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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §275;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des G in H, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 30. Mai 2006, GZ. RV/0264- L/05, betreffend Zurücknahmeerklärung von Anträgen auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2001 und 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes, mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2001 und 2002 gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt wurde, als unbegründet abgewiesen. Mit dem am 29. April 2004 beim Finanzamt eingelangten Schriftsatz vom 28. April 2004 habe der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und/oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Einkommensteuer 2001 gestellt. Begründet habe er den Antrag damit, dass er auf Grund physischer und psychischer Erkrankungen mit Langzeitfolgen in den letzten Jahren nicht in der Lage gewesen sei, sich ordentlich um seine Steuerangelegenheiten zu kümmern. Die Krankheitsfolgen hätten dazu geführt, dass er auf Schreiben und Forderungen des Finanzamtes völlig falsch, unzureichend oder gar nicht reagiert habe. Er überreiche daher eine Einkommensteuererklärung und eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2001. Aus den Unterlagen gehe eindeutig hervor, dass er im Jahr 2001 weder steuerpflichtige Einkünfte noch Unterstützungsgelder der öffentlichen Hand bezogen habe. Er habe daher für das Jahr 2001 keine Einkommensteuer zu leisten. Seinen bescheidenen Lebensunterhalt habe er in diesem Jahr im Wesentlichen aus - versteuerten - Eigenmitteln und der Unterstützung der Familien bestritten. In diesem Zusammenhang übergebe er seine Bankauszüge (36 Kopien) für den Zeitraum 1. Jänner bis 31. Dezember 2001. Im Übrigen verweise er auf seine Ausführungen in seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung vom 9. Juli 2001 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 20. Dezember 2002 (Hinweis der belangten Behörde: es handle sich hiebei um ein Sicherstellungsverfahren gemäß § 232 BAO für das Jahr 2001).
Mit einer weiteren Eingabe vom 29. April 2004 habe der Beschwerdeführer einen gleich lautenden Antrag hinsichtlich der Einkommensteuer 2002 gestellt. Auch hiezu habe er eine Einkommensteuererklärung und eine Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2002 beigeschlossen. Nach diesen Ausführungen habe er, von einem geringfügigen Einkommen abgesehen, weder steuerpflichtige Einkünfte noch Unterstützungsgelder der öffentlichen Hand bezogen. Für das Jahr 2002 habe er daher keine Einkommensteuer zu leisten.
Das Finanzamt habe am 18. Mai 2004 mit dem Beschwerdeführer eine Niederschrift aufgenommen. Darin sei u.a. festgehalten worden, dass zur weiteren Bearbeitung der Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren bzw. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Einkommensteuer 2001 und 2002 ein Mängelbehebungsauftrag ergehen werde. Damit werde der Nachweis des fehlenden groben Verschuldens im Sinne der §§ 303a Abs. 2 bzw. 309a Abs. 2 BAO gefordert werden.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2004 habe das Finanzamt dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf seine Anträge vom 28. April 2004 auf "Wiederaufnahme des Verfahrens und/oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend Einkommensteuer 2001 und 2002" aufgetragen, die in diesen Anträgen fehlenden Angaben zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren nachzuholen. Der Nachweis sei für den Zeitraum zwischen Bescheidzustellung und dem Zeitpunkt der gegenständlichen Anträge zu erbringen. Zur Behebung des angeführten Mangels sei eine Frist bis 2. Juli 2004 gewährt worden. Es sei darauf hingewiesen worden, dass die Eingaben bei Versäumnis dieser Frist als zurückgenommen gelten würden.
Mit dem am 5. Juli 2004 beim Finanzamt eingelangten Schreiben vom 1. Juli 2004 habe der Beschwerdeführer um Fristverlängerung bis zum 18. Juli 2004 ersucht. Zur Begründung habe er vorgebracht, er habe als Spätfolge eines Trümmerbruches nunmehr einen Armbruch der rechten Hand erlitten. Das Finanzamt habe über dieses Ansuchen nicht abgesprochen.
