TE OGH 1999/4/14 9Ob74/99v

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Veröffentlicht am 14.04.1999
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann K*****, Frächter, *****, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wider die beklagte Partei Monika K*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Jörg Kaiser, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 1 C 82/94k des Bezirksgerichtes Bregenz wegen Ehescheidung (Streitwert S 65.000,--), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 16. Dezember 1998, GZ 1 R 599/98s-19, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 19. Oktober 1998, GZ 2 C 30/98a-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 13. 1. 1995, GZ 1 C 82/94-49, wurde im Vorprozeß die am 8. 1. 1990 zwischen den Parteien geschlossene Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten geschieden. Infolge Berufung der Beklagten änderte das Landesgericht Feldkirch als Berufungsgericht diese Entscheidung mit Urteil vom 6. 6. 1995, GZ 1 R 166/95-80, dahin ab, daß die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile geschieden wurde. Die außerordentlichen Revisionen beider Parteien wurden vom Obersten Gerichtshof zurückgewiesen (9 Ob 1577/95).

Der Kläger brachte am 27. 3. 1998 beim Landesgericht Feldkirch, dem Berufungsgericht des Vorprozesses, eine Wiederaufnahmsklage ein, in welcher er geltend machte, in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt zu sein und Beweismittel aufgefunden zu haben, deren Vorbringen und Benützung im Ehescheidungsverfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO). Es sei ihm in der zweiten Märzhälfte des Jahres 1998 zugetragen worden, daß seine geschiedene Ehegattin, die Beklagte, während aufrechter Ehe ein ehewidriges intimes Verhältnis Josef G***** gehabt hätte, der diese Beziehung gegenüber dem Kläger eingestanden habe.Der Kläger brachte am 27. 3. 1998 beim Landesgericht Feldkirch, dem Berufungsgericht des Vorprozesses, eine Wiederaufnahmsklage ein, in welcher er geltend machte, in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt zu sein und Beweismittel aufgefunden zu haben, deren Vorbringen und Benützung im Ehescheidungsverfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (Paragraph 530, Absatz eins, Ziffer 7, ZPO). Es sei ihm in der zweiten Märzhälfte des Jahres 1998 zugetragen worden, daß seine geschiedene Ehegattin, die Beklagte, während aufrechter Ehe ein ehewidriges intimes Verhältnis Josef G***** gehabt hätte, der diese Beziehung gegenüber dem Kläger eingestanden habe.

Mit Beschluß vom 6. 4. 1998, GZ 1 R 183/98i-2, sprach das Landesgericht Feldkirch seine Unzuständigkeit aus und überwies die Wiederaufnahmsklage an das zuständige Bezirksgericht Bregenz (= Erstgericht des Vorprozesses), bei dem die überwiesene Klage am 28. 4. 1998 einlangte. Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs des Klägers blieb erfolglos (9 Ob 169/98p).

Mit Beschluß vom 19. 10. 1998, GZ 2 C 30/98a-15, wies das Bezirksgericht Bregenz die Wiederaufnahmsklage als verspätet zurück. Davon ausgehend, daß der Kläger etwa 1 bis 2 Tage vor dem 23. 3. 1998 erfahren habe, daß es (während aufrechter Ehe) zu intimen Beziehungen zwischen der Beklagten und Josef G***** gekommen sei, der Kläger sohin seit diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Wiederaufnahmsgrund gehabt habe, vertrat es die Rechtsauffassung, daß durch die Einbringung der Wiederaufnahmsklage beim unzuständigen Gericht auf die Tage des Postlaufes nicht Bedacht genommen werden könne. In einem derartigen Fall sei vielmehr auf das spätere Einlangen der Klage beim zuständigen Gericht abzustellen. Dieses Einlangen sei jedoch erst am 28. 4. 1998, sohin nach Ablauf der bei einer Wiederaufnahmsklage gemäß § 534 Abs 1 und 2 Z 4 ZPO einzuhaltenden Notfrist von 4 Wochen erfolgt.Mit Beschluß vom 19. 10. 1998, GZ 2 C 30/98a-15, wies das Bezirksgericht Bregenz die Wiederaufnahmsklage als verspätet zurück. Davon ausgehend, daß der Kläger etwa 1 bis 2 Tage vor dem 23. 3. 1998 erfahren habe, daß es (während aufrechter Ehe) zu intimen Beziehungen zwischen der Beklagten und Josef G***** gekommen sei, der Kläger sohin seit diesem Zeitpunkt Kenntnis vom Wiederaufnahmsgrund gehabt habe, vertrat es die Rechtsauffassung, daß durch die Einbringung der Wiederaufnahmsklage beim unzuständigen Gericht auf die Tage des Postlaufes nicht Bedacht genommen werden könne. In einem derartigen Fall sei vielmehr auf das spätere Einlangen der Klage beim zuständigen Gericht abzustellen. Dieses Einlangen sei jedoch erst am 28. 4. 1998, sohin nach Ablauf der bei einer Wiederaufnahmsklage gemäß Paragraph 534, Absatz eins und 2 Ziffer 4, ZPO einzuhaltenden Notfrist von 4 Wochen erfolgt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. Es trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei. Werde beispielsweise eine Berufung unrichtigerweise direkt beim Rechtsmittelgericht eingebracht, entscheide für die Einhaltung der Berufungsfrist der Tag des Einlangens beim zuständigen Erstgericht. Nur wenn die Berufung dort innerhalb der Rechtsmittelfrist einlange, sei sie als rechtzeitig erhoben anzusehen. Da auch eine Wiederaufnahmsklage als Rechtsmittel im weiteren Sinn anzusehen sei, entscheide auch in diesem Fall für die Rechtzeitigkeit das Einlangen der Klage beim zuständigen Gericht. Das Risiko der Dauer der Übersendung der Klage vom unzuständigen an das zuständigen Gericht trage der Wiederaufnahmskläger. Der Revisionsrekurs sei jedoch zuzulassen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Rechtzeitigkeit der Wiederaufnahmsklage im Falle der Einbringung beim unzuständigen Gericht fehle.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionrekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Erstgericht die Verhandlung und Entscheidung über die Wiederaufnahmsklage aufzutragen.

