TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/9 2006/07/0034

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Veröffentlicht am 09.11.2006
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E6J;
L81007 Immission Luftreinhaltung Schwefelgehalt im Heizöl
Smogalarm Tirol;
59/04 EU - EWR;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

11997E028 EG Art28;
11997E029 EG Art29;
62003CJ0320 Kommission / Österreich;
EURallg;
IG-L 1997 §14 Abs1 Z1 idF 2003/I/034;
Verkehrsbeschränkende Maßnahmen A 12 BGBl 2003/II/279;
Verkehrsbeschränkende Maßnahmen Tirol 2004 §3;
Verkehrsbeschränkende Maßnahmen Tirol 2004 §4 Z7;
Verkehrsbeschränkende Maßnahmen Tirol 2004 §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde des GP in G, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28/6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. Dezember 2005, Zl. uvs- 2005/25/3524-1, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft K. vom 15. November 2005 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 20. April 2005 um 21.40 Uhr in der Gemeinde R. auf der A 12 - Inntalautobahn bei km 28,310 als Lenker eines näher bezeichneten Lastkraftwagens mit über 7,5 t höchster zulässiger Gesamtmasse die Bestimmungen des § 30 Abs. 1 Z. 4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) i.V.m. § 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Oktober 2004, LGBl. Nr. 79/2004 "missachtet, da an Werktagen von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr, in der Zeit zwischen 1. November und 30. April eines jeden Jahres von 20.00 Uhr bis 05.00 Uhr, sowie an Sonn- und Feiertagen von 23.00 Uhr bis 05.00 Uhr, auf der A 12 Inntalautobahn zwischen Strkm. 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und Strkm. 66,780 im Gemeindegebiet von Ampass das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten" sei. Die Fahrt sei nicht unter die Ausnahmebestimmungen der zitierten Verordnung gefallen und der Beschwerdeführer auch nicht im Besitz einer Ausnahmegenehmigung gewesen. Der Beschwerdeführer habe dadurch die angeführten Rechtsvorschriften verletzt. Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von EUR 218,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 60 Stunden) verhängt.

Der Beschwerdeführer berief.

Er machte geltend, es sei bis zum Beginn des gesperrten Streckenabschnitts kein Hinweisschild angebracht gewesen. Als er die Sperrung bemerkt habe, habe er feststellen müssen, dass die Parkplätze bereits voll belegt gewesen seien. Wäre ein Hinweis auf die gesperrte Strecke schon einige Kilometer vor dem gesperrten Streckenabschnitt angebracht gewesen, so hätte der Beschwerdeführer sich frühzeitig nach einem Parkplatz umsehen und dort sein Fahrzeug abstellen können. Im Hinblick auf diese Sach- und Rechtslage erscheine ihm ein Verschulden nicht gegeben.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2005 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde nach einer Darstellung der einschlägigen Rechtslage im Wesentlichen aus, das Berufungsvorbringen, dass der Beginn des Nachtfahrverbotes auf der Autobahn nicht vorangekündigt worden wäre, sei unzutreffend. In Fahrtrichtung Kufstein erfolge 4.000 m und 3.300 m vor Beginn des eigentlichen Fahrverbots eine Vorankündigung desselben. Damit hätten Lenker betroffener Fahrzeuge, denen es bis dort nicht gelungen sei, einen Parkplatz auf der Autobahn zu finden, die Möglichkeit, bei Innsbruck-Ost bzw. Hall-West die Autobahn zu verlassen und in den dort unmittelbar angrenzenden Gewerbegebieten eine Abstellmöglichkeit für ihre Fahrzeuge über Nacht zu suchen. Es bestehe also in so einem Fall überhaupt keine Notwendigkeit, in das Sanierungsgebiet einzufahren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit der im Tiroler LGBl. Nr. 79/2004 kundgemachten, auf die §§ 10, 11 und 14 des Immissionsschutzgesetzes-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997 i.d.F. BGBl. I Nr. 34/2003 gestützten Verordnung erließ der Landeshauptmann von Tirol auf einem Teilbereich der A 12 Inntalautobahn verkehrsbeschränkende Maßnahmen. Die §§ 2 bis 4 dieser Verordnung lauten:

"§ 2 Sanierungsgebiet

Als Sanierungsgebiet im Sinne des § 2 Abs. 8 IG-L wird der Abschnitt der A 12 Inntalautobahn zwischen km 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und km 66,780 im Gemeindegebiet von Ampass festgelegt.

