Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BDG 1979 §92 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde der BD in L, vertreten durch Dr. Günter Gsellmann, Rechtsanwalt in 8041 Graz, Raiffeisenstraße 138A, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 19. April 2005, Zl. 2/8-DOK/05, betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stand im Tatzeitraum als Revidentin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Sie trat 1990 in den Postdienst ein. Bis zu ihrer Entlassung stand sie in einem öffentlichen-rechtlichen Dienstverhältnis bei der Österreichischen Post AG, Postfiliale L, im Gesamtschalterdienst in Verwendung.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 23. November 2004 wurde die Beschwerdeführerin auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses vom 10. Februar 2004 (zugestellt am 17. Februar 2004) und der Verhandlungsbeschlüsse vom 22. März 2004 (zugestellt am 2. April 2004) und vom 18. Oktober 2004 (zugestellt am 25. Oktober 2004) schuldig erkannt,
1. am 18. Dezember 2003 aus der Kasse des ihr bei der Postfiliale L zugewiesenen Gesamtschalters widerrechtlich einen Betrag in der Höhe von EUR 150,-- entnommen und erst am 19. Dezember 2003 wieder ersetzt zu haben,
2. an einem nicht mehr feststellbaren Tag im Jahr 2001 einen Betrag von ATS 500,-- aus der Schalterkasse eben dieser Postfiliale widerrechtlich entnommen und gleichfalls erst am nächsten Arbeitstag ersetzt zu haben, sowie
3. am 8. September 2003 eine Postanweisung im Betrag von EUR 50,-- angenommen, im Postanweisungsannahmebuch unter der Nr. X vorerst verbucht, diese Buchung später wieder storniert und den Vermerk "vermutliche Doppeleintragung/ in Opal nicht verbucht/keine Kassendiff." samt unleserlichem Namenszeichen angebracht zu haben.
Sie habe dadurch nicht nur gegen strafrechtliche Bestimmungen, sondern auch gegen die Pflicht des Beamten, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen sowie gegen die Pflicht des Beamten, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979) verstoßen und sich dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinn des § 91 BDG 1979 schuldig gemacht. Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG sei über sie die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen gewesen.
(Von einem weiteren Anschuldigungspunkt wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen).
Diesem Disziplinarerkenntnis lag sachverhaltsmäßig zu Grunde, dass bei einer durch die Filialleiterin vorgenommenen unvermuteten Prüfung des Bargeldbestandes des von der Beschwerdeführerin betreuten Schalters bei der Postfiliale L am 19. Dezember 2003 durch Vergleich mit den Aufzeichnungen der letzten Abmeldebestätigung (18. Dezember 2003, 18.12 Uhr) das Fehlen eines Geldbetrages in der Höhe von EUR 150,-- festgestellt worden sei.
Am 8. September 2003 habe die Beschwerdeführerin eine Postanweisung eines Betrages in der Höhe von EUR 50,-- angenommen und vorerst im Postanweisungsannahmebuch unter der Nummer X verbucht. Diese Buchung sei aber später storniert und im Postanweisungsannahmebuch der Vermerk "vermutliche Doppeleintragung/im Opal nicht verbucht/keine Kassendiff." sowie ein unleserliches Namenszeichen angebracht worden.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Dienstbehörde am 15. Januar 2004 habe die Beschwerdeführerin eingestanden, aus dem Bargeldbestand der Kasse einen Geldbetrag von EUR 150,-- entnommen zu haben, weil sie für ihre Familie dringend Lebensmittel hätte einkaufen müssen und ihre finanzielle Situation "nicht besonders rosig" gewesen sei. Ihr PSK-Konto wäre heillos überzogen gewesen und der Überziehungsrahmen ausgeschöpft. In der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz habe die Beschwerdeführerin hinsichtlich dieses Faktums noch darauf verwiesen, sie hätte zu Einkäufen auch noch in der Schule des Sohnes eine Schikursrestzahlung tätigen müssen und sei sicher gewesen, dass ihr Monatsbezug für Jänner 2004 bereits am folgenden Tag auf ihr Konto überwiesen werde. Eine weitere Stundung des Schikursgeldes wäre nicht möglich gewesen, weil die Zahlungsfrist bereits überschritten gewesen sei. Sie hätte nicht gewusst, wer ihr einen solchen Betrag hätte borgen können.
