TE OGH 1999/3/25 2Ob87/99d

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Veröffentlicht am 25.03.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagten Parteien 1. P*****versicherungsanstalt *****, 2. ***** U*****versicherungsanstalt *****, *****, 3.

L*****versicherungsanstalt *****, *****, alle vertreten durch Dr. Ludwig Hoffmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 4. Rosa Z*****, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3. Dezember 1998, GZ 2 R 280/98p-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Juli 1998, GZ 13 Cg 99/98s-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Am 11. 7. 1995 ertranken Alfred, Corinna und Carina Z***** in einem auf öffentlichem Wassergut der klagenden Partei befindlichen Rückhaltebecken. Die Viertbeklagte, die Witwe nach Alfred Z***** hat in einem gegen die Republik Österreich geführten Rechtsstreit den Ersatz von Begräbniskosten ersiegt, wobei der Republik Österreich zur Last gelegt wurde, angesichts des zu steilen Ufers des Rückhaltebeckens die Gefahrensicherungspflicht verletzt zu haben.

Die nun beklagten Sozialversicherungsanstalten haben im Zusammenhang mit diesem Unfall Versicherungsleistungen erbracht und gegen die klagende Partei entsprechende Regreßforderungen angekündigt. Auch die Viertbeklagte beabsichtigt, weitere Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Mit der vorliegenden, am 18. 5. 1998 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei die Feststellung, daß sie den beklagten Parteien nicht für Schäden hafte, die aus dem Unfall vom 11. 7. 1995 resultieren. Sie brachte dazu vor, zu besonderen Sicherungsmaßnahmen nicht verpflichtet gewesen zu sein. Eine aus dem Rückhaltebecken resultierende Gefahr sei ihr nicht bekannt und auch nicht erkennbar gewesen.

Die beklagten Parteien wendeten insbesondere das fehlende Interesse der klagenden Partei an der begehrten Feststellung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die vorliegende negative Feststellungsklage könne den Zweck, einen für beide Seiten nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Rechtsanmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben, nicht erfüllen, weil durch den unmittelbar bevorstehenden Ablauf der Verjährungsfrist für die Ansprüche der beklagten Parteien ein solcher Schwebezustand nicht mehr lange dauern könne. Die beklagten Parteien wären auch ohne die negative Feststellungsklage gezwungen, in nächster Zeit, nämlich vor Ablauf der Verjährungsfrist, ihr Recht in einem Aktivprozeß zu beweisen oder die Verjährung eintreten zu lassen. Es fehle daher an einem Feststellungsinteresse.

Nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz brachten die beklagten Parteien gegen die klagende Partei Schadenersatzklagen ein, die jeweils auch ein Feststellungsbegehren im Hinblick auf künftige Schäden umfassen.

