Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei V*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Mährenhorst, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei Hans-Dieter R*****, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 9. März 1999, GZ 13 R 2/99f-12, womit der Beschluß des Landesgerichtes Korneuburg vom 16. September 1998, GZ 1 Cg 58/98t-3, bestätigt wurde, den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß der Antrag der klagenden und gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei verboten werde, die Kolumne "Ein gerechter Sieg für die Maklerschaft", versehen mit kreditschädigenden Äußerungen, insbesondere mit dem Text "Was ist bloß aus jener V***** geworden, mit der ich partnerschaftlich und erfolgreich zusammengearbeitet habe? Sieht ja schon fast nach wirtschaftlichem Selbstmord aus! Ob da nicht schon bald Arbeitsplätze wackeln? Hans R*****, einer der noch das Glück hatte, positive Zeiten mit V***** zu erleben" zu verbreiten, abgewiesen wird.
Die klagende und gefährdete Partei hat dem Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei die Kosten des Rekursverfahrens von 6.337,80 S (darin 1.056,30 S Umsatzsteuer) und des Revisionsrekursverfahrens von 7.605,- S (darin 1.267,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Beklagte versah einen in der Zeitschrift des Gremiums der Versicherungsmakler und Versicherungsagenten unter dem Titel "Ein gerechter Sieg für die Maklerschaft" erschienen Artikel mit nachstehender Äußerung: "Was ist bloß aus jener V***** geworden, mit der ich partnerschaftlich und erfolgreich zusammengearbeitet habe? Sieht ja fast schon nach wirtschaftlichem Selbstmord aus! Ob da nicht schon bald Arbeitsplätze wackeln? Hans R*****, einer der noch das Glück hatte, positive Zeiten mit V***** zu erleben". Er versendete den mit seiner Äußerung versehenen Artikel in Faxen und Briefen.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches begehrt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit dem Beklagten verboten werde, die Kolumne "Ein gerechter Sieg für die Maklerschaft" versehen mit kreditschädigenden Äußerungen, insbesondere mit dem oben angeführten Text zu verbreiten. Der Beklagte habe diese Äußerung an die Faxstellen der Klägerin und auch an dritte, außenstehende Personen versendet. Sie sei geeignet, Verunsicherung über die wirtschaftliche Lage der Klägerin auszulösen und damit kreditschädigend. Wiederholungsgefahr sei gegeben.
Klage und Sicherungsantrag wurden dem Beklagten mit dem Auftrag zur Erstattung der Klagebeantwortung und unter Setzung einer achttägigen Frist zur Äußerung zum Sicherungsantrag zugestellt und er darauf hingewiesen, daß - sollte eine Äußerung nicht erfolgen - angenommen werde, daß er dem Antrag zustimme. Der Beklagte äußerte sich zum Sicherungsantrag nicht.
