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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
IESG §1 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der F GmbH in W, vertreten durch Mag. Ender Bozkurt, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Sickenberggasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. November 2005, Zl. MA 15-II-2-13292/2005, betreffend Rückerstattung von Beiträgen nach dem IESG (mitbeteiligte Partei:
Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 18. August 2005 beantragte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Partei die Rückerstattung zu Ungebühr entrichteter IESG-Zuschläge von August 2000 bis Juli 2005 in der Gesamthöhe von EUR 26.918,85 zuzüglich gesetzlicher Zinsen ab Fälligkeit der jeweiligen Zahlungen. Die Beschwerdeführerin brachte vor, bei Durchsicht der Lohnverrechnungsunterlagen sei aufgefallen, dass für sämtliche Mitarbeiter der F GmbH & Co KG bzw. in weiterer Folge der Beschwerdeführerin, die deren Rechtsnachfolgerin sei, IESG-Zuschläge bezahlt worden seien, obwohl sich unter den Mitarbeitern nach § 1 Abs. 6 Z. 2 und 3 IESG ausgeschlossene Personen befunden hätten. Während des Zeitraumes von August 2000 bis Juli 2005 sei Herr H. Geschäftsführer der Beschwerdeführerin bzw. in seiner Funktion als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft auch Geschäftsführer der F GmbH & Co KG gewesen. Für ihn wäre daher kein Zuschlag nach dem IESG zu entrichten gewesen. Ab Jänner 2005 seien für H. keine IESG-Zuschläge mehr abgerechnet worden. Auf Grund der Neuregelungen der Zuschlagspflicht für Geschäftsführer werde für ihn ab 1. Jänner 2006 eine Beitragspflicht gegeben sein. Weiters seien während des streitgegenständlichen Zeitraumes drei Personen als Prokuristen der Gesellschaft tätig gewesen, die einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens hätten. Für diese Personen wären daher auf Grund des § 1 Abs. 6 Z. 3 IESG keine Zuschläge zu entrichten gewesen. Die Beschwerdeführerin folge der Auffassung, dass bei Kapitalgesellschaften neben den Geschäftsführern keine vom IESG ausgenommenen leitenden Angestellten beschäftigt werden könnten. Daher werde die IESG-Beitragsfreiheit hinsichtlich der leitenden Angestellten nur für den Zeitraum August 2000 bis August 2004 geltend gemacht, da die Gesellschaft damals in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführt worden sei. Auf Grund des § 1 Abs. 6 Z. 3 IESG sei bei dieser Rechtsform eine Befreiung der leitenden Angestellten von der Zuschlagspflicht bis 31. Dezember 2005 gegeben. In Folge einer Umgründung sei die Gesellschaft seit September 2004 eine GmbH, weshalb für den Zeitraum September bis Dezember 2004 nur die für den Geschäftsführer entrichteten IESG-Zuschläge, nicht jedoch die für die weiteren leitenden Angestellten zurückgefordert würden. Die Übergangsbestimmungen der Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 würden die Beitragspflicht erst ab dem Beginn der Beitragsperiode 2006 normieren. In einer Anlage legte die Beschwerdeführerin eine Liste der auf den Geschäftsführer bzw. die Prokuristen entfallenden Beitragsgrundlagen vor. Hinsichtlich des Teilbetrages von EUR 4.039,-- beruhe der Antrag auf Rückforderung daher auf § 1 Abs. 6 iVm § 12 Abs. 1 Z. 4 IESG. Des Weiteren machte die Beschwerdeführerin geltend, dass Verfassungswidrigkeit des § 12 IESG und Gesetzwidrigkeit der dazu ergangenen Verordnungen vorliege, weshalb auch die für andere Personen entrichteten Zuschläge zurückzufordern seien.
Mit Bescheid vom 19. September 2005 wies die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Antrag der Beschwerdeführerin ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach den gesetzlichen Bestimmungen seien die Zuschläge zu Recht abgeführt worden.
Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch. Sie führte aus, dass § 12 Abs. 1 Z. 4 IESG bzw. die darauf beruhenden Verordnungen gesetz- bzw. verfassungswidrig seien. Im Übrigen verwies die Beschwerdeführerin zur Vermeidung von Wiederholungen auf ihren ursprünglichen Antrag und legte diesen in Kopie dem Einspruch bei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde dem Einspruch der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Verfassungsgerichtshof habe mit Erkenntnis vom 13. Oktober 2005, G 39/05 ua, die Abs. 6 und 7 des § 12 IESG als verfassungswidrig aufgehoben. Ebenso habe er die Verordnungen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw. des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Festsetzung des Zuschlages als gesetzwidrig aufgehoben, wobei die Aufhebung mit Ablauf des 30. November 2006 in Kraft trete. Da es sich im gegenständlichen Fall nicht um einen Anlassfall handle, seien die aufgehobenen Bestimmungen weiterhin anzuwenden und müsse dem Einspruch der Erfolg versagt bleiben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erklärte, von der Erstattung einer Gegenschrift abzusehen, und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 Z. 4 IESG werden die Mittel des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds u.a. aus einem jährlich mit Verordnung festzusetzenden Zuschlag zu dem vom Arbeitgeber zu leistenden Anteil des Arbeitslosenversicherungsbeitrages nach § 2 Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz bestritten. Dieser Zuschlag ist vom Arbeitgeber zu tragen. Die Arbeitgeber von Personen im Sinne des § 1 Abs. 6 IESG haben für diese Personen keinen Zuschlag zu entrichten.
