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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.339,88 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Die Beschwerdeführer sind gemeinsam Eigentümer einer Liegenschaft im Gebiet der Marktgemeinde Zeillern. Mit Bescheiden vom 1. Februar 2001 trug ihnen der Bürgermeister den Anschluß ihrer Liegenschaft an den neugelegten Schmutzwasserkanal auf.
Mit Bescheid vom 20. März 2001 faßte der Gemeindevorstand aufgrund einer dagegen gerichteten Berufung der Beschwerdeführer den Spruch des Bescheides neu, beließ es aber bei einem Auftrag zum Anschluß an den Kanal.
1.2. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer eine Vorstellung an die Niederösterreichische Landesregierung, die mit Bescheid vom 27. September 2001 abgewiesen wurde. Begründend berief sich die Landesregierung auf §62 Abs2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums, auf freie Erwerbsbetätigung und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung verfassungswidriger Gesetze behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie für die Abweisung der Beschwerde eintritt.
Die Marktgemeinde Zeillern hat eine Äußerung erstattet, in der sie gleichfalls die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 12. Juni 2002, G 322,360,361/01, §62 Abs2 erster und zweiter Satz der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 idF der 1. Novelle als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 5. März 2002. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 14. November 2001 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig. Der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wandte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 359,70 sowie der Ersatz der entrichteten Gebühr gemäß §17a VfGG von € 181,68 enthalten.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B1537.2001Dokumentnummer
JFT_09979374_01B01537_2_00