Einem Aktenvermerk des Finanzamtes vom 28. August 2004 sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 26. August 2004 telefonisch mitgeteilt habe, dem Mängelbehebungsauftrag am 30. August 2004 nachzukommen. Am 30. August 2004 habe der Beschwerdeführer dem Sachbearbeiter des Finanzamtes unter Bezugnahme auf das Telefonat vom 26. August 2004 mittels E-Mail mitgeteilt, dass er heute "leider aufgehalten worden sei und daher sehr spät nach Linz komme". Morgen sei er aber verlässlich in Linz und werde das Finanzamt Urfahr aufsuchen. Sofern ein Gespräch nicht möglich sein werde, werde er jedenfalls seine Unterlagen abgeben.
Mit Bescheid vom 28. September 2004 habe das Finanzamt festgestellt, dass die Anträge des Beschwerdeführers vom 29. April 2004 auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2001 und 2002 gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen gelten würden, weil er dem Auftrag, die Mängel bis zum 31. August 2004 zu beheben, nicht entsprochen habe.
Der Beschwerdeführer habe Berufung erhoben. Der Berufung habe er ein Schreiben einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 3. Oktober 2004 beigefügt und dazu ausgeführt, es sei ihm auf Grund seiner Krankheit nicht möglich gewesen, die Mängelbehebung bis 31. August 2004 durchzuführen.
Die belangte Behörde habe mit Vorhalt vom 6. April 2006 den Beschwerdeführer ersucht, an Hand geeigneter Unterlagen für den Zeitraum 15. Juni 2004 bis 31. August 2004 lückenlos darzulegen, welche Umstände bzw. Krankheiten ihn an der Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages gehindert hätten. Es sei auch darauf hingewiesen worden, dass die der Berufung beigelegte Bestätigung der Ärztin nicht geeignet sei, eine andauernde Unfähigkeit, dem erteilten Mängelbehebungsauftrag nachzukommen, zu bescheinigen.
Im Antwortschreiben habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er am 25. Juni 2003 einen schweren Trümmerbruch am rechten Unterfuß erlitten habe. Aus diesem Grunde habe er mit seinem Arbeitgeber eine flexible Arbeitszeit vereinbart. Diesem Schreiben habe er drei Behandlungsbestätigungen des Unfallkrankenhauses Linz vom 26. April 2006, 27. April 2006 und 31. Oktober 2003 beigelegt. Der Beschwerdeführer habe auch ein ärztliches Attest vom 27. April 2006 der Ärztin für Allgemeinmedizin vorgelegt.
Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers habe in einem Telefonat in Aussicht gestellt, ein psychiatrisches Gutachten nachreichen zu wollen. Der Beschwerdeführer habe bei einer persönlichen Vorsprache seine Krankengeschichte ausführlich geschildert. Er habe weiters die Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens sowie eine Aufzeichnung der Arbeitsstunden in Aussicht gestellt. Auf die Mitteilung, dass der Beschwerdeführer bei seinem Arbeitgeber kein einziges Mal krank gemeldet gewesen sei, habe der Beschwerdeführer erklärt, nur stundenweise gearbeitet zu haben, um sämtliche Arzt- und Behandlungstermine in der Freizeit wahrnehmen zu können.
Mit E-Mail vom 29. Mai 2006 habe der Beschwerdeführer Aufzeichnungen über die von Juni bis August 2004 geleisteten Arbeitsstunden sowie ein weiteres ärztliches Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin vorgelegt.
Im Erwägungsteil führte die belangte Behörde aus, dem Finanzamt sei ein Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO vorgelegen. Nach Wiedergabe des § 303a BAO führte die belangte Behörde aus, der angefochtene Zurücknahmebescheid wäre nicht auf § 85 Abs. 2 BAO, sondern auf § 303a Abs. 2 leg. cit. zu stützen gewesen. Hinsichtlich eines Mängelbehebungsverfahrens nach § 303a BAO seien die Bestimmungen des § 275 BAO sinngemäß anzuwenden.
