TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/14 2006/05/0141

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Veröffentlicht am 14.11.2006
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §362;
ABGB §364 Abs1;
BauO NÖ 1996 §14 Z1;
BauO NÖ 1996 §14 Z2;
BauO NÖ 1996 §14;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauRallg;
MRK Art6;
ROG NÖ 1976 §13 idF 8000-14;
ROG NÖ 1976 §18 Abs3 idF 8000-14;
ROG NÖ 1976 §18 idF 8000-14;
StGG Art5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde der Irmgard Conrad in Wien, vertreten durch Mag. Daniel Lampersberger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 4, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 6. Dezember 2004, Zl. RU1-V-03105/00, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Göttlesbrunn-Arbesthal, 2464 Göttlesbrunn-Arbesthal, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1594/14 KG Arbesthal und des darauf befindlichen Gebäudes, eines Lagerhauses .

Mit Eingabe vom 6. März 2003 zeigte die Beschwerdeführerin der Baubehörde die Installation von zwei Nasszellen im bestehenden Gebäude (im Lagerraum und im Raum 2) an, welche dieses Vorhaben in der Folge mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. April 2003 mit der Begründung untersagte, dass dem Bauvorhaben die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart "Verkehrsfläche" entgegen stehe. Im Übrigen handle es sich beim Einbau von Nasszellen um ein bewilligungspflichtiges und nicht um ein bloß anzeigepflichtiges Bauvorhaben.

In der dagegen erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass das Grundstück im Kataster als Baufläche eingetragen sei. Es blieben die bestehenden und die tragenden Wände unverändert, es sei kein Bauansuchen vorgesehen und es werde auch von einem Umbau vorläufig abgesehen.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2003 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung ab und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters. Auch der Gemeindevorstand stützte sich darauf, dass eine Bauführung auf einem Grundstück mit der Widmung "Verkehrsfläche" nicht zulässig sei.

Dagegen wandte sich die Beschwerdeführerin mit Vorstellung an die belangte Behörde und machte geltend, ein anzeigepflichtiges Vorhaben gemäß § 15 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996), nämlich den Einbau von Nasszellen, angezeigt zu haben. Die Ablehnung mit der Begründung, es liege ein Widerspruch zum Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz (NÖ ROG 1976) vor, sei nicht zutreffend, weil das Gebäude auf einem Bauplatz im "Bauland-Agrar" errichtet sei. Der errichtete Bau sei keineswegs eine Straße, weil "Straße" keine Widmung sei. Das Gebäude sei mit einem näher zitierten Bescheid aus dem Jahre 1997 an den Ortsmischkanal angeschlossen, und der unsinnige Bescheid sei daher sofort aufzuheben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 2004 wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab.

Die belangte Behörde stellte fest, bei Einsichtnahme in den Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde sei hervorgekommen, dass das Grundstück Nr. 1594/14 zur Gänze als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet sei. Auf Gemeindeebene sei eine Prüfung der Übereinstimmung des Vorhabens mit der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart erfolgt und habe die Gemeinde das Grundstück zutreffend als ein im Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche ausgewiesenes Grundstück angesehen. Es könne daher dem Gemeindevorstand nicht entgegen getreten werden, wenn er in seinem Bescheid ausführe, dass den geplanten Nasszellen, welche auf der Verkehrsfläche zu liegen kommen sollten, die Widmung "Verkehrsfläche" entgegenstehe. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Nasszellen in einem bestehenden Gebäude installiert werden sollten, welches auf dem als Verkehrsfläche gewidmeten Grundstück liege. Im Übrigen sei der Beschwerdeführerin vor Augen zu halten, dass sie den Umstand, dass das Vorhaben mit der Widmung als Verkehrsfläche nicht vereinbar sei, im Berufungsverfahren gar nicht releviert habe. Ein diesbezügliches Vorbringen habe sie erst in der ergänzten Vorstellung erstattet.

