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L34006 Abgabenordnung Steiermark;Norm
BauG Stmk 1995 §119 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der L-Gesellschaft m.b.H. in Graz, vertreten durch Dr. Günther Schmied, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Am Eisernen Tor 3/II, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 15. Oktober 2003, Zl. A8/1-K354/1998-5, betreffend Haftung für einen Aufschließungsbeitrag nach der Steiermärkischen Bauordnung 1968, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 28. Oktober 1993 erteilte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz unter Spruchpunkt I der H-GmbH die Baubewilligung für die Errichtung von drei dreigeschoßigen Wohngebäuden und einer Tiefgarage sowie für den Abbruch eines Einfamilienhauses auf einer näher bezeichneten Liegenschaft. Unter Spruchpunkt II wurde der H-GmbH gemäß § 6a Stmk BauO 1968 idF LGBl. Nr. 43/1992 in Verbindung mit der Verordnung der Steiermärkischen Landesregierung vom 17. April 1989 über die Festsetzung des Aufschließungsbeitrages, LGBl. Nr. 25/1989, auf Grund der unter Spruchpunkt I erteilten Baubewilligung unter Zugrundelegung einer Geschoßfläche von 2.143,78 m2 und eines Einheitssatzes von S 100,-- ein Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 214.378,-- vorgeschrieben, wobei angefügt wurde, dass die Fälligstellung in einem eigenen Bescheid erfolgen werde.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 22. April 1998 an die H-GmbH wurde der mit Bescheid vom 28. Oktober 1993 vorgeschriebene Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 214.378,-- fällig gestellt.
In einem von Ing. PG gezeichneten Schreiben auf Briefpapier einer H & Partner Planung und Errichtung GmbH vom 4. Juni 1998 wurde "Einspruch gegen oa. Vorschreibung" erhoben und vorgebracht, dass nicht die H-GmbH Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft gewesen sei und somit auch ein eventuell offener Saldo aus dem Titel des Aufschließungsbeitrages von dieser nicht eingefordert werden könne. Das Grundstück samt darauf befindlicher Bebauung sei von der H Bauträger-GmbH als Verkäuferin an die beschwerdeführende Partei als Käuferin am 20. November 1995 veräußert worden. Es sei daher ein allfällig offener Aufschließungsbeitrag von der beschwerdeführenden Partei einzufordern.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 10. März 1999 wies der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz die Berufung der H & Partner Planung und Errichtung GmbH als unbegründet ab. Diese Berufungsvorentscheidung wurde von der Post mit dem Vermerk "verzogen" retourniert. Nachforschungen seitens der Finanzrechtsabteilung des Magistrates Graz ergaben, dass hinsichtlich der Baubewilligung vom 28. Oktober 1993 Bauwerber die H-GmbH gewesen sei. Diese Gesellschaft befinde sich in Liquidation. Damalige Grundstückseigentümerin sei die H Bauträger-GmbH gewesen. Diese Firma sei aufgelöst worden. Eigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft sei seit 20. November 1995 beziehungsweise seit 21. November 1995 die beschwerdeführende Partei.
Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 24. November 1998 wurde sodann die beschwerdeführende Partei gemäß §§ 5 und 172 Stmk LAO in Verbindung mit § 6a Abs. 6 Stmk BauO 1968, idF LGBl. Nr. 14/1989, als Gesamtschuldnerin für den mit Bescheid vom 28. Oktober 1993 vorgeschriebenen Aufschließungsbeitrag zur Haftung herangezogen. Gemäß § 6a Stmk BauO 1968 sei der Bauwerber abgabepflichtig, der Eigentümer zum Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung hafte solidarisch und im Falle einer Veräußerung hafte der neue Eigentümer für den allfällig noch offenen Betrag.
Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung.
Nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung erließ die belangte Behörde auf Grund des Vorlageantrages der beschwerdeführenden Partei den angefochtenen Bescheid, mit dem sie die Berufung gegen den Bescheid vom 24. November 1998 als unbegründet abwies. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Veräußerung der gegenständlichen Liegenschaft an die beschwerdeführende Partei nach Erteilung der Baubewilligung erfolgt sei. Unter Punkt 5 des Kaufvertrages sei auch festgehalten, dass Steuern und andere öffentliche Abgaben von der beschwerdeführenden Partei getragen würden. Da der gegenständliche Aufschließungsbeitrag weder vom Bauwerber noch von der Voreigentümerin der Liegenschaft geleistet worden sei, sei nach den Bestimmungen des zum Zeitpunkt des Verkaufes der gegenständlichen Liegenschaft bereits geltenden Stmk BauG 1995 vorzugehen. Gemäß § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 seien die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen. Dem hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 98/06/0164, sei zu entnehmen, dass § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 darauf hinweise, dass anhängige Verfahren insgesamt (auch Abgabenverfahren) nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen seien. Der Baubewilligungsbescheid vom 28. Oktober 1993 sei am 19. November 1993 rechtskräftig geworden. Das Bewilligungsverfahren sei somit abgeschlossen. Für den Aufschließungsbeitrag sei der Bauwerber abgabepflichtig, haftbar sei aber der Grundeigentümer im Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes (Baubewilligung). Daran ändere auch die spätere Übertragung des Eigentums nichts, doch hafte der neue Eigentümer für noch offene Aufschließungsbeiträge im Sinne des § 5 Abs. 1 Stmk LAO. Diese Haftung könne jederzeit und ohne weitere Voraussetzung durch Haftungsbescheid im Sinne des § 172 Stmk LAO geltend gemacht werden, wodurch der neue Eigentümer selbstständig und nicht bloß akzessorisch neben den von Anfang an Abgabepflichtigen als Mitschuldner trete. Der neue Eigentümer hafte für alle im Zeitpunkt des Eigentumserwerbes noch nicht entrichteten (unter Umständen noch gar nicht fälligen) Aufschließungsbeiträge. Da es sich beim Aufschließungsbeitrag um eine mit dem Eigentum des Grundstücks zusammenhängende Verpflichtung, somit um eine auf dem Grundstück ruhende Last handle, könne der Aufschließungsbeitrag nur dem jeweiligen Grundeigentümer vorgeschrieben werden. Die Bestimmung des § 6a Stmk BauO 1968 sehe nicht vor, dass der Rechtsnachfolger im Grundeigentum mit dem Eigentumsübergang die Stellung eines persönlich für den Aufschließungsbeitrag Haftungspflichtigen erlange, sondern ordne an, dass ein gegenüber dem früheren Grundeigentümer erlassener Abgabenbescheid ab dem Eigentumsübergang dem neuen Eigentümer gegenüber dingliche Wirkung, d.h. unmittelbar Rechtswirkung, entfalte. Wenn nach Erteilung einer Baubewilligung und vor Bezahlung der entsprechenden Abgabe eine Gesetzesänderung stattfinde, so könne nicht davon ausgegangen werden, dass "durch die Gesetzesänderung auch eine Änderung des Grundsatzes der Vorschreibung geändert" werde. So sei auch die Übergangsbestimmung des § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 zu verstehen, dem nicht unterstellt werden könne, dass der Gesetzgeber mit dieser Übergangsvorschrift auch eine Änderung dieses Grundsatzes anordnen habe wollen. Mit dieser Übergangsvorschrift sei gewährleistet, dass die Stmk BauO 1968 hinsichtlich davon betroffener Bewilligungsverfahren bis zu deren Abschluss noch maßgebliche Rechtsgrundlage sein könne. Hinsichtlich des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei, dass sie zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht Alleineigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft gewesen sei, sei darauf hinzuweisen, dass es auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabentatbestandes ankomme und nicht auf den Zeitpunkt der Berufungsentscheidung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
§ 6a Steiermärkische Bauordnung 1968 (in der Folge: Stmk BauO 1968), LGBl. Nr. 149/1968 idF LGBl. Nr. 42/1991, lautete auszugsweise:
"(1) Die Baubehörde hat gleichzeitig mit der Erteilung der Baubewilligung einen Aufschließungsbeitrag für die im Bauland (§ 23 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127) gelegenen Grundstücke vorzuschreiben. Dieser Beitrag, der für die Errichtung der Fahrbahn und der Straßenbeleuchtung sowie für die Oberflächenentwässerung zu verwenden ist, wird zur Hälfte mit Rechtskraft der Baubewilligung fällig. Die zweite Hälfte des Beitrages wird mit Rechtskraft der Benützungsbewilligung oder einer Teilbenützungsbewilligung fällig. Der Aufschließungsbeitrag wird jedoch zur Gänze mit Rechtskraft der Baubewilligung fällig, wenn die Aufschließung des Grundstückes zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen ist.
