TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/25 2005/08/0209

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Veröffentlicht am 25.10.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/08/0207

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerden des S in W, I. zur Zl. 2005/08/0209 vertreten durch Mag. Markus Kajaba, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 12, und II. zur Zl. 2005/08/0207 vertreten durch Mag. Martin Kratky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Museumstraße 4, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien zu I. vom 19. September 2005, Zl. LGSW/Abt.3-AlV/1218/56/2005- 7449, und zu II. vom 5. Oktober 2005, Zl. LGSW/Abt.3- AlV/1218/56/2005-7691, wegen Verlust der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.982,40,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zu I.: In einer am 8. Juli 2005 mit dem Beschwerdeführer beim Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße aufgenommenen Niederschrift wegen des Nichtzustandekommens einer zugewiesenen Beschäftigung heißt es unter anderem:

"Herrn (Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktservice am 28.6.2005 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft beim Dienstgeber Volkshilfe Kommuna mit einer Entlohung von Brutto EUR 850,-- zugewiesen. Möglicher Arbeitsantritt am 5.7.2005."

Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers, der die Unterfertigung der Niederschrift verweigerte, findet sich in der Niederschrift nicht.

Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße vom 26. Juli 2005 wurde der Verlust des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 5. Juli bis zum 15. August 2005 ausgesprochen; Nachsicht wurde nicht erteilt. Begründend wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene Stelle bei der Volkshilfe Kommuna nicht angenommen habe.

In der dagegen erhobenen - als Einspruch bezeichneten - Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei im Burgenland gewesen und habe den Zug versäumt. Er habe sich telefonisch entschuldigt. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er einen neuen Termin bekomme.

In einer am 26. August 2005 bei der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer ergänzend zu seinen Ausführungen in der Berufung an, er habe wegen der Versäumung des Zuges nicht gewusst, dass der Arbeitsbeginn für den 5. Juli 2005 vorgesehen gewesen sei.

In einem der Niederschrift chronologisch nachgeordneten Aktenteil findet sich ein automationsunterstützt gefertigter Ausdruck mit unter anderem folgender Eintragung: "Schulungsträger Volkshilfe = Beschäftigungsinitiativen Bezeichnung ... Kommuna"

Gemäß einer "Vorstellungsbestätigung" vom 16. September 2005 wird von der "Volkshilfe. Kommuna" bestätigt, dass der Beschwerdeführer den Vorstellungstermin am 5. Juli 2005 "wegen einer Zugverspätung nicht wahrnehmen konnte".

Zu II.: In einer mit dem Beschwerdeführer wegen des Nichtzustandekommens einer zugewiesenen Beschäftigung am 22. August 2005 beim Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße aufgenommenen Niederschrift heißt es unter anderem:

"Herrn (Beschwerdeführer) wurde vom Arbeitsmarktservice am 16.8.05 eine Beschäftigung als Transitarbeiter beim Dienstgeber Benefit Work mit einer Entlohung von Brutto EUR 650,-- zugewiesen. Möglicher Arbeitsantritt am 17.8.05".

Zur Stellungnahme des Dienstgebers, der Beschwerdeführer sei am 17. August 2005 nicht gekommen, erklärte der Beschwerdeführer wörtlich:

"Das ist eine Kettenreaktion, da ich nur 4 Tage ausbezahlt bekommen habe daher kann ich mir keine Wochenkarte kaufen und kann nirgends hinfahren."

Mit Bescheid vom 8. September 2005 sprach das Arbeitsmarktservice Wien Dresdner Straße den Verlust des Anspruchs des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für die Zeit vom 17. August bis zum 11. Oktober 2005 aus. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung bei Benefit Work nicht angenommen habe.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe im August 2005 nur für vier Tage Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten. Da er kein Geld habe, habe er keine Wochenkarte kaufen und daher die vorgeschriebenen Termine am

17. bzw. 18. August 2005 nicht einhalten können.

In einem automationsunterstützt gefertigten Ausdruck mit der Überschrift "Schulungsträger Benefit Work" heißt es:

"Die Caritas der Erzdiözese Wien betreibt seit November 2003 ein vom Arbeitsmarktservice Wien und WAFF (Wiener ArbeiterInnen Förderungsfonds) gefördertes neues gemeinnütziges Beschäftigungsprojekt, benefit Work im 22. Bezirk in Stadlau.

Benefit Work bietet ihnen ein befristetes Dienstverhältnis.

Arbeitszeit: 25 Wochenstunden (Montag bis Donnerstag)

Entlohnung: EUR 650,- brutto/14 Mal/Jahr

Tätigkeitsfelder: im gemeinnützigen Bereich (Sortiertätigkeiten, Bügeln, Fahrradservice, handwerkliche Anlerntätigkeiten, Reinigung unserer Halle und Büros, Grünraumbewirtschaftung und -gestaltung)."