Nach § 1 Abs. 6 Z. 2 in der bis zur Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 geltenden Fassung hatten die Mitglieder des Organes einer juristischen Person, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld. Gleiches galt bis zu dieser Novelle gemäß § 1 Abs. 6 Z. 3 IESG für leitende Angestellte, soweit sie nicht zum Personenkreis nach Z. 2 gehören, denen dauernd maßgebender Einfluss auf die Führung des Unternehmens zusteht.
Mit der Novelle BGBl. I Nr. 102/2005 wurde aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen das IESG dahingehend geändert, dass auch leitende Angestellte unter das IESG fallen und in Zukunft nur noch solche Geschäftsführer aus dessen Geltungsbereich ausgenommen sind, die in keinem Arbeitsverhältnis zur GmbH stehen. Rechtstechnisch wurde dies dadurch bewerkstelligt, dass die GmbH-Geschäftsführer und die leitenden Angestellten im Katalog der Personen ohne Anspruch auf Insolvenz-Ausfallsgeld (§ 1 Abs. 6 IESG) nicht mehr enthalten sind (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 946 BlgNR 22.GP, S. 7). Hinsichtlich der Erweiterung des Kreises der geschützten Personen um die leitenden Angestellten war es wegen der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des bisherigen Ausschlusses erforderlich gewesen, diese rückwirkend mit 1. Mai 1995, dem seinerzeitigen Wirksamkeitsbeginn dieser Ausschlussregelung, in Kraft zu setzen. Zur Vermeidung von unterjährigen Veränderungen bei den Lohnbuchhaltungen der Arbeitgeber und den beitragseinhebenden Stellen sollte aber unabhängig davon der Zuschlag zur Finanzierung der Aufwendungen nach dem IESG für die GmbH-Geschäftsführer und die leitenden Angestellten erst ab Jänner 2006 eingehoben werden (siehe die genannten Erläuterungen, S. 8).
§ 17a Abs. 43 IESG in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 normiert daher auch, dass für Personen, die gemäß § 1 Abs. 6 IESG in der genannten Fassung nicht mehr vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld ausgeschlossen sind, deren Arbeitgeber den Zuschlag nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 Z. 4 IESG (erst) ab dem Beginn der Beitragsperiode 2006 zu entrichten haben.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2005, G 39/05 ua, wurden die Abs. 6 und 7 des § 12 IESG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Verordnungen der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales bzw. des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Festsetzung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag wurden als gesetzwidrig aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 2006 in Kraft.
Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass der vorliegende Fall kein Anlassfall des genanten Normenkontrollverfahrens ist. Eine Rückerstattung der IESG-Zuschläge aus diesem Grund kommt daher nicht in Frage. Sie wird auch in der Beschwerde nicht geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat aber, ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrem Bescheid vom 19. September 2005, nicht begründet, weshalb eine Rückerstattung der für den Geschäftsführer bzw. für nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin leitende Bedienstete abgeführten Zuschläge ausscheidet. Zur Vermeidung von Missverständnissen sei aber mit Blick auf die Ausführungen der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift auf Folgendes hingewiesen:
Hinsichtlich des Geschäftsführers der GmbH ist festzuhalten, dass nach der für den hier gegenständlichen Rückforderungszeitraum maßgeblichen Rechtslage bloß darauf abgestellt wurde, dass die Mitgliedschaft zum Organ einer juristischen Person vorgelegen ist, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist. Auf die Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers kam es daher ebenso wenig an wie auf seine rechtlichen oder faktischen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung oder in Bezug auf die Gesellschaft selbst (vgl. Ehrenreich, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz, Loseblattsammlung, S. 162 mwN). Auch die Organmitglieder einer Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co KG (eine solche war die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin nach ihren Angaben, Feststellungen der belangte Behörde zur behaupteten Rechtsnachfolge fehlen jedoch) waren auf Grund der Bestimmungen des § 1 Abs. 6 Z. 2 IESG von der Zuschlagspflicht ausgenommen (vgl. die Nachweise bei Ehrenreich, a.a.O., S. 166).
Was die leitenden Angestellten betrifft, mag es zwar zutreffen, dass die bloße Funktionsbezeichnung als Prokurist diese Stellung nicht vermittelt (vgl. dazu Ehrenreich, a.a.O., S. 169). Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag vom 18. August 2005 aber geltend gemacht, dass die als Prokuristen tätig gewordenen Personen auch einen maßgeblichen Einfluss auf die Führung des Unternehmens gehabt haben. Dieser Einfluss sei durch die Prokura "organisationsrechtlich abgesichert" worden. Darauf ist die belangte Behörde nicht eingegangen (vgl. dazu auch die zu § 10 AKG ergangenen Ausführungen in den hg. Erkenntnissen vom 23. Februar 2000, Zl. 94/08/0212, und vom 24. Oktober 2000, Zl. 2000/11/0147; vgl. ferner das hg. Erkenntnis vom 7. April 1995, Zl. 94/02/0470).
In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde die Frage, ob ein Rückerstattungsanspruch hinsichtlich der für den Geschäftsführer bzw. für leitende Angestellte geleisteten Zuschläge in Frage kommt, nicht behandelt. Der angefochtene Bescheid war, da er sich nach seinem Spruch als unteilbar erweist, daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. Oktober 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006080031.X00Im RIS seit
05.12.2006