Das Erstgericht erließ die begehrte einstweilige Verfügung, wobei es das Vorbringen der Klägerin durch die vorgelegten Urkunden als bescheinigt ansah.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Beklagte habe mit seiner in Faxen und Briefen versendeten Äußerung den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin beeinträchtigende Tatsachen verbreitet und damit gegen § 1330 Abs 2 ABGB verstoßen. Die Bemerkung, daß die Vorgangsweise der Klägerin "nach wirtschaftlichem Selbstmord" aussehe, sei so zu verstehen, daß sie unternehmerisch in einer letztlich zur Insolvenz führenden Weise vorgehe. Auch die Bemerkung "ob da nicht schon bald Arbeitsplätze wackeln" und der Hinweis auf die "positiven Zeiten", die der Beklagte mit der Klägerin habe erleben können, deuteten auf eine schlechte bzw sich verschlechternde wirtschaftliche Lage des Unternehmens hin, sowie darauf, daß positive Zeiten nicht mehr zu erwarten seien; dies lasse wieder auf den wirtschaftlichen Niedergang schließen. Da sich die (Un)richtigkeit dieser Behauptungen an sich beweisen lasse, seien die Äußerungen des Beklagten Tatsachenbehauptungen im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB und nicht Werturteile.Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Beklagte habe mit seiner in Faxen und Briefen versendeten Äußerung den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin beeinträchtigende Tatsachen verbreitet und damit gegen Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB verstoßen. Die Bemerkung, daß die Vorgangsweise der Klägerin "nach wirtschaftlichem Selbstmord" aussehe, sei so zu verstehen, daß sie unternehmerisch in einer letztlich zur Insolvenz führenden Weise vorgehe. Auch die Bemerkung "ob da nicht schon bald Arbeitsplätze wackeln" und der Hinweis auf die "positiven Zeiten", die der Beklagte mit der Klägerin habe erleben können, deuteten auf eine schlechte bzw sich verschlechternde wirtschaftliche Lage des Unternehmens hin, sowie darauf, daß positive Zeiten nicht mehr zu erwarten seien; dies lasse wieder auf den wirtschaftlichen Niedergang schließen. Da sich die (Un)richtigkeit dieser Behauptungen an sich beweisen lasse, seien die Äußerungen des Beklagten Tatsachenbehauptungen im Sinn des Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB und nicht Werturteile.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Sinn und Bedeutungsinhalt einer Äußerung und gleich die Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder bloß eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der beanstandeten Äußerung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (MR 1995, 97; MR 1995, 137 je mwN, 6 Ob 2060/96a, 6 Ob 245/97s). Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie von den angesprochenen Verkehrskreisen - hier Mitarbeiter der Klägerin - im Zusammenhang mit der darin glossierten Kolumne des Gremialvorstehers der Versicherungsmakler bei ungezwungener Auslegung verstanden wird, wobei die Ermittlung des Bedeutungsinhaltes einer Äußerung im allgemeinen eine Rechtsfrage ist, die von den näheren Umständen des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Formulierung und dem Zusammenhang, in dem sie geäußert wurde, abhängt (6 Ob 2060/96a mwN, 6 Ob 245/97s; MR 1998, 269 - Schweine-KZ).
Im vorliegenden Fall nimmt der Beklagte eine, die Geschäftspraktiken der Klägerin kritisierende Stellungnahme des Bundesgremialvorstandes der Versicherungsmakler zu einem gegen die Klägerin geführten Prozeß (in dem sie gegen einen Makler unterlegen war) zum Anlaß, seine Kritik an der Vorgangsweise der Klägerin gegenüber Maklern zu äußern. Er bringt dabei für den verständigen, unbefangenen Durchschnittsleser erkennbar seine Auffassung zum Ausdruck, die Zusammenarbeit mit der Klägerin sei (nun) nicht mehr partnerschaftlich und (wirtschaftlich) erfolgreich, er befürchte, daß ihre Vorgangsweise zu einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage und einem wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens führen werde. Ein verständiger, unbefangener Durchschnittsleser wird dieser Äußerung aus ihrem Gesamtzusammenhang hingegen nicht entnehmen, daß die Klägerin tatsächlich vor dem wirtschaftlichen Niedergang stehe und Arbeitsplätze gefährdet