TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/25 2005/21/0373

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Veröffentlicht am 25.10.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs1 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §44 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Georg Meringer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Dr. Koss-Straße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 7. Juli 2005, Zl. UVS-410-001/E2-2005, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, reiste am 9. Oktober 2004 nach Österreich ein und stellte am Tag darauf einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 10. November 2004 ordnete die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn gegen ihn gemäß § 61 Abs. 1 und 2 iVm § 56 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG und § 57 AVG "zur Sicherung und Überwachung der Ausreise" die Schubhaft an.

Der Bescheid wurde noch am 10. November 2004 in Vollzug gesetzt. Der Beschwerdeführer befand sich, hierauf gestützt, bis zum 21. Dezember 2004 in Schubhaft.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Beschwerde gemäß den §§ 72 Abs. 1 und 73 Abs. 1, 2 und 4 zweiter Satz FrG sowie § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab.

Die belangte Behörde stellte folgenden Sachverhalt fest:

"Der Beschwerdeführer, geb. 20.10.1979, ein russischer Staatsangehöriger, reiste im April 2004 von Russland in die Republik Tschechien, wo er um Asyl ansuchte. Am 09.10.2004 reiste er dann unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein. In weiterer Folge wurde er am 10.10.2004 von Beamten des Grenzüberwachungspostens Untermarkersdorf festgenommen. Gleichzeitig stellte er einen Asylantrag und wurde daraufhin in die EAST Ost Traiskirchen eingeliefert.

Am 25.10.2004 reiste der Beschwerdeführer mit dem Zug nach Dornbirn und in weiterer Folge mit dem Bus bis zur schweizerischen Grenze. Dort versuchte er am 25.10.2004 gegen 10.30 Uhr über die Radfahrerbrücke in Gaißau illegal in die Schweiz einzureisen. Bei dieser widerrechtlichen Einreise wurde der Beschwerdeführer von der schweizerischen Grenzwacht angehalten und nach Österreich rücküberstellt. Nach der Rückschaffung nach Österreich wurde der Beschwerdeführer auf freien Fuß gestellt. Dennoch reiste der Beschwerdeführer am 26.10.2004 in der Nacht wiederum illegal von Gaißau in die Schweiz ein. Nach dieser rechtswidrigen Einreise begab sich der Beschwerdeführer zum Bahnhof St. Margarethen und fuhr mit dem Zug Richtung Bern. Eine Bahnstation nach Bern wurde der Beschwerdeführer dann vom Schaffner aus dem Zug verwiesen. Gleichzeitig wurde die schweizerische Polizei verständigt und der Beschwerdeführer festgenommen. Am 10.11.2004 gegen 14.00 Uhr wurde der Beschwerdeführer sodann beim Zollamt Lustenau/Wiesenrain in das Bundesgebiet rückgeschafft.

Nach der Überstellung zur Bezirkshauptmannschaft Dornbirn wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 10.11.2004 ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von sechs Jahren erlassen. Außerdem wurde mit Bescheid vom 10.11.2004 , ..., die Anordnung der Schubhaft des Beschwerdeführers zur Sicherung und Überwachung seiner Ausreise angeordnet. Begründend wurde in diesem Bescheid darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer unter Missachtung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und seinen Aufenthalt zum widerrechtlichen Grenzübertritt in die Schweiz missbraucht habe. Auf Grund der Rückübernahme halte sich der Beschwerdeführer nicht rechtmäßig in Österreich auf, wobei die widerrechtliche Einreise und die mehrfachen Ausreisen in Verbindung mit dem nicht rechtmäßigen Aufenthalt und der Mittellosigkeit eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen würden; deshalb stehe die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung und Überwachung der Ausreise in einem dringenden öffentlichen Interesse. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer das Tatbestandsbild des § 56 Abs. 1 Z. 1 FrG in mehrfacher Hinsicht erfüllt. Die Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft würde zudem eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen.

