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21/02 Aktienrecht;Norm
AktG 1965 §75;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der X in K, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer Rechtsanwalt GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 2. August 2006, Zl. FMA-RA0001/0031-LAW/2006, betreffend Verweigerung der Akteneinsicht in einem Verfahren gemäß § 70 Abs. 4 BWG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Schreiben vom 19. Mai 2006 leitete die belangte Behörde ein Geschäftsleiterqualifikationsverfahren gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 iVm § 5 Abs. 1 Z 7 BWG gegen die Y AG ein.
Die beschwerdeführende Partei stellte mit Schreiben vom 12. Juni 2006 als "größter Aktionär der Y AG" den Antrag auf Akteneinsicht in diesem Verfahren.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag zurück.
In der vorliegenden Beschwerde erachtet sich die beschwerdeführende Partei in dem Recht verletzt, dass ihr Begehren auf Akteneinsicht im genannten
Geschäftsleiterqualifikationsverfahren nicht mangels Parteistellung zurückgewiesen werde.
Unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 92/03/0259, zur Frage, aus welchen Vorschriften sich die Parteistellung nach § 8 AVG ergeben kann, und § 75 Aktiengesetz, aus dem sich ergebe, dass der Vorstand einer AG des Vertrauens der Hauptversammlung bedürfe, wird die Auffassung vertreten, dass der beschwerdeführenden Partei im Hinblick auf ihre Stellung als Aktionärin Parteistellung gemäß § 8 AVG im Verfahren nach § 70 Abs. 4 BWG zukäme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 70 Abs. 4 BWG, BGBl. Nr. 532/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2005, lautet:
"(4) Liegt eine Konzessionsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Z 1 bis 14 oder gemäß § 5 Abs. 4 nach Erteilung der Konzession nicht mehr vor oder verletzt ein Kreditinstitut Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, des Sparkassengesetzes, des Bausparkassengesetzes, der Einführungsverordnung zum Hypothekenbank- und zum Pfandbriefgesetz, des Hypothekenbankgesetzes, des Pfandbriefgesetzes, des Bankschuldverschreibungsgesetzes, des Investmentfondsgesetzes, des Depotgesetzes, des Beteiligungsfondsgesetzes, des E-Geldgesetzes, des BMVG, des Immobilien-Investmentfondsgesetzes, des Finanzkonglomerategesetzes, einer auf Grund dieser Bundesgesetze erlassenen Verordnung oder eines Bescheides, so hat die FMA
1. dem Kreditinstitut unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falles angemessen ist;
2. im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen wäre, und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden kann; in diesem Fall ist die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen;
3. die Konzession zurückzunehmen, wenn andere Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz die Funktionsfähigkeit des Kreditinstitutes nicht sicherstellen können."
In dem (im Zusammenhang mit den Konzessionsvoraussetzungen) verwiesenen § 5 Abs. 1 BWG werden in den Z 6 bis 8 Voraussetzungen normiert, die die Geschäftsleiter der Bank erfüllen müssen. Z 7 bezieht sich dabei auf die erforderliche Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter.
Das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 17 AVG kommt, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien zu ("... den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten").
Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 8 AVG ausgesprochen, dass die Bestimmung, wann und inwieweit im einzelnen Fall eine Beteiligung vermöge eines Rechtsanspruches oder vermöge eines rechtlichen Interesses gegeben ist, an Hand der in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorzunehmen sei (vgl. z.B. aus jüngerer Zeit das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2005/05/0014, sowie Grabenwarter, Subjektive Rechte und Verwaltungsrecht,
16. ÖJT, 2006, I/1, 52). Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 8 AVG hat sich daher aus dem in der Verwaltungssache anzuwendenden materiellen Recht zu ergeben. Eine Parteistellung in einem Verfahren gemäß § 70 Abs. 4 BWG ist somit dann gegeben, wenn aus dem BWG ersichtlich ist, dass bei der Entscheidung der Behörde über eine allfällige Maßnahme gemäß § 70 Abs. 4 BWG auf Rechte Dritter (vom betroffenen Kreditinstitut verschiedener Rechtsträger) Bedacht zu nehmen ist. Eine Anordnung gemäß § 70 Abs. 4 BWG greift zunächst in die Rechte des Kreditinstituts, an welches sich die Anordnung richtet, ein. Diesem kommt somit jedenfalls Parteistellung im Verfahren zu. Eine darüber hinausgehende Parteistellung dritter Personen könnte sich nach ständiger Rechtsprechung und Lehre (vgl. auch Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht2, Rz 1102) nur ergeben, wenn aus der anwendbaren materiellen Verwaltungsvorschrift erkennbar wäre, dass der Gesetzgeber individuelle Interessen wahren wollte und nicht bloß Vorschriften im öffentlichen Interesse erlassen hat.
Wie sich auch aus dem von der beschwerdeführenden Partei genannten Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 92/03/0259, ergibt, sind etwa bloße wirtschaftliche Interessen, die durch keine Rechtsvorschriften zu rechtlichen Interessen erhoben werden, nicht ausreichend, die Parteistellung zu begründen.