Im vorliegenden Fall sei der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 am 17. Dezember 2003 und der Einkommensteuerbescheid 2002 am 28. Jänner 2004 ergangen. Für beide Jahre seien die Bemessungsgrundlagen wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen trotz wiederholter Aufforderungen, der Androhung und Festsetzung einer Zwangsstrafe, im Schätzungswege ermittelt worden. In den beiden Wiederaufnahmeanträgen fehlten sowohl Angaben, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Anträge als auch Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren notwendig gewesen wären. Das Finanzamt hätte die Behebung dieser beiden Mängel mit einem auf § 303a Abs. 1 lit. c und d in Verbindung mit Abs. 2 BAO gestützten Mängelbehebungsauftrag aufzutragen gehabt. Ein Mängelbehebungsauftrag habe grundsätzlich alle fehlenden Erfordernisse zu umfassen. Erfasse ein Auftrag nicht alle Mängel und würden nur die vom Auftrag erfassten Mängel behoben, sei ein weiterer Auftrag zu erlassen. Im vorliegenden Fall sei dem Beschwerdeführer zwar nicht die Behebung sämtlicher Mängel aufgetragen worden, doch sei der Zurücknahmebescheid gestützt auf die Nichtbehebung des aufgetragenen Mangels ergangen, sodass dieser Bescheid rechtmäßig sei. Werde nämlich einem berechtigten Mängelbehebungsauftrag überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend entsprochen, habe zwingend ein Zurücknahmebescheid zu ergehen. Die Frist zur Mängelbehebung sei verlängerbar. Das Finanzamt habe über das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 1. Juli 2004 auf Fristverlängerung nicht abgesprochen. Die Frist sei daher am 2. Juli 2004 abgelaufen. Abgesehen davon, habe der Beschwerdeführer den Mangel auch nicht bis zu dem von ihm selbst beantragten Termin behoben. Zum Aktenvermerk des Sachbearbeiters des Finanzamtes vom 26. August 2004 über ein mit dem Beschwerdeführer geführtes Telefonat, im Zuge dessen dieser angekündigt habe, die Mängelbehebung am 30. August 2004 nachzureichen, sowie zur E-Mail des Beschwerdeführers vom 30. August 2004, das Finanzamt verlässlich am 31. August 2004 aufsuchen zu wollen (beides sei unterblieben), sei zu bemerken, dass telefonische Eingaben an das Finanzamt bzw. Eingaben in Form von E-Mails ebenso wenig rechtliche Wirkungen entfalteten wie Erledigungen der Abgabenbehörde in Form von E-Mails oder eines Telefonates. Sowohl die telefonisch beantragte als auch die telefonisch zugesagte, in einem Aktenvermerk festgehaltene, Fristverlängerung bis 30. August 2004 als auch die mit E-Mail beantragte Fristverlängerung bis 31. August 2004 seien daher rechtlich nicht wirksam geworden. Da der Beschwerdeführer den Mängelbehebungsauftrag überhaupt nicht erfüllt habe und das Finanzamt aus diesem Grunde die Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 2001 und 2002 für zurückgenommen erklärt habe, sei die nicht dem Gesetz entsprechende rechtliche Beurteilung des Finanzamtes, die Mängelbehebungsfrist habe erst am 31. August 2004 geendet, nicht entscheidungswesentlich. Entscheidend sei, dass die Wiederaufnahmeanträge nicht die in § 303a Abs. 1 BAO normierten Inhaltserfordernisse erfüllt haben und der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen habe. Der Bescheid des Finanzamtes über die Zurücknahme der Anträge wäre nur dann gesetzwidrig, wenn die Wiederaufnahmeanträge keinen Mangel im Sinne des § 303a Abs. 1 BAO aufgewiesen hätten oder die vom Finanzamt bestimmte Frist nicht angemessen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer behaupte nicht, dass die Wiederaufnahmeanträge keine Mängel aufgewiesen hätten. Sein Vorbringen, es sei ihm auf Grund seiner Krankheit nicht möglich gewesen, den Mängelbehebungsauftrag fristgerecht zu erfüllen, sei dahingehend zu verstehen, dass der erteilte Auftrag für ihn innerhalb der gesetzten Frist nicht erfüllbar gewesen sei. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente, weshalb eine fristgerechte Mängelbehebung nicht möglich gewesen sei, vermögen nicht zu überzeugen. Der Beschwerdeführer sei nämlich einer Beschäftigung nachgegangen und habe auch am 1. Juli 2004 einen Fristverlängerungsantrag verfasst. Es sei daher nicht ersichtlich, welche Gründe ihn an der Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages innerhalb der vom Finanzamt vorgegebenen Frist gehindert hätten. Der dem Beschwerdeführer erteilte Mängelbehebungsauftrag sei sohin innerhalb der angemessen bestimmten Frist erfüllbar und rechtmäßig gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, weil die Voraussetzungen dafür, seine Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren für 2001 und 2002 für zurückgenommen zu erklären, nicht vorlägen. Der Mängelbehebungsauftrag stütze sich auf § 85 Abs. 2 BAO. Diese Bestimmung berechtige nur bei Vorliegen von Formgebrechen zur Erteilung eines Verbesserungsauftrages. Im vorliegenden Fall lägen jedoch inhaltliche Mängel des Antrages auf Wiederaufnahme vor. Der Mängelbehebungsauftrag entspreche sohin nicht den Anforderungen des § 85 Abs. 2 BAO und es könne daher die gesetzlich angeordnete Rücknahmefiktion nicht eintreten.