(2) Der Aufschließungsbeitrag darf für dasselbe Gebäude nur einmal vorgeschrieben werden. Im Falle von Um- und Zubauten oder bei Vorliegen mehrerer Baubewilligungen ist ein Ergänzungsbeitrag entsprechend der Vergrößerung der Geschossfläche (Abs. 3) vorzuschreiben. Ein vor Inkrafttreten dieses Gesetzes entrichteter Aufschließungsbeitrag ist bei Aufschließungsbeitragsvorschreibung nach diesem Gesetz anzurechnen.
Bei der Wiedererrichtung von Gebäuden höchstens im selben Ausmaß ohne Änderung des Verwendungszweckes hat die Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages zu entfallen, wenn dadurch für die Gemeinde keine zusätzlichen Kosten für die Errichtung der Fahrbahn und der Straßenbeleuchtung sowie für die Oberflächenentwässerung verursacht werden.
(3) Der Aufschließungsbeitrag errechnet sich aus dem Produkt von Einheitssatz je Quadratmeter und der ermittelten Geschossfläche. Bei der Ermittlung der Geschossfläche ist die verbaute Fläche heranzuziehen. Dabei wird das Erdgeschoss zur Gänze, die übrigen Geschosse sowie der Keller und bewohnbare Dachgeschosse zur Hälfte berechnet. Für Nebengebäude (Garagen, Ställe, Scheunen und dergleichen) ist ebenfalls nur die Hälfte der Geschossfläche heranzuziehen.
(4) Die Höhe des Einheitssatzes je Quadratmeter hat die Landesregierung durch Verordnung festzulegen und der laufenden Kostenentwicklung anzupassen. Dieser Festsetzung sind die Kosten einer regelprofilmäßigen Straßenaufschließung des Baulandes mit einer mittelschwer befestigten, dauernd staubfreien und maximal 6 m breiten Fahrbahn einschließlich der Entwässerungs- und Beleuchtungsanlagen zugrundezulegen.
(5) Mit Zustimmung der Gemeinde erbrachte Eigenleistungen sind auf den Aufschließungsbeitrag anzurechnen.
(6) Abgabepflichtig ist der Bauwerber, der Eigentümer des Grundstückes zur Zeit der Erteilung der Baubewilligung haftet solidarisch. Wird das Grundstück nach der Erteilung der Baubewilligung veräußert, so haftet der neue Eigentümer für den allfällig noch offenen Betrag.
(7) Diese Aufschließungsbeiträge dürfen als Interessentenbeiträge nur für die Herstellung von Fahrbahn, Oberflächenentwässerung und Straßenbeleuchtung im Bauland verwendet werden. Sie sind ausschließliche Gemeindeabgaben im Sinne des § 6 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 und des § 14 Abs. 1 Z 14 sowie Abs. 2 des Finanzausgleichsgesetzes 1985."
§ 15 Steiermärkisches Baugesetz - Stmk BauG (in der Folge: Stmk BauG 1995), LGBl. Nr. 59/1995 idF LGBl. Nr. 7/2002, lautet:
"§ 15
Bauabgabe
(1) Anlässlich der Erteilung der Baubewilligung oder der Genehmigung der Baufreistellung ist dem Bauwerber von der Abgabenbehörde eine Bauabgabe vorzuschreiben. Für die Bauabgabe samt Nebengebühren haftet auf dem Grundstück, bei Superädifikaten oder Objekten nach dem Baurechtsgesetz auf den baulichen Anlagen, ein gesetzliches Pfandrecht. Wird von der Baubewilligung nicht Gebrauch gemacht, so ist die vorgeschriebene Bauabgabe bei späteren Baubewilligungen auf demselben Grundstück anzurechnen.
(2) Bei Zu- und Umbauten ist die Bauabgabe entsprechend der neugewonnenen Bruttogeschoßfläche zu berechnen.
