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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BewG 1955 §30 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des Dr. K in P, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. Jänner 2004, Zl. SV(SanR)-411092/3-2004-Bb/May, betreffend Feststellung von Beitragsgrundlagen nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer den Aufwand von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 2004 wurden monatliche Beitragsgrundlagen des Beschwerdeführers für das Jahr 2002 gemäß § 23 BSVG in näher bezeichneter Höhe festgestellt, wobei die belangte Behörde zu dem vom Einheitswert des landwirtschaftlichen Betriebs abgeleiteten Versicherungswert eine (gesonderte) Beitragsgrundlage auf Basis der Einkünfte aus einem landwirtschaftlichen Nebengewerbe (Fleischverarbeitung) des Beschwerdeführers hinzugerechnet hat.
Der Beschwerdeführer betreibe auf eigene Rechnung und Gefahr einen landwirtschaftlichen Betrieb im Ausmaß von 2,1747 ha. Im Lauf der Zeit habe er Grundflächen im Ausmaß von rund 60 ha zugepachtet. Er führe - seinem Einspruchsvorbringen zu Folge - ein biologisch-landwirtschaftliches Unternehmen, welches sich der extensiven Mutterkuhhaltung von Galloway-Rindern in Form der Weidewirtschaft widme. Die von den Rindern produzierte Milch diene der Kälberaufzucht. Er habe weder ein Milchkontingent noch Ackerflächen, die ein der "Pauschalierung" (der Sozialversicherungsbeiträge nach dem Einheitswert der bewirtschafteten Gründstücke) entsprechendes Einkommen erbringen würden. Auf Jahre hinaus sei nicht mit Erlösen aus dem "Tierzuchtverkauf" zu rechnen. Beim Verkauf des hochwertigen Fleisches der Rinder sei der Beschwerdeführer auf eine Direktvermarktung angewiesen, welche die einzige Einnahmequelle darstelle. Die entsprechende Verarbeitung bestehe in der portionsgerechten Zerteilung des Fleisches, welche ausschließlich an einen professionellen Fleischereibetrieb vergeben werde.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, § 2 Abs. 4 Z. 1 der Gewerbeordnung (1994) verstehe unter Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft (auf die die Gewerbeordnung nicht anzuwenden sei) die Verarbeitung und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturproduktes, welche auch durch einen befugten Gewerbetreibenden im Lohnverfahren erfolgen könne. Der Wert der allenfalls mitverarbeiteten Erzeugnisse müsse gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturproduktes untergeordnet sein. Die Anlage 2 zum BSVG sehe unter dem Titel "'beitragsrechtliche Zuordnung' gemäß § 23 BSVG vom Einkommen aus land- und forstwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG" als Versicherungstatbestand unter Punkt 3.1. die Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie Mostbuschenschank unter Anwendung eines einmaligen Freibetrages von EUR 3.700,-- vor. Der Beschwerdeführer übe eine mit dem Landwirtschaftsbetrieb im Zusammenhang stehende (Neben)Erwerbstätigkeit nach Maßgabe der Anlage 2 zum BSVG aus. Die daraus gewonnenen Einnahmen würden seit dem Jahr 2002 Beitragsrelevanz besitzen. Der Beschwerdeführer könne auch einen Antrag stellen, dass als Beitragsgrundlage anstelle des Vermögenswertes die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte herangezogen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 BSVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 67/2001 lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Auf Grund dieses Bundesgesetzes sind, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen pflichtversichert:
1. Personen, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Dabei wird vermutet, daß Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§ 16) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig. Die Pflichtversicherung erstreckt sich nach Maßgabe der Anlage 2 auch auf
a) land(forst)wirtschaftliche Nebengewerbe gemäß § 2 Abs. 1 Z 2 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194,
... soweit diese neben einer die Pflichtversicherung
begründenden Betriebsführung ausgeübt werden.
2. ..."
Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 Gewerbeordnung 1994 findet dieses Gesetz auf die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft keine Anwendung. Unter Nebengewerben der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 63/1997 die Verarbeitung und Bearbeitung überwiegend des eigenen Naturproduktes unter der Voraussetzung, dass der Charakter des jeweiligen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewahrt bleibt, zu verstehen. Die Be- und Verarbeitung kann auch durch einen befugten Gewerbetreibenden erfolgen. Der Wert der allenfalls mitverarbeiteten Erzeugnisse muss gegenüber dem Wert des bearbeiteten oder verarbeiteten Naturproduktes untergeordnet sein.
Die für die Pflichtversicherung darüber hinaus maßgebende Anlage 2 zum BSVG (in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 3/2002) nennt in ihrer Z. 1 den Versicherungstatbestand "Land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion (§ 5 des Landarbeitsgesetzes 1994)", für den keine gesonderte Beitragsgrundlage zu bilden ist, und in Z. 3 den der "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft gemäß § 2 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994", für den in Teilbereichen eine eigene (zusätzliche) Beitragsgrundlage zu bilden ist, und zwar für die in Z. 3.1.2 geregelte "Be- und Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte sowie Mostbuschenschank, sofern die Einnahmen aus diesen Tätigkeiten 3 700 EUR übersteigen", für die nunmehr (anders als noch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung der Anlage 2 BGBl. Nr. 559/1978) gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG eine gesonderte Beitragsgrundlage zu bilden ist. Zusammenfassend ergibt sich die Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte bei Betrieben, für die ein steuerlicher Einheitswert festgestellt ist, gemäß § 23 Abs. 1 Z. 1 BSVG aus dem von diesem abgeleiteten Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes; für Nebentätigkeiten im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 1 letzter Satz BSVG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z. 2 der Gewerbeordnung 1994 ist - soweit sie nicht nach der Anlage 2 zum BSVG vom Einheitswert des Betriebes umfasst sind -
eine gesonderte Beitragsgrundlage zu bilden (§ 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG). Diese beträgt in der Regel 30 % der Bruttoeinnahmen (§ 23 Abs. 4b BSVG). Auf Antrag des Versicherten sind jedoch - anstelle dieses Betrages - die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte heranzuziehen (§ 23 Abs. 1a BSVG).