Abgesehen davon sei der Mängelbehebungsauftrag auch deswegen inhaltlich unrichtig, weil die vom Auftrag umfassten Angaben ohnehin im Antrag enthalten seien.
§ 303a Abs. 1 BAO zählt die Inhaltserfordernisse eines Antrages auf Wiederaufnahme eines Verfahrens auf. Nach der lit. d dieser Bestimmung hat ein auf § 303 Abs. 1 lit. b gestützter Antrag Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren führen, zu enthalten.
Entspricht der Antrag auf Wiederaufnahme nicht den in Abs. 1 umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Antragsteller die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (§ 303a Abs. 2 BAO).
Der Bescheid des Finanzamtes betreffend Behebung der Mängel weist u.a. folgenden Wortlaut auf:
"Bei der oben angeführten Eingabe handelt es sich um einen Antrag gem. § 303 Abs. 1 bzw. § 309 BAO (Antrag der Partei). In diesem Antrag fehlen jene Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden 'groben' Verschuldens an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren notwendig sind. Der Nachweis betrifft den Zeitraum zwischen Bescheidzustellung und Zeitpunkt der gestellten o.a. Eingaben."
Das Finanzamt und ihm folgend die belangte Behörde gehen davon aus, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO gestellt hat. Danach ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln führt somit nur dann zur Wiederaufnahme, wenn diese Tatsachen oder Beweismittel im wiederaufzunehmenden Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Bei Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat die Partei darzulegen, dass sie an der bisherigen Nichtgeltendmachung der Tatsachen und Beweismittel kein grobes Verschulden trifft. Die Partei hat im Allgemeinen auch noch im Rechtsmittelverfahren Gelegenheit, die ihr bekannten Tatsachen oder ihr zur Verfügung stehenden Beweismittel für ihren Anspruch vorzubringen. Ein schuldhaftes Verhalten der Partei an der Nichtgeltendmachung der Tatsachen und Beweismittel muss daher im wiederaufzunehmenden Verfahren bis zur Bescheiderlassung vorgelegen sein. Ein schuldhaftes Verhalten der Partei nach Bescheiderlassung ist für diesen Wiederaufnahmeantrag unerheblich. Der Auftrag an den Beschwerdeführer, Angaben, die zur Beurteilung des fehlenden groben Verschuldens an der Nichtgeltendmachung im abgeschlossenen Verfahren hinsichtlich des Zeitraumes zwischen Bescheidzustellung und Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme, vorzubringen, entspricht somit nicht dem Gesetz. Die Rechtmäßigkeit eines Zurücknahmebescheides setzt einen rechtmäßigen Mängelbehebungsauftrag voraus (vgl. Ritz, BAO, 3. Auflage, § 275 Tz 20).
Aus der Rechtswidrigkeit des Mängelbehebungsauftrages vom 15. Juni 2004 folgt, dass auch der angefochtene Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet ist; er war daher bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Oktober 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006150242.X00Im RIS seit
15.12.2006