Zusammenfassend ergebe sich somit, dass eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht vorliege. Nur der Vollständigkeit halber sehe sich die belangte Behörde zu dem Hinweis veranlasst, dass der Einbau von Nasszellen in einem bereits bewilligten Projekt als bewilligungspflichtiges Bauvorhaben nach § 14 Z. 4 NÖ BauO 1996 zu qualifizieren sei. Wenn auch die Baubehörde einen diesbezüglichen Bewilligungsantrag nach § 20 Abs. 1 und 3 NÖ BauO 1996 abzuweisen hätte, so sei doch die Beschwerdeführerin durch die bescheidförmige Untersagung des angezeigten Vorhabens in ihren Rechten im Ergebnis nicht verletzt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 4. März 2006, B 119/05-16, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei, und wies die Beschwerde ab.

Der Verfassungsgerichtshof setzte sich mit der behaupteten Gesetzwidrigkeit der Verkehrsflächenwidmung im vereinfachten Flächenwidmungsplan vom Dezember 1987 und im örtlichen Raumordnungsprogramm 1990 auseinander und gelangte mit näherer Begründung zur Ansicht, dass die gegen die Widmung des Grundstückes Nr. 1594/14 vorgebrachten Bedenken nicht zuträfen. Der Verfassungsgerichtshof sehe sich nicht veranlasst, ein Verfahren zur Prüfung des Flächenwidmungsplanes einzuleiten. Angesichts des eindeutigen und verfassungsrechtlich unbedenklichen Wortlautes des § 18 Abs. 3 NÖ ROG 1976 könne der belangten Behörde weder eine denkunmögliche noch eine gleichheitswidrige Auslegung vorgeworfen werden, wenn sie zum Ergebnis gekommen sei, dass das angezeigte Vorhaben für eine Nutzung gemäß § 18 Abs. 1 oder 2 NÖ ROG 1976 nicht erforderlich sei.

Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 17 Mai 2006, B 119/05-18, wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

In ihrer ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Beschwerde stützt sich im Wesentlichen darauf, dass die belangte Behörde § 18 Abs. 3 NÖ ROG 1976 unzutreffend ausgelegt habe.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Widerspruch zu den Bestimmungen des NÖ ROG 1976 schließt nach den §§ 23 Abs. 1 NÖ BauO 1996 bzw. § 15 Abs. 3 leg. cit. sowohl die Erteilung einer Baubewilligung für ein baubewilligungspflichtiges Bauvorhaben als auch die Nichtuntersagung eines bloß anzeigepflichtigen angezeigten Bauvorhabens aus.

Die im gegenständlichen Fall in Frage kommende Bestimmung des § 18 NÖ ROG 1976 (Abs. 1 und 2 in der Fassung der Novelle 1995, LGBl. 8000-10, Abs. 3 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle 2002, LGBl. 8000-14) hat folgenden Wortlaut:

"§ 18

Verkehrsflächen

(1) Als Verkehrsflächen sind solche Flächen vorzusehen, die dem ruhenden und fließenden Verkehr dienen und für das derzeitige sowie künftig abschätzbare Verkehrsaufkommen erforderlich sind. Sofern die Verkehrsflächen nicht ausdrücklich als private festgelegt sind, sind sie als öffentliche anzusehen.

(2) Erforderlichenfalls können die Verkehrsflächen hinsichtlich ihrer speziellen Verwendung (Fuß-, Rad-, Reit-, Spielwege, Übungsplätze, Tankstellen, Abstellanlagen, Park-and-Ride-Anlagen, Raststätten, Einrichtungen für den Straßendienst, Bahnhöfe u.dgl.) im Flächenwidmungsplan näher bezeichnet und damit auf diesen Zweck eingeschränkt werden.

(3) Auf Verkehrsflächen dürfen Bauwerke nur dann errichtet werden, wenn diese für eine Nutzung gemäß Abs. 1 oder 2 erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen auch Kleinbauten (Telefonzellen, Wartehäuschen, Verkaufskioske, Werbeanlagen u. dgl.), Bauwerke für den Betrieb und die Erhaltung infrastruktureller Einrichtungen (Trafostationen, Pumpstationen u. dgl.) sowie vorübergehend (saisonal beschränkt) Veranstaltungsbetriebsstätten (Anlagen für Theateraufführungen, Eislaufplätze u.dgl.) errichtet werden."