Das von der klagenden Partei angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; es bewertete den Entscheidungsgegenstand hinsichtlich jeder der beklagten Parteien mit S 260.000,-- übersteigend und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Das Berufungsgericht führte aus, daß das Begehren einer negativen Feststellungsklage, daß der Kläger nicht für Schäden, die aus einem bestimmten Schadensfall resultierten, hafte, regelmäßig weitergehe, als das positive Feststellungsbegehren des Geschädigten, das sich nur auf künftige Schäden beziehen könne, weil für bereits entstandene Schäden die Leistungsklage zur Verfügung stehe. Die Wirkung der negativen Feststellungsklage sei aber geringer, weil ihre Abweisung die Verjährung der Schadenersatzforderungen des Geschädigten nicht unterbreche. Diese geringere Wirkung sei von Bedeutung für die Frage der Prozeßökonomie. Neben dem Rechtsschutzbedürfnis, das dem bereits außergerichtlich belangten Schädiger nicht von vornherein abgesprochen werden könne, weil er ein Interesse an der Klärung der Rechtsunsicherheit habe, sei auch die prozeßökonomische Wirkung zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Der vorliegenden negativen Feststellungsklage komme diese prozeßökonomische Wirkung aber nicht zu. Angesichts des zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage bereits unmittelbar bevorstehenden Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist hätte die klagende Partei nämlich entweder mit alsbaldigen Aktivprozessen oder mit der die Rechtsunsicherheit beseitigenden Verjährung rechnen müssen und können. Es sei den Geschädigten ein höheres Rechtschutzbedürfnis an der Einbringung einer Feststellungsklage zuzubilligen. Eine zwei- oder mehrfache Klärung derselben grundlegenden Streitfrage widerspreche dem Grundsatz der Prozeßökonomie. Die aus § 228 ZPO abzuleitenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage seien somit hier nicht gegeben, weshalb das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen habe.Das Berufungsgericht führte aus, daß das Begehren einer negativen Feststellungsklage, daß der Kläger nicht für Schäden, die aus einem bestimmten Schadensfall resultierten, hafte, regelmäßig weitergehe, als das positive Feststellungsbegehren des Geschädigten, das sich nur auf künftige Schäden beziehen könne, weil für bereits entstandene Schäden die Leistungsklage zur Verfügung stehe. Die Wirkung der negativen Feststellungsklage sei aber geringer, weil ihre Abweisung die Verjährung der Schadenersatzforderungen des Geschädigten nicht unterbreche. Diese geringere Wirkung sei von Bedeutung für die Frage der Prozeßökonomie. Neben dem Rechtsschutzbedürfnis, das dem bereits außergerichtlich belangten Schädiger nicht von vornherein abgesprochen werden könne, weil er ein Interesse an der Klärung der Rechtsunsicherheit habe, sei auch die prozeßökonomische Wirkung zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage. Der vorliegenden negativen Feststellungsklage komme diese prozeßökonomische Wirkung aber nicht zu. Angesichts des zum Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage bereits unmittelbar bevorstehenden Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist hätte die klagende Partei nämlich entweder mit alsbaldigen Aktivprozessen oder mit der die Rechtsunsicherheit beseitigenden Verjährung rechnen müssen und können. Es sei den Geschädigten ein höheres Rechtschutzbedürfnis an der Einbringung einer Feststellungsklage zuzubilligen. Eine zwei- oder mehrfache Klärung derselben grundlegenden Streitfrage widerspreche dem Grundsatz der Prozeßökonomie. Die aus Paragraph 228, ZPO abzuleitenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage seien somit hier nicht gegeben, weshalb das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen habe.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil zur Frage der Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage als Angriffsmittel gegenüber kurz bevorstehenden Schadenersatzklagen keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagten Parteien haben Revisionsbeantwortungen erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, es seien die Voraussetzungen einer negativen Feststellungsklage gegeben, weil die beklagten Parteien ihr gegenüber Ansprüche geltend gemacht hätten. Es bedürfe keiner Abwägung des Rechtschutzbedürfnisses der negativen Feststellungsklage gegenüber dem Rechtschutzbedürfnis von potentiellen aber nicht real anhängigen gegenläufigen Leistungsklagen. Daß die beklagten Parteien nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz Schadenersatzklagen eingebracht hätten, sei unbeachtlich, weil dieser Zeitpunkt bezüglich des Sachverhaltsstandes auch den Verfahrensgegenstand des Berufungsgerichtes begrenze. Da nur dem Rechtschutzbedürfnis der klagenden Partei bezüglich der negativen Feststellungsklage, nicht aber dem Rechtschutzbedürfnis der beklagten Parteien an den Leistungsklagen rechtliche Relevanz zukomme, hätte das Berufungsgericht bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Berufung stattgeben müssen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 228 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Fehlen des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist in jeder Lage des Verfahrens, auch im Rechtsmittelverfahren, von Amts wegen wahrzunehmen (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 13 zu § 228 mwN; RIS-Justiz RS0039123). Eine negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RIS-Justiz RS0039109). Sie ist bei Berühmung eines Rechts zulässig, sofern Zweifel an seinem Bestehen überhaupt möglich sind (Rechberger, aaO, Rz 8 zu § 228 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, haben doch die beklagten Parteien Schadenersatzansprüche angedroht (und in der Folge auch geltend gemacht). Auch die nunmehr eingebrachten Leistungsklagen können der negativen Feststellungsklage das Interesse nicht nehmen, weil durch diese Leistungsklagen im Hinblick auf künftige Schäden nicht alle beiderseitigen Ansprüche einer endgültigen Rechtsfeststellung zugeführt wurden (EvBl 1963/321; RIS-Justiz RS0039060). Den Feststellungsklagen der beklagten Parteien steht aber die Streitanhängigkeit der vorliegenden negativen Feststellungsklage entgegen. Bei der hier vorliegenden Identität der Parteien und unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß zwischen positiver und negativer Feststellungsklage Identität der Ansprüche besteht (Rechberger, aaO, Rz 10 zu § 233; ders Rz 15 zu § 228; Fasching, LB2 Rz 1187) begründet die hier von der klagenden Partei eingebrachte negative Feststellungsklage für die später erhobenen Feststellungsklagen der beklagten Parteien Streitanhängigkeit (1 Ob 55/99s).Gemäß Paragraph 228, ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Rechtes geklagt werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß jenes Rechtsverhältnis oder Recht durch eine gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Das Fehlen des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist in jeder Lage des Verfahrens, auch im Rechtsmittelverfahren, von Amts wegen wahrzunehmen (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 13 zu Paragraph 228, mwN; RIS-Justiz RS0039123). Eine negative Feststellungsklage hat den Zweck, einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand zu beenden, die Anmaßung als Ursache der Rechtsunsicherheit abzuwehren und den Gegner zu zwingen, das angemaßte Recht zu beweisen oder aufzugeben (RIS-Justiz RS0039109). Sie ist bei Berühmung eines Rechts zulässig, sofern Zweifel an seinem Bestehen überhaupt möglich sind (Rechberger, aaO, Rz 8 zu Paragraph 228, mwN). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, haben doch die beklagten Parteien Schadenersatzansprüche angedroht (und in der Folge auch geltend gemacht). Auch die nunmehr eingebrachten Leistungsklagen können der negativen Feststellungsklage das Interesse nicht nehmen, weil durch diese Leistungsklagen im Hinblick auf künftige Schäden nicht alle beiderseitigen Ansprüche einer endgültigen Rechtsfeststellung zugeführt wurden (EvBl 1963/321; RIS-Justiz RS0039060). Den Feststellungsklagen der beklagten Parteien steht aber die Streitanhängigkeit der vorliegenden negativen Feststellungsklage entgegen. Bei der hier vorliegenden Identität der Parteien und unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß zwischen positiver und negativer Feststellungsklage Identität der Ansprüche besteht (Rechberger, aaO, Rz 10 zu Paragraph 233 ;, ders Rz 15 zu Paragraph 228 ;, Fasching, LB2 Rz 1187) begründet die hier von der klagenden Partei eingebrachte negative Feststellungsklage für die später erhobenen Feststellungsklagen der beklagten Parteien Streitanhängigkeit (1 Ob 55/99s).

Die von den Vorinstanzen für die klagsabweisende Entscheidung herangezogene Begründung ist sohin nicht zutreffend, weshalb deren Entscheidungen aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen war.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E53395 02A00879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0020OB00087.99D.0325.000

Dokumentnummer

JJT_19990325_OGH0002_0020OB00087_99D0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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