prüfen; für eine gesonderte Prüfung der Kausalität der Pflichtwidrigkeit und die Beweislast des Beklagten bleibe hier kein Raum. Bestehe das rechtswidrige Verhalten in einem Unterlassen, gehe nämlich die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens bereits in der Kausalitätsprüfung auf und sei von dieser nicht zu trennen. Die Beweislast dafür, daß das Verhalten - hier die Unterlassung - des Beklagten den eingetretenen Schaden verursacht hat, trage aber nach allgemeinen Grundsätzen der Schadenersatzkläger. Eine Haftung des Arztes komme daher nur dann in Betracht, wenn die Ursächlichkeit der unvollständigen Aufklärung für den eingetretenen Schaden (vom Geschädigten) nachgewiesen werden könne.Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht treffe den Arzt bzw den Krankenhausträger die Beweislast dafür, daß der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zum Eingriff erteilt hätte, gehe es doch darum, das Vorliegen eines die Rechtswidrigkeit des Eingriffes ausschließenden Rechtfertigungsgrundes zu behaupten und zu beweisen (SZ 69/199; JBl 1995, 453; 2 Ob 197/97b; Hofmann, Die Aufklärungspflicht des Arztes im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes RZ 1998, 80 ff [82 mwN]; Harrer in Schwimann, ABGB2 Rz 52 f zu Paragraph 1302, mwN). Die beklagte Partei hat im Verfahren erste Instanz vorgebracht, die Klägerin hätte den Eingriff auch dann vornehmen lassen, wenn sie über die mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit mögliche Nervenschädigung aufgeklärt worden wäre. Es widerspreche der Lebenserfahrung, daß die Klägerin die von ihr als chronisch geschilderten Schmerzen im Bereich des Unterbauchs mit unbekannter Ursache weiterhin mit dem Risiko des Vorliegens einer Erkrankung hingenommen hätte, da durch den geplanten Eingriff eine Linderung der Schmerzen zu erwarten gewesen sei und sich die Wahrscheinlichkeit einer Nebenwirkung nur im Promillebereich bewegt habe. Die Beweislast für diesen Einwand des "rechtmäßigen Alternativverhaltens" trägt nach Lehre und ständiger Rechtsprechung der Schädiger (SZ 62/154; SZ 63/151; SZ 69/199; JBl 1994, 336; JBl 1995, 453 [Steiner]; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 23b zu Paragraph 1299 ;, Harrer aaO Rz 50 zu Paragraph 1300 und Rz 53 zu Paragraph 1301, f; EvBl 1997/86; 2 Ob 197/97b ua). Dazu vertritt Dullinger aaO die Auffassung, die dabei wesentliche Frage, ob die vollständige Aufklärung den entstandenen Schaden verhindert hätte, sei bereits im Zusammenhang mit der Kausalität der unterlassenen Aufklärung zu prüfen; für eine gesonderte Prüfung der Kausalität der Pflichtwidrigkeit und die Beweislast des Beklagten bleibe hier kein Raum. Bestehe das rechtswidrige Verhalten in einem Unterlassen, gehe nämlich die Frage des rechtmäßigen Alternativverhaltens bereits in der Kausalitätsprüfung auf und sei von dieser nicht zu trennen. Die Beweislast dafür, daß das Verhalten - hier die Unterlassung - des Beklagten den eingetretenen Schaden verursacht hat, trage aber nach allgemeinen Grundsätzen der Schadenersatzkläger. Eine Haftung des Arztes komme daher nur dann in Betracht, wenn die Ursächlichkeit der unvollständigen Aufklärung für den eingetretenen Schaden (vom Geschädigten) nachgewiesen werden könne.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 23. 2. 1999, 4 Ob 335/98p festgestellt, daß diese Ausführungen Dullingers keine Veranlassung bieten, von der bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Beweislastverteilung abzugehen. Die Meinung Dullingers steht nicht nur der zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, sondern auch der herrschenden Lehre entgegen. So vertreten Karollus (Schutzgesetzverletzung 399 ff) und Koziol (Haftpflichtrecht I3 Rz 8/67) die Auffassung, derjenige, der konkret gefährlich, also risikoerhöhend und rechtswidrig gehandelt hat, habe das gesamte Aufklärungsrisiko zu tragen. Er müsse den Beweis führen, daß sich die Risikoerhöhung im zu prüfenden Fall nicht ausgewirkt hat. Die Beweislastverteilung zu Lasten des rechtswidrig Handelnden lasse sich auch dadurch rechtfertigen, daß ein Verhalten unterbunden werden solle, daß einerseits gefährlich sei und anderseits Aufklärungsschwierigkeiten heraufbeschwöre. Das Risiko der Unaufklärbarkeit sei aber eher jenem, der es durch rechtswidriges Handeln geschaffen habe, als dem Geschädigten aufzuerlegen. Zur Frage der Arzthaftung vertritt Koziol aaO Rz 8/72 die Auffassung, der Arzt hafte einem nicht ausreichend über die Risken eines Eingriffes aufgeklärten Patienten (dessen Einwilligung mangels Aufklärung unwirksam sei) nur dann nicht, wenn ihm (dem Arzt) der Nachweis gelinge, daß der Patient auch bei Vornahme der erforderlichen Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte und die Schäden daher ebenso eingetreten wären (4 Ob 335/98p).

