TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/24 2005/06/0129

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Veröffentlicht am 24.10.2006
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauG Stmk 1995 §13 Abs1;
BauG Stmk 1995 §13 Abs2;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z2;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauG Stmk 1995 §41 Abs6;
BauRallg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des PK in T, vertreten durch Dr. Peter Wasserbauer, Dr. Gisela Possnig und Dr. Michael Maurer, Rechtsanwaltsgemeinschaft in 8160 Weiz, Lederergasse 10/2, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 2. März 2005, Zl. FA13B-12.10 T 133 - 05/2, betreffend Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. KS,

2. CS, beide in W, beide vertreten durch Dr. Frowin Kaar, Rechtsanwalt in 8160 Weiz, Marburger Straße 9, und 3. Gemeinde T, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Hinblick auf beide Spruchpunkte wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 3. Jänner 2003 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde auf Grund des Ansuchens des Erst- und der Zweitmitbeteiligten die Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit angebauter Kleingarage auf dem Grundstück Nr. 148/1, KG L. Gleichzeitig wurden Auflagen "lt. beil. Gutachten" vorgeschrieben. In dem im Akt der mitbeteiligten Gemeinde einliegenden Gutachten des Baumeisters F.H. vom 18. Dezember 2002 war in Auflage 45. vorgesehen, dass der Abstand zwischen dem nordwestlich gelegenen Nachbargebäude und dem gegenständlichen Objekt mindestens 8,0 m betragen müsse und der im Projekt ausgewiesene Abstand entsprechend abzuändern sei.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 18. März 2003 als unbegründet ab.

Mit Schriftsatz vom 19. Jänner 2004 beantragte der Beschwerdeführer, der Eigentümer eines dem Baugrundstück unmittelbar benachbarten Grundstückes ist, die Erlassung eines Baueinstellungs- bzw. Beseitigungsauftrages insbesondere mit der Begründung, dass der Gebäudeabstand gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG um 0,2 m unterschritten werde.

Mit Bescheid vom 13. Juli 2004 stellte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde fest, dass die nordwestliche Gebäudefront des Hauses auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück nicht den im Baubewilligungsbescheid vom 3. Jänner 2003 vorgeschriebenen Abstandsvorschriften zum Gebäude der Familie des Beschwerdeführers entspreche und aus diesem Grunde die Beseitigung der Abweichung in einer laut Gutachten des Sachverständigen Ing. F.H. festgestellten Länge von 3,607 m aufgetragen werde, wobei das Erdgeschoß und die Aufmauerung im Dachgeschoß davon betroffen seien. In der Begründung wurde dargelegt, dass der Gebäudeabstand zum Nachbargebäude im Baubewilligungsbescheid mit 8 m festgelegt worden sei, tatsächlich werde dieser Abstand um 0,2 m unterschritten und es sei diesbezüglich ein Vermessungsgutachten eingeholt worden, dem letztlich zu entnehmen sei, dass der vorgeschriebene Gebäudeabstand von 8 m in einer Länge von 3,607 m unterschritten werde.

In der dagegen erhobenen Berufung machten der Erst- und die Zweitmitbeteiligte geltend, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 99/06/0087) § 13 Abs. 1 Stmk. BauG betreffend den Gebäudeabstand nicht anzuwenden sei, wenn auf dem Nachbargrundstück der Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht eingehalten sei, weil es nach der früheren Rechtslage eine derartige Abstandsregelung nicht gegeben habe oder rechtswidrigerweise dem § 13 Abs. 2 Stmk. BauG oder einer gleichartigen früheren Grenzabstandsregelung nicht entsprochen worden sei, wenn auf Grund der Lage und Größe der betroffenen Gebäude keine relevante Beeinträchtigung der durch das Stmk. BauG geschützten Interessen des Altbestandes erkennbar sei. Das Einfamilienhaus des Beschwerdeführers sei im Jahr 1961 errichtet worden, somit vor Inkrafttreten der Stmk. BauO 1968, und der Um- und Zubau am Altbestand sei vor Inkrafttreten des Stmk. BauG erfolgt. § 13 Abs. 2 Stmk. BauG (gemeint wohl: § 13 Abs. 1 betreffend den Gebäudeabstand) sei im vorliegenden Fall im Sinne dieser Judikatur nicht anzuwenden.