§ 75 Aktiengesetz regelt die Bestellung und Abberufung des Vorstands. Demnach bestellt der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder auf höchstens fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung ist zulässig, juristische Personen oder Personengesellschaften können nicht zum Vorstand bestellt werden. Der Aufsichtsrat kann ein Mitglied des Vorstands zum Vorsitzenden des Vorstands ernennen (§ 75 Abs. 3 Aktiengesetz). Gemäß § 75 Abs. 4 Aktiengesetz kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist.
Wenn in der Beschwerde versucht wird, aus § 75 Aktiengesetz und dem sich daraus ergebenden Erfordernis des Vertrauens der Aktionäre in die Vorstände eine rechtliche Betroffenheit von Aktionären durch Verfahren gemäß § 70 Abs. 4 BWG, die im Hinblick auf die Eignung der Vorstände der Bank eingeleitet werden, abzuleiten, so ist hiezu auf Folgendes zu verweisen:
Der Umstand, dass die Vorstände des Unternehmens das Vertrauen der Aktionäre benötigen, begründet kein rechtliches Interesse der Aktionäre im Sinn des § 8 AVG hinsichtlich sämtlicher denkbarer Verfahren, die sich auf die Vorstände beziehen. Dies gilt sowohl für Verfahren, in denen die Vorstände selbst Partei sind (etwa Verwaltungsstrafverfahren oder behördliche Verfahren, die über Antrag eines Vorstands eingeleitet wurden oder die von Amts wegen im Hinblick etwa auf die Erteilung verwaltungspolizeilicher Aufträge gegen ein Vorstandsmitglied eingeleitet wurden) als auch für Verfahren wie das vorliegende gemäß § 70 Abs. 4 BWG, das grundsätzlich das Kreditinstitut betrifft und allenfalls in einer Anordnung gegenüber dem Kreditinstitut mündet, der Sache nach aber die Tätigkeit des Vorstandsmitgliedes betrifft. Diese indirekte Betroffenheit begründet keine rechtliche Betroffenheit der Aktionäre durch das entsprechende Verfahren, das zur Erteilung des Auftrags führen kann.
Auch der Umstand, dass sich aus einem Auftrag an das Kreditinstitut gemäß § 70 Abs. 4 BWG (wirtschaftliche) Folgen für die Aktionäre ergeben können, begründet nach den oben dargestellten allgemeinen Grundsätzen keine subjektiven Rechte der Aktionäre. Auch wenn ein allfälliger derartiger Auftrag im Hinblick auf die Qualifikation oder die Zuverlässigkeit der Geschäftsführer zu erteilen ist, sind die Aktionäre nicht in ihrer Rechtsstellung betroffen. Aus § 70 Abs. 4 BWG ist nämlich nicht abzuleiten, dass sich die belangte Behörde bei ihren Entscheidungen über Maßnahmen gemäß § 70 Abs. 4 BWG über den Aspekt der rechtlichen Betroffenheit des Kreditinstitutes (welchem ein Recht darauf zukommt, dass ein Auftrag nach § 70 Abs. 4 BWG nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen und nur in dem gesetzlich gedeckten Umfang erteilt wird) hinaus mit Fragen der Interessen der Aktionäre des Kreditinstitutes auseinander zu setzen hätte (die dadurch zu rechtlich geschützten Interessen würden). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der in der Beschwerde für die Begründung der Parteistellung herangezogene Konnex zwischen dem Erfordernis des Vertrauens der Aktionäre in die Geschäftsleiter und dem Verfahren gegen die Bank nach § 70 Abs. 4 BWG wegen der Zuverlässigkeit der Geschäftsführer auch schon deshalb keine rechtliche Betroffenheit durch das Verfahren zur Erteilung des Auftrags aufzeigt, weil dieses Verfahren lediglich die Reaktion der Behörde auf ein Verhalten der Geschäftsführer (Vorstandsmitglieder) darstellt; die Berücksichtigung eines allfälligen Informationsinteresses der Aktionäre bezüglich dieses Verhaltens hätte bzw. hat im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Informationsmöglichkeiten Berücksichtigung zu finden bzw. gefunden und bietet das BWG keinen Anhaltspunkt dafür, in einem Verfahren nach § 70 Abs. 4 BWG eine allfällige (gesellschaftsrechtliche) Regelungslücke zu schließen.
Im Lichte der Beschwerdeausführungen sind beim Verwaltungsgerichtshof auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die dargestellte Rechtslage entstanden (vgl. zu den grundrechtlichen Anforderungen an die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Parteirechte im Verwaltungsverfahren Grabenwarter, Subjektive Rechte und Verwaltungsrecht,
16. ÖJT, 2006, I/1, 79 ff).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 24. Oktober 2006
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Diverses Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006170143.X00Im RIS seit
18.01.2007