TE Vwgh Erkenntnis 2006/10/25 2004/08/0051

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Veröffentlicht am 25.10.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der Volksoper Wien GmbH (vormals Bund, Österreichischer Bundestheaterverband), vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 8, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 11. November 2003, Zl. 121.641/1-3/03, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. J, W;

2. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30;

3. Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65; 5. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 55-57), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Ausspruch über die Versicherungspflicht für die Zeiträume vom 1. Juli 1992 bis 18. Juli 1992, vom 1. Juli 1993 bis 3. Juli 1993, und vom 1. Juli 1995 bis 16. Juli 1995 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen (d. h. hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis 5. August 1991) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Hinsichtlich der Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 2003, Zl. 99/08/0035, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 25. Jänner 1999 hinsichtlich des Ausspruches über die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten für die Zeiträume vom 1. Juli 1991 bis 5. August 1991, vom 1. Juli 1992 bis 18. Juli 1992, vom 1. Juli 1993 bis 3. Juli 1993 und vom 1. Juli 1995 bis 16. Juli 1995 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Hinsichtlich der Feststellung der Versicherungspflicht für den 31. August 1991 und für den Zeitraum vom 4. Mai 1994 bis 14. Juni 1994 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 98/08/0397, aus, dass die dem Erstmitbeteiligten zum Ende der Saison 1990/1991 bezahlte Urlaubsentschädigung unabhängig davon, ob das Dienstverhältnis des Erstmitbeteiligten in den Monaten Juli und August 1991 unterbrochen oder bloß karenziert gewesen sei, zu einer Verlängerung der Pflichtversicherung gemäß § 11 Abs. 2 ASVG führe. Der Umstand, dass die belangte Behörde - ohne Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 ASVG - die Pflichtversicherung hinsichtlich aller Zeiträume undifferenziert nur auf § 4 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 ASVG gestützt festgestellt habe, führe zwar für sich alleine nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides. In den Fällen des § 413 Abs. 1 Z. 1 ASVG sei gemäß § 415 Abs. 1 ASVG in der Fassung der 55. Novelle zum ASVG eine Berufung nur mehr zulässig, wenn der Landeshauptmann über die Versicherungspflicht, ausgenommen in den Fällen des § 11 Abs. 2 ASVG, entschieden habe. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe im erstinstanzlichen Bescheid die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten für den Zeitraum vom 1. Juli bis 5. August 1991 fälschlich ausschließlich auf § 11 Abs. 1 ASVG gestützt. Der Landeshauptmann von Wien habe diesen Bescheid bestätigt. Die belangte Behörde hätte die Rechtswidrigkeit der - ohne Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 ASVG erfolgten - Feststellung der Versicherungspflicht für jenen Zeitraum, für die Feststellung auf § 11 Abs. 2 ASVG zu stützen gewesen wäre, wahrzunehmen gehabt und sie hätte sich auf die Festlegung des Endes der Versicherungspflicht im Rahmen des § 11 Abs. 1 ASVG zu beschränken und den Einspruchsbescheid - mangels eigener Entscheidungskompetenz - im Übrigen in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG zu beheben gehabt. Da sie dies in Verkennung der Rechtslage unterlassen habe, sei der angefochtene Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben gewesen.

Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis aus, dass der Erstmitbeteiligte ungeachtet des Fortbestehens seiner Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit über den 30. Juni der in Betracht kommenden Kalenderjahre hinaus keinen Entgeltfortzahlungsanspruch gehabt habe. Zur Lösung dieses Problems verwies der Verwaltungsgerichtshof auf die in der Rechtsprechung auf der Grundlage des § 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (und vergleichbarer Bestimmungen) entwickelten rechtlichen Gesichtspunkte für die Bemessung des Entgeltfortzahlungsanspruches für Zeiträume der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit, während derer Umstände eintreten, die im Falle der Arbeitserbringung zu einer entgeltwirksamen Verringerung der Arbeitsleistung oder gar zum Entfall derselben (einschließlich des Entgeltanspruches) geführt hätten (wobei der Umstand, dass Gruppen von Arbeitnehmern oder ein ganzer Betrieb von diesem Ereignis betroffen seien, als Indiz dafür heranzuziehen sei, dass auch der erkrankte Arbeitnehmer als Mitglied dieser Gruppe oder dieses Betriebes von diesem Ereignis betroffen gewesen wäre).

Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass es ein unerklärlicher Wertungswiderspruch wäre, zwar eine Herabsetzung des fortzuzahlenden Entgeltes unter den in SZ 50/44 für maßgeblich erachteten Umständen zuzulassen, gleichzeitig aber unbeachtet zu lassen, dass der erkrankte Dienstnehmer auf Grund einer schon im Zeitpunkt der jeweiligen "Verlängerung" des Arbeitsvertrages, d.h. lange Zeit vor der Erkrankung abgeschlossenen, unter den hier gegebenen Umständen (Schließung des Opernhauses während der Sommermonate, daher keine Beschäftigungsmöglichkeit für Billeteure und Garderobiers) arbeitsrechtlich auch zulässigen Karenzsicherungsvereinbarung ab einem bestimmten Zeitpunkt weder eine Arbeitsleistung zu erbringen noch Arbeitsentgelt zu erhalten gehabt hätte.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien betreffend die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten auf Grund seiner Beschäftigung als Garderobier bei der Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband, gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG, soweit sie sich auf die Zeiträume vom 1. Juli 1991 bis 5. August 1991, vom 1. Juli 1992 bis 18. Juli 1992, vom 1. Juli 1993 bis 3. Juli 1993 und vom 1. Juli 1995 bis 16. Juli 1995 bezieht, gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des bisherigen Verwaltungsgeschehens und nach Verweis auf § 63 Abs. 1 VwGG aus, dass die vom Verwaltungsgerichtshof dargelegte Rechtslage mittlerweile durch das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, 9. Teil, Art. 73, Teil 3, Z. 16 eine neuerliche Änderung erfahren habe. Nach Darlegung der § 415 Abs. 1 ASVG und § 11 Abs. 2 ASVG in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung führte die belangte Behörde unter Verweis auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177) aus, dass "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" die belangte Behörde zuständig sei, über die Rechtsfrage des Weiterbestehens der Pflichtversicherung für die Zeit des Bezuges einer Ersatzleistung (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) zu entscheiden. Bezugnehmend auf das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 98/08/0397, führte die belangte Behörde aus:

"Es besteht kein notwendiger Kausalzusammenhang zwischen der Abgeltung des nicht konsumierten Urlaubs und der Auflösung des Dienstverhältnisses. Zu einer derartigen Abgeltung kann es auch bei aufrechtem Dienstverhältnis kommen. Sie kommt insoweit einer Urlaubsablöse gleich. Eine solche Abgeltung stellte vor der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 Arbeitsentgelt im Sinne des § 49 ASVG dar.

Seit der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 ist § 11 Abs. 2 ASVG anzuwenden. Auch diese Bestimmung hatte zwar in erster Linie den Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses im Auge. Dies schließt aber nicht aus, dass bei einer zur Beendigung bloß des Beschäftigungsverhältnisses führenden Karenzierung des Dienstverhältnisses eine Verlängerung der Pflichtversicherung nach dem zweiten Satz des § 11 Abs. 2 ASVG angenommen werden muss. Das Dienstverhältnis ist weiterhin aufrecht. Eine periodengerechte Zuordnung der Urlaubsentschädigung bedarf - anders als nach dem Ende des Dienstverhältnisses - keiner gesonderten gesetzlichen Bestimmung.

Eine zu Saisonende jeweils bezahlte Urlaubsentschädigung führt zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht gem. § 11 Abs. 2 ASVG.

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ist daher festzustellen, dass (der Erstmitbeteiligte) aufgrund seiner Beschäftigung als Garderobier bei der Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband während der Zeiträume von 1.7.1991 bis 5.8.1991, von 1.7.92 bis 18.7.1992, von 1.7.1993 bis 3.7.1993, und vom 1.7.1995 bis 16.7.1995 der Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlag."

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 3. März 2004, Zl. B 1802/03, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof abtrat.

In der ergänzten Beschwerde begehrt die beschwerdeführende Partei die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen "Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften".

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen, und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Die übrigen Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden dann, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde nach Art. 131 oder 131a B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht die Bindungswirkung an ein aufhebendes Erkenntnis nicht nur für die Verwaltungsbehörde, sondern im Falle einer neuerlichen Beschwerde in derselben Rechtssache unter der Voraussetzung, dass sich seit Erlassung des mit dem vorausgegangenen Erkenntnis aufgehobenen Bescheides die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat, auch für den Gerichtshof selbst (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. März 1989, Zl. 88/08/0249 mit weiteren Judikaturhinweisen).

2. In dem im ersten Rechtsgang in dieser Sache ergangenen Vorerkenntnis vom 23. April 2003, Zl. 99/08/0035, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der Erstmitbeteiligte in den Zeiträumen vom 1. Juli bis 18. Juli 1992, vom 1. Juli bis 3. Juli 1993 und vom 1. Juli bis 16. Juli 1995 ungeachtet der in diesen Zeiträumen fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit - entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde im damals angefochtenen Bescheid - keinen Entgeltfortzahlungsanspruch hatte; der damals angefochtene Bescheid wurde daher insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1VwGG aufgehoben.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen (Ersatz-)Bescheid hat die belangte Behörde - unter anderem - der Berufung, soweit sie sich auf die vorgenannten Zeiträume bezog, keine Folge gegeben und die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten für diese Zeiträume entgegen der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes im Vorerkenntnis bestätigt, ohne dass eine Änderung in der für die rechtliche Beurteilung des Beschwerdefalles in diesem Punkt maßgebenden Rechtslage eingetreten oder eine Änderung des Sachverhaltes festgestellt worden wäre. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bezieht sich ausschließlich auf jeweils zu Saisonende bezahlte Urlaubsentschädigungen und übersieht damit offenbar, dass für die oben genannten Zeiträume die vom Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis beantwortete Frage der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall maßgebend ist.

3. Hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Juli 1991 bis zum 5. August 1991 hat der Verwaltungsgerichtshof in dem auch ihn bindenden Vorerkenntnis ausgesprochen, dass die Entscheidung über die Versicherungspflicht fälschlich ausschließlich auf § 11 Abs. 1 ASVG gestützt worden war; die belangte Behörde hätte - da sie nach der zum Zeitpunkt der Erlassung des damals angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage nicht zu einer meritorischen Entscheidung über eine Berufung zuständig war - den Einspruchsbescheid zu beheben gehabt.

3.1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, dass § 415 ASVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 71/2003) mit 1.5.2003 in Kraft getreten sei und es erst ab diesem Zeitpunkt für die gegenständliche Problematik die Berufungsmöglichkeit an die belangte Behörde gebe. "Im Zeitpunkt der Einbringung der Berufung (Oktober 1996) und im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung" habe es jedoch "keine gesetzliche Zulässigkeit der Berufung und dementsprechend auch keine gesetzliche Zulässigkeit für eine Berufungsentscheidung durch das Sozialministerium" gegeben. Die Erlassung eines Ersatzbescheides, in dem materiell über eine (unzulässige) Berufung entschieden werde, unterlaufe die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes diametral, da er gerade wegen der Unzulässigkeit der Berufung den Berufungsbescheid des Ministeriums aufgehoben habe.

Die beschwerdeführende Partei übersieht mit diesem Vorbringen, dass im vorliegenden Fall die mit Schriftsatz vom 17. Oktober 1996 erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei nach der damals in Geltung stehenden Fassung des § 415 ASVG (vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 138/1998) zulässig war (zur für die Zulässigkeit einer Berufung maßgeblichen Rechtslage spätestens zum Ablauf der Berufungsfrist vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1997, Zl. 95/10/0078 und vom 20. September 1978, Slg. Nr. 9638/A), und dass erst durch die Novelle BGBl. I Nr. 138/1998 die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Verlängerung der Versicherungspflicht in allen Fällen des § 11 Abs. 2 ASVG - im Hinblick auf die hier gegenständliche Frage des zweiten Satzes des § 11 Abs. 2 ASVG: vorübergehend bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 - weggefallen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt bei Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Recht anzuwenden ist, oder wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A). Eine gesetzliche Änderung des Instanzenzuges während des Laufes eines anhängigen Verfahrens ist von der Verwaltungsbehörde zu beachten. Es ist daher auch die Beurteilung, ob die belangte Behörde zu einer meritorischen Berufungsentscheidung zuständig ist, nach dem im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung geltenden Verfahrensvorschriften zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1994, Zl. 94/04/0008).

Der in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde über die zulässigerweise erhobene Berufung wurde gegenüber der beschwerdeführenden Partei am 18. November 2003 erlassen. Zu diesem Zeitpunkt lautete § 415 Abs. 1 ASVG (in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003) wie folgt:

"(1) Die Berufung an das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes steht in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z 2 allgemein, in den Fällen des § 413 Abs. 1 Z 1 jedoch nur zu, wenn über die Versicherungspflicht, ausgenommen in den Fällen des § 11 Abs. 2 erster Satz, oder die Berechtigung zur Weiter- oder Selbstversicherung entschieden worden ist. (...)"

Die belangte Behörde war daher nach § 415 Abs. 1 ASVG idF BGBl. I Nr. 71/2003 zur Entscheidung in der Sache zuständig, da die im Gesetz genannte Ausnahme des § 11 Abs. 2 erster Satz ASVG nur die versicherungsrechtliche Behandlung gerichtlicher oder außergerichtlicher Vergleiche betrifft.

3.2. Soweit sich die beschwerdeführende Partei in der Folge gegen die im angefochtenen Bescheid vertretene Rechtsansicht wendet, wonach eine zu Saisonende bezahlte Urlaubsentschädigung zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht gemäß § 11 Abs. 2 ASVG führe, ist sie auf die gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestehende Bindung der belangten Behörde wie auch des Verwaltungsgerichtshofes an die im aufhebenden Erkenntnis zum Ausdruck gebrachte Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Vor diesem Hintergrund hat die belangte Behörde - auf Grund der ihr durch die mittlerweile erfolgte Änderung der ihre Kompetenz begründenden Bestimmung, ohne dass in der für die materielle Beurteilung maßgebenden Rechtslage eine Änderung eingetreten wäre - zutreffend die im Vorerkenntnis auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 ASVG bejahte Versicherungspflicht hinsichtlich des Zeitraumes vom 1. Juli 1991 bis zum 5. August 1991 festgestellt.

4. Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Ausspruches über die Versicherungspflicht für die Zeiträume 1. Juli bis 18. Juli 1992, 1. Juli bis 3. Juli 1993 und 1. Juli bis 16. Juli 1995 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; hinsichtlich des Ausspruchs über die Versicherungspflicht für den Zeitraum vom 1. Juli 1991 bis zum 5. August 1991 war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Oktober 2006

Schlagworte

Instanzenzug Änderung der Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004080051.X00

Im RIS seit

18.01.2007
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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