Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wolfgang P*****, Rechtsanwalt, ***** gegen die beklagte Partei Ahmet C*****, vertreten durch Dr. Peter Raits, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wegen S 53.088,14 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Jänner 1999, GZ 54 R 421/98w-82, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 22. August 1998, GZ 16 C 107/96g-71, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.871,04 (darin enthalten S 811,84 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der klagende Rechtsanwalt fordert vom Beklagten, den er in mehreren Causen rechtsfreundlich vertreten hat, das der Höhe nach außer Streit stehende Honorar für seine anwaltlichen Tätigkeiten.
Der Beklagte wendete unter anderem ein, den Kläger irrtümlich beauftragt zu haben. Der Kläger habe ihm nämlich verschwiegen, bereits für Fuad R*****, einem seiner Gegner bei einer tätlichen Auseinandersetzung am 4. 6. 1994 anwaltlich tätig gewesen zu sein.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Seine Feststellungen betreffend die Irrtumsproblematik lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Es steht nicht fest, daß der Beklagte beim ersten Besuch in der Kanzlei des Klägers auch Fuad R***** als einen der Angreifer genannt hat. Nachdem die Kanzlei des Klägers "entdeckt" hatte, daß wegen des Vorfalls vom 4. 6. 1994 gegen mehrere Personen (darunter Fuad R*****) als Verdächtige ermittelt werde, brachte der Kläger dem Beklagten gegenüber zum Ausdruck, daß er gegen Fuad R***** nicht vorgehen könne, weil er diesen in anderen Causen bereits vertreten habe. Nach dieser Mitteilung war der Kläger mit Willen des Beklagten weiter für diesen anwaltlich tätig.
Das Berufungsgericht, das die erstinstanzliche Entscheidung bestätigte, erachtete die in der Tatsachen- und Beweisrüge des Beklagten gegen diese Feststellungen vorgebrachte Kritik für unberechtigt: Daß der Beklagte bereits bei seinem ersten Besuch in der Kanzlei des Klägers sämtliche Beteiligte des Vorfalles vom 4. 6. 1994 mit vollem Namen genannt hätte, sei im Sinne der glaubwürdigen Parteienaussage des Klägers genausowenig feststellbar, wie die Angabe des Klägers zu widerlegen sei, den Beklagten über die Vertretungskollision entsprechend rechtlich aufgeklärt zu haben. Das Berufungsgericht weiter wörtlich: "Es ist nicht einzusehen, welchen Grund der Kläger, der später nach Bekanntwerden dieser Kollisionskonstellation sehr wohl den Beklagten entsprechend darauf hingewiesen hat, gehabt haben sollte, dies nicht sofort zu tun, wenn ihm der Beklagte den Namen Fuad R*****, der schon zuvor sein Klient gewesen war, tatsächlich genannt hätte. Hier ist der umfassenden Beweiswürdigung des Erstgerichtes vorbehaltlos beizupflichten."
Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision zunächst für nicht zulässig, weil die Problematik des gegenständlichen Falles praktisch ausschließlich im Tatsachenbereich gelegen sei.
Der Beklagte beantragte die Revision entgegen diesem Ausspruch doch zuzulassen; die Vorinstanzen hätten - wie bereits in der Berufung gerügt - eine Beweislastregel rechtsirrig angewandt. Der Kläger wäre als berufsmäßiger Parteienvertreter gehalten gewesen, über sämtliche zwischen ihm bzw seinem Konzipienten und einem Mandanten geführten Gespräche schriftliche Aufzeichnungen zu machen und diese als Beweismittel für den strittigen Gesprächsinhalt vorzulegen. Zu klären seien die wesentlichen Rechtsfragen, ob einen berufsmäßigen Parteienvertreter eine vertragliche Nebenpflicht dahin treffe, den Inhalt seiner Gespräche, insbesondere des "Erstgesprächs" mit einem Mandanten schriftlich aufzuzeichnen, besonders wenn es sich dabei um eine der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtige Person handle und ob in einem solchen Fall eine "Beweisbelastung des Parteienvertreters" zur Vorlage dieser schriftlichen Aufzeichnungen bestehe, um den Erschütterungsbeweis anzutreten, daß der Mandant zur Beurteilung einer Kollision dienende Informationen erst später erteilt habe. Insbesondere zur letzten Fragen fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.