Gründe für die Entnahme des von ihr eingestandenen Betrages von ATS 500,-- aus der Kassa im Jahr 2001 habe die Beschwerdeführerin nicht mehr angeben können. Im Einzelnen wiederholte die Behörde erster Instanz auch die Darstellung der Beschwerdeführerin über die Entwicklung ihrer finanziellen Verhältnisse.
Die Behörde erster Instanz erachtete die geschilderten finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin zwar als "bedauernswert", erachtete sie aber für nicht geeignet, eine Rechtfertigung für die Verhaltensweise der Beschwerdeführerin darzustellen. Auch die vorgenommene Stornierung des Postanweisungsbetrages von EUR 50,-- sei nicht vorschriftsmäßig erfolgt, insbesondere nicht von der Filialleiterin gegengezeichnet worden. Die Behauptung, es habe sich dabei um eine Doppelverrechnung gehandelt, erscheine unglaubwürdig. Damit stehe eindeutig fest, dass die Beschwerdeführerin die im Spruch angeführten Handlungen gesetzt und Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 begangen habe. Im Hinblick darauf, dass sich die Beschwerdeführerin wiederholt und über einen langen Zeitraum hinweg Gelder der Österreichischen Post AG angeeignet habe, erachtete die Behörde erster Instanz die Vertrauensbasis so nachhaltig als erschüttert, dass von einer nicht mehr gutzumachenden Zerstörung derselben die Rede sein müsse. Als strafmildernd habe das teilweise Geständnis der Beschwerdeführerin gewertet werden können, als erschwerend jedoch das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 BDG 1979 ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung keine Folge gegeben und der Schuldspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass das unter Spruchpunkt 3 zur Last gelegte disziplinäre Verhalten dem § 44 Abs. 1 BDG 1979 (nicht hingegen § 43 Abs. 1 und 2 leg. cit.) subsumiert werde.
Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und ausführlicher Darlegung der Rechtslage führte die belangte Behörde sachverhaltsbezogen aus, die Beschwerdeführerin habe sich durch die von ihr eingestandenen wiederholten zweifachen Eingriffe in fremdes Vermögen schwerst wiegender Dienstpflichtverletzungen schuldig gemacht. Dadurch habe sie das ihr als im Gesamtschalterdienst der Österreichischen Post AG beschäftigter Kassenbeamtin vom Dienstgeber sowie von der Unternehmensleitung entgegengebrachte Vertrauen gröblichst verletzt und gegen die ihr auferlegten Dienstpflichten in eklatanter Weise verstoßen. Eine Beamtin, die sich unter Ausnützung ihrer dienstlichen Möglichkeiten und während ihres Dienstes wiederholt und gezielt vorsätzlich ihr anvertraute Kassengelder aneigne bzw. sich an fremden Vermögenswerten vergreife und diese für ihre privaten, unternehmensfremden Zwecke verwende, sei als Beamtin nicht mehr tragbar, weil durch derartige Tathandlungen, die schwerst wiegende dienstliche Verfehlungen darstellten, nicht nur das für die Erfüllung der Aufgaben des Unternehmens Österreichische Post AG unerlässliche Vertrauensverhältnis zu ihren Vorgesetzten und zu ihrem Dienstgeber, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit, insbesondere auch der potentiellen Postkunden, wesentlich zerstört werde. Die Beschwerdeführerin habe durch die in Spruchpunkt 1 und 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses umfassten Tathandlungen im innersten Kernbereich ihrer dienstlichen Aufgaben gegen die mit ihrem Amt verbundenen elementarsten Grundsätze und Pflichten verstoßen und Dienstpflichten von besonders schwerem Gewicht und außerordentlicher Tragweite für das Vertrauen der Bevölkerung in die absolute persönliche Integrität und Zuverlässigkeit der im Bereich der Österreichischen Post AG beschäftigten Mitarbeiter begangen. Mit dem mehr als einmaligen rechtswidrigen Ansichnehmen von Geldbeträgen habe sich die Beschwerdeführerin über die absolute Grenze gerade noch tolerierbarer Fehlleistungen einer Schalterbediensteten bewusst hinweggesetzt und in massiver Weise in fremdes Eigentumsrecht eingegriffen, sohin Tathandlungen gesetzt, die zudem in hohem Maß geeignet seien, zu einem beträchtlichen Verlust des eigenen Ansehens sowie des Ansehens des Unternehmens der Österreichischen Post AG bei deren Kunden zu führen. Gerade im Bereich der Post bei dem dort gegebenen häufigen Umgang mit Geld