Auch der Beschwerdeführer erhob Berufung, weil er den Auftrag, der sich nur auf die Beseitigung der Abweichung richtete, für rechtswidrig erachtete und einen Beseitigungsauftrag für das gesamte seiner Ansicht nach konsenslos errichtete Gebäude forderte.

Mit Bescheid vom 7. September 2004 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der Berufung des Erst- und der Zweitmitbeteiligten Folge und hob den erstinstanzlichen Bescheid auf. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass auf Grundlage des von dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten ins Treffen geführten Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses vom 29. Juni 2000, Zl. 99/06/0087, eine Abstandsverletzung nicht vorliege, da der Altbestand auf dem Nachbargrundstück des Beschwerdeführers die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht einhalte. Dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 19. Mai 1992 die Baubewilligung für einen Um- und Zubau beim bestehenden Wohnhaus zur Errichtung eines Zweifamilienhauses bewilligt worden. Dieser Um- und Zubau sei hauptsächlich durch Aufmauerung am Bestand mit einer Kniestockhöhe von 2 m getätigt worden, was zu einem weiteren Geschoß geführt habe, weshalb der Grenzabstand 5 m hätte betragen müssen.

Mit dem weiteren Bescheid vom 7. September 2004 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der Begründung führte die Berufungsbehörde aus, dass nach dem Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 29. Juni 2000 bei einem Neubau der Gebäudeabstand laut § 13 Abs. 1 Stmk. BauG nicht anzuwenden sei, wenn der Altbestand auf dem Nachbargrundstück die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 leg. cit. nicht einhalte, weshalb die Unterschreitung des Gebäudeabstandes nicht mehr von Bedeutung sei und der erstinstanzliche Bescheid zu beheben gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. September 2004 betreffend die Aufhebung des Beseitigungsauftrages mangels Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers als unbegründet ab (Spruchpunkt I). Die belangte Behörde wies mit diesem Bescheid auch die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde (gleichfalls) vom 7. September 2004 betreffend die Abweisung seiner Berufung gegen den Beseitigungsauftrag als unbegründet ab (Spruchpunkt II).

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass zwar die verfahrensgegenständliche Bauführung nicht in Entsprechung des Baubewilligungsbescheides vom 3. Jänner 2003 erfolgt sei, zumal der Auflagepunkt 45. nicht eingehalten worden sei. Tatsächlich habe im Verfahren festgestellt werden können, dass der Abstand zwischen dem Wohngebäude des Beschwerdeführers und dem verfahrensgegenständlichen Gebäude lediglich 7,72 m (unter Einbeziehung des Vollwärmeschutzes beim Wohnhaus des Beschwerdeführers) bzw. 7,79 m (ohne Vollwärmeschutz) betrage. Auf Grund dieser Feststellungen sei zunächst auch der erstinstanzliche Beseitigungsauftrag erlassen worden.

Es sei nun zu prüfen, ob die konsenslose Bauführung geeignet sei, ein konkretes Nachbarrecht - nämlich die Einhaltung des Mindestgebäudeabstandes im Sinne des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG - zu verletzen. Außer Zweifel stehe, dass das verfahrensgegenständliche Gebäude den gesetzlichen Mindestgrenzabstand im Sinne des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG jedenfalls einhalte (es handle sich im maßgeblichen Bereich um ein eingeschoßiges Gebäude, das einen Grenzabstand von etwa 4,5 bis 5,5 m aufweise). Unbestritten sei weiters, dass das Wohnhaus des Beschwerdeführers im maßgeblichen Bereich lediglich einen Grenzabstand von weniger als 3 m aufweise, obgleich es sich bei diesem Wohnhaus um ein dreigeschoßiges Gebäude handle. Diesem Gebäude des Beschwerdeführers liege die Baubewilligung vom 19. Mai 1992 zu Grunde, mit dem die Baubewilligung für den Um- und Zubau am bestehenden Wohnhaus zur Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses erteilt worden sei. Gegenstand dieses Um- und Zubauvorhabens sei u.a. die Erhöhung des Kniestockes sowie die Ausbildung von Dachgaupen gewesen. Diese Baubewilligung sei im Widerspruch zur damals geltenden Abstandsregelung erteilt worden, sei jedoch als Rechtsbestand anzusehen, da der Baubewilligungsbescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