Das Berufungsgericht sah sich durch diese Ausführungen veranlaßt, seinen Zulässigkeitsausspruch im Sinne des Beklagten abzuändern. Schon wegen der weitreichenden Folgen für berufsmäßige Parteienvertreter im Falle einer Bejahung einer Dokumentationspflicht komme der vom Revisionswerber angesprochenen Frage eine weit über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz nicht zulässig. Die im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO für erheblich angesehene Rechtsfrage einer an die behauptete Dokumentationspflicht des Rechtsanwalts anknüpfenden "Beweislastregel" stellt sich nämlich hier gar nicht:Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz nicht zulässig. Die im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO für erheblich angesehene Rechtsfrage einer an die behauptete Dokumentationspflicht des Rechtsanwalts anknüpfenden "Beweislastregel" stellt sich nämlich hier gar nicht:
Beweislastregeln haben nur dort Bedeutung, wo das Gericht keine verläßlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen vermag. Nur für den Fall, daß eine für die Entscheidung erhebliche Tatsache unbewiesen geblieben ist (non liquet), greifen Beweislastregeln ein, um trotzdem eine Sachentscheidung zu ermöglichen. Die Beweislast regelt demnach die Folgen der Nichterbringung eines Beweises für die Entscheidung (vgl Fasching, ZPR2 Rz 878). Folgerichtig kann, wie der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 2020/96 (= RdM 1997/5) ausgesprochen hat, etwa die Frage nach der Verteilung der Beweislast bei Unterlassung einer (ärztlichen) Dokumentation erst dann bedeutsam werden, wenn die für den Streitausgang als wesentlich erachteten Tatsachen nicht festgestellt werden können.Beweislastregeln haben nur dort Bedeutung, wo das Gericht keine verläßlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen vermag. Nur für den Fall, daß eine für die Entscheidung erhebliche Tatsache unbewiesen geblieben ist (non liquet), greifen Beweislastregeln ein, um trotzdem eine Sachentscheidung zu ermöglichen. Die Beweislast regelt demnach die Folgen der Nichterbringung eines Beweises für die Entscheidung vergleiche Fasching, ZPR2 Rz 878). Folgerichtig kann, wie der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 2020/96 (= RdM 1997/5) ausgesprochen hat, etwa die Frage nach der Verteilung der Beweislast bei Unterlassung einer (ärztlichen) Dokumentation erst dann bedeutsam werden, wenn die für den Streitausgang als wesentlich erachteten Tatsachen nicht festgestellt werden können.
Die eine Dokumentationspflichtverletzung durch den Kläger unterstellenden und daraus offenbar prima facie dessen Sachverhaltsschilderung als widerlegt oder zumindest nicht ausreichend glaubwürdig erachtenden Revisionsausführungen wenden sich nun allerdings gegen vom Erstgericht mit Bezug auf den Irrtumseinwand des Beklagten positiv getroffene Feststellungen. Dies gilt auch für die Feststellung, daß nicht feststehe, daß der Beklagte beim Erstbesuch auch Fuad R***** als einen der Angreifer genannt habe. Die vom Erstgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung dazu gemachten Ausführungen (US 15 f) und die betreffende, oben wörtlich wiedergegebene Passage des Berufungsurteils lassen keinen Zweifel daran, daß die Vorinstanzen dem Kläger (auch) dahin Glauben geschenkt haben und daher zum Ausdruck bringen wollten, daß Fuad R***** vom Beklagten beim sogenannten Erstgespräch nicht erwähnt wurde.
Da sich die Vorinstanzen also in der Lage sahen, hinsichtlich der betreffenden Streitpunkte positive Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, ist eine Erörterung der vom Beklagten aufgeworfenen Fragen einer Dokumentationspflicht des Rechtsanwalts und einer daran anknüpfenden Beweislastregel hier nicht erforderlich. Die Argumentation des Revisionswerbers (der ausführt, bei richtiger Anwendung der Beweisregel "hätte als Ergebnis im gegenständlichen Rechtsstreit ein non liquet stehen müssen") stellt sich damit in Wahrheit lediglich als der unzulässige Versuch dar, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.
Abgesehen davon haben die Vorinstanzen den Irrtumseinwand ohnehin auch deshalb verworfen, weil sie der Behauptung des Beklagten, er hätte bei früherer Aufklärung der "Kollisionssituation" den Kläger nicht bevollmächtigt, gar keinen Glauben geschenkt haben (Ersturteil S 20; Berufungsurteil S 15 letzter Absatz). Damit kommt der Frage, ob der Kläger schon anläßlich des Erstgespräches in der Lage gewesen wäre, auf den Umstand hinzuweisen, daß Fuad R***** von ihm vertreten worden war, letztlich ohnehin keine streitentscheidende Bedeutung zu.
Die Revision war daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.Die Revision war daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß Paragraph 510, Absatz 3, letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO ausdrücklich hingewiesen.Die Kostenentscheidung beruht auf den Paragraphen 41 und 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO ausdrücklich hingewiesen.
Anmerkung
E54751 07A01479European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1999:0070OB00147.99I.0714.000Dokumentnummer
JJT_19990714_OGH0002_0070OB00147_99I0000_000