Die Beschwerdeführerin meint nun, der von ihr beabsichtigte Einbau von zwei Nasszellen wäre bei richtiger rechtlicher Beurteilung unter die in § 18 Abs. 3 NÖ ROG 1976 angeführten Kleinbauten zu subsumieren. Irgendwelche objektive Kriterien, auf Grund derer Toilettenanlagen rechtlich anders zu beurteilen wären als die im Gesetz demonstrativ aufgezählten Kleinbauten (Telefonzellen, Wartehäuschen, Verkaufskioske und Werbeanlagen), existierten nicht und seien von der Behörde auch nicht angeführt worden. Die Behörde habe infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Errichtung von Nasszellen unter die gemäß § 18 Abs. 3 NÖ ROG 1976 auf öffentlichen Verkehrsflächen zulässigen Bauwerke falle. Die belangte Behörde habe zum einen die Rechtslage verkannt und zum anderen sei ihr in diesem Zusammenhang mangelnde Sachverhaltsfeststellung und mangelhafte Bescheidbegründung vorzuwerfen.

Wie aus dem unbestrittenen Sachverhalt hervorgeht, beabsichtigt die Beschwerdeführerin, im bestehenden Lagerhaus zwei Nasszellen zu installieren. Es handelt sich dabei daher um einen Einbau in ein bereits bestehendes Gebäude.

§ 18 Abs. 3 NÖ ROG 1976 nennt Bauwerke, die ausnahmsweise auf Verkehrsflächen errichtet werden dürfen, woraus sich ergibt, dass die Errichtung anderer Bauwerke nicht zulässig ist. Damit ist jedoch die hier entscheidende Frage noch nicht beantwortet, inwieweit in solchen Gebieten der nach den gesetzlichen Nutzungsmöglichkeiten zwar nicht "passende", aber gleichwohl konsentierte Altbestand durch einen Einbau baulich verändert werden darf. Die belangte Behörde setzte den hier vorgenommenen Einbau mit der Errichtung eines Bauwerkes gleich und ging damit von der Unzulässigkeit dieser baulichen Maßnahmen auch beim Altbestand aus.

Die NÖ BauO 1996 nennt in § 14 bei der Aufzählung baubewilligungspflichtiger Maßnahmen die Neu- und Zubauten von Gebäuden (Z. 1) und die Errichtung baulicher Anlagen (Z. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn auf alte Keller- und Fundamentteile aufgebaut wird, ein Zubau jede Vergrößerung eines Gebäudes in waag- oder lotrechter Richtung. Nach § 4 Z. 3 NÖ BauO 1996 ist ein Bauwerk ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist; nach § 4 Z. 4 leg. cit. sind bauliche Anlagen alle Bauwerke, die nicht Gebäude sind.

Es kann dahin stehen, ob der Einbau von Nasszellen unter den Bewilligungstatbestand des § 14 Z. 4 NÖ BauO 1996 (Abänderung von Bauwerken, wenn u.a. die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt werden können) oder unter den Anzeigetatbestand des § 15 Abs. 1 Z 2 leg. cit. (Änderung des Verwendungszweckes von Bauwerken oder deren Teilen ohne baubewilligungsbedürftige bauliche Abänderung, wenn hiedurch u.a. Festlegungen im Flächenwidmungsplan oder die hygienischen Verhältnisse betroffen werden können) fällt. Vor dem Hintergrund des Verständnisses der Begriffe "Errichtung" und "Bauwerk" in der NÖ BauO 1996 ist nämlich jedenfalls davon auszugehen, dass der Einbau von Nasszellen in ein bestehendes Gebäude keine "Errichtung eines Bauwerkes" darstellt.

Eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 18 Abs. 3 NÖ ROG scheidet daher aus, weil diese Bestimmung über die Zulässigkeit der Vornahme von Einbauten in bereits bestehende Gebäude keine Aussage trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof hat aus dem Recht des Eigentümers einer Liegenschaft, seine Sache nach Willkür zu benützen (§ 362 ABGB), den Grundsatz der Baufreiheit abgeleitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 94/06/0245 mwN), der es dem Eigentümer (bzw. mit seiner Zustimmung auch einem Dritten) gestattet, jeden mit dem Gesetz in Einklang stehenden (§ 364 Abs. 1 ABGB) Bauwillen zu realisieren. Die diesbezüglichen Eigentümerrechte genießen auch den Grundrechtsschutz des Art. 5 StGG (vgl. VfSlg. 8603, 9306) bzw. des Art. 6 MRK (vgl. EGMR 25. Oktober 1989, Allan Jacobsson, ÖJZ 1990, 246). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind daher gesetzliche Beschränkungen im Zweifel zugunsten der Baufreiheit auszulegen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0172, und vom 17. Jänner 1989, Zl. 88/05/0134) und ist vom Fehlen einer (gesetzlichen) Beschränkung der Freiheitssphäre des Eigentümers auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 1991, Zl. 90/05/0145).

