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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Berger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des Mag. EWin W, vertreten durch Beck, Krist, Bubits Rechtsanwälte-Partnerschaft in 2340 Mödling, Elisabethstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Dezember 2004, Zl UVS- 2004/13/112-2, betreffend Übertretungen des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 25. Mai 2004 wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe
"als Vorstandsvorsitzender der absendenden Firma (S) zu verantworten, dass, wie am 12.12.2003 um 08.30 Uhr in Innsbruck, Sillufer an der Kreuzung mit der Helblingstraße in Richtung Norden bei einer Kontrolle des LKWs (...) festgestellt wurde,
1 Fass, 200 kg Farbe od. Farbzubehörstoffe, 3, II, UN 1263 2 Fässer, gesamt 56 kg, Harzlösung 3, III, UN 1866 1 Kiste aus Pappe, 1 kg, Organisches Peroxid Typ D flüssig,
5.2, UN 3105
1 Kiste aus Pappe, 10 kg, Feuerzeuge für Zigaretten, 2, 6F, UN 1057, zur Beförderung übergeben wurden, obwohl
1) dem Beförderer das erforderliche Beförderungspapier für das Versandstück der Klasse 2 nicht geliefert wurde, da kein solches mitgeführt wurde,
2) dem Beförderer ein unzureichendes Beförderungspapier für das Versandstück der Klasse 5.2 geliefert wurde, da dort die Bezeichnung "2 Fass" angegeben war,
3) auf der Kiste aus Pappe (Feuerzeuge für Zigaretten) fehlte die Aufschrift mit der UN-Nummer,
4) auf der Kiste aus Pappe (Organisches Peroxid) fehlte ebenfalls die Aufschrift mit der UN-Nummer,
5) auf der Kiste aus Pappe (Organisches Peroxid) war keine Verpackungscodierung angebracht."
Er habe dadurch zu den Tatvorwürfen 1) und 2) § 7 Abs 3 Z 2 Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) und zu den Tatvorwürfen Nr 3),
4) und 5) § 7 Abs 3 Z 3 GGBG verletzt und es wurden über ihn wegen dieser Verwaltungsübertretungen gemäß § 27 Abs 1 Z 2 GGBG Geldstrafen von jeweils EUR 1.000,--, sohin insgesamt EUR 5.000,-- , und Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 20 Tagen verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers (nur) insofern Folge gegeben, als die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 20 Tagen auf jeweils 3 Tage herabgesetzt wurden.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides traf die belangte Behörde - nach Darlegung des Berufungsvorbringens - Feststellungen zu den beförderten Gefahrgütern und den näheren Umständen der Beförderung sowie zu den Beförderungspapieren. Weiters stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer Vorstandsvorsitzender der S AG sei. In rechtlicher Hinsicht hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass der Absender gemäß § 7 Abs 3 Z 2 und 3 GGBG nur Sendungen zur Beförderung übergeben dürfe, die den gemäß § 2 GGBG in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. Für die Verwirklichung der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen sei vorsätzliches Verhalten nicht erforderlich, sondern es reiche bereits Fahrlässigkeit aus. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass er als Vorstandsvorsitzender der S AG das Unternehmen von Wien aus leite und dass er - näher dargelegte - Maßnahmen getroffen habe, die unter vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten lassen dürften. Mit diesem Vorbringen sei es dem Beschwerdeführer jedoch nicht gelungen, mangelndes Verschulden darzutun. Er sei als Vorstandsvorsitzender der S AG das gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen hin berufene Organ. Trotz des Bestehens einiger Kontrollmechanismen im Unternehmen sei nicht ein solches System installiert worden, bei dem mit gutem Grund davon ausgegangen werden könne, dass Übertretungen des GGBG, sollten diese gesetzt werden, unverzüglich erkannt und abgestellt würden. Der Beschwerdeführer habe weder behauptet noch unter Beweis gestellt, wie er sich laufend über die Einhaltung der Kontrollmechanismen informiere und welche wirksamen Schritte er für den Fall von ihm festgestellter Verstöße auf dem Gebiet des GGBG in Aussicht gestellt bzw unternommen habe, um derartigen Verstößen vorzubeugen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs 1 GGBG haben die an der Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um Schadensfälle zu verhindern und bei Eintritt eines Schadens dessen Umfang so gering wie möglich zu halten. Sie haben jedenfalls die für sie jeweils geltenden Bestimmungen der gemäß § 2 leg cit in Betracht kommenden Vorschriften einzuhalten.
Gemäß § 7 Abs 3 GGBG darf der Absender nur Sendungen zur Beförderung übergeben, die den gemäß § 2 leg cit in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen. Im Rahmen des § 7 Abs 1 GGBG hat der Absender insbesondere dem Beförderer die erforderlichen Angaben und Informationen und gegebenenfalls die erforderlichen Beförderungspapiere und Begleitpapiere (Genehmigungen, Zulassungen, Benachrichtigungen, Zeugnisse usw) zu liefern (§ 7 Abs 3 Z 2 leg cit) und nur Verpackungen, Großverpackungen, Großpackmittel (IBC) und Tanks zu verwenden, die für die Beförderung der betreffenden Güter zugelassen und geeignet sowie mit den in dem gemäß § 2 leg cit in Betracht kommenden Vorschriften vorgeschriebenen Kennzeichnungen versehen sind (§ 7 Abs 3 Z 3 leg cit).
Gemäß § 27 Abs 1 Z 2 GGBG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer als Absender gefährliche Güter entgegen § 7 Abs 3, § 13 Abs 1 oder § 23 Abs 1 GGBG zur Beförderung übergibt.
2. Der Beschwerdeführer wurde als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs 1 VStG bestraft. Bei den ihm zur Last gelegten Delikten - Nichtlieferung von (zutreffenden) Beförderungspapieren bzw fehlende Kennzeichnungen - handelt es sich um Unterlassungsdelikte (vgl im Hinblick auf vergleichbare Delikte des Beförderers das hg Erkenntnis vom 20. September 2000, Zlen 2000/03/0071, 0072). Für die örtliche Zuständigkeit gemäß § 27 Abs 1 VStG ist damit maßgebend, wo der Beschwerdeführer hätte handeln müssen; das ist im Zweifel jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (vgl zB das hg Erkenntnis vom 25. März 1994, Zl 94/02/0026).
Das Unternehmen, als dessen nach außen zur Vertretung berufenes Organ der Beschwerdeführer bestraft wurde, hat seinen Sitz - wie der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat und auch aus dem im Verwaltungsakt erliegenden Firmenbuchauszug hervorgeht - in Wien. Die als erstinstanzliche Verwaltungsstrafbehörde eingeschrittene Bundespolizeidirektion Innsbruck war daher - zumal § 27 Abs 7 GGBG nur in den Fällen des Abs 1 Z 1 leg cit gilt - zur Verfolgung der gegenständlichen Verwaltungsübertretungen gemäß § 27 Abs 1 VStG nicht zuständig. Die belangte Behörde hätte daher das erstinstanzliche Straferkenntnis aufzuheben gehabt (vgl das hg Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, 95/11/0267).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 14. November 2006
Schlagworte
Berufungsverfahren Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation VerfahrensbestimmungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005030102.X00Im RIS seit
07.12.2006