Mit dem zur Zl. 2005/08/0209 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und führte begründend aus, dem Beschwerdeführer sei vom Arbeitsmarktservice Dresdner Straße am 28. Juni 2005 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft beim Dienstgeber Volkshilfe Kommuna angeboten worden. Den Vorstellungstermin habe der Beschwerdeführer nicht eingehalten, weil er den Zug nach Wien versäumt habe. In diesem Verhalten sah die belangte Behörde eine Vereitelung der Annahme der Beschäftigung.

Mit dem zu 2005/08/0207 angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Dresdner Straße vom 8. September 2005 abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei vom Arbeitsmarktservice Dresdner Straße am 16. August 2005 eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft beim Dienstgeber Benefit Work angeboten worden. Diese Beschäftigung sei nicht zustande gekommen, weil der Beschwerdeführer zum Vorstellungstermin nicht gekommen sei. Diese Verhalten wertete die belangte Behörde als Vereitelung der Annahme dieser Beschäftigung.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden, die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zu einem gemeinsamen Verfahren verbunden worden sind.

Die belangte Behörde hat jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die angefochtenen Bescheide erweisen sich aus einem in der Beschwerde zwar nicht genannten, aber im Rahmen des Beschwerdepunktes von Amts wegen aufzugreifenden Grund als rechtswidrig:

Die Zuweisung des Beschwerdeführers sollte in beiden Fällen als "Transitarbeitskraft" zu "Beschäftigungsinitiativen" erfolgen. Die belangte Behörde hat in den angefochtenen Bescheiden nicht näher dargestellt, worum es sich bei diesen Projekten und bei den konkret zugewiesenen Beschäftigungen gehandelt hat. Nach den Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden und nach der Aktenlage handelte es sich um Zuweisungen zu sogenannten "Transitarbeitsplätzen", somit befristeten Dienstverhältnissen mit Entlohnungen, die sich nicht an Kollektivverträgen orientieren, deren Angemessenheit somit in Frage steht (vgl. das Erkenntnis vom 15. März 2005, Zl. 2004/08/0227).

Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits mehrfach mit solchen Zuweisungen, sei es zu Schulungsmaßnahmen zur Wiedereingliederung, die in das rechtliche Kleid eines Arbeitsverhältnisses gekleidet wurden (vgl. das Erkenntnis vom 20. April 2005, Zl. 2004/08/0096), sei es direkt zu "Transitarbeitsplätzen" (vgl. das Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2002/08/0262), auseinander zu setzen. Dabei wurde ausgesprochen, es sei unzulässig, eine Schulungs-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme rechtlich als Arbeitsverhältnis zu jener Einrichtung zu gestalten, welche die Maßnahme durchzuführen hat (mit der Konsequenz des Entfalls von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe), und sodann die - nach erfolgreicher Durchführung der Maßnahme - erforderliche weitere Arbeitsvermittlung dieser Einrichtung zu überlassen.

Nach den in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen und der Aktenlage ist nicht erkennbar, ob sich die vorliegenden Zuweisungen in dieser Hinsicht von jenen unterscheiden. Dazu bedarf es einer Ergänzung des Sachverhaltes dahin, ob es sich um Zuweisungen des Beschwerdeführers zu einer Maßnahme oder zu einer Beschäftigung gehandelt hat, wie das eine oder andere im Einzelnen ausgestaltet ist und worin sich allenfalls diese Zuweisungen von der in den zitierten Erkenntnissen unterscheiden. Erst wenn dazu Feststellungen getroffen wurden, kann die entscheidende Rechtsfrage nach der Vereitelung beantwortet werden.

Sollte es sich um Zuweisungen zu Beschäftigungsverhältnissen handeln, so wäre als angemessene Entlohnung im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG zumindest das nach dem im konkreten Fall anzuwendenden Kollektivvertrag gebührende Entgelt für die zugewiesenen Beschäftigungen erforderlich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2003, Zl. 99/08/0121, mwN).

Zudem ist fraglich, ob es sich bei den Beschäftigungen um am allgemeinen Arbeitsmarkt angebotene handelt. Die belangte Behörde hätte angesichts der Ungewöhnlichkeit der angebotenen Arbeitsbedingungen (etwa die Befristung der zugewiesenen Stelle auf ein Jahr, die ungewöhnlich niedrige Entlohnung) auch Feststellungen dazu zu treffen gehabt, ob es sich bei den in Aussicht genommenen Beschäftigungen überhaupt um am allgemeinen Arbeitsmarkt angebotene versicherungspflichtige Beschäftigungen oder um bloße Transitarbeitsplätze handelte, wofür es - wie bereits ausgeführt - entsprechende Hinweise im Akt gibt (zur Unzulässigkeit der Zuweisung eines Transitarbeitsplatzes unter Entfall der Geldleistungen nach dem AlVG vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom 21. April 2004, Zl. 2002/08/0262; zum eben Gesagten vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2005, Zl. 2004/08/0053).

Nach dem Gesagten bedarf der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Oktober 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005080209.X00

Im RIS seit

29.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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