§ 3 Verbot

In dem nach § 2 festgelegten Sanierungsgebiet ist an Werktagen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten. In der Zeit zwischen 1. November und 30. April eines jeden Jahres ist an Werktagen in der Zeit von 20.00 Uhr bis 5.00 Uhr sowie an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 23.00 Uhr bis 5.00 Uhr das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die höchste zulässige Gesamtmasse des Lastkraftwagens oder die höchste zulässige Gesamtmasse des Anhängers mehr als 7,5 t beträgt, verboten. Einer bescheidmäßigen Anordnung einer Behörde bedarf es nicht, das Verbot wirkt direkt.

§ 4 Ausnahmen

Vom Verbot nach § 3 sind über die Ausnahmen nach § 14 Abs. 2

IG-L hinaus ausgenommen:

1. Fahrten zum überwiegenden Transport leicht verderblicher Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von nur wenigen Tagen oder zum ausschließlichen Transport von periodischen Druckwerken;

2. Fahrten zur Aufrechterhaltung dringender medizinischer Versorgung;

3.

Lebendtiertransporte;

4.

Fahrten, die den Straßenbauvorhaben auf der A 12 oder A 13 oder dem Ausbau der Zulaufstrecke Nord der Eisenbahnachse Brenner-München-Verona dienen;

5.

Fahrten des Abschleppdienstes oder der Pannenhilfe;

6.

unaufschiebbare Fahrten des Bundesheeres oder mit Fahrzeugen, die in Durchführung von Maßnahmen der Friedenssicherung im Rahmen einer internationalen Organisation, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder der Europäischen Union auf Grund eines Beschlusses im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eingesetzt werden, oder Fahrten von Hilfstransporten anerkannter Hilfsorganisationen;

              7.              Fahrten mit Fahrzeugen, deren NOx-Emission nicht mehr als 3,5 g/kWh beträgt (Euroklassen IV und V), wenn dies durch ein entsprechendes Dokument nachgewiesen werden kann, das mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen und auszuhändigen ist."

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe, nachdem er zum Tatzeitpunkt mit dem Lkw die Grenze passiert gehabt habe, das Fahrzeug auf dem nächstmöglichen Parkplatz abstellen wollen. Es sei aber kein Parkplatz frei gewesen, sodass er "gezwungen" gewesen sei, bis zum nächsten Parkplatz weiterzufahren, wo er angehalten worden sei. Ein Hinweisschild über den Beginn des gesperrten Streckenabschnittes oder aber ein Hinweisschild, dass die späteren Parkplätze belegt seien, sei nicht vorhanden gewesen, andernfalls er die Autobahn verlassen und die Bundesstraße benützt hätte. Darüber hinaus sei gemäß § 3 der beschwerdegegenständlichen Verordnung das Befahren der Autobahnstrecke an Werktagen von 22 Uhr bis 5 Uhr erlaubt, nur in der Zeit vom 1. November bis 30. April von 20 Uhr bis 5 Uhr. Dies bedeute, dass 10 Tage später von ihm keine Verwaltungsübertretung gesetzt worden wäre.

Weiters sei nicht geprüft worden, ob das von ihm gelenkte Fahrzeug der Euroklasse IV und V entspreche und ob er ein entsprechendes Dokument bei sich habe, und auch nicht verlangt worden, dass er ein entsprechendes Dokument vorweise und aushändige.

Schließlich sei der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf freien Warenverkehr und insbesondere auf freie Warendurchfuhr behindert. So habe der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 15. November 2005 in der Rechtssache C 320/03 festgestellt, dass die Tiroler Verordnung über das sektorale Fahrverbot die Gemeinschaftsrichtlinien nicht erfülle, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße und vor Erlassung einer so radikalen Maßnahme wie der eines völligen Fahrverbotes auf einem Autobahnabschnitt, der eine überaus wichtige Verbindung zwischen bestimmten Mitgliedstaaten darstelle, geprüft hätte werden müssen, ob nicht auf weniger beschränkende Maßnahmen zurückgegriffen hätte werden können.