und vermögenswerten Gegenständen stellten die Kassenklarheit und -sicherheit sowie die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Bediensteten ganz wesentliche Gesichtspunkte dar und seien für ein geordnetes und zuverlässiges Kassenwesen grundlegende Voraussetzungen. Darüber werde jeder Mitarbeiter bzw. jede Mitarbeiterin in der Ausbildung und Einarbeitung belehrt. Trotz der vorgesehenen Kontrollen sei die Österreichische Post AG angesichts des personalintensiven Betriebes nicht in der Lage, jeden einzelnen Arbeitsvorgang zu überprüfen und sei daher auf die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit der Organwalter angewiesen. Der entscheidende Gesichtspunkt sei dabei, dass sich das Unternehmen auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der in seinem Bereich beschäftigten Beamten und sonstigen Bediensteten bei deren Dienstausübung verlassen müsse, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich sei. Dies sei gerade im Bereich der Post ein ganz wesentliches Kriterium. Es entspreche dem gegenseitigen Treue- und Vertrauensverhältnis, dass von einem Beamten erwartet werden könne, diese Gebote aus eigener Verantwortlichkeit und eigenem Antrieb einzuhalten. Wer sich an dienstlich anvertrauten oder zugänglichen Kassengeldern dennoch vergreife, zerstöre das erforderliche Vertrauensverhältnis grundlegend und sei für den öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar. Die Aufrechterhaltung eines derartig untragbar gewordenen Dienstverhältnisses sei dem Dienstgeber nicht zumutbar. Das Gewicht der verfahrensgegenständlichen wiederholten disziplinären Verfehlungen werde noch dadurch erhöht, dass sich das Unternehmen Österreichische Post AG im täglichen Wettbewerb mit den auf dem freien Markt positionierten privaten Anbietern von Geldgeschäften bewähren müsse und somit ständig dem harten Konkurrenzkampf ausgesetzt sei. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin - wie sie behauptet habe - wegen der gegenständlichen Verfehlungen bereits von ihrer Vorgesetzten im Sinne des § 109 Abs. 2 BDG belehrt worden sei oder nicht, weil diesem Rechtsinstitut nach der übereinstimmenden Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts ein normativer Inhalt nicht zukomme. Eine Ermahnung sei kein Bescheid, weshalb diese auch keine Rechtskraftwirkung entfalte, sie stelle vielmehr ein dem Dienstvorgesetzten jederzeit zustehendes personalpolitisches Führungsmittel dar und sei auch keine Disziplinarstrafe. Damit verbrauche sie auch den materiellen Disziplinaranspruch der Dienstbehörde ("ne bis in idem") nicht. Selbst bei Vorliegen einer "Belehrung" bzw. "Ermahnung" im Sinn des § 109 Abs. 2 BDG 1979 sei davon auszugehen, dass diese einer späteren Disziplinaranzeige bzw. einem Eingehen in die Sache sowie einem allfälligen Schuldspruch oder einer disziplinären Bestrafung nicht entgegenstehe.
Zum Spruchpunkt 3 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses habe die Beschwerdeführerin dargelegt, sie habe tatsächlich an eine Doppeleintragung geglaubt und auch die Amtsleiterin über diesen Sachverhalt und das von ihr durchgeführte Storno informiert. Dazu sei anzumerken, dass sich die Behörde erster Instanz diesbezüglich zu Recht auf die Aussage des betreffenden Postkunden sowie der Leiterin der Postfiliale berufen habe, insbesondere habe sich aus der Aussage der Letzteren ergeben, dass die Vornahme von Streichungen in Postanweisungsannahmebüchern ohne Genehmigung des (der) Vorgesetzten als gegen die Bestimmungen der Kassenverrechnungsvorschrift verstoßend unzulässig sei. Es sei davon auszugehen gewesen, dass der Beschwerdeführerin ein zumindest fahrlässiger und somit nach § 91 BDG 1979 schuldhafter Verstoß gegen die internen Kassenverrechnungsvorschriften anzulasten sei, weil sie die in Rede stehende Stornierung des Postanweisungsbetrages von EUR 50,-- im Postanweisungsannahmebuch ohne vorangegangene Prüfung der entsprechenden Belege und ohne die vorschriftsmäßige Gegenzeichnung durch die Filialleiterin durchgeführt habe. Hinsichtlich dieses Geldbetrages könne eine Aneignungsabsicht mit der für einen Schuldspruch notwendigen Sicherheit nicht angenommen werden. Diesbezüglich sei der Spruch des Anschuldigungspunktes 3 entsprechend zu korrigieren gewesen.