Im Anschluss an diese Amtshandlung wurde der Beschwerdeführer zum Vollzug der Schubhaft in das Verwaltungsanhaltezentrum Bludenz überstellt. Am 20.12.2004 wurde dem Beschwerdeführer die vom Bundesasylamt ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 36b des Asylgesetzes zugestellt. Auf Grund dessen wurde er am 21.12.2004 um 10.00 Uhr aus der Schubhaft entlassen."

Rechtlich führte die belangte Behörde in ihrer Begründung aus, gegen die Rechtmäßigkeit des auf § 61 Abs. 1 FrG gestützten Schubhaftbescheides bestünden keine Bedenken. Dasselbe gelte - unter dem Blickwinkel des § 110 Abs. 3 FrG - hinsichtlich der erfolgten Festnahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes. Dass die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung notwendig gewesen sei, ergebe sich insbesondere daraus, dass der Beschwerdeführer zweimal erfolglos versucht habe, aus dem Bundesgebiet illegal in die Schweiz auszureisen. Mit dieser Vorgangsweise habe er gegen grundlegende fremdenpolizeiliche Vorschriften verstoßen. Es sei davon auszugehen, dass er sich ohne die Maßnahme der Schubhaft dem Zugriff der Behörden entzogen hätte. Hiefür spreche auch die Tatsache, dass der Beschwerdeführer über keine nennenswerten Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, über keinen Arbeitsplatz und keinen ordentlichen Wohnsitz verfüge.

Dass die Schubhaft auf Grund des gestellten Asylantrages unzulässig gewesen wäre, treffe nicht zu, zumal der Beschwerdeführer illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und nicht aus eigener Initiative bei der zuständigen Stelle einen Asylantrag gestellt habe. Was die dem Beschwerdeführer ausgestellte Asylberechtigungskarte betreffe, sei anzumerken, dass diese die Fremdenpolizeibehörde veranlasst habe, den Beschwerdeführer aus der Schubhaft zu entlassen.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hat in seiner gemäß § 72 FrG an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde geltend gemacht, ihm sei infolge seines Asylantrages vom 10. Oktober 2004 faktischer Abschiebeschutz gemäß § 19 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 AsylG zugekommen. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn hat hiezu eine Gegenschrift an die belangte Behörde erstattet, in der sie einräumte, "dass im Asylinformationssystem ... ein aufrechtes Asylverfahren gemeldet war". § 61 und § 56 FrG seien somit "fälschlicherweise zitiert" worden. Allerdings erfüllte die vom Beschwerdeführer gesetzte Handlung (Entfernen aus dem Bundesgebiet während des Zulassungsverfahrens, also noch vor Ausstellung der Aufenthaltsberechtigungskarte, die er am 17. Dezember 2004 erhalten habe) "bereits für sich allein den Tatbestand des § 34b AsylG, welche die Verhängung der Schubhaft rechtfertigte".

Dazu ist auszuführen, dass die belangte Behörde die maßgebliche Rechtslage verkannt hat: Sie hat nämlich, wie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides erkennbar hervorgeht, die Bestimmung des § 19 Abs. 1 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, angewendet. Infolge der Stellung des Asylantrages durch den Beschwerdeführer am 10. Oktober 2004 wäre gemäß § 44 Abs. 2 AsylG diese Bestimmung jedoch bereits in der Fassung dieser Novelle maßgeblich gewesen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen des durch die genannte Novelle eingefügten § 34b Abs. 1 AsylG, nach dessen Z. 1 die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Ausweisung oder Abschiebung mit Bescheid anordnen kann, wenn der Asylwerber sich im Zulassungsverfahren ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, kann dahingestellt bleiben, weil die Anordnung der Schubhaft auf diese Bestimmung nicht gestützt wurde.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren im Umfang der Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer diesbezüglich Verfahrenshilfe gewährt wurde. Dasselbe gilt für die begehrten Kopierkosten (in Höhe von 8,64 EUR), weil derartige Barauslagen in § 48 Abs. 1 VwGG keine Deckung finden.

Wien, am 25. Oktober 2006

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005210373.X00

Im RIS seit

27.11.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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