Die ausdrückliche Einbeziehung der in Betracht kommenden Nebengewerbe in das BSVG erfolgte unabhängig davon, ob diese bereits im Begriff des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes enthalten und daher schon vor dem ASRÄG "mitversichert" gewesen sind oder nicht. Es sollte nämlich sicher gestellt werden, dass für Landwirte keine zweite Versicherungspflicht nach dem durch das ASRÄG 1997 neu eingeführten § 2 Abs. 1 Z. 4 GSVG entsteht, und es bestand seitens des Gesetzgebers die Absicht, auch die Einkünfte aus diesen Nebenbetrieben zusätzlich zum Einheitswert in die Beitragsgrundlage nach dem BSVG einzubeziehen (vgl. das Erkenntnis vom 26. April 2006, Zl. 2005/08/0140). Auf eine vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit gemäß § 2 Abs. 3a Gewerbeordnung 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2002 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen und dem Bundesminister für Finanzen zu erlassende Verordnung, welche von Land- und Forstwirten hergestellten Produkte der land- und forstwirtschaftlichen Urproduktion zugehörig sind, kommt es daher für die besagte Beurteilung ebenso wenig an wie auf den von der mitbeteiligten Partei erwähnten Erlass "Einkommensteuerrichtlinie 2000".
In einem Fall, in dem aus Milch durch Wärmebehandlung und Zusatz von Kakao oder Fruchtmischung Schulmilch hergestellt wurde, hat der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis Zl. 2005/08/0140 die Ansicht vertreten, dass darin die Verarbeitung des eigenen Naturproduktes "Milch" zu erblicken sei. Im dort entschiedenen Fall lag daher eine Nebentätigkeit im Sinn der Z. 3.2.1 der Anlage 2 zum BSVG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 vor, wofür eine gesonderte Beitragsgrundlage zu bilden war.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die landwirtschaftliche (Ur)Produktion iSd § 5 Abs. 1 Landarbeitsgesetz 1994 bzw. iSd § 2 Abs. 3 Z. 2 Gewerbeordnung 1994, also "das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse", nicht auch die Schlachtung der Nutztiere und deren Zerteilung durch den Landwirt selbst (oder - gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 - durch einen befugten Gewerbetreibenden im Lohnverfahren) umfasst (vgl. das zu § 2 Abs. 3 Z. 2 Gewerbeordnung 1973 ergangene hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1991, Zl. 90/04/0147). Diese Tätigkeiten bilden vielmehr ein Nebengewerbe iSd § 2 Abs. 1 lit. a BSVG iVm § 2 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 4 Z. 1 Gewerbeordnung 1994; sie sind als "Verarbeitung überwiegend eigener Naturprodukte" iSd Z. 3.1.2 der Anlage 2 zum BSVG anzusehen. Da die Einnahmen des Beschwerdeführers aus dieser Verarbeitung (bzw. aus der Vermarktung der aus ihr hervorgehenden Fleischerzeugnisse) im Jahr 2002 unstreitig EUR 3.700,-- überschritten haben, hat die belangte Behörde in rechtlich nicht zu beanstandender Weise eine (gesonderte) Beitragsgrundlage gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 BSVG gebildet. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers gegen diese Bestimmung werden vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, weil die durch das Nebengewerbe ermöglichte Wertschöpfung über diejenige des bloßen Haltens von Nutztieren hinausgeht, sodass die Bildung einer gesonderten Beitragsgrundlage neben dem Versicherungswert nicht unsachlich ist, zumal diese Wertschöpfung bei der Bewertung des landwirtschaftlichen Betriebes, insbesondere seiner Tierhaltung, keine Berücksichtigung findet (vgl. § 30 Abs. 5 und 6 BewG). Dennoch ist der angefochtene Bescheid aus einem anderen, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Grund rechtswidrig.
Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 17. April 2002 und vom 29. April 2003 die bescheidmäßige Feststellung seiner Beitragspflicht beantragt. Die erstinstanzliche Behörde war daher nicht berechtigt, einen bloßen Beitragsgrundlagenbescheid zu erlassen, zumal sie in der Begründung des angefochtenen Bescheids ausgeführt hat, dass sich "durch diese Anrechnung" (der Beitragsgrundlagen) für die Nebentätigkeit im Jahr 2002 ein Gesamtnachverrechnungsbetrag von EUR 511,18 ergeben würde. In Erledigung des Einspruches des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde die aufgezeigte Rechtswidrigkeit wahrnehmen und gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides vorgehen müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/08/0005).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das auf Ersatz der Pauschalgebühren gerichtete Kostenmehrbegehren war wegen der in Sozialrechtssachen geltenden sachlichen Abgabefreiheit (§ 44 Abs. 1 BSVG) abzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004080046.X00Im RIS seit
05.12.2006Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011