TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/8 2006/18/0350

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Veröffentlicht am 08.11.2006
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Index

19/05 Menschenrechte;
20/02 Familienrecht;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

EheG §23;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des BY in W, geboren 1981, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. September 2006, Zl. SD 962/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 7. September 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 5. Oktober 2000 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Die diesbezügliche Berufung habe er zurückgezogen. Er habe am 1. Oktober 2001 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und unter Berufung auf diese Ehe eine Erstniederlassungsbewilligung erhalten. Der Aufenthaltstitel sei letztlich bis 3. April 2004 verlängert worden.

Am 19. August 2003 habe die "Gattin" des Beschwerdeführers zugegeben, diesen in einem türkischen Lokal kennen gelernt zu haben. Die Ehe sei von einem Freund vermittelt worden. Sie habe für die Eheschließung vom Bruder des Beschwerdeführers S 55.000,-- bekommen.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Meidling vom 7. Dezember 2004 sei die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt worden.

Der im § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG normierte Sachverhalt sei verwirklicht. Die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes seien - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 FPG - auch im Grund des § 60 Abs. 1 leg. cit. gegeben. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zu den Eltern, mit denen er jedoch nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Seinem Vater sei die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Mit dem Aufenthaltsverbot werde in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Diese Eingriff sei zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, zur Verhinderung von Scheinehen - dringend geboten sei. Das Aufenthaltsverbot sei im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.

Die aus der Dauer seines inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers erscheine gering, weil sich sein Aufenthalt zum überwiegenden Ausmaß auf das dargestellte Fehlverhalten stütze. Gleiches gelte für die von ihm ausgeübten Beschäftigungsverhältnisse. Seine familiären Bindungen zu den Eltern würden dadurch relativiert, dass er selbst volljährig sei und mit diesen nicht im gemeinsamen Haushalt lebe. Bei Abwägung gegen das genannte große öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Das Aufenthaltsverbot sei auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig.

In Ermangelung besonderer für den Beschwerdeführer sprechender Umstände könne auch im Rahmen des zustehenden Ermessens nicht von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden.

Ein Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit könne nicht vor Verstreichen der festgesetzten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Nach § 60 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 zu gelten, wenn ein Fremder eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat.

1.2. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichtes Meidling vom 7. Dezember 2004. Mit diesem Urteil wurde die zwischen dem Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehegattin am 1. Oktober 2001 geschlossene Ehe gemäß § 23 Ehegesetz für nichtig erklärt. Damit steht fest, dass der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin kein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK geführt hat. Überdies bestreitet der Beschwerdeführer nicht, sich für seine Aufenthaltsberechtigung auf diese Ehe berufen zu haben. Daher begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG verwirklicht sei, keinem Einwand.

1.3. Angesichts des hohen Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt, ist auch die weitere Annahme der belangten Behörde, dass die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbedenklich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0253). Mit dem Vorbringen, dass eine bereits mehr als fünf Jahre zurückliegende Scheinehe bei sonstigem Wohlverhalten des Fremden keine Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde, ist schon deshalb nichts zu gewinnen, weil seit der Eheschließung am 1. Oktober 2001 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides lediglich vier Jahre und zehn Monate vergangen sind.

2. Bei der gemäß § 60 Abs. 6 FPG bei der Erlassung eines Aufenthaltverbotes durchzuführenden Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 leg. cit. hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit ca. sechs Jahren und seine Berufstätigkeit berücksichtigt. Zutreffend hat sie jedoch darauf hingewiesen, dass er erst auf Grund des Eingehens der - in weiterer Folge für nichtig erklärten - Ehe im Bundesgebiet eine nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bevorzugte Stellung erlangen konnte und auch die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes auf dem besagten rechtsmissbräuchlichen Verhalten basierte. Im Hinblick darauf sind die aus der Aufenthaltsdauer und der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers ableitbaren Interessen wesentlich relativiert. Unbestritten hat er außer den Beziehungen zu seinen Eltern, mit denen er nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Angesichts der diesen -

nicht sonderlich schwer wiegenden - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüberstehenden erheblichen Gefährdung öffentlicher Interessen durch das dargestellte rechtsmissbräuchliche Verhalten kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG), nicht als rechtswidrig erkannt werden. Ebenso begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), keinem Einwand.

3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 8. November 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180350.X00

Im RIS seit

29.11.2006

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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