Das Erstgericht hat dazu von der beklagten Partei unbekämpft festgestellt, daß sich die Klägerin bei gebotener Aufklärung über das Risiko einer Nervenschädigung eine Überlegungszeit erbeten und weitere Ärzte konsultiert hätte. Ob die Klägerin bei ausreichender Belehrung in der Folge der durchgeführten Operation zugestimmt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Damit ist der beklagten Partei der ihr obliegende Beweis, daß die Klägerin dem Eingriff auch im Falle ihrer Aufklärung über Behandlungsrisken und - alternativen zugestimmt hätte, nicht gelungen.

Auch der Hinweis der beklagten Partei auf die in der neueren Rechtsprechung des BGH vertretene Substantiierungspflicht, wonach der Patient substantiiert darlegen müsse, daß er bei ausreichender Aufklärung zum damaligen Zeitpunkt vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, aus dem heraus die von ihm behauptete Ablehnung der Behandlung verständlich werde, führt im vorliegenden Fall zu keiner anderen Entscheidung. Dabei dürfen nämlich auch nach der Rechtsprechung des BGH keine allzu hohen Anforderungen an die Plausibilität der vom Patienten geäußerten Gründe gestellt werden, um nicht dessen individuelle Entscheidungsspielräume zu unterlaufen. Daher reicht es keinesfalls, die hypothetische Behandlungsverweigerung am Maßstab des "vernünftigen Patienten" zu orientieren. Es kommt vielmehr allein auf die Würdigung der persönlichen Entscheidungssituation an, in der sich der Betroffene befand und aus der heraus die behauptete Ablehnung der Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich wird. Entscheidend ist somit, ob eine Aufklärung die Klägerin ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob sie ihre Einwilligung erteilen solle. Die dem Patienten auferlegte Substantiierungspflicht beschränkt sich nicht nur darauf, daß er bei vollständiger Aufklärung den Eingriff überhaupt abgelehnt (und etwa einer Alternativtherapie zugestimmt) hätte, sondern, daß er diesen beispielsweise zu einem späteren Zeitpunkt hätte vornehmen lassen. Die Beweislast eines non liquet verbleibt nach wie vor beim Arzt, auf dessen Aufklärungspflichtverstoß die Ungewißheit über den wahrscheinlichen Verlauf, dh die real nicht mehr reproduzierbare Willensbildung des Patienten ja schließlich zurückzuführen ist (vgl Engljähringer, Ärztliche Aufklärungspflicht vor medizinischen Eingriffen 118 und 120 mwN; ZfS 1994, 436; VersR 1991, 812 uva).Auch der Hinweis der beklagten Partei auf die in der neueren Rechtsprechung des BGH vertretene Substantiierungspflicht, wonach der Patient substantiiert darlegen müsse, daß er bei ausreichender Aufklärung zum damaligen Zeitpunkt vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, aus dem heraus die von ihm behauptete Ablehnung der Behandlung verständlich werde, führt im vorliegenden Fall zu keiner anderen Entscheidung. Dabei dürfen nämlich auch nach der Rechtsprechung des BGH keine allzu hohen Anforderungen an die Plausibilität der vom Patienten geäußerten Gründe gestellt werden, um nicht dessen individuelle Entscheidungsspielräume zu unterlaufen. Daher reicht es keinesfalls, die hypothetische Behandlungsverweigerung am Maßstab des "vernünftigen Patienten" zu orientieren. Es kommt vielmehr allein auf die Würdigung der persönlichen Entscheidungssituation an, in der sich der Betroffene befand und aus der heraus die behauptete Ablehnung der Behandlung zum damaligen Zeitpunkt verständlich wird. Entscheidend ist somit, ob eine Aufklärung die Klägerin ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob sie ihre Einwilligung erteilen solle. Die dem Patienten auferlegte Substantiierungspflicht beschränkt sich nicht nur darauf, daß er bei vollständiger Aufklärung den Eingriff überhaupt abgelehnt (und etwa einer Alternativtherapie zugestimmt) hätte, sondern, daß er diesen beispielsweise zu einem späteren Zeitpunkt hätte vornehmen lassen. Die Beweislast eines non liquet verbleibt nach wie vor beim Arzt, auf dessen Aufklärungspflichtverstoß die Ungewißheit über den wahrscheinlichen Verlauf, dh die real nicht mehr reproduzierbare Willensbildung des Patienten ja schließlich zurückzuführen ist vergleiche Engljähringer, Ärztliche Aufklärungspflicht vor medizinischen Eingriffen 118 und 120 mwN; ZfS 1994, 436; VersR 1991, 812 uva).