Im Rahmen der Strafbemessung erachtete die belangte Behörde die Tatsache der Rückzahlung der Fehlbeträge nicht als mildernd, weil dies allenfalls bei einem lediglich einmaligen Zugriff von Relevanz sein könne. Auch das Teilgeständnis der Beschwerdeführerin sei nicht als mildernd zu werten gewesen, weil es erst durch den Druck der gegen sie sprechenden Fakten zustande gekommen sei. Angesichts der wiederholten rechtswidrigen Zugriffe auf die der Beschwerdeführerin im Bereich der Österreichischen Post AG anvertrauten zugänglichen Kassengelder und den dadurch eingetretenen Vertrauensverlust sei von der Untragbarkeit der Beschwerdeführerin für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis auszugehen gewesen, weshalb mit Entlassung vorzugehen gewesen sei. In einem solchen Fall könnten sich aus spezialpräventiven Erwägungen ergebende Warnungs-, Besserungs- und Sicherungsfunktionen der Disziplinarstrafe nicht zum Tragen kommen. An dieser Tatsache vermöchte auch die disziplinäre Unbescholtenheit, das bisherige dienstliche Wohlverhalten, eine zehnjährige tadellose Dienstleistung und eine behauptetermaßen zwischenzeitig erfolgte Ordnung der privaten finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin sowie eine ihr zuzubilligende daraus resultierende positive Zukunftsprognose nichts ändern. Es sei daher vielmehr der Behörde erster Instanz beizupflichten, dass hier eine andere Disziplinarstrafe als jene der Entlassung nicht in Betracht komme, weshalb alle möglicherweise sonst noch gegebenen Milderungsgründe und auch die allfällige Gefährdung der Existenz der Beschwerdeführerin nicht von entscheidendem Gewicht sein könnten. Auch die geltend gemachten Umstände, die als Grund für das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin ins Treffen geführt worden seien, vermöchten ein Überschreiten der Grenze zu strafbarem Verhalten weder zu rechtfertigen, noch zu entschuldigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
Gemäß § 91 BDG 1979 ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen. Dabei sind gemäß § 92 Abs. 1 leg. cit. Disziplinarstrafen
1.
der Verweis,
2.
die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage,
3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage,
4. die Entlassung.
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist, wenn der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat und über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt wird, nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
Nach § 94 Abs. 1 Z. 2 erster Satz BDG 1979 darf der Beamte wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die - zeitlich nicht näher konkretisierte - Dienstpflichtverletzung aus dem Jahr 2001 sei bereits verjährt und eine Bestrafung daher unzulässig.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht hervor, dass der dieses Faktum beinhaltende Einleitungsbeschluss vom 10. Februar 2004 der Beschwerdeführerin am 17. Februar 2004 zugestellt wurde. Aus dem Spruch und der Begründung des angefochtenen Bescheides geht mangels näherer zeitlicher Eingrenzung nicht deutlich hervor, ob die der Beschwerdeführerin im Punkt 2. des erstinstanzlichen Schuldspruchs vorgeworfene Dienstpflichtverletzung vor oder nach dem 17. Februar 2001 begangen wurde. Damit erscheint es aber jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass hinsichtlich dieses Vorwurfs bereits Strafbarkeitsverjährung im Sinne des § 94 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 eingetreten ist. Aus diesem Grunde erweist sich die Bestätigung des Schuldspruchs zu diesem Faktum als in einem wesentlichen Punkt mangelhaft (vgl. zur stufenweisen Konkretisierungspflicht auch das hg. Erkenntnis vom 6. April 2005, Zl. 2002/09/0057).
