TE Vwgh Erkenntnis 2006/11/14 2004/01/0207

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Veröffentlicht am 14.11.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;
VwGG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Pelant, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Matt, über die Beschwerde des S T in W, geboren 1984, vertreten durch Dr. Kurt Freyler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilerstätte 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 30. Dezember 2003, Zl. 241.212/0-III/09/03, betreffend §§ 7 und 8 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als mit ihm gemäß § 8 AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia für zulässig erklärt wurde (Spruchpunkt 2.), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Gambia, reiste am 16. Juni 2003 in das Bundesgebiet ein und beantragte an diesem Tag die Gewährung von Asyl.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 14. August 2003 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia gemäß § 8 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Mit dem - ohne Durchführung einer Berufungsverhandlung erlassenen - angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt 1.). Außerdem stellte sie gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Gambia zulässig sei (Spruchpunkt 2.).

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung - ausgehend von dem als glaubwürdig erachteten Vorbringen des Beschwerdeführers - in sachverhaltsmäßiger Hinsicht zu Grunde, der Beschwerdeführer sei ein Staatsangehöriger von Gambia; er habe in Gambia in der Landwirtschaft seines Vaters gearbeitet. Eines Tages habe der Beschwerdeführer auf einem Feld seines Vaters Abfälle verbrannt; das Feuer sei jedoch außer Kontrolle geraten; dadurch seien einige im fremden Eigentum stehende Kühe verbrannt. Der Eigentümer dieser Kühe - mit dem es zuvor bereits zu Auseinandersetzungen über ein Feld gekommen wäre - habe danach vom Beschwerdeführer Schadenersatz gefordert. Da dieser jedoch keinen Schadenersatz habe leisten können, habe er Verfolgungshandlungen seitens dieses Eigentümers befürchtet. Zu Spruchpunkt 1. (Asylteil des angefochtenen Bescheides) ging die belangte Behörde davon aus, die befürchteten Verfolgungshandlungen würden keine Asylgewährung ermöglichen, weil die dargelegte, ausschließlich "zivilrechtliche Problematik" keinen in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund erfülle.

Zur Entscheidung nach § 8 AsylG (Spruchpunkt 2.) führte die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtslage (sowie einiger Rechtssätze aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes) aus, das "Refoulement-Verbot" setze voraus, dass die dort umschriebene Gefahr für den Fremden vom Staat ausgehe; eine Bedrohung, die ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von Privatpersonen ausgehe, würde nicht darunter fallen. Die Tatbestandselemente des § 57 Abs. 2 FrG würden vorliegend nicht verwirklicht, weil "das Vorbringen keine in Gambia verbundene Bedrohungssituation im Sinne des § 57 Abs. 2 FrG aufweist". Zu § 57 Abs. 1 FrG hätte der Beschwerdeführer das Bestehen "einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter" glaubhaft machen müssen. Er habe jedoch eine Bedrohungssituation im Sinne des "§ 57 Abs. 1 AsylG" (gemeint: FrG) nicht darstellen können; es sei ihm nämlich nicht möglich gewesen, Indizien dafür aufzuzeigen, dass er Gefahr liefe, in Gambia für den Fall der Rückkehr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unter Zugrundelegung der Behauptungen des Beschwerdeführers - Furcht vor Verfolgung durch den Eigentümer der getöteten (verbrannten) Kühe - kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung im Herkunftsstaat aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, die gemäß § 7 AsylG Voraussetzung für die Gewährung von Asyl ist, weder behauptet noch glaubhaft gemacht hat. Der Abweisung des Asylantrages begegnen daher - auch unter Berücksichtigung der Beschwerdeausführungen - keine Bedenken.

In der Beurteilung der Voraussetzungen des § 8 AsylG iVm § 57 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde hingegen die Rechtslage verkannt.

Dadurch, dass sie die Rechtsansicht vertrat, unter dem Blickwinkel des § 57 Abs. 1 FrG müsse der Antragsteller (Fremde) eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte Bedrohung glaubhaft machen, bzw. es falle eine Bedrohung, die ohne Billigung durch staatliche Stellen nur von Privatpersonen ausgehe, nicht unter das "Refoulement-Verbot", belastete sie den angefochtenen Bescheid in seinem Spruchpunkt 2. mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2002/01/0262). Durch diese Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde nicht geprüft, welchem Risiko der Beschwerdeführer im Heimatstaat ausgesetzt wäre, bzw. ob ihm - seinem Vorbringen zufolge - vor dem bedrohenden "Mann" (bzw. dessen Verwandten) staatlicher Schutz zuteil werden würde (vgl. auch die hg. Erkenntnisse jeweils vom 22. August 2006, Zl. 2005/01/0718, und Zl. 2005/01/0728).

Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides war aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 14. November 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004010207.X00

Im RIS seit

12.12.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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