Dem § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG liege offenbar das Konzept zu Grunde, dass im zeitlichen Geltungsbereich dieser Bestimmung bei gesetzeskonformer Vollziehung jeweils der Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG auf den jeweils angrenzenden Grundstücken eingehalten werde. Die Summe der gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG jeweils einzuhaltenden Grenzabstände ergebe genau das vom Gesetzgeber für den Abstand zwischen Gebäuden mindestens geforderte Ausmaß. Es stelle sich dabei die Frage, ob § 13 Abs. 1 Stmk. BauG auch in Fällen anzuwenden sei, in denen auf dem Nachbargrundstück § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht eingehalten sei, weil es nach der früheren Rechtslage eine derartige Abstandsregelung nicht gegeben habe oder - wie im vorliegenden Fall - rechtswidrigerweise eine Baubewilligung in Widerspruch zu § 13 Abs. 2 Stmk. BauG oder einer gleichartigen früheren Grenzabstandsregelung erteilt worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in diesem Zusammenhang im Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 99/06/0087, ausgesprochen, dass eine verfassungskonforme Auslegung des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG, jedenfalls in einem Fall - in dem auch auf Grund der Lage und Größe der betroffenen Gebäude keine relevante Beeinträchtigung der durch das Steiermärkische Baugesetz geschützten Interessen eines Altbestandes erkennbar sei - gebiete, dass diese Abstandsregelung nicht anzuwenden sei, wenn der Altbestand auf dem Nachbargrundstück die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht einhalte. Andernfalls würde sich für das benachbarte Grundstück in derartigen Fällen ergeben, dass die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG überhaupt nicht zum Tragen komme, dass vielmehr die Regelung über die Abstände zwischen den Gebäuden gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG gleichzeitig den Grenzabstand eines Gebäudes auf einem solchen Nachbargrundstück in unterschiedlichstem Ausmaß und in Abweichung von Abs. 2 festlege. Eine solche Auslegung würde dem Gleichheitssatz im Hinblick auf den auf jedem Grundstück einzuhaltenden Grenzabstand widersprechen. Es könnte nicht sachlich gerechtfertigt werden, warum für Bauten auf Grundstücken, auf deren Nachbargrundstücken sich dem § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht entsprechende Bauten befänden, die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG wegen der darüber hinausgehenden Anordnung des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG in diesen Fällen überhaupt keine Bedeutung habe bzw. sich de facto viel größere Grenzabstände aus § 13 Abs. 2 Stmk. BauG ergäben und der Grund dafür nicht in den Verhältnissen dieses Grundstückes gelegen sei, sondern darin, dass ein Bauwerk auf dem Nachbargrundstück den Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG mehr oder weniger unterschreite.

Abschließend sei zu prüfen, ob im vorliegenden Fall ein vergleichbarer Sachverhalt, der auch der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegen sei, vorliege. Auszugehen sei davon, dass das Grundstück des Beschwerdeführers auf Grund der Hanglage in diesem Bereich wesentlich höher als das Wohnhaus des Erst- und der Zweitmitbeteiligten liege. Darüber hinaus bestehe das Wohnhaus des Beschwerdeführers aus einem Kellergeschoß, das nahezu zur Gänze über dem angrenzenden Gelände liege, dem Erdgeschoß sowie dem ausgebauten Dachgeschoß, das auf Grund seiner Gaupenausbildung als abstandsrelevantes Geschoß anzusehen sei. Diese maßgebliche Gebäudefront sei etwas südöstlich ausgerichtet, wobei sich auch der Hang Richtung Südosten neige. Das Wohngebäude des Erst- und der Zweitmitbeteiligten sei im Vergleich zum Wohnhaus des Beschwerdeführers Richtung Osten versetzt und liege wesentlich tiefer, als das Wohnhaus des Beschwerdeführers. Auf Grund der Hanglage sei davon auszugehen, dass das südöstlich gelegene Wohnhaus der Familie des Erst- und der Zweitmitbeteiligten im Hinblick auf die Belichtung keine Auswirkungen auf das Erdgeschoß sowie das Dachgeschoß des Wohnhauses des Beschwerdeführers habe. Auf Grund der Lage und Situierung der verfahrensgegenständlichen Gebäude könne daher keine relevante Beeinträchtigung eines Nachbarrechtes im Sinne des Stmk. BauG festgestellt werden, sodass im vorliegenden Fall die Einhaltung des Grenzabstandes durch das Wohnhaus des Erst- und der Zweitmitbeteiligten als ausreichend zu beurteilen sei. Eine Verletzung von subjektiven Rechten des Beschwerdeführers durch die Unterschreitung des im Baubewilligungsbescheid vorgeschriebenen Gebäudeabstandes von 8 m könne daher nicht festgestellt werden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Beschwerdeführer erachtet sich insbesondere in seinem Recht auf Einhaltung des Gebäudeabstandes gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie der Erst- und die Zweitmitbeteiligte - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 Stmk. Baugesetz (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59/1995, kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen (subjektiv-öffentlich-rechtliche Einwendungen). Das sind u. a. Bestimmungen über