(3) Die Bauabgabe errechnet sich aus dem Produkt von Einheitssatz je Quadratmeter und der Bruttogeschoßfläche. Dabei sind Erdgeschosse zur Gänze, die übrigen Geschosse (Tiefgaragengeschosse, Keller, Obergeschosse, Dachgeschosse u. dgl.) zur Hälfte zu berechnen.
(4) Der Einheitssatz beträgt EUR 8,72/m2. Die Landesregierung kann durch Verordnung die Höhe des Einheitssatzes an die Entwicklung der Baukosten anpassen. Sie hat sich dabei an der Entwicklung des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt veröffentlichten Baukostenindex zu orientieren.
(5) Die Bauabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne § 6 Abs. 1 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948.
(6) Die Abgaben sind zur Finanzierung von folgenden Maßnahmen zweckgebunden:
1. Herstellung von Verkehrsflächen, Oberflächenentwässerungen und Straßenbeleuchtungen;
2.
Übernahme von Grundstücken in das öffentliche Gut;
3.
Errichtung und Gestaltung von öffentlichen Kinderspielplätzen sowie Grünflächen;
4. Erstellung von Bebauungsplänen und Bebauungsrichtlinien.
(7) Bei der Errichtung von Betriebsobjekten für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung sind für Geschoßflächen, die nicht dem Wohnen dienen, von der errechneten Bauabgabe nur 25 Prozent vorzuschreiben.
(8) Die Vorschreibung der Bauabgabe entfällt:
1.
bei der Wiedererrichtung von Gebäuden für dasselbe Ausmaß;
2.
bei Nebengebäuden."
Das Stmk BauG 1995 trat gemäß seinem § 120 mit 1. September 1995 in Kraft. Gemäß §§ 120 und 121 Stmk BauG 1995 trat die Stmk BauO 1968 mit 1. September 1995 außer Kraft. Nach § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 waren die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach den "bisher geltenden Bestimmungen" zu Ende zu führen, wobei in der Landeshauptstadt Graz "über Berufungen in erster Instanz anhängiger Verfahren" die Berufungskommission entscheidet.
Gemäß § 5 Abs. 1 Stmk LAO werden Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 172) zu Gesamtschuldnern.
§ 172 Stmk LAO bestimmt, dass die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht werden.
Nach § 193 Stmk LAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 172 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 191 Abs. 2 bis 4 Stmk LAO sinngemäß.
Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei wendet sich im Wesentlichen gegen die Auffassung der belangten Behörde, § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 bewirke, dass auch bei einem Eigentumsübergang nach dem 1. September 1995 der neue Eigentümer (hier: die beschwerdeführende Partei) gemäß § 6a Stmk BauO 1968 zur Haftung für einen vor dem 1. September 1995 vorgeschriebenen Aufschließungsbeitrag herangezogen werden könnte.
Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Recht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 6a Abs. 6 Stmk BauO 1968 zur Haftung für eine vor dem Inkrafttreten des Stmk BauG 1995 entstandene und dem vom Grundeigentümer verschiedenen Bauwerber vorgeschriebene Abgabenschuld herangezogen.
Sie hat das Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft erst nach dem 1. September 1995, somit nach Inkrafttreten des Stmk BauG 1995 beziehungsweise nach dem Außerkrafttreten der Stmk BauO 1968 (vgl. §§ 120 und 121 Stmk BauG 1995), erworben.
§ 6a Stmk BauO 1968, der - anders als § 15 Stmk BauG 1995, der ein gesetzliches Pfandrecht auf der Liegenschaft für die Abgabenschuld vorsieht - die persönliche Haftung des neuen Grundeigentümers normierte, kann nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich dies aus § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 ergäbe. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Gemäß § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu führen. Die Anwendung der alten Rechtslage wurde somit lediglich für Fälle angeordnet, in denen am 1. September 1995 bereits ein Verfahren anhängig war.
Der belangten Behörde ist zwar insoferne beizupflichten, als sich § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 generell auf anhängige Verfahren nach der Stmk BauO 1968, somit auch auf Verfahren hinsichtlich der in der Stmk BauO 1968 geregelten Abgaben, bezieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 98/06/0164).