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Senat schon in der Frage der Zuständigkeit für die vorliegende Wiederaufnahmsklage entschieden hat (9 Ob 169/98p), wies das Landesgericht Feldkirch (als Berufungsgericht des Vorprozesses) die Klage zutreffend wegen Unzuständigkeit nicht zurück, sondern überwies diese von Amts wegen an das zuständige Erstgericht. Der Senat schloß sich insoweit der mittlerweile bereits gefestigten, der Ansicht Faschings (Lehrbuch2 Rz 2076) folgenden Rechtsprechung an, daß auch für die Wiederaufnahmsklage als (in Form einer Klage zu führenden) Rechtsmittel im weiteren Sinn der allgemeine Grundsatz (§ 474 Abs 1 ZPO) gilt, daß das angerufene unzuständige Rechtsmittelgericht die Klage nicht zurückweisen darf, sondern die Sache amtswegig an das zuständige Gericht überweisen muß (SZ 66/10; 3 Ob 2414/96p; 3 Ob 108/98y; 3 Ob 136/98s; 3 Ob 232/98h; 10 ObS 363/98z; s. Übersicht in RIS-Justiz RS0041882). Der Auffassung der Vorinstanzen, die vorliegende Wiederaufnahmsklage sei aber wegen ihres Einlangens beim zuständigen Erstgericht erst nach Ablauf der Vierwochenfrist des § 534 Abs 1 ZPO (ungeachtet ihrer ursprünglichen Rechtzeitigkeit beim allerdings unzuständigen Berufungsgericht des Vorprozesses) verfristet, ist nicht zu folgen. Gerade wegen der von der oben dargestellten Rechtsprechung für die Überweisung der an ein gemäß § 532 ZPO unzuständiges Gericht gerichteten Wiederaufnahmsklage an das zuständige Gericht gegebenen Begründung kommt es nach Ansicht auch des erkennenden Senates für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Wiederaufnahmsklage gemäß § 534 Abs 1 ZPO nur darauf an, ob diese Frist bei der ersten Überreichung der Wiederaufnahmsklage (wenn auch beim unzuständigen Gericht) gewahrt ist (so jüngst 3 Ob 232/98h = ÖJZ-LSK 1999/23). Diese dem Rechtsgedanken des § 230a ZPO (für Klagen) entsprechende Lösung findet ihre Rechtfertigung im Schutz des Rechtsuchenden vor der in manchen Fällen - so auch im Anlaßfall - nicht gerade eindeutigen Zuständigkeitsbestimmung des § 532 Abs 2 ZPO (vgl dazu auch Fasching aaO Rz 223, 2050, 2076).Wie der Senat schon in der Frage der Zuständigkeit für die vorliegende Wiederaufnahmsklage entschieden hat (9 Ob 169/98p), wies das Landesgericht Feldkirch (als Berufungsgericht des Vorprozesses) die Klage zutreffend wegen Unzuständigkeit nicht zurück, sondern überwies diese von Amts wegen an das zuständige Erstgericht. Der Senat schloß sich insoweit der mittlerweile bereits gefestigten, der Ansicht Faschings (Lehrbuch2 Rz 2076) folgenden Rechtsprechung an, daß auch für die Wiederaufnahmsklage als (in Form einer Klage zu führenden) Rechtsmittel im weiteren Sinn der allgemeine Grundsatz (Paragraph 474, Absatz eins, ZPO) gilt, daß das angerufene unzuständige Rechtsmittelgericht die Klage nicht zurückweisen darf, sondern die Sache amtswegig an das zuständige Gericht überweisen muß (SZ 66/10; 3 Ob 2414/96p; 3 Ob 108/98y; 3 Ob 136/98s; 3 Ob 232/98h; 10 ObS 363/98z; s. Übersicht in RIS-Justiz RS0041882). Der Auffassung der Vorinstanzen, die vorliegende Wiederaufnahmsklage sei aber wegen ihres Einlangens beim zuständigen Erstgericht erst nach Ablauf der Vierwochenfrist des Paragraph 534, Absatz eins, ZPO (ungeachtet ihrer ursprünglichen Rechtzeitigkeit beim allerdings unzuständigen Berufungsgericht des Vorprozesses) verfristet, ist nicht zu folgen. Gerade wegen der von der oben dargestellten Rechtsprechung für die Überweisung der an ein gemäß Paragraph 532, ZPO unzuständiges Gericht gerichteten Wiederaufnahmsklage an das zuständige Gericht gegebenen Begründung kommt es nach Ansicht auch des erkennenden Senates für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Wiederaufnahmsklage gemäß Paragraph 534, Absatz eins, ZPO nur darauf an, ob diese Frist bei der ersten Überreichung der Wiederaufnahmsklage (wenn auch beim unzuständigen Gericht) gewahrt ist (so jüngst 3 Ob 232/98h = ÖJZ-LSK 1999/23). Diese dem Rechtsgedanken des Paragraph 230 a, ZPO (für Klagen) entsprechende Lösung findet ihre Rechtfertigung im Schutz des Rechtsuchenden vor der in manchen Fällen - so auch im Anlaßfall - nicht gerade eindeutigen Zuständigkeitsbestimmung des Paragraph 532, Absatz 2, ZPO vergleiche dazu auch Fasching aaO Rz 223, 2050, 2076).