wären. Der Vorwurf des Beklagten ist in seiner Gesamtheit Ausdruck und Kundgabe der im Zusammenhang mit dem Bericht des Gremialvorstandes über für Makler nachteilige Geschäftspraktiken der Klägerin geäußerten Meinung des Beklagten, wonach die Vorgangsweise der Klägerin einer partnerschaftlichen und damit erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Maklern entgegenstehe und damit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung abträglich sei. Die Äußerung des Beklagten unterstellt damit der Klägerin keine konkreten Tatsachen, er unterzieht vielmehr die Stellungnahme des Bundesgremialvorstandes der Versicherungsmakler einer aufgrund eigener gedanklicher Tätigkeit erarbeiteten wertenden Stellungnahme. Diese wertende Meinungsäußerung des Beklagten ist damit nicht tatbestandsmäßig im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB, zumal die Klägerin nicht einmal behauptet, geschweige denn bescheinigt hat, daß der Tatsachenkern des dem Werturteil zugrundeliegenden Sachverhalts unrichtig wäre. Ein Eingriff in die Ehre der Klägerin durch die vom Beklagten gewählte Formulierung (entgegen der Auffassung des Beklagten wird die Ehre juristischer Personen durch § 1330 Abs 1 ABGB geschützt, s. MR 1998, 273 - Waldorfschulen mwN) ist nicht zu erkennen und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.Im vorliegenden Fall nimmt der Beklagte eine, die Geschäftspraktiken der Klägerin kritisierende Stellungnahme des Bundesgremialvorstandes der Versicherungsmakler zu einem gegen die Klägerin geführten Prozeß (in dem sie gegen einen Makler unterlegen war) zum Anlaß, seine Kritik an der Vorgangsweise der Klägerin gegenüber Maklern zu äußern. Er bringt dabei für den verständigen, unbefangenen Durchschnittsleser erkennbar seine Auffassung zum Ausdruck, die Zusammenarbeit mit der Klägerin sei (nun) nicht mehr partnerschaftlich und (wirtschaftlich) erfolgreich, er befürchte, daß ihre Vorgangsweise zu einer sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage und einem wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens führen werde. Ein verständiger, unbefangener Durchschnittsleser wird dieser Äußerung aus ihrem Gesamtzusammenhang hingegen nicht entnehmen, daß die Klägerin tatsächlich vor dem wirtschaftlichen Niedergang stehe und Arbeitsplätze gefährdet wären. Der Vorwurf des Beklagten ist in seiner Gesamtheit Ausdruck und Kundgabe der im Zusammenhang mit dem Bericht des Gremialvorstandes über für Makler nachteilige Geschäftspraktiken der Klägerin geäußerten Meinung des Beklagten, wonach die Vorgangsweise der Klägerin einer partnerschaftlichen und damit erfolgreichen Zusammenarbeit mit den Maklern entgegenstehe und damit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung abträglich sei. Die Äußerung des Beklagten unterstellt damit der Klägerin keine konkreten Tatsachen, er unterzieht vielmehr die Stellungnahme des Bundesgremialvorstandes der Versicherungsmakler einer aufgrund eigener gedanklicher Tätigkeit erarbeiteten wertenden Stellungnahme. Diese wertende Meinungsäußerung des Beklagten ist damit nicht tatbestandsmäßig im Sinn des Paragraph 1330, Absatz 2, ABGB, zumal die Klägerin nicht einmal behauptet, geschweige denn bescheinigt hat, daß der Tatsachenkern des dem Werturteil zugrundeliegenden Sachverhalts unrichtig wäre. Ein Eingriff in die Ehre der Klägerin durch die vom Beklagten gewählte Formulierung (entgegen der Auffassung des Beklagten wird die Ehre juristischer Personen durch Paragraph 1330, Absatz eins, ABGB geschützt, s. MR 1998, 273 - Waldorfschulen mwN) ist nicht zu erkennen und wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Beklagten wird Folge gegeben und der Sicherungsantrag abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78 und 402 EO iVm §§ 41 und 50 ZPO. Als Kostenbemessungsgrundlage war nach § 10 RATG 120.000,- S heranzuziehen.Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraphen 78 und 402 EO in Verbindung mit Paragraphen 41 und 50 ZPO. Als Kostenbemessungsgrundlage war nach Paragraph 10, RATG 120.000,- S heranzuziehen.
Anmerkung
E54646 06AA1309European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1999:0060OB00130.99G.0715.000Dokumentnummer
JJT_19990715_OGH0002_0060OB00130_99G0000_000