"2. die Abstände (§ 13); ... ."

Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. sind Gebäude entweder unmittelbar aneinander zu bauen oder müssen voneinander einen ausreichenden Abstand haben. Werden zwei Gebäude nicht unmittelbar aneinandergebaut, muss ihr Abstand mindestens so viele Meter betragen, wie die Summe der beiderseitigen Geschoßanzahl, vermehrt um 4, ergibt (Gebäudeabstand).

Gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschoße, vermehrt um 2, ergibt (Grenzabstand).

Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

Gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG steht den Nachbarn steht das Recht auf Erlassung eines baupolizeilichen Auftrages zu, wenn die Bauarbeiten, die baulichen Anlagen oder sonstigen Maßnahmen im Sinne der Abs. 1, 3 und 4 ihre Rechte (§ 26 Abs. 1) verletzen.

Dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 29. Juni 2000, Zl. 99/06/0087, lag der Fall zu Grunde, dass sich auf dem Nachbargrundstück des Baugrundstückes in einem Grenzabstand von rund 4 m ein 25-geschoßiges Hochhaus befand, weshalb auf dem Baugrundstück gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG ein Gebäudeabstand von 27 m einzuhalten gewesen wäre. Der Grenzabstand dieses Hochhauses betrug entgegen der Regelung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht 27 m, sondern 4 m. In diesem Fall vertrat der Verwaltungsgerichtshof zur Anwendung des § 13 Abs. 1 und 2 Stmk. BauG folgende Auffassung:

"Die gewünschte Anwendung (allein) der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG würde dazu führen, dass sich um dieses - wie gesagt, nach den nunmehrigen Vorschriften viel zu nah an der Grenze errichtete - Hochhaus gleichsam eine Bauverbotszone über weite Bereiche der angrenzenden Liegenschaften erstrecken würde.