Die Vereinbarkeit eines Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan ist daher im Zweifel (d.h. bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung) zu bejahen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1991, Zl. 89/05/0119). Es kann somit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber jegliche Bauveränderung bei bestehenden, der (nunmehrigen) Widmung nicht entsprechenden, aber konsentierten Gebäuden auf Verkehrsflächen nach § 18 NÖ ROG 1976 ausschließen wollte, zumal die Berücksichtigung des Altbestandes bei Planungsmaßnahmen der örtlichen Raumordnung ausdrücklich aufgetragen ist (vgl. die in § 13 NÖ ROG 1976 näher geregelte Bestandsaufnahme als Grundlage des örtlichen Raumordnungsprogrammes).

Weder der Wortsinn des Begriffes "Errichtung" noch die Systematik des Gesetzes legen somit unter Beachtung grundrechtlicher Anforderungen die Annahme nahe, dass bei widmungsfremden aber konsentierten Gebäuden auf einer Verkehrsfläche jegliche Baumaßnahme unzulässig wäre. Umgekehrt ist aber auch nicht von der uneingeschränkten Zulässigkeit solcher Maßnahmen (hier: der Einbau von Nasszellen) auszugehen. Es ist vielmehr auf die aus der Flächenwidmung hervorgehende, beabsichtigte (eingeschränkte) Nutzung Bedacht zu nehmen:

So sind errichtungsgleiche Maßnahmen (wie z.B. die Wiedererrichtung eines abgebrochenen Gebäudes, Zubauten entsprechenden Ausmaßes oder die Änderung des Verwendungszweckes, zB. hier denkbar: von der Verwendung Lagerhaus in eine Wohnnutzung oder in eine Nutzung als Gaststätte) jedenfalls unzulässig; bei anderen baulichen Maßnahmen wird nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen sein, ob und welche nachteiligen Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeiten im Sinne der Flächenwidmung die beabsichtigte Bauführung nach sich ziehen wird. Das Ergebnis dieser Prüfung ist gegen die berechtigten Interessen des Eigentümers an der Erhaltung und Instandhaltung des Bauwerkes, einschließlich seiner Anpassung an die zeitgemäßen Anforderungen einer funktionsgerechten Nutzung (hier: als Lagerhaus) abzuwägen. Den zuletzt genannten Interessen wird jedenfalls dann ausschlaggebende Bedeutung zukommen, wenn mit der baulichen Maßnahme keine Erweiterung der Nutzung verbunden ist und damit keine den raumordnungsrechtlichen Interessen, die dem Errichtungsverbot zugrunde liegen, stärker widersprechende Situation geschaffen wird (vgl. auch dazu das in einem ähnlichen Zusammenhang zur Steiermärkischen Bauordnung ergangene, bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1995).

Wie sich schon aus den bisherigen Ausführungen ergibt, setzt dies aber das Vorliegen eines konsentierten Altbestandes voraus. In den vorgelegten Verwaltungsakten, die die Aktenvorgänge betreffend das Lagerhaus seit 1959 dokumentieren, ist eine Baubewilligung für das Lagerhaus selbst nicht enthalten. Feststellungen dazu fehlen im angefochtenen Bescheid. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher die Frage, ob es sich beim Lagerhaus um einen konsentierten Altbestand handelt, derzeit nicht beurteilen.

Da die belangte Behörde - ausgehend von ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung, dass auch Einbauten am vorhandenen Gebäude schlechthin unzulässig seien - weder den Konsens für das Lagerhaus selbst festgestellt noch die oben dargestellten Umstände der Zulässigkeit des Einbaus geprüft hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Der EGMR hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 2. September 2004, Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext: any hearing at all) erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/05/1519, mwN).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. November 2006

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Besondere Rechtsgebiete Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006050141.X00

Im RIS seit

05.12.2006

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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