Dieses Vorbringen verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg:

Zu dem Beschwerdevorbringen, es habe keine Hinweisschilder vor Beginn des gesperrten Streckenabschnitts gegeben, hat die belangte Behörde in dem angefochtenen Bescheid detaillierte Sachverhaltsfeststellungen getroffen. So führte die belangte Behörde dazu aus, dass in Fahrtrichtung Kufstein 4000 m und 3300 m vor Beginn des eigentlichen Fahrverbots eine Vorankündigung desselben erfolge. Damit hätten die Lenker betroffener Fahrzeuge, denen es bis dort nicht gelungen sei, einen Parkplatz auf der Autobahn zu finden, die Möglichkeit, bei Innsbruck-Ost bzw. Hall-West die Autobahn zu verlassen und in den dort unmittelbar angrenzenden Gewerbegebieten eine Abstellmöglichkeit für ihre Fahrzeuge über Nacht zu suchen. Es bestehe also in so einem Fall überhaupt keine Notwendigkeit, in das Sanierungsgebiet einzufahren.

Diesen konkreten Feststellungen der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer nicht substanziiert entgegengetreten.

Die Tatsache, dass die beschwerdegegenständliche Verordnung das Befahren der Autobahnstrecke für Lkw in der Zeit von 1. Mai bis 31. Oktober erst ab 22 Uhr untersagt, ist hier nicht entscheidungsrelevant.

Dass das gelenkte Fahrzeug der Euroklasse IV oder V entspreche, behauptet der Beschwerdeführer nicht einmal in seiner Beschwerde. Eine pauschale Verpflichtung der Behörde, entsprechende Dokumente - ohne Hinweis auf deren Vorhandensein bzw. auf die Möglichkeit der Anwendung einer Ausnahmebestimmung - zu verlangen, lässt sich der geltenden Rechtslage nicht entnehmen.

Auch die Behauptung, die Bestrafung verstoße gegen Gemeinschaftsrecht, erweist sich als unzutreffend.

In dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15. November 2005, Rechtssache C 320/03 (Kommission gegen Österreich), hat der Gerichtshof entschieden, dass Österreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 28 EG und 29 EG verstoßen hat, dass mit der Verordnung des Landeshauptmanns von Tirol vom 27. Mai 2003, BGBl. II Nr. 279, mit der auf der A 12 Inntalautobahn verkehrsbeschränkende Maßnahmen erlassen wurden (sektorales Fahrverbot), ein Fahrverbot für bestimmte Güter befördernde Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse von mehr als 7,5 t auf einem Teilstück der A 12 Inntalautobahn verhängt worden ist.

Im Beschwerdefall geht es aber nicht um ein sektorales Fahrverbot im Sinne jener Verordnung, die dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Grunde lag, sondern um das Nachtfahrverbot nach der Verordnung LGBl. Nr. 79/2004.

Wie aus Z. 45 der Schlussanträge des Generalanwalts und aus Randziffer 46 des Urteils des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C 320/03 hervorgeht, hat die Kommission in ihrer Vertragsverletzungsklage gegen die Republik Österreich eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das sektorale Fahrverbot der Verordnung BGBl. II Nr. 279/2003 unter anderem darin erblickt, dass diese Maßnahme nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche, weil es andere Maßnahmen gebe, die den freien Verkehr von Waren und Transportdienstleistungen weniger behinderten. Als solche Maßnahmen führte die Kommission ausdrücklich auch ein Nachtfahrverbot an. Die Kommission erachtet demnach ein Nachtfahrverbot als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Ein Hinweis, dass der Europäische Gerichtshof diese Auffassung nicht teilte, findet sich nicht.

Aus dem Vorgesagten folgt, dass es der Beschwerde nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 9. November 2006

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Auslegung Allgemein EURallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006070034.X00

Im RIS seit

05.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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