Die Anwendung des § 13 Abs. 1 Stmk. BauG würde im vorliegenden Fall zu einem schwer wiegenden Eingriff in das Eigentumsrecht des Eigentümers des Nachbargrundstückes und damit in dessen verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums führen, der auch im Hinblick auf die sich daraus ergebende Begünstigung des dem § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht entsprechenden Altbestandes unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG) bedenklich erschiene. Betrachtet man § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Stmk. BauG im Zusammenhalt, muss daraus abgeleitet werden, dass dem Gesetz in Bezug auf den Abstand zwischen den Gebäuden gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG offenbar das Konzept zu Grunde liegt, dass im zeitlichen Geltungsbereich dieser Bestimmung bei gesetzeskonformer Vollziehung jeweils der Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG auf den jeweils angrenzenden Grundstücken eingehalten wird. Die Summe der gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. jeweils einzuhaltenden Grenzabstände ergibt genau das vom Gesetzgeber für den Abstand zwischen Gebäuden mindestens geforderte Ausmaß. Es stellt sich die Frage, ob § 13 Abs. 1 leg. cit. auch in Fällen anzuwenden ist, in denen auf dem Nachbargrundstück § 13 Abs. 2 leg. cit. nicht eingehalten ist, weil es nach der früheren Rechtslage eine derartige Abstandsregelung nicht gegeben hat oder rechtswidrigerweise dem § 13 Abs. 2 leg. cit. oder einer gleichartigen früheren Grenzabstandsregelung nicht entsprochen wurde. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 13 Abs. 1 leg. cit. gebietet nun - jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem auch auf Grund der Lage und Größe der betroffenen Gebäude keine relevante Beeinträchtigung der durch das Stmk. BauG geschützten Interessen eines Altbestandes erkennbar ist -, dass diese Abstandsregelung nicht anzuwenden ist, wenn der Altbestand auf dem Nachbargrundstück die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 Stmk. BauG nicht einhält. Andernfalls würde sich für das benachbarte Grundstück in derartigen Fällen ergeben, dass die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 leg. cit. überhaupt nicht zum Tragen kommt, dass vielmehr die Regelung über die Abstände zwischen den Gebäuden gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. gleichzeitig den Grenzabstand für ein solches Nachbargrundstück in unterschiedlichstem Ausmaß und in Abweichung von Abs. 2 festlegte. Eine solche Auslegung würde dem Gleichheitssatz im Hinblick auf den von jedem Grundstück einzuhaltenden Grenzabstand widersprechen. Es könnte nicht sachlich gerechtfertigt werden, warum für Bauten auf Grundstücken, auf deren Nachbargrundstücken sich dem § 13 Abs. 2 leg. cit. nicht entsprechende Bauten befinden, die Grenzabstandsregelung des § 13 Abs. 2 leg. cit. wegen der darüber hinausgehenden Anordnung des § 13 Abs. 1 leg. cit. in diesen Fällen überhaupt keine Bedeutung hat bzw. sich de facto viel größere Grenzabstände aus § 13 Abs. 1 leg. cit. ergeben und der Grund dafür nicht in den Verhältnissen dieses Grundstückes gelegen ist, sondern darin, dass ein Bauwerk auf dem Nachbargrundstück den Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. mehr oder weniger unterschreitet, weil im Zeitpunkt der Erteilung der Baubewilligung keine derartigen Grenzabstände gegolten haben bzw. die Baubewilligung rechtswidrigerweise mit geringeren Grenzabständen erteilt worden war. Es ist der belangten Behörde daher zuzustimmen, dass keine subjektiven Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden."

Der Beschwerdeführer macht zu Spruchpunkt I. geltend, dass das angeführte hg. Erkenntnis keine allgemeine Aussage treffe, wonach schon immer dann der Gebäudeabstand nicht einzuhalten sei, wenn das Nachbargrundstück den Grenzabstand verletze. Es liege auch kein ähnlicher oder vergleichbarer Sachverhalt vor. In dem dem angeführten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall hätte die strikte Anwendung der Abstandsvorschriften des § 13 leg. cit. faktisch zur Festlegung einer Bauverbotszone über weite Bereiche der angrenzenden Liegenschaften geführt, wie dies der Verwaltungsgerichtshof auch zum Ausdruck gebracht hätte. Im vorliegenden Fall führe jedoch die Anwendung der Abstandsregelung keineswegs - wie in dem angeführten Erkenntnis angenommen - zu einem schwer wiegenden Eingriff in das Eigentumsrecht der erst- und zweitmitbeteiligten Partei, da durch die Vorschreibung eines Gebäudeabstandes von 8 m in keiner Weise die Bauführung unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Die Überlegungen dieses Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes dürften nicht verallgemeinert werden, sondern nur in gleich gelagerten Fällen herangezogen werden. Wenn die belangte Behörde ausführe, dass auf Grund der Lage und der Situierung der verfahrensgegenständlichen Gebäude keine relevante Beeinträchtigung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Belichtung und Besonnung einträte, so sei dem entgegenzuhalten, dass naturgemäß in der großen Mehrzahl aller Bauvorhaben bei einer geringfügigen Unterschreitung einer Abstandsvorschrift der Nachbar nicht negativ beeinträchtigt wäre (vom Landesgesetzgeber seien aber Mindestabstände vorgeschrieben worden, die auch nach dem zitierten Erkenntnis unter gewissen Voraussetzungen nur in Ausnahmefällen unterschritten werden könnten). Weiters sei im vorliegenden Fall nach der Auflage 45. des Baubewilligungsbescheides der Gebäudeabstand von 8 m einzuhalten und die Bauausführung nach dem "Vorlageprojekt" entsprechend abzuändern. Es liege daher eine konsenslose Bauführung vor. Der Gebäudeabstand von 8 m sei zwingend durch einen rechtskräftigen Bescheid festgelegt. Der Erst- und die Zweitmitbeteiligte hätten sich gegen diese Auflage mit einer Berufung zur Wehr setzen können. Die belangte Behörde habe mit der Stattgebung der Vorstellung in den rechtskräftigen Bestand des Baubewilligungsbescheides unzulässigerweise eingegriffen.

Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt Berechtigung zu. Der Umstand, dass im vorliegenden Fall dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten mit dem rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid vom 3. Jänner 2003 in Auflage 45. eine projektändernde Auflage erteilt wurde, nach der zum Nachbargebäude ein Abstand von 8 m (statt im Projekt vorgesehen von 7,8 m) einzuhalten sei, unterscheidet den vorliegenden Fall wesentlich von dem dem angeführten Erkenntnis vom 29. Juni 2000 zu Grunde liegenden Sachverhalt. Die maßgeblichen Überlegungen des angeführten Erkenntnisses, dass ein Bauwerber in Bezug auf einen Nachbarn mit einem Gebäude auf seinem Grundstück, das den Grenzabstand gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG selbst nicht einhält, gegenüber dessen Forderungen auf Einhaltung des Gebäudeabstandes gemäß § 13 Abs. 1 Stmk. BauG geschützt werden muss, treffen im vorliegenden Beseitigungsverfahren nicht zu. Der Erst- und die Zweitmitbeteiligte hätten im Baubewilligungsverfahren diesen Schutz geltend machen müssen. Dies hat die Folge, dass dem Beschwerdeführer, da die Erst- und Zweitmitbeteiligten ihr Gebäude rechtswidrig nicht der Baubewilligung entsprechend errichtet haben, im vorliegenden Fall das Recht auf Erlassung eines Beseitigungsauftrages uneingeschränkt zusteht.

Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides erweist sich daher als rechtswidrig und wird gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides macht der Beschwerdeführer geltend, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 99/06/0198) grundsätzlich der gesamte Bau Gegenstand eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages sei, zumal es sich um ein einheitliches Bauwerk handle und Gebäudeteile, die bewilligte Abstände verletzten, keinesfalls als von einem Gebäude trennbare Teile beurteilt werden könnten. Die belangte Behörde hätte daher der diesbezüglichen Vorstellung des Beschwerdeführers dahingehend Folge zu geben gehabt, dass der erstinstanzliche Beseitigungsbescheid dahingehend abgeändert werde, dass die Beseitigung des gesamten Bauwerkes angeordnet werde.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erweist sich schon deshalb als rechtswidrig, weil die belangte Behörde ihn auch darauf aufgebaut hat, dass die Aufhebung des Beseitigungsauftrages zu Recht erfolgt ist, und sie daher auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, dass der Beseitigungsauftrag nicht nur die Abweichung, sondern wegen Untrennbarkeit das gesamte Gebäude erfassen müsse, überhaupt nicht eingegangen ist. Zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Problematik ist festzustellen, dass er als Nachbar durch einen Beseitigungsauftrag, der sich nur auf den den Gebäudeabstand verletzenden Teil bezieht, nicht in dem i. V.m. § 41 Abs. 6 Stmk. BauG geltend gemachten Recht auf Einhaltung des Gebäudeabstandes verletzt sein kann. Ihm kommt daher gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG jedenfalls kein Anspruch auf einen weitergehenden Beseitigungsauftrag zu.

Schon aus diesem Grund wird auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 24. Oktober 2006

Schlagworte

Auflagen BauRallg7 Baurecht Baubefehl Polizeibefehl baupolizeilicher Auftrag Baurecht Nachbar Besondere Rechtsgebiete Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005060129.X00

Im RIS seit

30.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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