Bei der Klägerin lag weder ein vital indizierter Eingriff noch eine schwere oder gar lebensbedrohende Erkrankung vor. Es mag schon sein, daß sich ein vernünftiger Patient in der Mehrzahl der Fälle nach der Empfehlung des Arztes richten und einer von diesem vorgeschlagenen Behandlung zustimmen würde. Das Erstgericht hat aber auch unbekämpft festgestellt, daß sich die Klägerin bei der gebotenen Aufklärung über Behandlungsrisken und -alternativen eine Überlegungszeit erbeten und weitere Ärzte konsultiert hätte. Damit ist jedoch hinreichend dargelegt, daß sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, aus dem heraus die von ihr behauptete Ablehnung der bei ihr durchgeführten Operation verständlich wird (vgl 8 Ob 402/97v). Demgegenüber hat die beklagte Partei keine Umstände geltend gemacht, die im konkreten Fall das Gegenteil unter Beweis stellen könnten. Es wäre daher auch unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des BGH vertretene Substantiierungspflicht die Haftung der beklagten Partei im vorliegenden Fall zu bejahen.Bei der Klägerin lag weder ein vital indizierter Eingriff noch eine schwere oder gar lebensbedrohende Erkrankung vor. Es mag schon sein, daß sich ein vernünftiger Patient in der Mehrzahl der Fälle nach der Empfehlung des Arztes richten und einer von diesem vorgeschlagenen Behandlung zustimmen würde. Das Erstgericht hat aber auch unbekämpft festgestellt, daß sich die Klägerin bei der gebotenen Aufklärung über Behandlungsrisken und -alternativen eine Überlegungszeit erbeten und weitere Ärzte konsultiert hätte. Damit ist jedoch hinreichend dargelegt, daß sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden wäre, aus dem heraus die von ihr behauptete Ablehnung der bei ihr durchgeführten Operation verständlich wird vergleiche 8 Ob 402/97v). Demgegenüber hat die beklagte Partei keine Umstände geltend gemacht, die im konkreten Fall das Gegenteil unter Beweis stellen könnten. Es wäre daher auch unter Bedachtnahme auf die in der Rechtsprechung des BGH vertretene Substantiierungspflicht die Haftung der beklagten Partei im vorliegenden Fall zu bejahen.

Der Revision kommt somit insgesamt keine Berechtigung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E53129 06A01268

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0060OB00126.98T.0311.000

Dokumentnummer

JJT_19990311_OGH0002_0060OB00126_98T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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