Richtig ist zwar grundsätzlich der Hinweis des Rekursgerichtes, daß die Anwendung des § 89 GOG nach ständiger Rechtsprechung zur Voraussetzung hat, daß die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist, andernfalls der Tag ihres Einlangens beim zuständigen Gericht entscheidet (s. Übersicht in RIS-Justiz RS0041608). Dieses Argument geht jedoch am vorliegenden Problem vorbei. Hier geht es nicht um ein trotz klarer Regelung der funktionellen Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren (§ 3 f JN; EFSlg 37.297) unrichtig adressiertes bzw eingebrachtes Rechtsmittel (Fasching IV 54; RZ 1991/31; RZ 1990/109; EFSlg 49.410; EvBl 1951/150 ua), sondern um einen Anwendungsfall des § 474 Abs 1 ZPO. Der Schutz des Rechtssuchenden vor der nicht gerade eindeutigen Zuständigkeitsbestimmung des § 532 Abs 2 ZPO gebietet eine dem Rechtsgedanken des § 230a ZPO entsprechende Lösung. Die Überweisung bezweckt die Wahrung der Kontinuität des einmal eingeleiteten Rechtstreites (vgl SZ 7/6). Die Überweisung (statt Zurückweisung) im Falle des § 532 ZPO würde zum bloßen inhaltsleeren Formalakt, wenn hiedurch die ursprünglich gegebene Rechtzeitigkeit der Einbringung der Wiederaufnahmsklage nicht gewahrt bliebe.Richtig ist zwar grundsätzlich der Hinweis des Rekursgerichtes, daß die Anwendung des Paragraph 89, GOG nach ständiger Rechtsprechung zur Voraussetzung hat, daß die Anschrift der Postsendung an jenes Gericht lautet, bei dem die Eingabe gesetzmäßig zu überreichen ist, andernfalls der Tag ihres Einlangens beim zuständigen Gericht entscheidet (s. Übersicht in RIS-Justiz RS0041608). Dieses Argument geht jedoch am vorliegenden Problem vorbei. Hier geht es nicht um ein trotz klarer Regelung der funktionellen Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren (Paragraph 3, f JN; EFSlg 37.297) unrichtig adressiertes bzw eingebrachtes Rechtsmittel (Fasching römisch IV 54; RZ 1991/31; RZ 1990/109; EFSlg 49.410; EvBl 1951/150 ua), sondern um einen Anwendungsfall des Paragraph 474, Absatz eins, ZPO. Der Schutz des Rechtssuchenden vor der nicht gerade eindeutigen Zuständigkeitsbestimmung des Paragraph 532, Absatz 2, ZPO gebietet eine dem Rechtsgedanken des Paragraph 230 a, ZPO entsprechende Lösung. Die Überweisung bezweckt die Wahrung der Kontinuität des einmal eingeleiteten Rechtstreites vergleiche SZ 7/6). Die Überweisung (statt Zurückweisung) im Falle des Paragraph 532, ZPO würde zum bloßen inhaltsleeren Formalakt, wenn hiedurch die ursprünglich gegebene Rechtzeitigkeit der Einbringung der Wiederaufnahmsklage nicht gewahrt bliebe.

Dem Revisionsrekurs des Klägers ist daher Folge zu geben. Die vorliegende Wiederaufnahmsklage war nicht wegen Verspätung zurückzuweisen, sondern ist dem weiteren Verfahren in der Sache zuzuführen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.Der Kostenvorbehalt gründet sich auf Paragraph 52, ZPO.

Anmerkung

E53585 09A00749

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1999:0090OB00074.99V.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19990414_OGH0002_0090OB00074_99V0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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