Das Verfahren zur Vorschreibung der Abgabe und das Verfahren zur Heranziehung der beschwerdeführenden Partei zur Haftung stellen aber kein derartiges einheitliches Verfahren dar, welches als ein zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes anhängiges Verfahren verstanden werden könnte (vgl. zur Differenzierung zwischen Schuld und Haftung das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 17/2747/80, sowie zur Unterscheidung der Verfahren zur Geltendmachung des Abgabenanspruches einerseits und zur Geltendmachung der Haftung andererseits das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2001, Zl. 2000/16/0886).
Daraus folgt aber, dass im Beschwerdefall, in dem ein vom Abgabenverfahren getrenntes Haftungsverfahren erst im Jahr 1998 und somit nach Außerkrafttreten der Stmk BauO 1968 eingeleitet wurde und die beschwerdeführende Partei auch erst nach dem Inkrafttreten des Stmk BauG 1995 Eigentum an der gegenständlichen Liegenschaft erworben hat, nicht von einem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stmk BauG 1995 anhängigen (Haftungs)Verfahren ausgegangen werden kann.
Der Umstand, dass der Abgabentatbestand, für den ursprünglich eine Haftung vorgesehen war, vor dem Außerkrafttreten der Stmk BauO 1968 verwirklicht wurde (und der Vorschreibungsbescheid vor diesem Zeitpunkt erging), bedeutet nicht, dass damit auch die zeitlich unbefristete Anwendung der Haftungsbestimmungen auch auf Sachverhalte, die sich nach Außerkrafttreten der Haftungsbestimmung ereignen, möglich wäre. Nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften ist vielmehr - sofern keine Übergangsbestimmungen bestehen - auch für die Geltendmachung der Haftung für eine Abgabe ganz allgemein maßgebend, welche Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Haftungstatbestandes gegolten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177, Slg. 13.384/A). Eine Rechtsvorschrift, die die "Haftungspflicht begründet" im Sinne des § 172 Stmk LAO stand zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch die beschwerdeführende Partei nicht (mehr) in Kraft.
Da der haftungsauslösende Tatbestand (der Eigentumserwerb) im Beschwerdefall erst nach dem Inkrafttreten des Stmk BauG 1995 eingetreten ist, kommt eine Anwendung der Stmk BauO 1968 auch abgesehen von dem nach den obigen Ausführungen schon aus der Übergangsvorschrift des § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 abzuleitenden Ergebnisses nicht in Betracht.
Somit bietet weder § 119 Abs. 2 Stmk BauG 1995 eine Grundlage für die Geltendmachung einer auf § 6a Stmk BauO 1968 gestützten Haftung gegenüber der beschwerdeführenden Partei, noch wäre eine solche auf Grund allgemeiner Überlegungen zur Anwendung von Abgabenvorschriften im Zeitablauf begründbar.
Im Übrigen ist zur Argumentation der belangten Behörde bezüglich einer angeblichen dinglichen Wirkung darauf hinzuweisen, dass selbst im Anwendungsbereich der Stmk BauO 1968 die Ansicht, nach § 6a Stmk BauO 1968 entfalte ein gegenüber dem früheren Grundeigentümer erlassener Abgabenbescheid ab dem Eigentumsübergang dem neuen Eigentümer gegenüber dingliche Wirkung, unzutreffend und im vorliegenden Zusammenhang auch unschlüssig ist. Läge tatsächlich ein Bescheid mit dinglicher Wirkung vor, bedürfte es nicht der Erlassung eines Haftungsbescheides. Zur Begründung der Zulässigkeit eines Haftungsbescheides ist der Hinweis auf eine angebliche dingliche Wirkung eines Abgabenvorschreibungsbescheides jedenfalls ungeeignet; die belangte Behörde hat bei dieser Argumentation darüber hinaus auch übersehen, dass im Beschwerdefall kein Bescheid gegenüber dem Grundeigentümer (sondern gegenüber dem Bauwerber) ergangen ist.
Die Haftung gegenüber dem neuen Eigentümer ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 17/2747/80) mittels Haftungsbescheid nach § 172 Stmk LAO geltend zu machen.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 24. Oktober 2006
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003170321.X00Im RIS seit
18.01.2007