Ferner macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde hätte sie vom Vorwurf der Nichtbefolgung einer Weisung wie auch vom Vorwurf der vorsätzlichen Aneignung von EUR 50,-- in Bereicherungsabsicht freisprechen müssen, weil das ihr zu Spruchpunkt 3. des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses angelastete Verhalten keine disziplinär zu ahndende Dienstpflichtverletzung, sondern ein nicht dem Disziplinarrecht unterfallendes Versehen im Sinne einer entschuldbaren Fehlleistung gewesen sei. Die belangte Behörde ist in Wiederholung der Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz davon ausgegangen, die Angaben der Filialleiterin sowie des vernommenen Postkunden seien glaubwürdiger als die leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin, sie habe an eine Fehlbuchung geglaubt und auch die Amtsleiterin davon informiert. Weder die erste noch die zweite Instanz haben aber Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Dienstvorschriften (Bestimmungen der Kassenverrechnungsvorschrift) die Beschwerdeführerin verletzt habe. Es fehlt auch eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe ihre Amtsleiterin von der Fehlbuchung informiert. Diese wurde anlässlich ihrer Vernehmung vor der Behörde erster Instanz zu diesem Thema nicht ausdrücklich befragt; sie hatte bereits anlässlich ihrer Ersteinvernahme am 17. September 2004 zu diesem Faktum lediglich angegeben, "in irgendeiner ihr nicht mehr bekannten Form von einer Postanweisungssache gehört zu haben", es sei allerdings "mit hoher Wahrscheinlichkeit" auszuschließen, dass sie ausdrücklich ihre Genehmigung zum Herausstreichen der Eintragung im Postanweisungsannahmebuch erteilt habe, weil "ansonsten auch ihr Namenszeichen unterhalb bzw. neben der Streichungsbegründung vermerkt hätte sein müssen". Demgegenüber schilderte die Beschwerdeführerin die Vorgänge rund um die Fehlbuchung vom 8. September 2003 eingehend, weshalb die Disziplinarbehörden diese detaillierte Verantwortung nicht lediglich mit dem pauschalen Hinweis auf die Unglaubwürdigkeit dieser Darstellung abtun konnten. Damit erweist sich die Beweiswürdigung der Behörden, die sich mit dieser Darstellung der Geschehnisse nicht ausreichend auseinander gesetzt haben, als unschlüssig. Insoweit sich der in der Verhandlung erhobene und von der Behörde erster Instanz festgestellte Sachverhalt insoweit als ergänzungsbedürftig erweist, liegt aber auch das von der belangten Behörde herangezogene Kriterium des § 125a Abs. 3 Z. 5 BDG 1979 nicht vor, weshalb sie im Falle der Ergänzung der Sachverhaltsgrundlage ihrer Entscheidung hätte verhandeln müssen.
Die Beschwerdeführerin wendet sich des Weiteren gegen den Ausspruch der Entlassung.
Die Frage, ob das Vertrauensverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Dienstgeber derart zerstört wurde, dass die Entlassung auszusprechen war, ist auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzung zu beurteilen. Am Maß der Schwere der Dienstpflichtverletzung haben die Disziplinarbehörden in einem solchen Falle also gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 zu prüfen, ob die Verhängung der höchsten Strafe gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 geboten ist. Hierbei haben sie sich gemäß § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 an den nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründen zu orientieren und somit im Hinblick auf § 32 Abs. 1 StGB vom Ausmaß der Schuld des Täters als Grundlage für die Bemessung der Strafe auszugehen, wobei sie vor allem zu berücksichtigen haben, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände und Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen nahe liegen könnte. Erst wenn eine an diesem Maßstab unter Einbeziehung aller geltend gemachten oder der Aktenlage nach zu berücksichtigenden Milderungsgründe erfolgte Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzung des Beamten ergibt, dass sein weiteres Verbleiben im Dienst untragbar geworden ist, fehlt es im Sinn der angeführten Rechtsprechung an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen dahingehend, ob im Sinne des § 93 Abs. 1 zweiter Satz BDG 1979 die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, ihn von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/09/0042).
Im vorliegenden Fall beruht die Verurteilung hinsichtlich der Fakten 2 und 3 - wie dargelegt - auf einer mangelhaften Grundlage. Notwendiger Weise erweist sich daher auch die - auf der Beurteilung der Fakten 1. bis 3. als Dienstpflichtverletzungen beruhende - Beurteilung der Schwere der Schuld als mangelhaft. Schon deshalb musste der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.
Zur Frage der Berücksichtigung von Erschwerungs- und Milderungsgründen im Zusammenhang mit der Beurteilung der Schwere der Schuld wird auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/09/0053, hingewiesen.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 6. November 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005090093.X00Im RIS seit
27.12.2006Zuletzt aktualisiert am
08.08.2009